Der Wecker klingelt fies um 4 Uhr!
Als ich Anja schlaftrunken im Bad begegne und unsere Blicke sich treffen ist uns beiden ohne ein Wort klar, dass unsere Gedanken mehr als nur eine Sekunde ans Stornieren denken! Einfach wieder ins Bettchen krabbeln! Nachher um 9 beim Frühstück würden wir uns zwar ärgern, aber genau jetzt lockt uns ein warmes Bettchen unheimlich! 😉
Wir raffen uns dennoch auf. Nützt ja nichts. Co- Autor Thomas kommt ja bald (er fährt heute unseren Airport- Shuttle) und würde uns, falls wir kein Lebenszeichen von uns geben, ja auch durch lautes Poltern an der Türe wecken! Da kennt der nix! Da bringt lange schlafen gar nichts.
Mit Ach und Krach schaffen wir es, fast pünktlich um 5 Uhr zuhause zu starten. Blöd, dass gestern der online- Check- In bei Iberia nicht funktioniert hat und wir somit auf jeden Fall an den Schalter müssen. Die Mehrzeit für den Check- In müssen wir einfach einplanen. Gut, dass Thomas schon so früh da ist.

4 Koffer, 4x Handgebäck, Kindersitze und etwas „Handgebäck“ zum Handgepäck! Das muss alles mit in die USA! 😉

Die Fahrt zum Flughafen verläuft ereignislos, bis wir am Flughafen aussteigen. Ein heilloses Durcheinander um diese Uhrzeit! Wie unschön! Sind aktuell Flugwochen bei Neckermann oder sowas? Weil gefühlt so ziemlich jeder Reisende aus dem näheren Umkreis offenbar ausgerechnet HEUTE hier ab Düsseldorf abfliegt?!
Aber wir haben Glück und bekommen fast direkt vor unserem Check- In Schalter eine Parklücke und wuchten unser Gepäck auf zwei Gepäckwagen, die wir mühsam in die Eingangshalle schieben.

Der Check- In verläuft recht schleppend, aber auch das geht vorbei. Die Dame am Schalter runzelt ungläubig die Stirn, als sie nach der Annahme unserer Koffer unseren verbleibenden Handgepäckberg sieht, nachdem wir bereits vier Koffer auf das Band gewuchtet haben. Spontan bietet sie uns an, dass wir ruhig ein oder zwei Handgepäckstücke auch als Gepäck aufgeben dürfen. Kostenfrei! Mir gefällt die Vorstellung später in Madrid zwei Gepäckstücke weniger tragen zu müssen! Aber Anja winkt ab! Die Handgepäckstücke sind nunmal so gepackt, dass in jedem Koffer Notfallklamotten zu finden sind. Von der Windel, über Medikamente bis zur Unterhose für Anja und mich (Also für jeden eine 😉 ). Falls ein oder mehrere Koffer verloren gehen. Darauf möchten wir nicht verzichten.
Also lehnen wir das freundliche Angebot zum blanken Entsetzen der Dame am Schalter ab und schauen, wo wir durch die Sicherheitskontrolle gehen können. Zuerst aber lege ich noch einen Sprint vom Schalter 132 zum Schalter 211 hin! Wegen unseres Kindersitzes! Der darf wirklich kostenlos ZUSÄTZTLICH mit (daran hatte ich bis zur letzten Minute Zweifel!), allerdings nur als Sondergepäck! Und der Schalter für Sondergepäck ist nun einmal der Schalter 211 am anderen Ende der Halle. War ja klar….
*Prust* *schnauff*

Einen Puls von 190 am frühen Morgen später bin ich wieder bei meiner Truppe. Macht ungemein wach so ein Sprint durch das halbe Terminal im Morgengrauen, das kann ich euch sagen!
Gemeinsamen gehen wir nun durch die Sicherheitskontrolle, die hier in Düsseldorf auch schon aus Körperscannern besteht. Meine Befürchtungen, dass mein Elektronikkoffer als selbst gebaute Bombe interpretiert werden könnte, bewahrheiten sich insoweit, dass an den Tablets und Handys ein Wischtest auf Sprengstoff durchgeführt wird. Aber nur eine reine Vorsichtsmaßnahme. Das wir später von der „Gründlichkeit“ der Sicherheitskontrolle noch im Nachhinein überrascht werden, können wir jetzt noch nicht wissen.

Nach der Sicherheitskontrolle geht es gleich durch zum Gate. Wir kämpfen uns durch Angebote von Toblerone- Raketenwerfern und Gasangriffen von Chanel, Boss und Co., bis wir endlich den Abflugbereich erreichen. Hier schnaufen wir erstmal durch.
Ein paar Minuten bleiben uns noch für einmal frisch machen auf der Toilette, dann aber geht es recht schnell. Auch, weil wir als Familie mit Kindern als eine der ersten an Bord dürfen! Das ist nett von Iberia! An der Stelle daher vielen Dank!
Ein paar Manager überholen uns natürlich später im Terminalfinger zum Flugzeug, aber das macht nichts. Ich habe mir vom Kapitän sagen lassen, dass sie genau so schnell wie wir später in Madrid ankommen werden. 😉

Der erste Teilflug mit Iberia von Düsseldorf nach Madrid an diesem Morgen ist angenehm. Zu meiner Überraschung haben wir gefühlt deutlich mehr Platz im Flugzeug, als in den sonst von uns früher genutzten LowCostFliegern. Zwar gibt es keine Getränke auf diesem Zubringerflug umsonst, aber die Preise sind human. 4,- € für einen Muffin mit Kaffee als kleines Frühstück, eine Büchse Cola zu 0,33l kostet 2,50 €. Da hätten wir am Getränkeautomaten im Terminal mehr bezahlt!
Gut, wir gönnen uns ein kleines Frühstück und zwei Getränke. Die Jungs teilen sich einen Muffin, nachdem sie uns argumentativ davon überzeugt haben („Ich mag das nicht, Papa!“), dass die gestern Abend beim Aldi für den heutigen Flug gekauften Sandwiches nicht das passende Frühstück darstellen.

