So, heute beginnt dann die Kreuzfahrt! Um 13 Uhr sollen wir uns am Kreuzfahrtterminal von Costa in Genua einfinden und unser Kreuzfahrtschiff, die Costa Toscana besteigen! Der Tag beginnt aber erstmal im Hotelzimmer des Novotel in Mailand Malpensa, etwa 200km von Genua entfernt. Die Uhr zeigt halb 8, als der erste aufsteht und im Bad verschwindet. Das Schiff pünktlich zu erreichen sollte also kein Problem sein, oder?!

Um 8 ist auch der zweite der Familie durchs Bad und wir fangen an, uns reisefertig zu machen. Ein erster Blick ins Google offenbart allerdings bereits zu dieser frühen Uhrzeit einen Stau bei Mailand auf der A50, der uns locker eine Stunde kosten wird! Ohje! Doch zum Glück ist die A 50 nicht alternativlos wie gestern noch der Gotthard- Tunnel. Wir entscheiden daher, von hier aus bis Novara zu fahren und dann scharf nach Süden auf die SS 211 Richtung Mortara abzubiegen, die derzeit die kürzeste und auch schnellste Route zu sein scheint. Auch, weil google sie als Alternative auf drei möglichen Varianten gar nicht vorschlägt bzw. nur als mautfreie Alternative, die dann aber auch bis zum Ziel mautfrei durchzieht. Macht ja auch nicht jeder, von daher hoffe ich, dass die Selbstzusammenstellung der Route mit SS 211 und dann bei Tortona auf die A 7 Richtung Genua auch für die nächsten Stunden von allen Ausweichfahrern verschont wird und somit staufrei bleibt.

Auf das italienische Frühstück im Novotel verzichten wir. Frühstück im Süden ist meist nur eine Kleinigkeit mit Kaffee und Saft, dafür wird im Gegenwert recht viel Geld verlangt. Gerade in Hotels. Das machen wir anders, wir wollen sowieso noch ein paar Snacks für die weitere Fahrt besorgen und planen den ersten großen Supermarkt anzufahren, um dann dort zu frühstücken.

Schon um 9 Uhr checken wir aus, zahlen das Zimmer und sind kurz darauf Richtung Novara unterwegs. War anständig das Hotel! Die Betten waren in Ordnung, das Zimmer sauber und die Dusche warm. Würden wir wieder machen!

Bei Novara entdeckt Anja einen passenden Supermercato Esselunga als Megastore direkt neben der Autobahn. Perfekt!
Sofort fallen uns beim Betreten des Ladens die unfassbare Auswahl an diesen übergroßen Schokoladen- Überraschungseiern auf, die hier in Italien zu Ostern sehr beliebt sind. Es gibt sie in zahlreichen Motiven und Ausführungen, besonders in Bezug zu bekannten Zeichentrickserien wie PJ Mask, Miracoulus, Tom & Jerry, Mascha und der Bär, Star Wars, und vielen weiteren. Auch welche von kinder oder Ferrero Rocher entdecken wir. Eine riesige Auswahl und sofort sind wir versucht, hiervon eine ganze Batterie zu kaufen! Wir kennen die Eier schon von unserem Oster- Campingurlaub letztes Jahr auf Union Lido. Viele Freunde und Verwandte haben sich damals dankbar über die mitgebrachten Eier gefreut. Auch dieses Jahr werden wir diese mitbringen, aber nicht heute. Denn eins ist klar, jetzt vor Ostern sind die Preise für die Eier hoch. Da aber nicht alle verkauft werden, gibt es die Eier nach Ostern für einen auf zwei Euro im Ausverkauf! Da haben wir uns letztes Jahr auch ein bisschen geärgert, dass wir die Rabatte erst NACH Ostern entdeckt haben, nachdem unser Kofferraum für die Daheimgebliebenen schon voll war. Aber dieses Mal sind wir schlauer. Nächste Woche auf der Rückfahrt werden wir daher auf jeden Fall zuschlagen und die Läden hier leer kaufen. 😀

Mit einem guten Frühstück und den Resten der gestern beim Metzger gekauften Mettwürstchen und Landjäger gibt es eine gute Mischung aus italienischen Brötchen und süddeutscher herzhafter Beilage, die wir unter ungläubigen Blicken der Italiener hier bei offener Heckklappe auf dem Supermarktparkplatz genießen. Gut gestärkt geht es über die Landstraße SS 211 weiter Richtung Tortona.

Das Frühstück hat länger gedauert als erwartet. Gleichzeitig wächst der Verkehr nun auch ausgerechnet in Genua an! Aus der allerersten Prognose Ankunft 11:45 Uhr noch beim Auschecken aus dem Hotel ist inzwischen halb 1 geworden! Ankunftszeit am Parkhaus wohlgemerkt! Eincheckzeit auf dem Schiff ist eigentlich für 13:00 Uhr gewünscht, das wird dann langsam knapp! Ich versuche daher, den meist großzügig bemessenen Zeitkorridor für Landstraßen und Ortsdurchfahrten, die ein Navi für gewöhnlich berücksichtigt, aufs äußerste zu verknappen! Ein Glück ist an diesem Feiertag nur wenig auf den Straßen und in den Dörfchen unterwegs, sodass wir tatsächlich ein paar Minuten gut machen! Leider verpufft der Effekt dann doch beim stetig größer werdenden Verkehrsrot im Navi in und um Genua!

