Samstag, 17.06.2006

Durch den guten Lauf gestern haben wir uns ein stattliches Zeitpolster „erfahren“. Aber zu Lasten des Wunsches nach etwas Ruhe und Abwechslung von eintönigen Fahrerei! Darum werden wir es heute wieder etwas ruhiger angehen lassen!
Wie von uns geplant, liegen wir mit unserem „Traumschiff“ aktuell kurz vor Trondheim und werden nun die erste größere Stadt seit Rovaniemi in Finnland besichtigen.
Mal sehen, ob wir als Stadtmenschen überhaupt noch taugen, oder ob wir als Landstreicher oder Vagabunden verhaftet werden…


Nachdem wir die mittlerweile zur Routine gewordenen Dinge wie Duschen, Frühstück, Aufräumen und Abfahrbereitschaft herstellen erledigt haben, kommen wir sogar zeitig vom Campingplatz weg.
Die kurze Distanz von vielleicht 30km bis Trondheim legen wir auch recht schnell zurück und wir erreichen schon gegen 11 Uhr die Stadt.

Anja hatte sich ja gestern in Steinkjer eine Karte für Trondheim besorgt.
Obwohl Karte ist zuviel gesagt, wir haben eine Tour-Guide für Trondheim bekommen. Ein kleines Heftchen, welches die Sehenswürdigkeiten von Trondheim anpreist und dazu einen stark vereinfachten Kartenausschnitt bereit hält.
Na besser als nichts, damit lässt sich doch etwas anfangen.
So finden wir auf Seite 31 eine Strichzeichnung einer Karte.
Da dort auch ein paar Parkplätze eingezeichnet sind, versuchen wir einen der Parkplätze zu erreichen.
Das gestaltet sich allerdings als ziemlich schwierig, denn das Wohnmobil ist dick und groß oder die Straßen sind hier in Trondheim enger, als im übrigen Norwegen.
Man muss echt gut aufpassen, dass man keine Radfahrer oder Fussgänger überfährt. Zu allem Überfluss geht es auch mit den anderen Autos auf den Straßen wieder hektischer zu.
Ampelschaltungen, Stop&Go und Schilder…
Eine reine Informationsüberflutung! Ich bin es gar nicht mehr so recht gewohnt in einer Stadt per KFZ unterwegs zu sein, geschweige denn mit dem großen Wohnmobil.

Irgendwann ist es natürlich passiert, wir haben uns komplett verfahren und stehen am komplett falschen Ende der Stadt. So war das nicht geplant.
Aber zum Glück findet Anja recht schnell die Orientierung wieder und lotst uns gekonnt auf einen etwas abseits gelegenen Parkplatz am Leuthenhaven.
Wir haben sogar Glück, am hinteren Ende sind einige Parklücken, die groß genung für unser Wohnmobil sind.
Ist zwar nicht als offizieller Parkplatz für Wohnmobile ausgeschildert und das hintere Heck des Womos steht leicht über der Markierung, aber weil hinter uns nur Wiese ist, können wir mit dem Überhang auch ruhig etwas über stehen.
Dann kommt zwangsläufig das auf uns zu, was man in jeder größeren Stadt antrifft: Parken kostet Geld!
Und so bezahlen wir (nachdem wir um 11:20 Uhr das Wohnmobil abgestellt haben) 62 Kronen für 3 Stunden Parken.
Tut weh. Weniger das Geld, aber die Tatsache, dass die Kronen vom Wert her „so hoch“ sind.
Man stelle sich 62,- irgendwas fürs Parken vor.
In Euro wohl mit wenig Verständnis behaftet (außer vielleicht am Flughafen), sorgen die augenscheinlich hohen Summen doch noch immer für eine gewisse Kaufzurückhaltung.
62,- Kr ist vielleicht nicht sooo viel (knapp 8,- €), aber wie gesagt, die Höhe der Summe machts…

Aber egal, nun geht es endlich los Trondheim zu Fuß zu entdecken:
Schon bei der Zufahrt ist uns ja aufgefallen, wie sehr wir doch in den letzten Tagen abseits der Zivilisation unterwegs waren.
Nun verstärkt sich der Anblick noch in Anbetracht der Tatsache, dass wir uns einer echten zwar autofreien dafür aber menschenleeren Fussgängerzone gegenüber konfrontiert sehen.
Das ist vielleicht kaum zu glauben, aber erstmal ist das ganz schön ungewohnt!