Der Flug nach Madrid verläuft ohne Probleme. Nur das Landen muss der Pilot noch üben! Zwar setzen wir sanft auf, allerdings offenbar deutlich zu früh. Knapp 10 Minuten fahren wir nämlich anschließend durch den Vorortverkehr von Madrid, bis wir am Terminal ankommen. Jetzt heißt es sputen! Etwas mehr als eine Stunde bleibt uns, um den Terminalwechsel vom Terminal 4 zum Terminal 4S zu vollziehen. Mit vollen Händen Handgepäck und zwei Kindern versteht sich! Aus dem Internet weiß ich, dass wir hierfür mit diversen Laufbändern, aber auch mit einer Untergrundbahn fahren müssen, die die Terminale 4 und 4S miteinander verbindet. Also los!

Tatsächlich hat man bei einem Terminalwechsel in Madrid fast das Gefühl, als habe man gleich die halbe Stadt gesehen! Rollbänder schließen wie Bandwürmer aneinander an, wir passieren darüber hinaus Aufzüge und Rolltreppen, die uns ganz neue Seiten des Flughafens zeigen. Und sogar Zug fahren wir! Wir schnappen uns den ersten Wagen, der führerlos durch die Tunnel gleitet. Nils und Tim genießen die kleine Fahrt und spielen Lokführer. Mir tut es schon ein wenig leid, dass wir unsere Jungs in weniger als einer Stunde für mehrere Stunden in eine Stahlröhre zwängen und sie die Freiheit wie hier dann nicht mehr genießen können.

Auch die Zugfahrt geht vorbei. Wieder fahren wir mit einem Aufzug und kämpfen uns durch Angebote in verschärfter Form! In Düsseldorf mussten wir nur passiv an den Verlockungen vorbei! Hier in Madrid aber steht an praktisch jedem Stand ein Verkäufer, der uns freundlich anlächelt! Bei Boss Parfüm steht ein smarter gesetzter George Clooney- Verschnitt, bei Chanel hingegen eine aufgetackelte Tante. Joop hat gleich mehrere junge Damen am Start und die Schokolade wird von einem gutmütigen Großvater angeboten, der problemlos auch in die Milka- Fernsehwerbung passen würde! Besonders auf Tim müssen wir jetzt aufpassen, dass er nicht dem Charme erliegt! Da Tim aber inzwischen auf meinen Schultern sitzt, kommen er und der Schokoladenopa aber zum Glück nicht zusammen. 😉
So kämpfen wir uns durch das Terminal.

Gestoppt werden wir erst von einer Passkontrolle! Ich hatte eigentlich erwartet, dass wir nochmals durch einen verschärften Sicherheitscheck gehen müssten. Immerhin fliegen wir ja JETZT in die USA und da ist es schon verboten, eine Pinzette mit ins Flugzeug zu nehmen! Ich würde ja sagen, jeder, der ein Flugzeug nur mit einer Pinzette entführen kann, hat das Flugzeug verdient! Aber mich fragt ja keiner. Aber zu meiner Überraschung werden nur die Pässe ein weiteres Mal abgeglichen, die Bordkarten nochmals angeschaut. Dann geht es wieder weiter auf einem endlos wirkenden Gang, an dessen Ende wohl hoffentlich ein Gate mit unserer Gatenummer drauf zu finden sein wird. In der Ferne können wir es schon erspähen, als wir erneut gestoppt werden. Dieses Mal von Iberia. PreCheck USA. Aha. Ich fummele schon unsere ESTA- Genehmigung hervor, doch die möchte der junge Mann zu unserer Überraschung gar nicht sehen. Er haut nur einen kräftigen Stempel auf unsere Bordkarten, dass er diese angeschaut hat. Warum das gemacht wird, bleibt im Verborgenen.

Nach der Kontrolle erreichen wir auch recht schnell das Gate. Ein paar Minuten haben wir noch, Zeit für ein paar Baguettes vom Aldi (dessen Packung übrigens vom unterschiedlichen Luftdruck im Flugzeug schon deutlich aufgebläht ist, zumindest hoffen wir, dass dies die Ursache für die starke Außenwölbung der Packung ist…) und einen leckeren heimischen Kakao!
Kakao?
Ja! Schaut selbst:

Den haben wir wohl kaum hier in Spanien aus dem Automaten gezogen… 😉
OK, ich gebe zu, ich habe den Kakao im Handgepäck vergessen. Diesen durch die Sicherheitskontrolle zu schmuggeln, obwohl er mit einem Inhalt von 0,5 Liter eigentlich nicht durch die Flüssigkeitskontrolle gedurft hätte, war keine Absicht. Aber vielleicht hat der Kontrolleur auch in Anbetracht der drohenden Lage (Tim hat ja schon ein Heidentheater gemacht, als die Dame an der Sicherheitskontrolle in Düsseldorf nur seine in der Hand gehaltene Kakaoflasche haben wollte!) einfach Herz gehabt, dass man einem kleinen 2- jährigen nicht sein Kakaotütchen wegnehmen kann und die Packung somit absichtlich unabsichtlich „übersehen“.
Naja. So oder so, wir genießen alle zusammen hier in Madrid zu unseren Sandwiches jeder einen Schluck leckeren Tuffi Kakao aus der heimatlichen Region. Wird der letzte für einige Wochen sein…

Wir haben noch nicht komplett aufgegessen, da beginnt schon das Boarding für unseren Anschlussflug nach Chicago!
Jetzt bin ich gespannt! In Düsseldorf haben wir ja schon unsere Bordkarten für den Flug bekommen. Reihe 38 und Reihe 39, beide mit einem Fensterplatz. Aber38A und C und 39 A und C! Nanu? Ist der B Platz jetzt frei? Die setzen doch niemanden dazwischen, oder? Und überhaupt sollte die Reihe doch 2-4-2 sein?! A als Fenster und dann C? Das passt doch nicht!
Im Flugzeug dann aber die Überraschung. Es gibt gar keinen B- Platz! Nach A am Fenster kommt gleich der C- Platz am rechten Gang. Also doch 2-4-2.
Und noch eine Überraschung erwartet uns! Der Flieger ist klein und eng! Gefühlt viel kleiner und enger, als die Zubringermaschine nach Madrid! Sogar der Sitzabstand wirkt kleiner! Kann doch nicht sein?!
Aber das sind unsere Plätze für die nächsten zehn Stunden! Ohje!

