Samstag, 10.06.2006

Heute ist wieder Fahren angesagt, wir stehen deshalb zeitig auf.
Gleich nach dem Aufstehen mache ich mich zu Fuß auf zur Rezeption, ich will mal schauen, ob wir vielleicht ein paar Frühstücksbrötchen bekommen können.
Leider werde ich bitter enttäuscht.
Die Rezeption hat zu!
Und das um halb 9…
An der Rezeption steht, dass erst ab 9 Uhr geöffnet ist.
Ja herrje, was ist das für ein Schmarrn?
Camper sind doch sonst immer Frühaufsteher, kann mir kaum vorstellen, dass der Laden hier erst um 9 auf macht.
Vor der geschlossenen Schranke stehen bereits 2 Gespanne, die Fahrer warten auf einer Bank vor der Rezeption.
„Chiusso“ bekomme ich zu hören, als ich an der Türe rütteln will.
„Gracie“ antworte ich und mache mich zu Fuß zurück zum Wohnmobil.


         
Der nächste Morgen                                                             unser Roller, wir hatten ja gestern noch gedreht

Ich berichte Anja von dem Malheur und nach kurzer Überlegung entscheiden wir uns das Frühstück ausfallen zu lassen und statt dessen lieber gleich abzureisen.
Wenn die Schranke erst um 9 Uhr auf macht und schon 30 Minuten vorher 2 Leute auf die Ausreise warten, dann wird es sich gleich bestimmt innerhalb der nächsten halben Stunde noch mehr vor der Rezeption füllen.
Also packen wir die Sachen schnell zusammen.
Brötchen kann ich noch immer kaufen, wenn die Rezeption auf macht und wir können unterwegs noch einen Snack einnehmen.

Es ist kurz nach 9, als wir alles gepackt haben und an der Schranke ankommen. Unsere Vermutung bestätigt sich:
Vor uns warten die beiden Gespanne von vorhin, dahinter noch 2 weitere Wohnmobile, also sind mindestens 4 Leute vor mir dran.

Ich betrete die mittlerweile geöffnete Rezeption, es ist kurz nach 9.
Der Backshop hat geschlossen, der Einkaufsbereich ist mit einer dicken Kordel abgesperrt, verkauft wird hier nichts, also hätten wir sowieso keine Brötchen bekommen. Ist bestimmt wie mit dem platzeigenen Imbiss, in der Nebensaison lohnt sich der Betrieb wohl nicht.

Ein Student scheint hier der einzige Verantwortliche zu sein, er sitzt an der Rezeption und scheint es dickes Problem zu haben.
Die Computer funktionieren nicht!

Die Leute vor mir nehmen es mit Humor, Camper haben es offenbar nicht eilig.
Der Student versucht alles, startet erst seinen Rechner, dann den vom Nebenpult.
Die Rechner selber fahren zwar hoch, aber er kann das Rechnungssystem nicht ans laufen bringen.
Er beginnt daraufhin zu telefonieren und die Zeit geht ins Land.

Nach einem schier endlosem Telefonat geht es endlich weiter.
Die Rechner funktionieren noch immer nicht, dafür hat die Schlange der Fahrzeuge an der Schranke deutlich an Länge zugenommen und schlängelt sich nun bis in Höhe des Kinderspielplatzes.
Ein Glück, dass wir uns bereits so früh hier angestellt haben, denn würden wir jetzt erst hier her fahren, müssten wir mit enormer Wartezeit rechnen.

Aber auch an vierter Stelle geht es leider nicht viel schneller vorwärts.
Gerade hatte sich der hier angestellte Student mit den mittlerweile schwedisch sprechenden Mitcampern vor uns auf irgendwas geeinigt, klingelt das Telefon.
Mit einer Engelsgeduld geht mein persönlicher „Mitarbeiter des Monats“ dran und es beginnt erneut ein 10- minütige Diskussion am Telefon.
Der Student probiert und probiert aber nach weiteren endlosen 15 Minuten Telefonieren gehen die Rechner noch immer nicht.

Der Student lässt sich nun endlich von den Mitcampern auf schwedisch erweichen und rechnet manuell ab.
Er zückt einen Quittungsblock und lässt sich für jede Quittung Name und Kennzeichen geben, kassiert dann die Nächte ab, die er von den Campern gesagt bekommt.
Nachdem der erste Camper bezahlt hat, öffnet der Student die Schranke und lässt sie offen.

Das wäre doch meine Chance.
Anja würde es zwar nicht gut heißen, wenn ich einfach raus gehen würde und durch die mittlerweile offen stehende Schranke fahre, aber muss ich ihr das sagen, dass wir nicht bezahlt haben?