Direkt am Marktplatz befindet sich eine Touristeninformation, die geöffnet hat. Hier decken wir uns erstmal mit weiteren Reiseführern ein und bekommen sogar einen viel besseren Stadtplan in die Hand gedrückt, mit dem wir uns nun in Trondheim zu Fuß optimal bewegen können.
Der Stadtplan war kostenlos, alle Sehenswüridgkeiten sind darin eingezeichnet. Perfekt!

Und so beginnen wir die Tour mit einem ersten Ausblick auf das Haus Stiftsgärden, ein imposantes Holzhaus aus dem 18 Jahrhundert, welches heute als der königlichen Familie von Norwegen als Residenz dient, wenn diese sich in Trondheim aufhalten. Das Haus liegt unmittelbar an der Fussgängerzone und wirkt durch das ganze Grün drumherum ein wenig wie ein ruhender Pol in der Hektik der Großstadt. Schade, dass man den Garten nicht betreten darf. Dort ist es sicherlich wunderschön!

         
Stiftsgarden, die königliche Residenz…                                     Anja probierts, doch leider ist das Tor zu   🙁

Von hier aus sind es nur wenige Schritte bis in die quirlige und geschäftige Fussgängerzone.
Und während wir uns noch umsehen und orientieren, ist unsere Anwesenheit offenbar nicht ganz unentdeckt geblieben.
Denn plötzlich taucht aus dem Nichts ein Spielmannszug mit Fahnenschwingern und Musikern auf, die sich geradewegs auf dem Weg zu uns befinden.
Oh-weia, darauf sind wir doch gar nicht vorbereitet!
Während ich schon gedanklich an einer kleinen improvisierten Rede im Kopf arbeite, müssen wir allerdings erkennen, dass die Parade wohl doch nicht uns gegolten hat.
OK ok, so ganz habe ich daran natürlich nicht geglaubt, aber es wäre nett gewesen… 😉

         
Unterwegs in der Fussgängerzone:                                         Eine Parade nur für uns? Das wäre doch nicht nötig gewesen…

Durch die Fussgängerzone durch erreichen wir als nächstes den Hafen.
Hier schauen wir uns genauer um, denn der Hunger meldet sich. Anja hat sich schon auf dem Weg zum Hafen einen kleinen süßen Snack bei einem Bäcker besorgt, so eine Art gefüllter Krapfen (oder Berliner) mit Vanillepudding. Sah lecker aus, aber ich mag mir den Hunger im Bauch für ein leckeres Fischbrötchen aufheben, wenn wir noch eins bekommen.
Nach einigem Suchen finden wir auch schlussendlich die Markthallen Ravnkloa.
Für einen im Reiseführer genannten „Ab-Boot-Verkauf“ sind wir aber wohl mit 12 Uhr deutlich zu spät.
Und so beschränken wir uns auf einen Besuch der Fischhallen (also die Markthallen Ravnkloa), um dort etwas leckeres zu entdecken.
Aber leider werden wir enttäuscht. Nicht nur, dass das Preisniveau doch recht hoch ist (die hohen Kronenbeträge sind noch immer irritierend), leider ist der Fisch auch zum größten Teil roh.
Ein Freund von Sushi war ich noch nie und für ein Lachsbrötchen fehlt uns das Brötchen…
Die Norweger kaufen hier fleissig, also kann es nicht schlecht sein, wer also in oder um Trondheim auf der Suche nach frischem Fisch ist, der kann ja mal einen Blick in die Markthallen am Hafen werfen.
Aber wie gesagt, der Fisch ist roh und unbehandelt, einige Fische könnten wir uns sogar direkt aus einem überdimensionierten Teichbecken (man guckt sich seinen Fisch von oben aus) auswählen. Die armen Fische, einer ruft um Hilfe! Anja würde am liebsten alle kaufen und diese dann im nahegelegenen Wasser frei lassen.
Kurz überlegt: Fische freikaufen gegen Wohnmobil schieben? Nee, das geht nicht… Aber jetzt noch einen Fisch essen? Das geht auch nicht.
Nicht nur, weil wir nun in die Augen unserer Opfer geschaut haben, sondern auch, weil es schlichtweg kaum ein Angebot an fertig zubereiteten und essfertigen Portionen vorfinden. Der Fisch hier ist für die Selbstzubereitung gedacht.
Wir müssen uns also einen anderen Mittagssnack suchen.