Nachdem wir unser Gepäck und unsere Gliedmaßen im Schließfach über unseren Sitzen verstaut haben, passen wir sogar überraschend passabel in die Sitze. Geht doch! Muss einem doch gesagt werden, dass man die Beine vorher abschrauben muss! 😉
Zum Glück ist die Maschine nur etwa zur Hälfte belegt! Wäre sie voll, wäre das Gefühl drangvoller Enge noch deutlich schlimmer. Hinter uns die Reihe ist aber zum Beispiel komplett frei! Da können wir nachher ohne schlechtes Gewissen zumindest die Rückenlehne nach hinten klappen, ohne dass dem Hintermann der Kaffee auf die gute Armani- Hose kippt.

Der Pilot dieser Maschine scheint nicht der zu sein, der uns von Düsseldorf nach Madrid geflogen hat. Oder er hat seine Flugskills sehr schnell entscheidend verbessert. Wir starten sehr souverän, erreichen auch schnell aber ohne Hast eine passable Flughöhe und überhaupt verläuft die erste halbe Stunde des Fluges recht angenehm. Da wir aber schon einen Zubringerflug hinter uns haben, ist unser Bedarf an Flügen recht schnell gedeckt. Die enge Flugzeugkabine tut, trotz Entertainmentprogramm, ihr Übriges. Ganz ehrlich: Schon nach der ersten Stunde zieht sich der Flug gefühlt wie ein alter Kaugummi!
Ich hatte mir im Vorfeld zu dieser Reise fest vorgenommen, euch als Leser unbedingt hieran teilhaben zu lassen! Indem ich einen Text zum Flug schreibe, der zum Lesen mindestens so lange Zeit bedarf, wie wir im Flieger sitzen müssen! Aber selbst der Brockhaus würde dafür nicht reichen und spannender als den Brockhaus würde ich es auch nicht zu Papier bringen können.
Beschränken wir uns daher zunächst auf das Entertainment- Programm, welches zu unserer Überraschung ein gutes Dutzend Filme bereithält! Sogar in deutscher Sprache! Einmal „Dünkirchen“ und die Neuverfilmung von „Stephen Kings Es“ später sind schonmal 3 Stunden rum! Leider aber auch erst dein Drittel des Fluges. Puh! Was passiert noch? Achja. Wir bekommen alle ein blaues Formular ausgehändigt, auf dem wir unsere Zollerklärung abgeben sollen. Ob wir verbotene Lebensmittel oder Warenmuster einführen. Sieht langweilig aus, ist es auch, kommt erstmal in die Sitztasche. Füllen wir später aus.
Abwechslung schafft das Bordmenü, von dem wir euch wirklich sehr sehr gern ein Bild gezeigt hätten! Aber wir hatten Hunger. Sorry. 😉
Nach dem Bordmenü gibt es noch Kaffee und dann zieht sich die Hälfte der Crew recht früh in die Crew Rest Aera zurück.
Auch das Flugzeug selbst wird zum lethargischen Mikrokosmos, wo so manch einer seine Würde verliert. Auf Socken in die Waschräume, oder ohne Hose lang gemacht in leer gebliebenen Viererreihen. Da tun sich menschliche Abgründe auf! Aber das Personal ist gnädig und sieht über alle Fehltritte geflissentlich hinweg. Ja, sie sind sogar richtig freundlich die Spanier! Beispiel Nils! Nils bekommt trotz üppigem Bordmenü im weiteren Verlauf des Fluges noch einmal Hunger, sodass er mit mir nach hinten zum Crewbereich an den Waschräumen geht. Dort bitten wir um einen Snack und die freundliche Dame macht mir ein Angebot auf Englisch. Dieses übersetze ich Nils kurz und erkläre, dass er aus Keksen oder Nüssen wählen kann und ich sage ihm, er soll sich dann auf jeden Fall mit einem netten „Gracias“ bedanken, wenn er das gewünschte Päckchen bekommt. Das macht er auch. Ganz brav, Papas gute Erziehung! 😉
Dieses „Gratsias“ wie Nils es ausspricht, versetzt wiederrum die Flugbegleiterin dermaßen in Verzückung, dass sie Nils sogleich mit einer ganzen Handvoll Tütchen mit Keksen und Nüssen überhäuft, sodass Nils Mühe hat, seine reiche Beute mit vollen Händen zu seinem Platz zurück zu balancieren! Der kleine Charmeur! 😉
Ich sag´s ja, die Jungs und Mädels bei Iberia sind wirklich kinderfreundlich. Vielen lieben Dank Iberia!

Ansonsten vergeht die Zeit gar nicht wie im Flug. Buchstäblich. Ungewöhnlich zu berichten sei vielleicht noch, dass obwohl es sich ja um einen Tagflug handelt, das gesamte Flugzeug mehr oder minder gleich nach dem Mittagessen komplett verdunkelt wird. Wer seine Luke auch nur einmal kurz einen Spalt öffnet, um einen Blick auf den Ozean oder das in der Ferne nahende Neufundland zu werfen, wird von der Meute der Fluggäste arg böse beäugt und ein Raunen geht durch die Menge.
Die Dunkelheit tut den Augen aber auch gut! Denn draußen ist es extrem grell und der Blick aus dem Fenster brennt arg in den Augen! War das früher auch schon so? Ist doch nicht unser erster Flug und auch nicht der erste über den Atlantik?! Komisch.
Fast wäre die künstlich geschaffene Dunkelheit perfekt, um ein paar Stündchen zu schlafen! Aber es gelingt einfach nicht. Mal nicken die Kinder zwar ein, aber dann dummerweise nur nacheinander. Besonders Tim tut sich schwer und wird leider schon nach der Hälfte des Fluges quengelig. Zum Glück tragen es die übrigen Passagiere mit Fassung. Was bleibt ihnen auch anderes übrig? Aussteigen geht ja schlecht…
Ich muss zugeben, dass Anja und ich noch während des Fluges an unserem schlechten Gewissen knabbern und uns mehr wie einmal wünschen, doch lieber nur nach Holland gefahren zu sein! Dann wären wir jetzt schon da. Und ich hätte sogar in der bereits investierten Zeit für diese Reise wieder nach Hause fahren können, falls ich eine Dose Thunfisch vergessen hätte oder so, um sie zu holen, und wäre von dieser Fahrt auch schon wieder zurück auf dem Campingplatz in Holland! Stattdessen aber sitzen wir hier interkontinental im Flieger…
Wer hatte nur diese schwachsinnige Idee mit dem Flug nach Amerika?! Teuer, elendsaufwendig und eigentlich viel zu kalt! Für Chicago sind gerade mal 1 Grad Celsius (EIN GRAD!) für heute gemeldet! Wir müssen unbedingt machen, dass wir übermorgen möglichst schnell mit dem Wohnmobil nach Süden kommen…