Ich überlege hin und her, einfach abhauen und durchfahren? Was wenn der Typ das merkt und mir die schwedischen Bullen hinterher schickt, mit dem auffälligem Wohnmobil kommen wir nicht weit.
„Gangsteraction“ in Schweden?

Noch während ich überlege fährt einer der Camper aus den hinteren Reihen einfach an der gesamten Schlange vorbei und ist raus. Dem Student ist das offenbar völlig egal.
Na also, nichts wie raus hier und…, da bin ich auch schon dran und werde gefragt, wie lange ich denn hier genächtigt habe.
Ich antworte wahrheitsgemäß eine Nacht und zahle brav und deutsch-korrekt meine 170 SEK.

Fast eine Stunde hat der Quatsch nun gedauert, bis wir endlich hier ab fahren dürfen.
Ob wir jemals das Glück haben an einem Tag mal wirklich früh los zu kommen?

Am Ausgang des Arcus Campingplatzes findet sich wie bereits gestern erwähnt ein kleines Eisenbahnmuseum (Järnvägsmuseum), welches wir uns noch schnell ansehen wollen, bevor es wieder auf die Landstraße geht.
Wir sind ja eigentlich in den letzten 2 Tagen recht weit gekommen, daher wollen wir es heute etwas langsamer angehen lassen.
Hier im Eisenbahnmuseum scheint niemand anwesend zu sein, man muss keinen Eintritt bezahlen und auch sonst sind die Gleise vom Straßenrand aus frei zugänglich.
Wir besteigen einen Güterwagen und eine Diesellok, machen ein paar Bilder von einer Dampflok und den Gleisen.
Unser Besuch dauert nicht lang, nach nur 30 Minuten Eisenbahnwagen beklettern sitzen wir schon wieder im Wohnmobil.

         
Wir besuchen den kleinen Museumsbahnhof                             mit ein paar alten Güterwagen und einer alten Diesellok

         
und einer Dampflok                                                                von 1917

Auf dem Weg zur E4 machen wir noch einen kurzen Tankabstecher nach Lulea.
Hier finden wir eine den Umständen entsprechend recht günstige preem- Tankstelle, wir tanken 31,22 Liter Diesel für 348,42 SEK, mit etwas Glück reicht das nun bis Finnland, wo der Sprit wieder günstiger sein soll.

Gestern Abend haben wir im Reiseführer nachgeschaut und uns für einen kleinen Abstecher nach Gammelstad entschieden, wie gesagt, wir wollen es nun etwas langsamer angehen lassen und schauen, was wir hier oben alles entdecken können.
Gammelstad werden wohl die wenigsten auf einer Karte finden, es handelt sich nämlich um einen historischen Stadtteil von Lulea selbst, genauer um Kirchstadt (Kyrkstadt).
Etwa 400 kleine rote Holzhäuschen zieren die ehemalige Kirchensiedlung. Wir versuchen anhand der auf der Rückseite des Campingplatzes abgebildeten Karte der Region zu navigieren, was leider völlig in die Hose geht.

Die von uns als vermeintlich richtig vermutete Straße endet irgendwann in Boden, das ist mal deutlich zu weit, wir haben uns verfahren.
Mist!
Also in Boden gedreht und die Bundesstraße 97 wieder zurück in Richtung Lulea fahren…
In Lulea angekommen finden wir dann endlich Gammelstad. Etwas spät ausgeschildert…
Der kleine malerische Ort entschädigt für den Umweg, es sieht wirklich klasse aus.
Alle Häuser sind in rot oder rot/weiß, man hat den Eindruck, als würde jeden Moment Michel aus Lönneberga aus dem Unterholz springen.

         
Fast alle Häuser in rot/weiß                                                     Und mal wieder tollstes Wetter.

         
Man hat wirklich den Eindruck                                                  als würde gleich der Michel über die Straße laufen…

Nach dem Besuch von Gammelstad, es ist etwa kurz vor 13 Uhr, geht es wieder auf die E 4 in Richtung Finnland.
Doch bevor wir die Auffahrt zur §E 4 nehmen nutzen wir die Gelgenheit an einem links der E 4 gelegenen Supermarktkomplex etwas einzukaufen.
An diesem Komplex befindet sich ebenfalls eine preem- Tankstelle. Ärgerlich, da hätten wir uns den Abstecher nach Lulea rein heute früh zum tanken sparen können.