         
In der Nähe des Hafens, logisch…                                           Die Markthallen Ravnkloa mit allerlei Fischangeboten

Einen anderen Mittagssnack finden wir auf unserem Weg zum Nidarosdom. Wir kommen nämlich an einer Art Schnellimbiss / Cafe / Bäckerei vorbei, wo man auch fertige Hot-Dogs kaufen kann.
Und da ich weiß, dass gerade die Hot Dogs besonders lecker sind, schlage ich auch gleich zu.
Mmmh, mjam, der erste Hunger wird damit gestillt.
Anja ist hingegen mit den ständigen Hot-Dogs (seit nunmehr 3 Tagen fast am Stück) gar nicht mehr einverstanden: „Wie, schon wieder Hot-Dog?“ 😮    „Wie meinst du das? Schon wieder… die sind doch lecker, mjam!“
Meiner schmeckt gut und so halte ich Anja meinen selbst belegten (man kann den Belag selber auswählen!!) Hot-Dog mit Genuss unter ihre Nase: „Komm probier doch mal!“ Natürlich muss ich dabei aufpassen, dass das nicht nur ein Trick war, denn wenn sie nun zubeißt, dann ist mein Hot-Dog weg…
Aber Entwarnung, für Anja finden wir in einem McDonalds auf dem Weg zum Nidrasdom (in Höhe des Marktplatzes), dort besorgt sie sich einen Burger.

Zurück zum Dom: Im allgemeinem ist man als beinahe-Kölner ja domverwöhnt. Wer kennt ihn nicht, den berühmten Kölner Dom? Aber auch für die eher kleineren Dome im Vergleich zum Kölner Dom muss sich dieser hier wirklich nicht verstecken.
Der erste Eindruck von den Bildern, die wir uns gestern Abend angesehen haben, wird nochmals verstärkt. Ich bekomme den Dom nicht komplett auf das Bild drauf. Ich muss hochkantige Bilder machen oder Teile des unteren Teils des Doms auslassen.
Besonders die Fassade des Doms hat es uns angetan.
Sie ist so artenreich an Figuren und reichhaltig verziert, dass man bestimmt Tage oder sogar Wochen bräuchte, um sich die Geschichte erzählen zu lassen, die diese Figuren versuchen hier durch Gestalt und Ausdruck dem interessierten Besucher näher zu bringen.
Nebenan findet sich übrigens auch die erzbischöfliche Residenz, die auf uns wie ein Kloster wirkt. Und dort wohnt ein Bischof? Naja, als Bischof kann man sich sein Haus ja auch nicht immer aussuchen.
Rund herum ist eine Menge Trubel und wir sind nicht sicher, ob uns der Besuch einer klösterlichen Anlage bei dem schönen Wetter zusagt. Kurz überlegt… Nö! Wir bleiben in der Sonne und spazieren weiiter durch die Stadt.

              
Der Nidarosdom mit seiner beeindruckenden Westfassade              So viele Figuren…

Der Rundgang durch Trondheim führt uns vom Plateau des Nidarosdoms direkt durch eine parkähnliche Anlage an das Ufer des Nidelva, des Flusses, der durch Trondheim fließt.