Kurz vor Genua setzt dann auch noch Regen ein, was die Geschwindigkeit auf der inzwischen wieder unter die Räder genommenen Autobahn nochmals reduziert. Ich verliere langsam die Nerven! Hoffentlich fährt das Schiff nicht ohne uns ab!

Mit Drängeln, Drücken und Aneignung des italienischen Fahrstils gelingt es mir, mich ein paar Plätze vor den anderen Verkehrsteilnehmern im Stau vor Genua anzustellen.  Aber seien wir ehrlich, das ist doch nur Placebo! Ach Mist! Bis zuletzt hatte ich gehofft, dass es uns nicht trifft mit dem Stau. Leider gibt es zur Autobahn aufgrund der Topographie und der mitten in und durch die Berge geschlagenen Wege seit wir die Grenze zu Ligurien überquert haben, kaum eine Alternative. Selbst die Autobahn folgt hier den geschwungenen Bergen, durchsticht selbige nur selten mit einem Tunnel. Gleichwohl führt der Weg oft genug durch verschlafene Nester, ja selbst gefühlt durch die Hinterhöfe der Häuser hier. Kaum Ausweichmöglichkeit! Ich bin froh, dass wir jetzt nicht den Wohnwagen am Haken haben! Müssten wir in Genua mit dem rollenden Ferienhaus eine Fähre erwischen, es würde alles noch länger dauern und meine Nerven lägen wohl blank! Also ergeben wir uns dem Schicksal und fahren schrittweise immer weiter vor. Die voraussichtliche Ankunft am Parkhaus verschiebt sich allerdings immer weiter nach hingen. Erst 13:15 Uhr, dann 13:30, dann 13:45 Uhr. Ohje! Macht es Sinn bei Costa anzurufen? So ein Schiff legt doch sowieso für gewöhnlich immer erst am späten Nachmittag oder Abend ab, oder? Wir haben doch noch Zeit?!

Wenigstens kurz vor Ende der Autobahn kommen wir wieder etwas besser vorwärts, drängeln uns dann durch den genuesischen Innenstadt- Verkehr (wo ich das erste Mal und gleich mehrere folgende Male sogar angehupt werde 😀 ) und tatsächlich gelingt es uns, um 13:27 Uhr ins das Parkhaus Lanterna einzufahren. Puh! Das wäre geschafft! Nur eine knappe halbe Stunde nach unserer offiziellen Check- In Zeit!
Der freundliche Angestellte beruhigt mich auf das hektische Treiben meinerseits an den Koffern als erstes mit einem freundlichen „piano!“ und ergänzt, dass ich mir überhaupt keine Sorgen machen brauche. Auch um 15 oder sogar 16 Uhr könnte man noch problemlos einchecken, die Checkin- Zeit ist nur „ab“, aber nicht „spätestens bis“. Also kein Problem. Das Schiff sei ja jetzt nur noch etwas mehr als einen Kilometer entfernt. Auch der Shuttlebus würde gleich kommen! Vorne stünde noch eine Familie, die wäre noch vor uns dran, danach aber kommen dann wir. Keine 10 Minuten und wir wären am Schiff.Das beruhigt! In aller Ruhe laden wir also nun die Koffer aus und sind froh, dass es sich hier beim Lanterna Parking um ein ParkHAUS und kein Parkfeld handelt. Denn der Regen draußen gießt in Strömen auf die Erde herab dass man meinen könnte, Petrus höchstselbst wolle mit noch ein bisschen mehr Wasser im Mittelmeer für eine unbeschwerte Reise der Costa Toscana sorgen. Ist ja nett von ihm! Nur muss das ausgerechnet heute sein?

 

Nachdem wir uns mitsamt dem Gepäck vorne am Eingang platziert haben, schwant mir schon Böses. Und als nach 15 Minuten noch immer kein Shuttlebus zu sehen ist, frage ich ein weiteres Mal beim höflichen Mitarbeiter nach. Ach ja, es sei halt viel Verkehr. Das stimmt auch, wir haben ja bis gerade eben noch selbst darin im Stau gestanden! Auch können auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite sehen, dass dort die Autos noch langsamer, als im Schneckentempo vorankommen.

Einmal mehr prüfe ich den Fußweg in google maps und frage unseren Parkhauswächter, ob man nicht auch laufen kann! Er zieht scharf Luft und bleckt die Zähne. „Keine gute Idee!“ meint er. Der Weg ist verschlungen und selbst wenn man das Schiff sähe, es gäbe keinen direkten Fußweg dorthin. Es wäre viel abgesperrt. Nur etwas Geduld noch, der Shuttle- Bus käme sicher gleich zurück!