Weit ist es von hier aus übrigens nicht mehr bis nach Finnland, vielleicht 70km bis zum Grenzstädtchen Happaranda.
Die Fahrt verläuft angenehm, es ist wenig Verkehr und wir kommen mal wieder einmal hervorragend durch.
Man muss ich das mal vorstellen, vor wenigen Tagen noch saßen wir in Deutschland in der Mitte von Europa und heute? Wir werden gleich die Grenze nach Finnland überqueren! Es gibt Menschen, die werden Finnland niemals sehen, können es vielleicht noch nicht einmal auf der Karte finden. Und wir? Wir fahren da hin! WOW!

Die Grenze zu Finnland im schwedischen Ort Haparanda erreichen wir gegen halb 2, es gibt keine Grenzkontrolle oder eine Abfertigung. So mag ich das.
Eine grüne Lampe gibt uns ohne Umstände den Weg nach Lappland und das finnische Grenzstädtchen Tornio frei.
Toll, wer hätte das gedacht.
Lappland, das klingt so weit nördlich und erinnert unweigerlich an Nils Holgersson und die Wildgänse. Ich strecke meinen Kopf aus dem Fenster, ob Asgar die Anführerin der Wildgänse und Martin die Hausgans über uns fliegen?
Ist schon klasse, das wir mal so weit nördlich unterwegs sein würden. Finnland, das ist schon allein ein Abenteuer.

         
Gleich sind wir da…                                                               Die Grenzstation: Alle Lampen grün, freie Fahrt, juchu!

         
Suomi, Finnland, wer hätte gedacht…                                      …das wir mal so weit nördlich unterwegs sein würden…

In Tornio verlassen wir nun die E 4 und fahren nun in Richtung Norden weiter auf der E 75.
Die Gegend wird nun einsamer und wir fahren oft kilometerlang, ohne das uns ein anderes Fahrzeug entgegen kommt.

Ach ja, die Bordzeit wird nun um eine Stunde vorgestellt! In Finnland haben wir eine Stunde später, also passen wir uns an, auch wenn der Besuch nur von kurzer Dauer ist.
Ab sofort ist es also nicht mehr xx Uhr, sonder xx Uhr !

Die erste größere Stadt auf dieser Tagesetappe ist Rovaniemi, wo wir gegen halb 4 eintreffen.
Hier wollen wir eine längere Pause einlegen, uns die Stadt ansehen und einen kleinen Imbiss besorgen.
Da wir die letzten Tage nicht viel von Zivilisation gehabt haben, kommt uns eine kleine Stadt wie Rovaniemi gerade gelegen.
Doch zunächst muss ein Parkplatz für unser knapp 7 Meter langes Schiff gefunden werden.
Dies ist gar nicht so einfach, wenn neben der Länge des Fahrzeugs auch noch zusätzlich die Beschilderung nicht so prickelnd ist und wir uns ein paar Mal verfahren.
Wir landen am Bahnhof von Rovaniemi, leider liegt der ein wenig außerhalb, auch wenn hier Platz zum Parken wäre.

Wir fahren den Weg zurück und kommen wieder an einen Kreisel, wir versuchen eine andere Richtung und erreichen so auch ohne Beschilderung die Innenstadt.
Wir haben Glück, in einer kleinen Seitenstraße sind 2 Parkbuchten längs zur Straße frei und so können wir hier problemlos unser Schiff parken.

Nun geht es zu Fuß in die Stadt.

Die ganze Stadt wirkt unrealistisch.
Keine Ahnung warum, es wirkt komisch, alles ist irgendwie anders, man hat ein wenig das Gefühl, als sei man in einem Science-Fiction Film.
Vielleicht liegt es daran, dass wir schon lange keine Stadt mehr von innen gesehen haben und wir zu lange auf der Straße unterwegs waren.
Es ist aber auch ein Stück weit das überaus grelle Licht.
Ist das hier vielleicht die Trueman-Show und hunderte von 1000- Watt- Scheinwerfern erleuchten das Himmelszelt?

Man kann nicht direkt in den Himmel schauen und auch die Fassaden oder der Boden wirken grell von der reflektierenden Sonne.
Die Sonne selber ist zwar nicht warm und wir müssen trotz des hellen Sonnenscheins eine Jacke anziehen, dennoch habe ich selten so helles und grelles Sonnenlicht gesehen.
Ob das ungefähr das gleiche Phänomen ist, was man auch Schneeblindheit nennt?