Gegen 20 Uhr Ortszeit zuhause wird das Licht in der Kabine eingeschaltet. So langsam regt sich wieder Leben in den Reihen neben und hinter uns. Die Leute pressen den letzten Rest aus den Frischwassertanks der Waschräume, inzwischen bilden sich sogar kleine Schlangen vor dem WC.
Puh! Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis wir zur Landung in Chicago ansetzen.

Wenig später geht die Crew ein weiteres Mal mit den Saftwägelchen durch die Kabine.
„Juchu, ein Geschenk!“ freut sich Tim, als ihm die nette Stewardess eine längliche Pappschachtel überreicht. Dort enthalten: Ein leckerer Joghurt, ein kleiner Mufffin, ein KitKat und ein mit Käse und Schinken belegtes Baguette! Dazu gibt es nochmals Getränke, Kaffee und Tee. Wirklich ansehnlich und lecker ist es auch noch.
Fast schon tut mir Ibera leid! Ich meine wenn man bedenkt, was wir für den Flug bezahlt haben und wie leer diese Maschine doch ist, kann sich das doch nicht rechnen?! Allein das Personal muss doch mehr kosten, Wartung der Maschine, Kerosin noch gar nicht mitgerechnet! Und dennoch wird der Flug durchgeführt auf Teufel komm raus, bis die nächste europäische Airline finanziell schwankt…

Noch während des Abendessens merken wir, dass wir allmählich unsere Flughöhe verlassen. Wir sind über den Great Lakes, wie man unschwer am Bordentertainment- System verfolgen kann. Kaum werden die Reste des Abendessens weggeräumt, beginnen auch wir unsere sieben Sachen allmählich aus den Sitztaschen zu holen und zusammen zu packen.
Und da fällt es mir in die Hand! Das Zollformular!!!
Ohwei!
„Hast du mal einen Stift?“ raune ich Anja vor mir in der Reihe an.
„NEIN!“ raunt sie zurück.
„Warum nicht?“ frage ich unwirsch, wie man eben nach einem 10 stündigen Flug unwirsch auf eine unerwartete Abfuhr reagiert.
„Weil ich dachte, dass die verboten sind, weil man damit ja auch ein Flugzeug entführen kann!“
Also bitte! Wer es schafft, mit einem Stift ein Flugzeug zu entführen, der hat, bei den Gebeinen von Charles Lindbergh, das Flugzeug redlich verdient! Grmpf! So ein Blödsinn! Stift verboten in einem Flugzeug. Tss!
„Warum hast DU denn keinen Stift dabei?“ fragt nach einigen Nachdenksekunden Anja nun mich.
Ups!
„Äh, aus dem gleichen Grund! Kann man ja ein Flugzeug mit entführen!“ kontere ich schnell. 😉

Ich bitte die Stewardess uns einen Stift zu bringen, aber dafür ist es nun zu spät. Wir setzen zur Landung an und auch die Bordcrew schnallt sich auf den Crewplätzen an. Super! Naja. Dann müssen wir das mit dem Ausfüllen eben gleich in der Halle machen. Irgendwo werden wir schon einen Stift auftreiben können, spätestens an der Stelle, wo jemand dieses Formular von uns haben möchte, wird es wohl einen Stift geben! Wegen eines noch nicht im Flug ausgefüllten Formulars wird einem doch kaum die Einreise in die USA verweigert, oder?

Wir landen sanft und bekommen ein weiteres Mal schon gleich hier am Flughafen einiges von Chicago zu sehen! Schade, dass die Gegend rund um den Flughafen so trist ist! Sonst wäre die gefahrene unglaublich große Platzrunde bis zu unserer finalen Parkposition auf dem Airport durchaus als interessante Stadtrundfahrt durchgegangen…
Irgendwann aber erreichen wir auch das Gate und dann geht es los. Alles raus aus dem Flugzeug! Und da kommt es zu einer mittelgroßen Verzögerung im mittelgroßen Gang unseres mittelgroßen Airbus. Die Ruhe und den Service, die wir jedenfalls vorhin beim Premium- Boarding als Familie genießen durften (beim Einchecken durften wir mit kleinen Kindern als erste in Flugzeug noch vor den Business- Juppis, die dafür extra bezahlen…), ist nun jedenfalls passé. Und so stopfen wir uns mit Kind und Kegel durch einen viel zu schmalen Gang, bleiben hier hängen, ecken da an, kurzum, nach den Blicken unserer Mitreisenden zu urteilen, sind „die Passagiere des Monats“ sehr wahrscheinlich WIR.
Schwer zu beurteilen, ob wir diese Auszeichnung nun für unser überbordendes Handgepäck bekommen, welches kaum durch den Seitengang passt, oder für unsere lieben Kinder, die natürlich nach einem langen Interkontinentalflug alles andere als begeistert sind, jetzt nochmals alle Energien mobilisieren zu müssen. In meiner Laudatio zum wahrscheinlich in der Eingangshalle zu verleihenden Preis werde ich auf jeden Fall sicherheitshalber beides lobend erwähnen. 😉

Zum Glück geht das Aussteigen dann doch relativ schnell und da die Gänge im Flughafengebäude recht breit wie auch weit sind, können uns die ärgsten Preisrichter mit dem kritischsten Blick auch gleich zügig überholen. Als Familie hast du es da eben nicht so leicht.