Wie zu erwarten war befindet sich nämlich die berühmte Holzbrücke von Trondheim, die Brybua von 1861 nämlich an genau diesem Flussufer. Die Brücke ist vom Dom aus nur wenige Gehminuten entfernt. Ganz easy.
Und was haben wir für ein Glück mit dem Wetter!
Pünktlich zum Stadtbesichtigungstag kommt die Sonne nunmehr mit ganzer Kraft durch die Wolken und vom grauen regnerischen Einerlei der vergangenen Tage ist nichts mehr zu sehen.
Im Park zwitschern die Vögel von den Bäumen, es sind angenehme Temperaturen und die Sonne lacht.
So ist es kein Wunder, dass wir uns auf der Brücke für ein längeres Fotoshooting aufhalten.
Die Brücke ist übrigens natürlich nicht mit dem PKW oder gar mit dem Wohnmobil befahrbar.

Die Aussicht von der Brücke über den Fluss Nidelva und über die alten Häuser ist wirklich toll.
Fast kann man den Charme früherer Seefahrer und Kleinschiffer spüren, die früher einmal die urigen Kontore benutzt haben, um ihre Ladung zu löschen oder neue aufzunehmen.
Auch wenn das damals bestimmt ein Knochenjob war so ein Schiff zu entladen.

         
Die Brücke Brybua von er Seite…                                            …der Zugang…

         
…auf der Brücke…                                                                …Blick zur Seite…

    
…und Blick über den Fluss mit den alten aber liebevoll restaurierten Kontoren und Warelager vergangener Jahre

Nachdem wir die Brücke überquert haben, erreichen wir wenige Minuten später die nächste Attraktion von Trondheim.
Der 1993 errichtete Fahrradlift (Trampe) ist nach Auskunft des kleinen Reiseführers weltweit erstmals hier in Trondheim gebaut worden. Aha!
Dabei wirken die Norweger gar nicht auf mich, als wären sie ein Volk von Radfahrern.
In den Niederlanden hätte ich einen Fahrradlift ja noch verstanden, andererseits ist dort plattes Land.
Interessant ist besonders die doch recht eigenwillige Konstruktion.
So muss man sich in der örtlichen Touristeninfo eine Karte für die Benutzung besorgen, die einmalige Benutzung ist kostenlos (Stand 2006!). Nachdem man den Lift aktiviert hat, fährt an der Talstation eine Art Fussbrettchen aus.
Hierauf stellt man seinen rechten Fuss und hält dabei gleichzeitig das Fahrrad fest. Die Platte ist über einen Seilzug mit einem Kabel verbunden, das unten in einem Kabelschacht den Berg hinauf gezogen wird.
Theoretisch hört sich das ja ganz einfach an, aber praktisch ist die Durchführung wohl nur was für geübte!

Wir sind so Zeuge eines unfreiwillig komischen Auftritts eines Radfahrers, der sich den Berg hinauf ziehen lassen wollte.
Er hat es auch geschafft die ersten Meter mit dem Lift zurück zu legen, dann aber verlor er den Halt zum Fussbrettchen und musste fluchend seine „Mitfahrgelegenheit“ sausen lassen. Er hat auf norwegisch geflucht, was wir natürlich dadurch nicht weniger lustig fanden. 🙂

Wer sich für den Fahrradlift interessiert kann sich folgende Webseite mal näher ansehen:
(in englisch, es gilt der Haftungsausschluss / Disclaimer für externe Links, den sie unter Links nachlesen können, der folgende Inhalt ist nicht Teil des online-Inhaltes von www.transitfrei.de): Trampe

             
Die Talstation des Fahrradliftes                                                    Hier geht es dann etwa 130 Meter den Berg rauf

Nachdem wir nun so ziemlich alle Sehenswürdigkeiten der Stadt gesehen haben führt uns der Rundweg wieder zurück zum Marktplatz. Hier holen wir uns erstmal ein lecker Eis, welches passend zur Sonne wunderbar schmeckt!