         
Grelle Eindrücke von Rovaniemi, in der Sonne blendet alles       Blick in die Fussgängerzone

Dann sehen die Menschen so komplett anders aus, wie wir.
Ich kann es nicht beschreiben, woran das liegt, aber kein Gesicht kommt mir vertraut vor.
Wenn ich in unseren Breitengraden unterwegs bin, kann ich an der Mimik der Menschen feststellen, was sie bewegt, ob sie traurig, glücklich oder böse sind, die Gesichtszüge kommen einem bekannt vor.
Ich kann die Menschen „erkennen“ und sehe, dass ich einer von ihnen bin, fühle mich nicht fremd.
Hier gelingt mir das irgendwie nicht. Ich kann es nicht genau beschreiben, aber es ist komisch.
Die Menschen sind mir einfach nicht vertraut und wir fühlen uns fremd.

Allein die Dorfjugend sieht aus wie die finnische Gesangstruppe Lordi (eine Hard-Rock-Band), die in diesem Jahr den Eurovision-Song-Contest gewonnen haben, Anja fällt das als erstes auf und damit hat sie absolut Recht.
Vielleicht sollten wir die Jungs einmal ansprechen, denn mit etwas Glück sitzt vielleicht wirklich die Lordi- Truppe hier in Rovaniemi auf dem Marktplatz… Der Mut langt allerdings nicht, denn die dunklen Gestalten sind nunmal dunkle Gestalten und daher gehen wir ohne ein Autogramm weiter.

An einem Geldautomaten holen wir Geld.
Es ist schon ungewohnt. Tausende von Kilometern sind wir von zuhause weg, dennoch bekommen wir echte Euro!
Das ist schon ein Stück Heimat, dieses Europa.
Auch die ausgeschilderten Preise können wir wieder einschätzen und müssen nicht umständlich die Preise umrechnen.

    
Otto? Find ich gut! 😉

Mit unserem neu gewonnenen Reichtum machen wir uns auf das verpasste Mittagessen zu ergänzen und lassen uns bei einer offenbar örtlich typischen Fast-Food Kette nieder.
Das ist immer ein von mir auf Reisen ganz besonders gern praktiziertes Hobby: Ausländische Fast-Food- Tempel erkunden.
Mit dem MAX in Schweden wurden wir ja schon verwöhnt, aber nun hat sogar Finnland offenbar auch eine eigene Kette.
Irgendwann muss ich mal einen Fast-Food- Restaurantführer schreiben… 😉

Hesburger serviert uns hier in Finnland ebenfalls wie MAX in Schweden dank der Piktogramme an der Wand ein fürstliches und gut einschätzbares Mahl, zwar etwas teurer, als im Vergleich bei uns, aber für ein skandinavisches Land durchaus noch im angemessenen Rahmen.

         
Hesburger?                                                                            Hmm, mjam, hier gibt es was zum Mittag essen…   🙂

Nach dem Mittagessen gehen wir noch ein wenig in Rovaniemi spazieren, viel zu sehen gibt es allerdings nicht.
Die Innenstadt selbst ist geprägt von einigen Geschäften, immer wieder gibt es Gassen, wo kein Mensch zu sehen ist, einige Plätze sind dagegen von Menschen gefüllt.

Das Wetter ist trotz fortgeschrittener Uhrzeit und schönstem Sonnenschein noch immer unwirklich blendend und so bin ich froh, als wir gegen kurz vor 5 wieder im Wohnmobil sitzen, die Augen reiben können und uns auf den Weg Richtung Norden machen. Ich glaube eine weitere Stunde in der grellen Sonne und ich wäre wie ein Vampir im Morgengrauen zu Staub zerfallen.

Am Stadtrand finden wir eine Shell.
Neben den alltäglichen Sorten Benzin und Diesel gibt es hier auch Oltopoly zu kaufen.
Ich weiß gar nicht so genau, was das eigentlich ist, aber von den Reiseberichten des Mercedes-Fahrers Markus Besold weiß ich, dass man dieses Oltopoly (Wohl so eine Art Heizöl) auch anstelle von Diesel tanken könne.
Ich überlege kurz, weil es sich um einen äußerst attraktiven Preis handelt, entscheide mich aber dann selbstverständlich dagegen.
Ich weiß nicht, was das für eine Plörre ist und wenn unser guter Turbodiesel davon einen Folgeschaden erleidet, will ich das nicht verantworten, zumal es sich nicht um unser Fahrzeug, sondern um einen Mietwagen handelt.
Da sollte man schon pfleglich mit umgehen.
Ein 200 D Mercedes-Motor fährt vielleicht mit Frittenfett, aber ein moderner Dieselmotor mit elektronischer Einspritzanlage?
So bleibt uns das um ca. 70% günstigere Poly verwehrt und wir kippen den schnöden aber wenigstens bekannten Diesel in den Tank.
66,37 Liter für 68,29 €. Endlich wieder etwas humanere Preise hier in Finnland und das ist ja auch etwas, worüber man sich freuen kann.