Nachdem wir einige Wege gegangen sind, kommen wir in die Abfertigungshalle. Dutzende Automaten stehen für ein vielfaches an Dutzenden Menschen bereit, die sich hier einreihen. Wir haben Glück und erwischen einen Automaten, wo gerade eine zierliche junge Dame den Automaten sauber gemacht hat und noch am Automaten steht. Den „may i help you“ Aufnäher auf ihrem hellbraunen Shirt nehmen wir wörtlich. Hier müssen wir offenbar unsere Einreiseformmalitäten erledigen? OK. Los geht’s. „Haben Sie zufällig einen Stift?“
Sie zeigt auf den Automaten und dort scannen wir dann unsere Pässe und die Fingerabdrücke von Anja und mir ein. Auf die Fingerabdrücke der Jungs wird verzichtet. Scheinbar trauen Sie einem Zwei- und einem Sechsjährigen noch nicht zu, dass sie die nationale Sicherheit von Amerika gefährden könnten. 😉

Nur wenige Minuten später bekommen wir einen Ausdruck aus dem Automaten, den die Dame für uns abreißt und überreicht. Dann öffnet sie für uns mittig das Absperrband und schleust uns bypassähnlich in eine zunächst klein anschauende Wartereihe.
Familienbonus bei den Einreiseformalitäten in die USA? Super! Ich glaub wir sind durch!

Denkste! In der Reihe, in der wir jetzt stehen, wird vorsortiert! US- Bürger links, alle anderen „niederen“ Völker rechts. Die Schlange der US- Bürger, die wir vermeintlich erfolgreich geskippt haben, ist zwar länger, dafür geht es in dieser Reihe aber auch deutlich schneller!
Auf unserer Seite hingegen stehen vier so kleine Halb- Aquarien, in denen jeweils ein Officer der American Border Patrol Home Protection proud of irgendwas Honor Guard seinen Dienst verrichtet. Das ist also der finale Moment, wo wir in die USA einreisen. Nicht am Automaten. Und ich hatte mich schon gefreut, wir seien nach nur 10 Minuten hier am Flughafen fertig…

Eine weitere Dame weist aus der langen Warteschlange Einzelpersonen und kleine Gruppen auf die Reihen vor den Aquarien zu. Wir bekommen nach weiteren 10 Minuten Wartezeit die Reihe 52 zugewiesen.
Im Aquarium der Reihe 52 schiebt ein bärtiger, bulliger Mann seinen Dienst, möglicherweise mit irischen Wurzeln. Stämmig, kräftig!
OK, für einen US Navy Seal reicht es nicht ganz. Dafür ist dieser verdammte Schreibtischjob hier verantwortlich, der ihm ein kleines Wohlstandsbäuchlein zu Lasten der Kondition verpasst hat. Zupacken kann er aber noch immer wenn es sein muss! Das sieht man unbeirrt! Ein Typ, dem Donald Trump problemlos an dieser Stelle die Grenze der vereinigten Staaten anvertrauen kann und weiß, dass sie auch morgen noch da sein wird, wenn er selbst mal kurz außer Landes ist.
Er mustert uns, als er uns an seinen Schalter heranwinkt. Der hagere, schmächtige Mann vor uns, vielleicht ein Perser oder Inder, hat kurz zuvor lange gebraucht, bis er das Go des Einreisebeamten hatte und mitunter bei der Befragung recht unglücklich aus der Wäsche geschaut hat. Kein gutes Vorzeichen. Nun sind wir also dran…
Keine Frage, unser Officer hier ist einer von der strengen Sorte. Ich versuche es daher mit dem Tipp aus dem Reiseführer. Höflich und freundlich, etwas höflicher und freundlicher, als für deutsche Ordnungsamtbeamte üblich, aber nicht ZU höflich, um nicht zu wirken, als hätten wir was zu verbergen.
„Hello Sir! This is Bjoern and my Family from…“
Passports, PLEEEEASE!! schmettert uns der irisch-stämmige Homeguard Protection Officer entgegen.
„ok“   flüstere ich so demütig, leise und gerade noch unterwürfig hörbar zurück, wie ich nur kann.
Dann aber merkt unser Officer offenbar selbst, dass er uns gerade ganz schön eingeschüchtert hat! Denn plötzlich wird er freundlich, der irische Bär mit seinen roten Anteilen in Bart und Haar.
Er fragt uns überraschend fromm, woher wir kommen und was wir hier möchten. Wir antworten wahrheitsgemäß und er stellt sogar ein, zwei menschlich interessierte Fragen mehr, als in seinem Protokoll stehen.
Während wir so über die Route 66 quatschen, werden ein weiteres Mal meine Fingerabdrücke eingescannt und auch ein weiteres Mal ein Bild von mir gemacht. Auch Anja muss ran an die Fingerabdruckmaschine und auch von ihr wird wieder ein Bild gemacht. Seltsam! Das haben wir doch eben schon alles am Automaten gemacht! Warum denn jetzt noch einmal?! Die Antwort darauf werden wir wohl nicht mehr erfahren, denn nach der Prozedur wünscht uns der Officer ein herzliches „Welcome to the United States! – And drive safely!“
Dann sind wir drin. Zumindest fast. Denn wir müssen, nachdem wir hoffentlich gleich unsere Koffer in Empfang nehmen dürfen, noch durch die Zollkontrolle. So steht es zumindest auf einem Schild.
Die Kofferausgabe erreichen wir nach einem kleinen Marsch. Zunächst sind die Reihen unübersichtlich und wir laufen in die falsche Richtung an das Ende der Halle, bis wir endlich unsere Reihe entdecken. Unsere Koffer stehen schon bereit! Von Abfertigungskräften vom Band genommen und zusammen mit Dutzenden anderen Koffern aufgereiht. Es sieht so aus, als seien wir relativ weit vorne und gut durchgekommen! Unsere Koffer sind auch alle da, sogar der Kindersitz ist dabei, obwohl der ja als Sondergepäck abseits in Düsseldorf aufgegeben wurde.
Wir schnappen uns einen zweiten Gepäckwagen und dann schieben wir los!
An der Zollkontrolle fürs Gepäck sitzen dann keine respekteinflößenden Iren mehr. Eine junge, zierliche Dame nimmt uns stattdessen die Zettel ab, die uns der Immigration Officer gereicht hat und fragt uns höflich reserviert, ob wir Lebensmittel einführen. Fleisch, aber auch frisches Obst steht auf dem Index.
Da ich zu diesem Zeitpunkt fest davon überzeugt bin, dass wir unsere Sandwiches alle aufgegessen haben, beantworte ich diese Frage mit reinstem Gewissen mit „nein“, was wohl auch glaubwürdig genug klingt, um auf eine tiefgreifendere Kontrolle unseres Gepäcks zu verzichten.
Sogleich dürfen wir auch passieren.
Dass sich zu diesem Zeitpunkt in unserem Handgepräck doch noch ein nunmehr arg aufgeblähtes und vermutlich farblich wissenschaftlich interessantes Sandwich befindet, haben wir nicht mit Absicht verschwiegen! Ehrlich nicht! Wir werden es später im Hotel sorgsam und vor allem unverdaut entsorgen…
Wird schon keine europäische Schweinegrippe oder so etwas davon ausgehen, was später die halbe Rinderpopulation in den USA dezimieren wird und Hamburger dann 8 Dollar kosten… Und wenn doch, dann löschen wir einfach diese Zeilen hier im Reisebericht und keiner weiß, dass wir es waren… 😉