Wir warten weitere 15 Minuten, dann werde es zwanzig. Noch immer kein Shuttlebus! Dafür aber weitere Reisende. Eine Familie aus der Schweiz und kurz darauf eine Familie Asiaten, bei der der Familienvater dem Parkhauswächter erstmal ein großes Trinkgeld in die Hand drückt, bei dem ich finanziell selbst mit einem Jahresgehalt nicht mithalten kann. Gleichwohl erwartet der Asiate nun für seine Geste eine bevorzugte Behandlung bei der Reihenfolge des Shuttlebus- Boardings. Wenn der Bus denn wenigstens hier wäre! Aber der Bus ist weit und breit noch immer nicht zu sehen. Gleichwohl stellen wir uns schonmal demonstrativ an die imaginäre Wartelinie der Bushaltestelle nach vorn und hoffe inständig, dass unser Parkhauswächter nicht käuflich ist! Ich hatte ihm meinerseits natürlich auch ein kleines Trinkgeld zugesteckt, weil er uns mit den Koffern geholfen hatte, aber mit der asiatischen Supermacht könnte ich selbst dann nicht mithalten, wenn ich solidarisch mit unseren Landsleuten unser Bruttosozialprodukt in Deutschland ins Rennen werfen würde.

Es bleibt das zähe und zermürbende Warten auf den Bus. Ob der einen Unfall hatte? Oder wirklich hoffnungslos feststeckt? Inzwischen ist es kurz vor 2 und wir stehen noch immer hier! Unsere Boardingzeit wäre vor 50 Minuten gewesen. Ein leichter Gänsehautschauer läuft mir über den Rücken und ich kann nicht sicher sagen, ob dieser aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit entsteht, oder mein Körper schonmal „vorauseilend frösteln“ will, weil ich gleich DOCH die Familie an die Hand nehme und wir dann durch den noch immer ergiebigen Regen vom Parkhaus zum Kreuzfahrtterminal laufen! Anja wirft so ziemlich alles in die Abwägung und mahnt mehr als deutlich, dass nicht nur wir, sondern auch die Koffer klatschnass sein werden, wenn wir wirklich die geschätzt halbe Stunde auf 40 Minuten durch den Regen rennen! Und während wir weiter hin und her überlegen und der Asiate zwischen Einfahrtbereich des Parkhauses und Kassenhäuschen immer nervöser hin und her titscht, verharren wir doch und warten. Warten. Warten.

Weitere 20 Minuten später kommt ENDLICH der kleine als Shuttlebus umfunktionierte Transporter. Unter fragwürdiger wie großzügiger Auslegung der offiziell zugelassenen Sitzplätze hier im Bus nehmen wir und die Schweizer Familie im Bus Platz während der Asiate die Nerven verliert. Zwischenzeitlich hatte er mehrfach versucht, ein Taxi zu bestellen. Aber nur Absagen erhalten und uns daraufhin wahrscheinlich an so manchem asiatischen Schimpfwort oder gar Fluch teilhaben lassen. Ein bisschen tut er mir leid! Wir haben ja jetzt eine ganze Stunde (!) hier auf den Shuttlebus gewartet. Und erst jetzt kommen wir weg. Wenn der Bus ein weiteres Mal 60 Minuten für einen Turnaround benötigt, wird es für ihn dann aber jetzt wirklich eng! Nichts desto trotz geht meine christliche Liebe zu Mitmenschen nicht so weit, dass ich ihm dafür unseren Platz überlassen würde, geschweige denn könnte. Mehr als alles Gute wünschen und Daumen drücken ist halt nicht drin.

Das Wort Busfahrer beschreibt im Allgemeinen die Person, die bei einem zur Personenbeförderung eingesetzten Fahrzeug als verantwortlicher Fahrzeugführer den Bus lenkt. Im Prinzip passt diese Beschreibung auch auf unseren „Busfahrer“, allerdings würde ich spontan weitere Attribute seiner Bezeichnung hinzufügen wollen, die ich aber auch aus Gründen des Jugendschutzes und dem Wunsch, auf explizite Sprache hier verzichten zu wollen, nicht näher beschreiben kann. Nur so viel sei gesagt: Er kennt Straßen, Wege, Bürgersteige, schmale Durchfahrten und Schrankenhöhen besser, als ich es jemals könnte. Auch ist er völlig resistent gegenüber der akustischen Warnmeldung durch Betätigung des Signalhorns anderer Verkehrsteilnehmer als dringender Hinweis vor drohender Kollisionsgefahr. Wer aber meint, unserem „Busfahrer“, würde dies emotionale Reaktionen abnötigen, der irrt. So cool habe ich selten jemanden sein Fahrzeug im Verkehr führen sehen, der gleichzeitig alles dafür gibt, dass seine Passagiere ans Ziel kommen.

Viel holt unser Busfahrer auf den 1,5km zum Hafen an Zeit natürlich nicht mehr raus. Dennoch bin ich dankbar über die kleine Verschnaufpause von dem wilden Ritt bis hier, die wir an der Hafeneinfahrt erhalten. Hier zeigen wir dem Sicherheitspersonal unsere Papiere. Die nackte Angst steht mir dabei aber offenbar ins Gesicht geschrieben und der noch zunächst grummig dreinschauende Wachmann lächelt schnell beruhigend, als er meine Panik im Gesichtsausdruck dahingehend fehlinterpretiert, dass wir Sorge haben, das Kreuzfahrtschiff zu verpassen. Er verzichtet mit einem gönnenden Lächeln darauf, jetzt die Papiere und Zugangsberechtigungen aller Mitreisenden penibel zu kontrollieren, wie es wahrscheinlich erforderlich wäre. Stattdessen winkt er uns einfach durch wie der Achterbahnaufpasser im Phantasialand, wenn der Park gerade geöffnet hat, man an die Black Mamba gerannt ist, die erste Fahrt mitmacht und sich dort noch keine Schlange gebildet hat. Hui! Weiter geht der wilde Ritt! Diesmal sogar mit echter Option, bei einem Ausweichmanöver im Hafenbecken zu landen!