Kurz nach Ausfahrt aus der Stadt finden wir schon die ersten Beschilderungen für das Weihnachtsmanndorf, und den Polarkreis sowie einen beschilderten Freizeitpark, den Weihnachtsmannpark.
Der Weihnachtsmann-Freizeitpark (Joulupukki) ist leider erst ab 22.06.2006 geöffnet, wir sind ein paar Tage zu früh, mist!
Na egal, uns fehlt eh die Zeit für einen Freizeitpark, aber das Weihnachtsmanndorf und den Polarkreis wollen wir auf jeden Fall besichtigen!

         
Der Weihnachtsmann- Vergnügungspark: Leider zu 🙁                Aber das Weihnachtsmanndorf hat offen 🙂

Das ganze Areal teilt sich in 2 große Hauptbestandteile:
Teil 1: Der geografisch interessante Teil als Polarkreises (Arctic Circle)
Teil 2: Der Teil für die Phantasie und die Kinder: Das dominierende Weihnachtsmanndorf (Santa Claus Village)

Wir beginnen mit dem Polarkreisteil:
Ist schon schön, was die Finnen hier an diesem außergewöhnlichen geographischen Punkt aufgebaut haben.
Zunächst gehen wir zu der Bodenmarkierung an den bedeutungsvollen Koordinaten:
66° 32` 35“
Ist schon etwas berühmtes, wenn man mal am Polarkreis gestanden hat, was das aber genau ist, dass wissen wir nicht.
Aber zum Glück gibt es ein Informationszentrum, hier werden wir unsere Wissenslücken hoffentlich schließen können.

Vorher nehmen wir aber noch an riesigen überdimensionierten Tischen Platz, die offenbar dafür da sind, um Erwachsenen das Gefühl von Kindern an einem „normalen“ Picknicktisch zu vermitteln.
Oder die Tische sind für die finnischen Waldriesen (nicht zu verwechseln mit den finnischen Bergriesen, die sind größer ;-), wenn diese hier zu Gast sind.
Anja hat eine viel einleuchtendere Theorie, die rein emotionslos betrachtet durchaus vulkanischer Logik folgt: Die hier angestellten Mitarbeiter tragen lustige Wichtelkostüme, ergo stellen diese die Weihnachtswichtel da.
Da Wichtel von Natur aus eher klein gewachsen sind (sonst hießen sie vielleicht Großel?) und die Optik nicht gestört werden darf, sind die Bänke und Tische überdimensioniert, damit das Größenverhältnis Wichtel / Möbel passt.
Angenehmer Nebeneffekt: Auch wir werden damit zu Wichteln, die den dicken großen Weihnachtsmann besuchen dürfen, hoffentlich müssen wir nicht auch noch in der Werkstatt arbeiten… 🙂

              
Wir stehen wirklich am Polarkreis                           Mit den entsprechenden Koordinaten

         
Platz für die finnischen Bergriesen oder die Wichtel…                Wir kommen kaum mit den Füßen auf die Erde… 🙂

Von unserer Picknickbank aus geht es gleich rüber zum Artic-Circle- Informationszentrum. Dort staunen wir über die Erdkugel, die an der Decke hängt, der Polarkreis ist mit roten Duppeln markiert, eine gelbe Duppel markiert unsere Position.
Ist schon komisch, dass wir uns so weit nördlich befinden.

    
Weltkugel an der Decke

Neben wirklich warm wirkender Kleidung von „The North-Pole“ oder „Jack Wolfskin“ kann man hier alle Arten von Souveniers kaufen: Geweihe von Elchen, Bärenfelle, warme Socken, Rucksäcke oder auch komplette Outdoor- oder Trekkingausrüstung mit Polarzelt und Thermoschlafsack werden hier angeboten.
So ein warmer Pullover wäre schon was tolles.
Neben den Kleidungs- und Souvenirläden gibt es auch einen Kiosk mit Süssigkeiten und ein paar kleineren Snackmöglichkeiten und das wichtigste: sehr saubere Toiletten.

Einige Läden haben leider geschlossen, allerdings sei dazu angemerkt, dass in den geschlossenen Läden das gleiche Warenangebot zum gleichen Preis nur nochmal wiederholt worden wäre. Ist wohl nur offen, wenn erstmal im Juli und August der richtige Touristenansturm einsetzt.