Übrigens: Wir hätten wirklich sehr sehr gerne Fotos von allem gemacht! Also von den langen Schlangen, den Reihen, den Automaten und den Immigration Aquarien. Aber nichts davon war erlaubt! Schon früh wurden wir durch große Warnschilder darauf hingewiesen, dass das Filmen und fotografieren ausdrücklich verboten ist! In einem Land, in dem einzelne Bundesstaaten sogar noch immer die Todesstrafe praktizieren, haben wir uns diesen Hinweis zu Herzen genommen.
Ich setze mich ja sonst gerne im Sinne der Informationsfreiheit über solche Verbote hinweg. Gerade für andere Urlauber und Reisende wäre es sicher interessant vorab zu erfahren, was hier auf einen zukommt! Aber ich habe mich nicht getraut! Der Hauch von Autorität lag ab den Schildern und der Kameraüberwachung an allen Ecken und Enden schwer in der Luft, sodass wir uns nichtmal getraut haben, nicht weniger als respektvoll an die roten Linien heran zu treten und selbst unsere spielenden Kinder mehr wie einmal zu ermahnen, auf jeden Fall genügend Abstand von der roten Linie zu halten! Da ist so etwas wie unbedarft Fotos machen undenkbar!

Nachdem wir auch an der Zollkontrolle vorbei sind, geht es durch eine Sicherheitsschleuse.
Dahinter: Das echte und unverfälschte Amerika!
Menschen stehen herum, einige halten selbst gebastelte Schilder hoch. Andere jubeln. Das schwere Gefühl amerikanischer Weltautorität, die man nach einem Bombardement eines vermeintlichen Raketenbunkers eines Mullahs in der Wüste gerne in den heute- Nachrichten mit ernster Miene des Sprechers vermittelt bekommt, ist wie weggeblasen! Hier sind die echten Menschen, die die vereinigten Staaten von Amerika ausmachen. Offen! Herzlich! Menschlich!

Die Anspannung fällt im gleichen Augenblick von uns ab und wird ersetzt durch eine schwere, bleierne Müdigkeit, wie wir sie selten erlebt haben!
Aber immerhin: Wir sind da! In Amerika! Offiziell eingereist und dabei haben wir noch nicht einmal das blaue Formular vom Flugzeug ausgefüllt!
Jetzt müssen wir nur noch unseren Mietwagen entgegen nehmen und dann geht es ab ins Hotel! Schlafen! SCHLAFEN! Jetzt wissen wir, wie Joda sich im Teil VI von Star Wars gefühlt hat, als Luke das zweite Mal nach Dagobaah geflogen ist… Schlafen!

Den Mietwagen zu finden ist gar nicht so einfach!
Die Kinder quengeln, sind hungrig und müde wie wir. So sehr, dass wir ihnen zunächst etwas von einem McDonalds Schalter holen. Ein Tütchen Nuggets für beide und ein Päckchen Apfelsaft für die Jungs und zwei Cola Light für Anja und mich. Und dann kollidieren wir irgendwie schon hier mit dem Proud America! Anders als bei uns, wo bei McDonalds auch die Dame, die die Bestellung entgegen nimmt, das Essen zusammenstellt, ist das hier proud Teamwork. Die Bestelldame sagt es der Sous- Chefin, diese gibt es an die Einpack- Chefin weiter, die daraufhin unser Essen zusammenstellt, was ihr aus der Küche vom „Chef d’M“ einzeln angereicht wird. Folge der stillen Post: Wir bekommen für die Kinder zwar alles, für uns aber nur eine Cola und die ist auch noch die echte mit Zucker und keine light. Puh! Es vergehen Minuten, bis dieser Fehler korrigiert ist. Lästig.

Überhaupt ist die ganze Situation schwierig! Weil auf den Schildern im Flughafen zu unserer totalen Überraschung nirgendwo etwas von Mietwagen steht, frage ich mich durch, während die Jungs halb weinend und halb knötternd an einem Nugget mümmeln. Die Situation belastet sehr.
Ich erfahre, dass man mit einem Shuttlebus zum Vermieter fährt. Für Budget würde der Bus am Ausgang 5c abfahren. Warum kann man das nirgendwo auf Schilder schreiben? Wirklich! Steht nirgendwo!
Wir stehen kurz darauf mit einem Gepäck für eine mehrmonatige Weltreise draußen in der Kälte. Nils friert, Tim heult und wir sind müde- aggressiv. Und unfair zueinander. Das ist genau der Moment, den ich im Vorfeld so sehr befürchtet habe und der nun eingetreten ist. Die Minuten des Wartens werden gefühlt zu Stunden! Es folgt der Bus für Enterprise, es folgt der Bus für Alamo.
Kurz darauf kommt Hertz! JUCHU! Wenn wir  doch nur Hertz gebucht hätten!