Von hier aus gehen wir nun schnurrstracks zurück zum Wohnmobil, denn eine weitere Besichtigung steht ja noch aus.
Die Festung Kristiansten steht nun noch als letzter Punkt auf unserer Trondheim-To-Do-Liste.
Zeitig sind wir mit dem 3-Stunden Parkticket ganz gut hingekommen, die Uhr zeigt uns kurz vor 2, als wir vom Parkplatz rollen.
Der Weg zur Festung ist etwas schmal und ziemlich steil, wir müssen aufpassen, dass wir nirgendwo anecken oder hängen bleiben. Aber zu unserem Glück haben wir keinen Gegenverkehr. Es ist mir ein Rätsel, wie hier die Reisebusse rauf fahren, den diese finden wir auf dem großen Parkplatz vor der Festung ebenfalls vor.
Den Stellplatz, der eine tolle Aussicht auf die Stadt und die Festung ermöglichen soll, haben wir nicht gefunden. Ist aber auch nicht schlimm, wir stehen auf dem Parkplatz perfekt. Aber: Das Übernachten für Wohnmobile ist verboten!

Interessant und erwähnenswert sind auf jeden Fall die recht eigenwilligen Öffnungszeiten der Festung.
So ist die Festung in der Woche von Mo-Di dann für den Besuch freigegeben, wenn die Flagge gehisst ist.
Die restlichen Wochentage (Mi-So) haben wir dann wenigstens Öffnungszeiten, mit denen auch der einfache deutsche Tourist etwas anfangen kann: 8-24 Uhr. Der Eintritt auf das Festungsgelände war kostenfrei. Es gibt auch Innenräume, ob die was kosten kann ich allerdings nicht sagen, diese haben wir nicht besichtigt.
Die Festung selbst wurde laut Reiseführer 1681 erbaut und bewahrte Trondheim im Jahre 1718 vor schwedischer Eroberung.

Mit Zahlen und Fakten können wir natürlich nur wenig anfangen und erfreuen uns lieber am wirklich schönen Ausblick über die Stadt Trondheim.

    
Blick über Trondheim von der Festung Kristiansten aus

Das Areal der Festung ist recht weitläufig. So ist vieles der ehemaligen Mauern und Wände mittlerweile vom grün überwuchert. Man kann hervorragend spazieren gehen, auf den Wiesen picknicken oder einfach nur faul im Gras liegen und es sich gut gehen lassen. Den Norwegern dient die Feste offenbar ebenfalls nicht mehr als Schutz vor den bösen Schweden, sondern eher als Ruhepol und Naherholgsgebiet einer modernen quirligen Stadt.
Viele liegen neben uns im Gras und lassen die Sonnenstrahlen auf sich wirken.
Aber auch Picknickbänke, Spielgeräte, ein Sandkasten und divere andere Freizeitmöglichkeiten laden zum gemütlichen Verweilen ein. So wie wir bei uns in Deuschland einen Stadtpark haben, scheint der Stadtpark Trondheims hier in die Festung integriert zu sein.
Anja findet besonderen Gefallen an einer alten Kanone, aber ganz ehrlich, die lädt aber auch zum Klettern ein…
Schön wenn man aus altem Kriegsgerät nun noch eine Verwendung als Klettergerüst für Kinder und große Kinder gefunden hat.

         
Wir besichtigen die alten Festungsmauern                                 viel grün wächst heute auf ehemaligen Schutzwällen

    
Das „Freizeitangebot“ der Festung Kristiansten

         
Rauf auf die Kanone…                                                            Baronin von Münchhausen?

Die Besichtigung der Burg stellt unseren Abschluss des Trondheim- Besuches dar.
Von hier aus geht es nun gegen kurz vor 3 wieder auf die E 6 weiter in Richtung Süden.
Trondheim hat uns wirklich gut gefallen und wirkte wie eine Rückversicherung oder mehr bildlicher wie eine Sprungfeder zurück in die Zivilisation.