Unser Busfahrer drängelt sich an einigen unentschlossenen und offenbar wegsuchenden Verkehrsteilnehmern vorbei, bis wir unmittelbar in Sichtweite zum Schiff an einer kleinen Menschentraube zum Halten kommen. Schnell entdecken wir Mitarbeiter von Costa, die sofort angelaufen kommen und den Bus ausladen. Die Koffer werden unsanft in bereitstehende Gitterboxen geworfen, während wir die grobe Richtung angesagt bekommen und uns flott in Bewegung setzen sollen! Andiamo!

Ein Glück ist der Bereich hier überdacht, sondern wären wir jetzt sickenass! Es regnet immernoch unfassbar stark von oben herab und wir können es kaum erwarten, endlich das Schiff zu erreichen! Sollte Genua untergehen, wird die Costa Toscana als Schiff wohl hoffentlich aufschwimmen…

Wir folgen den Schildern zum „Ponte dei Mille / Cruise Terminal“ und sind dankbar dafür, dass Costa an strategischen Positionen, wo der Weg nicht gut beschildert ist, Männer und Frauen mit Funkgeräten platziert hat, die die Reisenden in Eile zusätzlich lenken. So gelingt es uns, um kurz vor 15 Uhr den „Welcome Point“ zu erreichen. Dass es hier leer ist und nur eine einzige Mitarbeiterin Dienst schiebt, scheint kein gutes Zeichen zu sein! Aber von Eile oder gar Hetze keine Spur! Sie bleibt ruhig und meint, dass wir noch genug Zeit hätten. Wieso sind die hier alle so verdammt cool bitte?!
Die Dame kontrolliert unsere Kreuzfahrttickets und gibt uns dann einen Anhänger mit einer Boarding- Nummer, mit der wir dann in den nächsten Teil der Halle vorstoßen können. Mit noch pochendem Puls geht es also weiter. Wir scheinen es geschafft zu haben.

Am Check- In treffen wir dann zum ersten Mal auf eine Gruppe anderer Reisender, die offenbar auch auf das Schiff wollen. Am Eingang der mit Richtbändern eingerichteten Wartereihe geben wir unsere Boarding- Karte auch schon wieder ab und sollen nach etwa 10 minütiger Wartezeit ein weiteres Mal unsere Kreuzfahrttickets vorzeigen. Dann werden von jedem von uns Bilder gemacht und wir bekommen vier Plastikkarten in Form von Kreditkarten, die unsere Bordkarten darstellen. Ein Foto von uns ist nicht darauf, aber unser Name, Kabinennummer und noch paar andere Informationen, für die ich jetzt keine Zeit habe.
Mit der Karte ausgerüstet müssen wir einen Vorhang durchschreiten, wo ein weiteres Mal Bilder von uns gemacht werden. Dieses Mal aber nicht zu Legitimations- sondern zu Erinnerungszwecken, wie wir später noch feststellen dürfen. Wir lächeln brav, dann geht es weiter.

Wir erreichen die nächste Barriere, dieses Mal ist es eine Sicherheitskontrolle wie am Flughafen. Mit Scanner und Röntgengerät. Auch hier ist eine kleine Schlange und so ist wohl zu erwarten, dass wir zwar spät, aber keinesfalls zu spät sind. Nach uns sind ja auch noch Leute gekommen und haben ihre Bordkarten erhalten. Die Anspannung fällt also allmählich von uns ab! Uns trennen jetzt nur noch ein Röntgengerät fürs Handgepräck und ein Körperscanner von den wenigen Metern zum Kreuzfahrtschiff. 🙂

Nachdem wir durchleuchtet und befummelt wurden, dürfen wir zum Ausgang schreiten und das erste Mal einen ganz nahen Blick auf das Schiff werfen. Schon imposant! Und damit meine ich nicht nur das Schiff, sondern auch den Regen! Denn nachdem wir den Ausgang erreicht haben, landen wir auf einer Art Galerie, die NICHT über ein Schutzdach verfügt und einen Sprint durch den Regen bedingt, bis wir zu einer Art überdachter Gangway gelangen können. Da müssen wir durch, wenn wir auf das Schiff wollen! Regenschutz? Nicht zu sehen. Costa- Mitarbeiter mit Regenschirm? Falls es sie gibt, sind sie auf jeden Fall nicht hier. Hilft nix, es sind zwar nur etwa 25 Meter, aber die genügen, um uns von oben zu nässen und von unten zu durchnässen! Meine Turnschuhe und Socken saugen das in den teilweise knöcheltiefen Pfützen des auf dem Weg stehenden Wassers dankbar auf, wie eine Kaktuspflanze im Nildelta zum Beginn der Regenzeit. Ich habe komplett nasse Füße! Toller Start in die Kreuzfahrt!