Bis wir dann ENDLICH den Bus für Avis/Budget am Horizont der mehrstreifigen Autobahn ausmachen, hätte McGyver aus den Koffertrolleys und den Resten unseres im Koffer vor sich hingammelnden Sandwiches ein Automobil mit einem alternativen umweltfreundlichen Antrieb auf Verwesungsbasis selbst gebaut…

Wir steigen in den Bus und rumpeln die paar Meter zum Mietwagenstand. Von google Maps wusste ich, dass er eigentlich nur schräg gegenüber liegt. Man hätte auch „walk in“ machen können. Hätten wir gemacht, wenn man den Mietwagenkiosk gesehen hätte! Aber hier ist alles so bullig und groß, dass man den eigentlich keine 300m entfernt liegenden Kiosk von Avis/Budget nicht erspähen kann. Zumal es auch keinen einfachen Fußgängerweg dorthin über die mehrspurige Straße gibt. Mit Kindern und Gepäck ohne vernünftigen Überweg? Keine Chance!

Nachdem wir alles Gepäck aus dem Bus ausgeladen haben (der Fahrer hat uns geholfen und den ersten unserer Trinkgelddollars aus der Hosentasche dafür erhalten), bleibt Anja beim Gepäck draußen und ich gehe mit den Jungs hinein. Es ist nur wenig los bei Budget und Avis, die sich den Raum hier teilen. Und obwohl es hier mehr Angestellte wie Gäste gibt, geht es dennoch nicht weiter. Wieder das berühmte Proud- of- America- Prinzip. Ich würde es nicht schreiben, wenn es eben heute nicht bereits das zweite Mal auffällt. Aber einer steht am Schalter, einer steht daneben und spricht etwas ins Funkgerät, das ihm der am Schalter sagt. Ein dritter kommt von draußen herein und ist offenbar der Ansprechpartner am anderen Ende des Funkgeräts, denn er schaut den Zweiten eindringlich an. Dann geht er durch die Halle und nimmt offenbar einen Prefered- First Highproud- Irgendwas Kunden in Empfang, der drei Dollar mehr für die Goldmitgliedschaft bezahlt hat, um sein Auto nicht selbst auf dem Parkplatz suchen zu müssen. OK. Es sei ihm gegönnt. Aber drei Mann für ein Auto?!
Weitere Minuten vergehen, bis wir dran sind. Eine Dame nimmt meine Daten auf und findet auf Anhieb unsere Reservierung im Computer! Immerhin!
Dann weist sie mich darauf hin, was ich bereits drei Mal seit Betreten des Kiosks an diversen Aushängen gelesen habe. Aufgrund der Witterung und den damit einhergehenden Minustemperaturen kann derzeit die Waschanlage nicht benutzt werden. Die Autos seien entsprechend in einem nicht immer sauberen Zustand. Aha. Man bittet um Entschuldigung für sämtliche Inconvenience, die dadurch entsteht. Hmm. Naja. Mietwagen sollten zwar sauber sein, das wäre immer schön, aber in der Waschbox stehen bei den Temperaturen ist natürlich auch nichts.

Ich bekomme die Info, dass ein toller Chevrolet auf mich wartet. Platz R11. Schlüssel steckt. Aha. Würde mich nicht wundern, wenn auch bereits seit Stunden der Motor läuft, damit der Wagen für mein Convenience auch bereits schön warm ist… 😀
Was Nils, Tim und ich kurz darauf auf dem Parkplatz R 11 des Avis/Budgets Vermietpools entdecken, ist weit mehr, als ich erwartet habe! Gebucht hatten wir die Klasse F, also SUV kompakt wenn man so will. Ich hatte natürlich auf ein Upgrade gehofft. Aber das ist der Wahnsinn! Stimmt dieses Auto wirklich mit unserer Reservierung überein?!

Ein für Amerika standesgemäßes Automobil! Unsere Freunde zuhause, denen wir kurz darauf ein Bild von unserer neusten Errungenschaft zeigen, werden dieses Fahrzeug in Ihrer unwissenden Bedarftheit als Bus einordnen! Pfft! Arme Europäer! Das hier ist das Minimum! Der Golf der Amerikaner sozusagen. Ein fetter Chevrolet Suburban! Der feuchte Traum eines jeden Teenagers, der US- amerikanische Serien liebt, in denen das FBI eine Verfolgungsjagd startet.

Und locker zwei Klassen über der Klasse SUV Kompakt, die wir eigentlich gebucht hatten!
So standesgemäß werden wir also morgen nach Middelbury reisen! Anstelle Anja abzuholen und zusammen zu Fuß zum Auto zu gehen, gönne ich mir den Spaß. Die Jungs setze ich schnell rein und dann fahre ich einmal um den Block hupend zu Anja, die aus dem Staunen nicht mehr heraus kommt! Was für ein Karren! Man merkt sofort, dass Anja auch noch nicht, wie unsere Daheimgebliebenden, in amerikanischen Dimensionen denkt. Sie findet das Auto spontan zu groß. Pfft! Ob ich es umtauschen könnte will sie wissen. „Sie hatten leider kein anderes“ kontere ich mit einer Notlüge und hoffe, dass Anja diese Zeilen hier nicht lesen wird. 😉
Ich habe zu meiner Verteidigung aber wirklich schlichtweg nur „Chevrolet“ verstanden, als die mir die Dame das Auto genannt hatte. Die gebuchte Klasse F, Beispielfahrzeug Ford Escape, war eh mehr ein Kompromiss aus realem Gepäck- und Personenbedarf und dem insgeheimen Wunsch, im fetten Amerika auch ein fettes Auto zu fahren! Für das Buchen dieser Klasse war ich mir aber einerseits zu knauserig (hätte 200 Euro statt der 108 gekostet, die wir jetzt für 2 Tage bezahlt haben) und andererseits hätte ich so ein fettes Schiff, *äh*, ich meine natürlich „so ein absolut standesgemäßes Fahrzeug“ für die amerikanischen Highways, niemals im Buchungsprozess an Anja vorbei bekommen.
Nun steht es aber doch da! Da gebe ich den Karren doch nicht zurück?!