Um so erstaunter sind wir dann darüber, dass es auf dem nächsten Teilstück der E 6 weit weniger hektisch zugeht, wie noch am Vortag. Aber das könnte mit Sicherheit daran liegen, dass heute Samstag ist. Freitags nach der Arbeit ist bei uns in Deutschland ja auch Hektik auf der Bahn, da wollen alle heim ins Wochenende. Das dürfte hier nicht anders sein.
So erfreuen wir uns aber an einer freien E 6, auf der wir trotz später Stunde noch ein ganzes Stück voran kommen.
So mag ich das.
Die E 6 ist zwischen Trondheim und Lillehammer auch wieder definitiv was fürs Auge. Sie führt uns nicht mehr dicht am Meer entlang, sondern ebnet sich den Weg durch Höhenzüge und Wälder. Neben der E 6 haben wir oft Kontakt zu einem kleinen Fluss, der mich sofort an den „Lachs-Spring-Fluss“ aus meiner Phantasie erinnert. Lachse können ja den Fluss herauf schwimmen und springen bei Steigungen den Flusslauf hinauf. Und wenn ich mir das so vorstelle, dann kann das genau hier passieren. Meine Vermutung bestätigt sich. Zwar sehen wir keine Lachse springen, aber nach jeder Biegung entdecken wir neue Angler, die im Fluss nach Fischen angeln.
Dann führt neben uns auch eine Bahnstrecke lang. Immer mal wieder unterbrochen durch kleine Bahnstationen, die sich urig in die Landschaft einfügen. So hat zum Beispiel ein Bahnhof das Dach komplett mit Gras bewachsen. Das sollte man mal mit nach Deutschland nehmen, da wird Bahnfahren gleich zum Erlebnis.

         
Der perfekte Platz zum Fische fangen?                                     kleine schnuckelige Bahnstation mitten im Grünen (Grasdach!)

Gegen kurz vor 5 halten wir an einer kleinen Verkausbude am Wegesrand an.
Die Buden werden schon ein paar Kilometer vorher durch bunt bemalte Schilder angekündigt und weisen darauf hin das angeblich Beste aus original samischer Tradition hergestellten Handwerks zu verkaufen.
Eine Touristenfalle, keine Frage. Und normalerweise braucht man dort auch nicht anhalten, aber ein Büdchen hat es geschafft, dass wir doch angehalten haben. So hat man hier ein paar Rentiere als Werbemittel, perfekt am Straßenrand angebunden, in Szene gesetzt.
Also kurz angehalten und den Tieren nebst Mini-Shop einen kleinen Besuch abgestattet.
War eh Zeit für eine PP und so hat man noch einen Grund sich mal die Beine zu vertreten, immerhin sind wir schon wieder seit 2 Stunden unterwegs auf der malerischen E 6.
Die Tiere sind offenbar an Menschen gewöhnt, wir dürfen uns den Tieren nähern. Diese haben keine Angst, lassen sich durch uns nicht beeindrucken. Einer von beiden schaut mal kurz auf, der andere frisst sich an der reichhaltigen Auswahl an Blumen und Kräutern unbeirrt satt.

         
Verkaufsbuden an der E 6 mit einer Ausnahme:                       Hier ziehen Rentiere die Aufmerksamkeit auf sich

         
Der ist ganz lieb und tut nix…                                                 genau, friß du nur weiter die leckeren Kräuter

Weiter geht es auf der E 6 immer am Fluss entlang. Wieder haben wir einige atemberaubende Ausblicke auf den Fluss.
Was vor etwa 50km noch ein plätschernder kleiner Fluss war, wird nun zum reißenden Strom. Die Angler aber halten weiter am Fluss fest.
Immer wieder sehen wir sie am Ufer oder mit Gummihose auch im Wasser stehen.
Schade nur, dass wir nicht anhalten können. Denn meist stehen die Angler abseits von Parkplätzen und ohne direkt erkennbaren Zugangsweg. Wird wohl seinen Grund haben…

Weiter auf der E 6 haben wir weitere wunderschöne Ausblicke auf dieses fantastische Land. So führt die E 6 erneut über Hochebenen und durch Bergketten hindurch, dass man sich wieder in den südlichen Alpenländern wähnt. Norwegen ist wirklich ein Land der Extreme! Wir waren noch vor ein paar Stunden in einer kleinen Hafenstadt am Meer (oder besser am Fjord) spazieren und nun fahren wir schon wieder mitten durch die Berge. Faszinierend!

         
ein reißender Strom…                                                            …mit teils abenteuerlichen Brücken