Videosnack zum Anschauen und Mitfühlen: Um euch auch plastisch an diesem bestmöglichen Start in die Kreuzfahrt teilhaben zu lassen, haben wir ein kleines Video des Boardings gedreht. Ich hatte es eigentlich nur für das Familienalbum aufgenommen, jedoch ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit. Dennoch ist es mehr als anschaulich, wie ich schon nach den ersten ein, zwei Schritten so RICHTIG nasse Füße mit meinem Stoff- Sneakern habe, sodass ich entsprechend die Situation kommentiere. Die Sprachwahl ist „explizit“, wie man heute sagen würde. Anschauen also auf eigene Gefahr. 😉

Am Ende der langen und zum Glück überdachten Gangway folgt eine Art Luke, wo zwei Costa Mitarbeiter stehen und die Bordkarten einscannen. Ja und dann stehen wir auch schon drin im Schiff! Genauer auf Deck 6 unmittelbar an den Aufzügen. Geschafft! Wir sind drin! Zumindest glauben wir das, denn im Moment fühlt es sich so gar nicht nach einem Schiff an! Eher wie in einem ganz normalen Hotel. Komisch.
Nun, unsere Kabine ist auf Deck 10. Der Aufzug bringt uns mit ein bisschen Easy Listening Fahrstuhlmusik auf die richtige Etage, während uns der auf dem Haupt gesammelte Regen von den Haaren tropft. Wir müssen schon ein recht surreales Bild um Umstehende abgeben. Nichtsahnend, dass es heute noch viel schlimmer kommen wird…

Um exakt 15:14 Uhr erreichen wir unsere Kabinentür! Die Jungs haben die feierliche Ehre, die Kabine als erstes zu betreten. Dann folgen Anja und ich! Der erste Eindruck ist gar nicht so schlecht! Natürlich haben wir uns im Vorfeld Videos auf Youtube angeschaut, wie insbesondere die Balkonkabinen auf der Costa Toscana aussehen. Und wir wussten auch vorher, dass unsere Kabine in etwa 20qm haben würde. Aber so richtig greifbar wird das Größenverhältnis ja auch erst, wenn man drin steht. Um es mit einem längst überfälligen Vergleich zum Camping zu beschreiben: Ja, die Kabine ist deutlich größer, als ein Wohnwagen! Besonders das Bad. Aber sie ist deutlich kleiner als z.B. ein Chalet. Und rechnet man den Raum im Vorzelt eines Wohnwagens zum Wohnbereich eines Wohnwagens hinzu, kann der kleine Balkon diesen Platzmangel rein von der Quadratmeterzahl her auch nicht mehr ausgleichen. Aber immerhin ist die Aussicht von hier oben besser, selbst trotz des Regens ist der Blick auf Genua am Anfang dieser Reise irgendwie schön und erhaben. Das wird gehen! Mehr noch, das ist sogar richtig gemütlich, das Bett weich, alles riecht frisch und sauber, kurzum: Heimelig!

Ab jetzt kann alle Anspannung von uns abfallen. Ab jetzt beginnen mit dem Rest von heute 8 Tage Mittelmeer- Genussreise mit kulinarischen Verführungen, Sonnenschein in Frankreich, Spanien und Italien. Es beginnen schöne Stunden in einem der 14 Pools auf dem Schiff und kalten Getränken und Blick auf die See. Was mir jetzt zu meinem Glück noch fehlt, wäre etwas Sonnenschein und eine kalte Cola Light mit Eis und einem Scheibchen Zitrone in meiner Hand.

Doch das kalte Getränk und wir müssen erstmal warten! Stattdessen steht für uns die Sicherheitseinweisung an! Die Costa- App, die wir vorab auf unseren Handys installiert haben, mahnt bereits zur „digitalen Teilnahme“, andernfalls sei die Teilnahme an der traditionellen Notfallübung erforderlich und diese sei deutlich umständlicher. Also gucken wir uns in der App das Sicherheitsvideo an und verinnerlichen das Notsignal, 7x kurz, 1x lang. Dann soll man seine Schwimmweste anlegen und sich mit angelegter Schwimmweste zum Sammelpunkt begeben. In unserem Fall zur Heineken Bar auf Deck 7.

Die Schwimmwesten sind anders aufgebaut, als man für gewöhnlich denkt. Zuerst löst man einen Schnappverschluss, dann zwei Clips, dann schlüpft man von einer Seite rein und macht sie zu. Dann hat man keine rundumlaufende Weste, wie man sie kennt, sondern eher eine Art Bauchteil vorn und eine Art Kopfteil hinten. Hat mit Sicherheit irgendeinen Designpreis gewonnen, ist aber umständlich anzulegen. Ohne Hilfe schaffen es unsere Jungs, 7 und 11, übrigens gar nicht! Viel lustiger ist allerdings das Schauspiel, was sich nun bietet! Denn MIT der angelegten Rettungsweste, sollen wir uns auf Deck 7 an der Heineken Bar bei unserem Sammelpunkt einfinden und die korrekt durchgeführte digitale Rettungsübung dort bestätigen lassen. Ja und das liest sich etwa so peinlich, wie es ist! Wenn du mit kurzer Hose und Hawaiihemd ABER eben auch mit angelegter Rettungsweste von Deck 10 mit dem Aufzug unter typischer Fahrstuhlmusik und musternder Blick der anderen Gäste von Deck 10 auf Deck 7 fährst. Gleich so, als habe man sich für den Untergang der Titanic nochmals extra herausgeputzt. 😉

Zum Glück befindet sich gleich im Bereich des Aufzugs ein Mitarbeiter von Costa mit einem Handscanner. Dieser ist sofort prima erkennbar, denn statt einer orangenen Weste wie wir, hat er eine leuchtend gelbe Weste an. Das ist gut gelöst, so kann man normale Passagiere von der Crew unterscheiden.