Es könnte perfekt sein!
Wenn es nicht so dreckig wäre! Der Dreck von außen mag noch vertretbar sein. Aber das sie den Wagen noch nicht einmal ausgesaugt haben, das ist übel! Der Tank, angeblich voll (weil er auch voll zurückgegeben werden soll) hat mindestens 10 Liter zu wenig, die Nadel ist bereits deutlich erkennbar vom Vollstrich abgerückt. Aber um jetzt wieder rein zu gehen und mich zu beschweren und ein anderes Auto zu verlangen, dafür sind wir alle schlichtweg zu müde! Wir wollen jetzt einfach nur noch ins Hotel!
Schnell sind die Koffer verladen und ein zweiter Trinkgeldollar ist durch für einen hilfsbereiten Angestellten, der gleich angerannt kam und uns beim Einladen unseres Gepäckbergs geholfen hat.
Naja.

Das Hotel liegt weniger als eine Meile entfernt. Da wir aber das Hotel im Navi nicht finden können (hier ist es noch als Best Western gelistet und nicht als Edward Hotel, was wir später noch herausfinden), nehmen wir das benachbarte Hotel –und verfahren uns prompt! Mist! Fast landen wir sogar auf dem mautpflichtigen Highway, zum Glück können wir aber das schlimmste noch abwenden und wenden auf einem Firmenparkplatz kurz vor der Mautstelle.
In einem zweiten Anlauf und dem passieren einer doppelt gestrichelten Linie sowie dem Einfahren in die Einbahnstraße der Hoteleinfahrt erreichen wir schlussendlich doch den Hotelparkplatz. Puh! Das wird was! Ein Glück, dass wir heute nur noch ins Bett müssen und maximal nur noch Fahrstuhl fahren. Alles andere wäre unverantwortlich. Wir sind wirklich kaputt! Alle!

Ein weiteres Beispiel amerikanischer proud- Mentalität erfahren wir nun beim Einchecken.
Wir als Kunden sind dem Edward Hotel wichtig! Und wir sollten auf keinen Fall auch nur eine Sekunde zögern, wenn es etwas gäbe, was unseren Aufenthalt verbessern könnte! So zumindest verkauft es uns gleich der erste Aufsteller in der Lobby. Jaja, wenn dies doch nicht nur eine hohle Phrase wäre!
Denn das „Edward“ ist das Hotel, welches wir im Vorfeld angeschrieben hatten und darum gebeten haben, ob wir Kindersitze von Deutschland aus z.B. bei Walmart online bestellen und für die erste Nacht ins Hotel liefern lassen können. Damit wir jetzt die passenden Sitze für die Fahrt morgen haben. Trotz mehrmaliger Nachfrage habe ich aber nie eine Antwort bekommen!
Und auch unsere Bitte im Rahmen der Reservierung, ob wir ein Zimmer möglichst hoch im Haus bekommen können, damit vielleicht mit Glück etwas Aussicht über die Stadt genießen könnten, wurde trotz sieben verfügbarer Stockwerke des Hauses nicht berücksichtigt. Wir bekommen wir Zimmer 313, also gerade mal im dritten Stock. Ich bin zu müde zu fragen, ob wir nicht doch ein etwas höher liegendes Zimmer im Haus bekommen können. Umbuchen kostet Zeit. Wertvolle Zeit, die zwischen uns und dem Schließen unserer Augen steht. Wir müssen ins Bett!

Das Zimmer ist schlicht und muffig. Es hatte seinen Zenit vermutlich in den frühen 80er Jahren, zumindest lässt das Zimmertelefon im Matlock- Stil darauf schließen. Später werden wir unter dem Bett, da wir sie zusammenschieben, noch Kronkorken und Papierfetzen unserer Vormieter finden. Dazu schon jetzt Staub auf Schaltern, Ecken und Enden. Risse im Putz, lockere Steckdosen, die Leitungen im Bad tropfen, kurzum, hier hat schon lange keine Renovierung mehr stattgefunden.

Aber wie schlimm es auch ist, für eine Nacht wird es gehen. Wir packen das nötigste aus und verwerfen die Idee, dass ich nochmals losfahre und in einem Supermarkt noch das Nötigste besorge wie Wasser zum Trinken für die Nacht. Dafür sind wir alle einfach zu kaputt! Stattdessen wechseln 25 Dollar in der Hotellobby im Minimarkt den Besitzer für eine Flasche Cola Light, eine Flasche Apfelschorle und zwei Flaschen Wasser zu je 0,5l und 4 Waffeleis im Gegenzug. Teuer! Aber wie gesagt, wir sind müde.

Gegen 17 Uhr Ortszeit, zuhause ist Mitternacht weit durch, geht dieser erste unglaublich anstrengende Tag zu Ende!
Wenn wir eine Erkenntnis aus diesem Tag mitnehmen (die wir uns eigentlich mit einem Messer auf die Stirn ritzen müssten, damit wir es ja niemals mehr vergessen!) dann die, wie anstrengend doch besonders das lange Fliegen mit kleinen Kindern ist!
Für uns als Erwachsene war es schon schwer. Aber nach dem langen Flug nochmals alles mobilisieren und die Einreise, das Warten und die Kofferschlepperei sowie die Mietwagenübernahme zu überstehen war für unsere Jungs die Hölle! Und für uns als Eltern, die wir noch irgendwo aus der letzten Ecke Energie kramen mussten, um die Kinder bei Laune zu halten. Wirklich nicht einfach!
Campen in Deutschland und Europa mit dem eigenen Wohnwagen oder Wohnmobil klingt auf einmal unheimlich attraktiv! Wir hoffen, dass uns einfach nur die Situation beeinflusst. Nervlich am Ende und so. Und das es morgen, nach einer Nacht gutem Schlaf, wieder schön sein wird und wir uns wieder auf den bevorstehenden Roadtrip freuen. Für den Moment aber bereuen wir aber hier zu sein.
In die USA zu fliegen und mit einem Wohnmobil durch das halbe Land zu fahren, das war eine der dümmsten Ideen unseres Lebens!
Gute Nacht!

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