    
In der Ferne die Berge mit Eis und Schnee: Eindrücke der E 6

Unterwegs machen wir Bekanntschaft mit einer hier weit verbreitenen Kirchenart. Der Stabkirche.
So besteht diese Kirche meist aus einem stabilen Stab oder besser Mast, um den dann eine Holzkonstruktion gebaut wird.
Die ersten Kirchen dieser Art sollen sogar noch aus der Zeit der Wikinger stammen. Der Mast ist dann Teil des Wikingerschiffes gewesen. Was für eine tolle Vorstellung!
Die hier von uns vorgefundene Kirche könnte allerdings mal einen Klecks Farbe vertragen, denn besonders schön ist sie nicht.
Auch die Lage direkt neben der E 6 ist sicherlich nicht gerade förderlich für den Erhalt der Kirche.
Aber so haben wir wenigstens mal eine Stabkirche gesehen. Vielleicht haben wir ja Glück und sehen noch weitere Stabkirchen.
Wir verdanken den kurzen Stop gegen kurz vor 6 übrigens Anja.
Sie hatte die unscheinbare Kirche zwischen Tankstelle, Touristenfalle und Landstraßenhotel ausgemacht und mich so gebeten hier mal kurz anzuhalten. Ich wäre glatt blind daran vorbei gefahren.

           
kurzer Stop am Wegesrand:                                                     Ein erhabener Ruhepol am Straßenrand: die Stabkirche

Mit Sorge schauen wir in den Himmel und müssen leider mit ansehen, wie sich das Wetter immer weiter verschlechtert. Wir hatten heute während des Stadtausflugs Glück, sollten uns eigentlich nicht beklagen, aber wenn nun wie hier wieder Regen aufzieht, dann macht Fahren auch keine große Lust mehr.
Ein wenig fahren geht zwar noch, aber gegen 20 Uhr ist dann genug des Fahrens für heute.
Wir suchen uns bei Ringebu etwa 40km vor Lillehammer (die alte Olympiastadt!) einen Campingplatz.
Gefunden haben wir den Campingplatz Elstad Camping, wo wir für 170 Kronen die Nacht mit Strom stehen werden.
Anja hat natürlich diesen Platz aus einem weiteren Grund ausgewählt. Gleich nebenan befindet sich eine weitere Stabkirche, die Stabkirche zu Ringebu. Die wollen wir uns dann morgen mal anschauen.
Und danach geht es nach Lillehammer! Die Idee kurz vor einer Stadt einen Campingplatz aufzusuchen und am nächsten Tag gleich als erstes die Stadt zu besichtigen hat heute mit Trondheim hervorragend geklappt. Warum sollte das morgen mit Lillehammer nicht auch klappen?

Dieser Platz ist übrigens endlich wieder ein Campingplatz, so wie ich ihn mir vorgestellt habe.
So haben wir hier an dieser traumhaften Lage am Fluss Lägen ein Stück Campingkultur gefunden.
Entgegen der nördlicheren Campingplätze dominieren hier nämlich nicht mehr die durchfahrenden Wohnmobile, sondern abgestellte Wohnwagen beherrschen den Platz.
Liebevoll eingerichtete Vorzelte und mit kleinen Gartenzwergen und Jägerzaun auf dem platzeigenen Rasen lassen mich gedanklich in eine deutsche Kleingartensiedlung abdriften und so bin ich nicht überrascht, dass es hier zumindest theoretisch (ausgehängt im Servicehaus) sogar Platzregeln gibt.