Ach ja, wer möchte kann sich auch von zuhause einen Einblick verschaffen und die offizielle Webseite sowie einige weitere Informationsseiten des Weihnachtsdorfes aufrufen: Sogar mit Webcam (diese blickt genau auf die Polarkreismarkierung):
(Dies sind externe Links, bitte beachten Sie den Haftungsausschluss / Disclaimer für externe Links):

Weihnachtsdorf in Rovaniemi (Webcam und Co.)
Informationen zum Polarkreis (auf deutsch)
Santa Claus Office (auf englisch)


Danach geht es aber endlich rüber zum Weihnachtsmann:

    
Jetzt geht´s rüber zum Weihnachtsmann!

Der Weihnachtsmann (sein Haus steht genau auf dem Polarkreis, siehe Bild) ist hier jeden Tag anzutreffen, um die vielen Gäste aus aller Herren Länder zu begrüßen (hat der denn nichts mit Weihnachtsvorbereitung zu tun ?   😉.
Im Innenraum findet sich ein weihnachtlich eingerichtetes Kaminzimmer, der dickbäuchige Mann mit dem roten Mantel sitzt auf einem gemütlichen Sessel am Kamin.
Mit der eigenen Kamera darf man leider kein Bild machen, aber für ca. 20,- € wird es uns gestattet uns beim Weihnachtsmann zu postieren und ein Angestellter im Wichtelkostüm macht ein Bild von uns.
Auch ein nettes Souvenir.
Der Weihnachtsmann fragt uns noch, aus welcher Gegend wir stammen und was wir uns zu Weihnachten wünschen.
Als wir unsere Nationalität bekannt geben, antwortet Santa auf deutsch und wir freuen uns darüber.
Da muss der Weihnachtsmann aber eine Menge Sprachen beherrschen, wenn er alle Gäste hier in ihrer Muttersprache begrüßen möchte.
Ganz toll gemacht!

Nach einer kleinen Besichtigung der weihnachtlichen Behausung und der daneben befindlichen Souvenirlädchen schauen wir uns noch ein wenig im Dorf um und finden etwas unterhalb des Weihnachtsmanndorfes einen wirklich gut bestückten Wegweiser und ein Postamt.
Der Wegweiser ist ganz besonders interessant. Hier mal ein paar Entfernungen:

Nordkap: 680 km (juchu, ist ja gar nicht mehr so weit, aber wohl Luftlinie, oder?)
Berlin: 1.789 km
Nordpol: 2.648 km
Peking: 6.680 km
Neustrelitz (steht da wirklich drauf!): 1.676 km
Prag: 2.222 km
St. Johann in Tirol (da waren wir auch schon 🙂 2.448 km
Amsterdam: 1.912 km
Brüssel: 2.158 km
New York: 6.704 km

          
Nordkap: 680 km                                              Und noch ein paar andere…

Dann schlendern wir zum Postamt rein, von hier aus wollen wir ein paar Postkarten schreiben. Wie es zu erwarten war bekommen wir hier die schönsten Weihnachtskarten: Weihnachtsgrüße im Juni haben doch etwas besonders für sich.

Wir holen also ein paar besonders schöne Postkarten und gleich die passenden Briefmarken dazu.
Aus dem Lautsprecher dringt dezente Weihnachtsmusik.

Erst jetzt bemerke ich, dass die armen Angestellten hier ja das ganze Jahr diese für sie sicherlich schreckliche Weihnachtsmusik hören müssen, die wir als Normalsterbliche erst mit etwas Glück ab Ende Oktober im heimischen Supermarkt als stimmungsvolle Untermalung präsentiert bekommen.

Ich frage eine der beiden offiziellen Postangestellten, ob denn die ständige Weihnachtsmusik nicht ziemlich nervig wäre, wenn die das ganze Jahr aus dem Lautsprecher dudelt.
Die Frau ist sehr nett und antwortet gar nicht böse, dass die Musik gar nicht so schlimm wäre, erstens würde man diese nach einigen Stunden oder Tagen nicht mehr hören und darüber hinaus würden sich die Postbediensteten hier mit den Kollegen aus der Stadt regelmäßig abwechseln.