Zu unserer Überraschung kann der Mitarbeiter hier leider nicht unsere App einscannen und damit die Notfallübung für uns abschließen. Das ginge nur in der Heineken Bar. Ich überlege kurz, ob es nicht surreal anmerkt, wenn wir in voller Schwimmwestenmontur in einer Bar aufschlagen, aber lasse es dann doch. Wenn die das wollen, dann machen wir uns eben zum Clown.

Dem bereits peinlichen Unterfangen (und damit möchte ich ausdrücklich nicht die Übung selbst, sondern wirklich das Umherirren mit angelegter Schwimmweste zwischen den übrigen „normalen“ Kreuzfahrtgästen bezeichnen!) folgt nun ein regelrechtes Schaulaufen! Denn der Mitarbeiter schickt uns einmal über das komplett etwa 300m lange Deck durch die Spielhalle und an Restaurants vorbei zum Bug des Schiffes! Dort soll angeblich das Heineken Erlebnistzelt zu finden sein! Das ich stur seiner Anweisung und nicht dem typischen Heineken „grün“ folge, welches beim königlichen Durchschreiten der großzügig mit Teppich ausgelegten Gänge kurz in meinem Augenwinkel blitzt, werden wir gleich mit noch mehr Peinlichkeiten bezahlen! Spätestens, als wir das Spielkasino durchschreiten, erwarte ich eigentlich jeden Moment ein kleines, welches lachend mit dem Finger auf uns zeigt und laut ruft: „Der Kaiser ist ja NACKT!“ Genau so fühlt es sich an, hier deplatziert mit umgebundener Schwimmweste vorbei an den blinkenden Spielautomaten zu laufen. Aber wenigstens sind wir nicht allein! Denn inzwischen sind auch einzelne andere „Rettungswillige“ um uns herum eingetroffen. Da wir offenbar entschlossen wirken und man meinen könnte, dass wir wüssten, wo es lang geht, führe ich kurz darauf die Gang der angelegten Schwimmwesten an, die sich hier den Weg zum Vorschiff bahnen! Nicht alle Gäste haben dabei übrigens die Weste angelegt, sondern tragen sie nur wie eine dekorative Handtasche von Chanel vor sich her. Ob das zulässig ist? Im Sicherheitsvideo stand man solle sie anlegen. Aber nicht zur Schau tragen. Na wir werden es sehen.

Wir erreichen die Poltrona Arena und erkennen schon von weitem einmal mehr gleich zwei Angestellte mit der markanten gelben Schwimmweste um. Aha! Da müssen wir also hin. Wir kommen gerade rechtzeitig, als ein Steward in gebrochenem Englisch versucht, einem ostdeutschen Pärchen in den Mitvierzigern klar zu machen, dass sie sich zwar am richtigen Sammelpunkt befinden, aber das Sicherheitsvideo nicht vollständig angeschaut hätten! Dafür müssten sie zunächst wieder in die Kabine, das Video komplett anschauen und dann wiederkommen! Der Herr ist sichtlich sauer darüber. Zuerst behauptet er Stein und Bein, das Video bis zu Ende angeschaut zu haben, was der Steward aber negiert. Er könne sehen, ob das Video in der App wirklich angeschaut wurde, oder eben nicht.

Anja zischt von hinten: „Tolle Kreuzfahrt! Solche Erlebnisse hast du beim Camping nicht!“ und ich bin geneigt, statt ihr zu ihrer Überraschung spontan zuzustimmen (schon aus Prinzip sollte man der Frau ja aber nicht zustimmen 😉 ), bei künftigen Campingreisen ebenfalls eine verpflichtende Sicherheitsübung einzufordern, um die offenbar notwendige Belastung der unbeschwerten Urlaubsfreuden hier nicht allein der Reiseform „Kreuzfahrt“ aufzubürden! Da fällt mir mit Sicherheit was ein!

Nachdem ich die Diskussion des Herrn mit dem Steward dadurch abkürze, dass ich den Übersetzer spiele und damit die angeblichen Sprachbarrieren somit einreiße, ziehen er und seine Frau unter Protest mit wütend wedelnder Schwimmweste wieder ab! Ein „ich war schon auf Dutzend Kreuzfahrten, noch nie so ein Theater erlebt!“ lässt endgültig die Masken fallen. Der Herr hatte einfach keinen Bock auf die Sicherheitsübung und wollte den Vorgang offenbar dadurch abkürzen, dass er seine Schwimmweste einfach zum Sammelpunkt und nach dem Einscannen wieder zurück in die Kabine trägt. Falsch gedacht! Costa überwacht offenbar technisch das Anschauen des Videos in der App.
Jetzt sind wir dran, mein kleiner mir folgender Hofstaat aus Schwimmwestenträgern schaut gebannt zu, wie ich nun meine App einscannen lasse.