So richtig mit Nachtruhe und Verbot von offenem Feuer und so.
Und noch ein anderes Detail möchte ich unbedingt erwähnen: Wir haben endlich wieder Kontakt zur deutschen Außenwelt!
Ja richtig, hier funktioniert der TV- Empfang normal und wir können mit der Bordanlage ohne Probleme die deutschen Sender empfangen. Wir haben Pro7, RTL und ZDF im Angebot. Fast wie zuhause und ohne großen Aufwand. Antenne raus, TV- Empfang da…
Die Suche wurde aber auch deutlich erleichtert, weil ein dt. Wohnwagen mit ausgerichteter Antenne (so groß wie unsere) und abendlichem dt. Fernsehton aus dem heimeligen Wohnwagen ankündigte, dass hier auch deutsches Fernsehprogramm möglich sei. Ein klein wenig vermisse ich die baltischen Nachrichten… 😉

Schon komsich, jetzt wo es wieder normal funktioniert will ich gar nicht mehr wissen, was denn zuhause passiert. Das werden wir in ein paar Tagen schon selbst heraus finden.
Und so nutzen wir den frühen Abend (es ist gerade mal 21 Uhr), um frisch geduscht einen kleinen Abendspaziergang an das Flussufer zu machen. Wir müssen uns zwar einiger Mückenangriffe erwehren, aber im großen und ganzen ist das hier wirklich ein total schöner Campingplatz, auf dem man es auch durchaus ein paar Tage aushalten könnte.

         
Campingplatz mit eigenem Steg                                               „wenns was wärmer wär, könnte man drin baden…“

    
oder besser: hier bräuchte man ein Boot für eine romantische Abendtour auf dem ruhigen Wasser.

Zurück am Wohnmobil packen wir sogar trotz später Stunde den Grill aus. Auch unsere Nachbarn haben diverse Kohlengrills startklar gemacht. Wir allerdings grillen auf unserem mitgenommenen Elektrogrill. Geht schnell, man muss hinterher nicht so viel sauber machen und keine Asche entsorgen.
Das Grillvergnügen wird allerdings jäh unterbrochen. Es fängt natürlich an zu regnen 🙁
Jetzt beneiden wir die Dauercamper mit Wohnwagen. Denn diese sitzen in ihrem Vorzelt geschützt und warm und trotzdem noch immer im Freien irgendwie.
Aber wenigstens können wir unseren Grill gegen die Wasserflut von oben schützen, indem wir unsere Markise ausfahren.
Jetzt sind wir wieder Camper! Hah!
Wir fühlen uns hier richtig wohl, keine Ahnung warum. Vielleicht ist es die Tatsache, dass Leben um uns herum passiert.
So spielen Kinder auf den Versorgungswegen, Menschen gehen spazieren und man grüßt wieder jemanden, wenn man im Servicehaus einem anderen Menschen begegnet.

Im Kopf rechne ich sogar durch, dass wir morgen den Tag mal (rein theoretisch natürlich) gar nicht fahren!
Wir könnten auch einfach hier bleiben! Hier mitten im grünen an diesem wunderschönen See.
Vielleicht kann man hier ein kleines Ruderboot bekommen und morgen eine Tour machen?
Oder einfach mal faul in der Sonne liegen und dem süßen Nichtstun fröhnen. Immerhin sind wir seid nunmehr 12 Tagen jeden Tag unterwegs. Irgendwann hat man einfach keinen Bock mehr zu fahren.
Auch „Ankommen“ ist mal nötig. Und hier wäre ein Platz, wo man wirklich die Reise unterbrechen könnte und „ankommen“ kann.
Na, wir werden sehen, wie morgen das Wetter wird.
Aprospos Wetter: Neben dem dt. Fernsehempfang (über den wir uns später am Abend noch im Wohnmobil freuen werden) erleben wir gegen 23 Uhr etwas, was wir schon seit Tagen vermisst haben.
Die Sonne geht unter! Und nicht nur das: Es wird sogar dunkel in der Nacht!
Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal über eine richtige Abenddämmerung freuen würde.
Zum ersten Mal seit Tagen werde ich allmählich von alleine müde (eine schöne Müdigkeit, es ist echt schön müde zu werden!) und falle nicht abgeschlafft und abgekämpft aber wach in den Alkoven.

Endlich kann ich mein müdes Haupt zur Ruhe betten und fühle mich befreit, als würde ein Tag zu Ende gehen, der nunmehr schon seit 6 Tagen anhält. Wunderbar dieses Gefühl! 🙂

    
23 Uhr: Die Sonne geht hinter den Bergen unter, es wird endlich dunkel! Man wie mich das freut! So lässt sich gut schlafen…

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