Viel schlimmer seien allerdings die ständigen Nachfragen der Touristen, ob die ständige Musik nervig wäre.
Ups, das tut mir natürlich leid, das wollte ich nicht und entschuldige mich.
Die Beamtin bleibt nett (versuchen sie das mal in einem deutschen Postamt) und erklärt, dass ich das ja nicht wissen könne… (Also Leute hier für alle: Ja, die armen Beamten müssen die Musik das ganze Jahr hören und nein, sie finden das nicht schlimm. Schlimmer sind die Touristen, die danach fragen, ob die Musik schlimm wäre…)

Die nette Postbeamtin macht uns beim Briefmarkenkauf auf einen besonderen Service der finnischen Post aufmerksam.
Wir haben einerseits die Möglichkeit die Post in den regulären (gelben) Postkasten einzuwerfen und die Post wird normal ausgeliefert. Wenn wir möchten können wir aber auch die Karten in den roten Postkasten werfen. Denn dann (ohne Mehrkosten!) lagert die finnische Post die Weihnachtsgrüße ein und stellt diese dann pünktlich zu Weihnachten zu!

Das ist ja mal eine tolle Idee, Weihnachtsgrüße in Juni schreiben und zeitig zu Weihnachten werden diese ausgeliefert, toll!
Wir setzen uns ins Kaminzimmer vom Weihnachtsmann, wo bereits einige Briefe und Wunschzettel an den Weihnachtsmann von Kindern aus aller Welt ausgestellt sind. Richtig toll!
Hier ist die Musik etwas lauter und mit den Socken am Kamin, den schönen Bildern, dem festlich geschmückten Weihnachtsbaum und der weihnachtlichen Umgebung kommen wir sogar beide ein bisschen in Weihnachtsstimmung.

Man könnte meinen, der Weihnachtsmann wohnt genau hier und ist nur mal grad raus eine rauchen oder Brötchen holen oder so was.
Jedenfalls sind wir sicher hier beim einzig wahren Weihnachtsmann zuhause zu sein.
Wenn auf uns schon dieser Eindruck einwirkt, wie muss das hier erst für Kinderaugen wirken?

         
Weihnachten im Juni…                                                            Eine richtig weihnachtliche Blockhütte

         
Ausgestellt sind auch eine kleine Auswahl an Wunschzetteln      Anja schreibt im Juni die Weihnachtsgrüße nach Hause.

Wir finden eine nette kleine Ecke und beginnen sogleich allen möglichen Leuten unsere Weihnachtsgrüße zu senden.
Hierbei muss man natürlich ein bisschen aufpassen.
Erstens ist es wichtig bei aktuellen „Problemfällen“ im Bekanntenkreis zu berücksichtigen, dass diese in einem halben Jahr vielleicht gar nicht unter ihrer regulären Adresse wohnen (was passiert wohl mit den ganzen nicht zustellbaren Postkarten?) und man muss überlegen, ob man dem Empfänger der Postkarten im Dunklen lassen will, dass man die Postkarten schon im Juni geschrieben hat.
Man stelle sich das Gesicht vor: „Häh? Weihnachtsgrüße aus Finnland? Die waren doch gestern Abend erst bei mir zu Besuch! Wie kann da eine Grußkarte aus Finnland kommen?“

Also allgemein beschreiben bei den Leuten, die man veräppeln will und bei den wenigen Eingeweihten schreiben wir einfach die Wahrheit auf die Karten, dass wir die Karten im Rahmen der Sommerreise geschrieben haben. Von letzterer Variante haben wir allerdings nicht viel Gebrauch gemacht 🙂

Das Kartenschreiben hat etwa eine halbe Stunde gedauert, dann werfen wir diese in den roten Postkasten für die weihnachtliche Leerung.
Ob das wirklich funktionieren wird?

(Update vom Dezember 2006: Das hat tatsächlich funktioniert! Alle Postkarten wurden zwar etwas früh am oder um den 15. Dezember zugestellt, aber es hat funktioniert. Fast alle Empfänger von Postkarten hatten vergessen, dass wir 1/2 Jahr zuvor
am Nordkap waren, die Idee ist voll aufgegangen, die Leute haben sich tierisch über Weihnachtspost aus Finnland gefreut !)

Gegen 19 Uhr machen wir uns wieder auf den Weg.
Hier war es wirklich total schön, wir überlegen, ob wir die Nacht hier oder in der Nähe verbringen sollen.
Da wir aber hier eigentlich alles gesehen haben, ist eine Übernachtung hier nicht unbedingt erforderlich.
Ein wenig fahren können wir ja noch (wir sind aber auch etwas angestachelt, „nur noch“ 680 km bis zum Nordkap…)

Wir bemerken auch an den Lichtverhältnissen, dass wir nun immer weiter nach Norden kommen.
Obwohl der Himmel bedeckt und bewölkt ist, ist es noch genauso hell, wie vor 4 Stunden, beinahe unverändert.