„Haben Sie das Sicherheitsvideo geschaut?“ fragt der Steward mit einem strengen Blick, was ich aber sofort mit Nachdruck und bestem Gewissen kontern kann „Yes SIR!“ Er scannt also erneut und hebt die Augenbraue.
„Oh, i see the problem!“ ergänzt er und führt aus, dass UNSER Sammelpunkt nunmal nicht die Arena hier im Bug des Schiffes sei, sondern die Heineken Bar im HECK des Schiffes? Also im Prinzip da, wo wir eben das allererste Mal aufgeschlagen sind! Alter! Ein Glück ist es nur eine Übung! Würde das Schiff untergehen, wir wären wahrscheinlich schon Fischfutter! Aber es nützt nichts, er darf uns hier an dieser Stelle nicht freigeben! Erlaubt die App nicht! Das geht nur an unserem offiziellen Sammelpunkt. Ich frage mich, ob man uns im Falle eines echten Notfalls auch zurück in das sinkende Schiff schicken würde, ignoriere aber den Drang, den Steward damit zu behelligen und meinem Gefolge aus Schwimmwestenträgern eine ähnliche Szene zu bieten, wie noch der Mitkreuzfahrer eben vor mir. Nützt nix. Na toll! Alles wieder zurück! Mein Hofstaat entschließt sich spontan dagegen ihrem König zu folgen und alle nach uns versuchen ihr Glück hier beim Steward. Ob sie durchkommen, oder umkommen, man weiß es nicht. Aber darauf können wir keine Rücksicht nehmen, wir müssen selbst diese Übung hinter uns bringen. Also macht sich unsere kleine Familie auf, das Schiff ein weiteres Mal der Länge nach zu durchschreiten und uns final doch noch an der Heineken Bar einzufinden. Zum Glück ist sie geschlossen, nur zwei weitere Stewards stehen hier und scannen die App ab. Unser Licht wird endlich grün, die Schimmwesten dürfen wir ausziehen, Übung beendet. Ab zurück zur Kabine und erstmal die Schwimmwesten wieder im Schrank verstauen.

Damit Anja in Ruhe auspacken kann, drehe ich nun mit den Junge eine erste Erkundungsrunde über das Schiff! Zur Orientierung und um mal zu gucken, wie das mit den Getränken funktioniert! Inzwischen hab ich nämlich echt Durst und ärgere mich darüber, dass ich den irgendwo bei den Einschiffungspapieren gelesenen Hinweis „Speisen und Getränke an Bord mitnehmen nicht erlaubt!“ natürlich typisch deutsch zu 100% umgesetzt habe und sicher war, dass allen anderen, denen ohne Scham ganze Büffets aus dem mitgenommenen Rucksäcken des Handgepäcks beim Einchecken hervor quollen, spätestens bei der Sicherheitskontrolle das Fresspaket abgenommen werden wird. Doch nichts davon ist passiert. Aber: Nicht ärgern, sondern für Abhilfe sorgen! Wir haben ja ein Getränkepaket für jeden von uns gebucht, das wird sich ja nun auch irgendwo einlösen lassen…

Da der Regen inzwischen aufgehört hat, entscheiden Tim, Nils und ich uns relativ schnell für das Oberdeck. Genauer Deck 16, 17 und 18. Hier hat man Außenzugang, hier ist der Aquapark mit Schwimmbädern und Rutschen. Besondere letztere wollen wir am geplanten See-Tag, aber auch so zwischendurch immer mal wieder ausprobieren. Die Rutschenanlage des Aqua Parks sieht vielversprechend aus. Neben einer „Waschmaschine“, die die Jungs sofort in „Klospülung“ umbenennen, gibt es sogar eine Rutsche mit zwei parallelen Röhren! Wettrennen gegen den Nachwuchs sind somit auf jeden Fall schonmal gesetzt. Es darf und muss nur noch ein bisschen wärmer werden! Dann gibt es „Mario Rutschen Kart on sea!“

Wir umrunden das Schiff einmal komplett auf dem Außendeck. Offenbar durch das schlechte Wetter ist hier oben aber überall tote Hose. Kaum ein anderer Gast und schon gar keine geöffnete Bar, wo wir uns was zu trinken holen könnten. Da der Wind hier oben recht zugig pfeift, die Sonne nach wie vor fehlt und selbst die Abwärme rund um den Schornstein keine nennenswerte Besserung zu verbringen vermag, bleiben auch wir nicht lange auf dem Außendeck. Unseren Erkundungsgang setzen wir im Innern des Schiffes fort.