         
Weiter auf der E 4: Mal geht es rauf                                       Mal geht es runter, aber noch immer ist es taghell trotz Wolken

Etwa eine Viertelstunde später sehen wir unsere ersten Ureinwohner Finnlands!
Frei lebende Ren(n)tiere.
Na gut, freilebend ist vielleicht etwas übertrieben, die Tiere sind in einem Gelände an einer Tankstelle eingezäunt zu bewundern, aber immerhin !

Uns gelingen ein paar tolle Bilder unter anderem haben die hier ein komplett weißes Renntier, ein Albino!
Eine rote Nase hat das auch noch. Ob das unser Rudolph mit einem Wintertarnfell ist?
Lieb sind die beiden, kommen an den Zaun und lassen sich anschauen.

         
Unser erstes Rentier juchu!                                                   Sogar ein komplett weißes mit rosa Nase (Rudolph, bist du das?)

20 Uhr.
Zum ersten Mal seit Stunden hat der Himmel endlich aufgelockert.
Es ist so hell, wie man es sonst zur Nachmittagszeit erwarten würde.
Es ist sogar noch heller, als heute Mittag, unglaublich diese Licht- und Schattenspiele hier oben.
Man kommt wirklich total aus dem Rhythmus und muss sich wirklich zusammen reißen um die späte Uhrzeit anzuerkennen.
Wir müssen uns regelrecht zwingen aufhören zu fahren, sonst haben wir noch Pech und bekommen keinen Übernachtungsplatz, weil alles schon geschlossen hat.
Der Körper reagiert ganz eigenartig auf die anhaltende Helligkeit: Ich bin ein wenig aufgekratzt und fühle mich überdreht, gleichzeitig bin ich nur Sekunden später hundemüde.
Aber bereits beim Versuch zu gähnen und die Müdigkeit auf den Körper „wirken“ zu lassen, verhindert der nächste helle wolkenlose Abschnitt die weitere Entwicklung eines Schlaf- und Müdigkeitsdranges.

         
Endlich lockert der Himmel auf                                                Abends um 8, es ist taghell…

In Sodankyla machen wir dann auch endlich Schluss für heute.
Die ADAC- Karte weist einen CP aus, den wir am Ortsrand auch auf Anhieb finden. Gut beschildert!
Wir zahlen für eine Nacht, 2 Personen mit Strom auf dem CP Sodankylä Nilimella 16,50 €.
Auch hier wird die Campingcard Scandinavia akzeptiert
Das ist nicht teuer und durchaus ok. (Webadresse: naturex-ventures.fi)
Wir haben Glück gehabt, 18 Minuten später wäre hier zu gewesen, der Kassenbon zeigt uns die Uhrzeit: 21:42 Uhr, ab 22 Uhr ist hier dicht.
Wir dürfen uns auch hier einen Platz aussuchen, wo wir stehen wollen. Der gesamte Platz ist nur zu etwa 1/5 belegt, wir haben unsere Reihe fast für uns allein. Die große Campingwiese in der Nähe des Servicehauses ist fast vollkommen leer, für uns aber ist diese zu uneben und zu offen. Hier oben gleich in der Nähe der Rezeption befinden sich kleine Buchten, abgetrennt durch mannshohes Buschwerk.

Der Platz selber ist an einem Hang angelegt, die Anlage ist sehr weitläufig, man hat in der Nebensaison seine Ruhe.
Wir gehen noch fix duschen, dann geht es auch schon ab ins Bett.
Wir haben es heute trotz Besuch des Weihnachtsmanndorfes und der grellen Stadt Rovaniemi geschafft etwa 400 Kilometer zu fahren.
Das ist und bleibt eine gute Geschwindigkeit.

Je weiter wir nach Norden kommen desto heller aber auch immer leerer wird es.
Das Wetter ist sehr unterschiedlich, auf dicke Wolken kann schon Minuten später der tollste Sonnenschein folgen.
Pennen ohne Sonnenrollo ist gar nicht möglich.
Auch muss man bedenken, dass der Körper etwas Zeit braucht sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, man kann also nicht bei tollstem Sonnenschein einfach das Rollo runter machen und dann friedlich einschlummern. Das geht nicht, es fehlt dann einfach der Abend.
Vielmehr muss den Sonnenuntergang und die Dunkelheit irgendwie künstlich simmulieren.
Erst ein Rollo runter, dann das große halb usw. erst dann kommt man nach und nach zur Ruhe.
Wir liegen trotz verdunkeltem Rollo noch wach im Bett und reden über alles, was heute passiert ist. Das Weihnachtsmanndorf war toll, wir sind uns einig, dass wir auf jeden Fall noch mal wiederkommen sollten, dann aber mit etwas mehr Zeit.

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