Noch immer begegnen wir bei unserem Streifzug durch das Schiff übrigens einzelnen anderen Gästen, die mit angelegter Schwimmweste durch die Gänge irren. Für erfahrene Kreuzfahrer mag das normal erscheinen, aber für uns Landratten und Camper ist das immer wieder ein kurzer Moment der Achtsamkeit und Innehaltens, weil eben die Sinne auf eine mögliche Gefahr hinweisen wollen. „Geht das Schiff jetzt vielleicht unter? Ach nee, doch nicht, ist die Übung!“ muss man sich immer wieder präsent machen. Hoffentlich gewöhnen wir uns daran und „übersehen“ die zwingenderweise umherirrenden Passagiere irgendwann ebenso, wie die Damen und Herren im Spielcasino, die an den Slotmachines sitzen. Auch unsere Aufmerksamkeit bekommen die Spielautomaten, für Kinder stehen in einer der beiden Hallen des Spielcasinos Arcade- Automaten, Greifspiele, Baskettballkörbe und Shooter bereit, um ebenfalls ein paar Euro in den virtuellen Welten zu verlieren. Dafür sind wir zwar eigentlich nicht hier, aber wenn wir schonmal hier sind, können wir auch ausprobieren, wie das System funktioniert. Also Karte vor das Lesegerät des „Rabbit Shooter“, 7,50 für 4 Spiele werden abgebucht und dann starren Nils und Tim mit gezogener Lichtpistole gebannt auf den Bildschirm, damit das Spiel startet. Es passiert… nichts! Nanu? Wir drücken hier, tasten da, aber das Spiel startet nicht. Noch bevor ich aber dem Automaten einen beherzten Tritt verpassen kann, stehen plötzlich wie aus dem Nichts zwei Herren mit Costa Uniform bei mir und haben das Problem offenbar erkannt. Der Herr in blau erklärt dem Herrn in braun, dass der Automat unser Geld genommen, aber das Spiel nicht gestartet habe. Der Herr in braun, ein freundlich lächelnder Asiate, nimmt sich gleich dem Problem an und startet den Rechner, auf dessen Schaltzentrale er seitlich vom Gerät zugreifen kann, einfach neu. Nach zwei Durchgängen und etwa fünf Minuten Wartezeit ist das Gerät wieder einsatzbereit und verlangt „Credits“. Der Asiate lächelt zufrieden und möchte mir das Gerät freigeben. Ich hingegen lächele nicht. „Where are my credits i paid before?” frage ich. Klar, durch den Neustart wurden diese natürlich gelöscht. Jetzt stehe ich hier und müsste neu bezahlen. Mit ungewissem Ausgang! Der Mann, obwohl englischer Sprache nur rudimentär mächtig, versteht mein Problem. Er öffnet unterhalb der Lichtpistolen daraufhin einen Schacht, steckt zwei Kabellitzen ab und schließt sie kurz wie man in den 80er Jahren Autos kurzgeschlossen hat. Dann verbindet er die Kabel mehrmals und schüttelt uns so den Credit- Zähler auf dem Display nach oben! Wow! So einfach geht das? Und wir Dussel zahlen hier? Ich will mir gerade merken, welche beiden Kabel der gute Mann kurzgeschlossen hat, da wirft er den Deckel des Gehäuses auch schon wieder zu. Schade! 😉

Wir bemerken einen sanften Ruck im Schiff. Kaum spürbar. Instinktiv spähe ich aus dem nächsten Fenster und tatsächlich, wir fahren ab! Juchu! Macht´s gut ihr Landratten, wir sehen uns in Amerika, die Titanic ist unsinkbar!!!“
Naja. OK, das geht die Euphorie etwas mit mir durch. Aber dennoch dürfen wir uns diesen erhabenen Moment nicht entgehen lassen, wenn halb Genua auf den Beinen sein dürfte, um uns winkend und jubelnd aus dem Hafen zu unserer Kreuzfahrt zu verabschieden! Also wieder rauf auf das Außendeck 17 zum Skywalk und dann wird königlich zurückgewunken! 😀

Zurückwinken klappt übrigens super. Nur leider nimmt so recht niemand Anteil an unserer Hafenausfahrt. 🙁
Wo ist das Publikum bitte? Ein paar versprengte Hafenarbeiter sind in der Ferne am Fährterminal zu erkennen. Ein paar Möwen schauen uns gelangweilt vom Dach des Kreuzfahrtterminals zu. Aber Jubel, Trubel, überschwängliche Freude? Nicht die Spur. Schade. Aber so genießen wir einfach diesen ganz persönlichen Moment des Beginns der Kreuzfahrt. Wir haben es geschafft! Wir sind trotz allen Widrigkeiten rechtzeitig an Bord gelangt, haben eine schöne Kabine mit tollem Meerblick, ein geräumiges Bad mit fließend Wasser, ein Klo, dessen Tank man nicht leeren muss (Notiz an mich: Vorteil für das Fazit und den Vergleich Kreuzfahrt vs. Camping unbedingt herausarbeiten…) und die Seeluft um die Nase. Jetzt fehlt zu unserem perfekten Glück eigentlich nur noch ein gutes Steak und ein paar Würstchen vom Grill!

Tatsächlich ist Abendessenzeit. Im Vorfeld zu dieser Reise sollten wir die Tischzeit und unser Wunsch- Restaurant angeben. Wunschzeit war schnell klar, bei der Auswahl zwischen 19 Uhr und 21:30 Uhr haben wir uns natürlich für das frühe Zeitfenster entschieden. Bei der Restaurantwahl war das schon schwieriger! Das liegt aber nicht daran, dass in den Restaurants unterschiedliche Essen serviert würden. Alle a la Carte Restaurants servieren das gleiche Essen. Sondern am Ambiente. Also haben wir vor der Festlegung einige Bilder im Internet recherchiert und auch das ein oder andere Video auf youtube angeschaut. Dabei haben wir uns für das Amfore in erster Wahl oder das Oliveto in zweiter Wahl entschieden. Aus zwei Gründen. Zum einen hat die Mehrheit der Sitzplätze (hier sind besonders die Stühle gemeint) ein Polster und keine seitliche dünne Metallstrebe und zum zweiten wirkten besonders im Video die Tische etwas weniger eng aneinander gestellt, als in den anderen Restaurants. Blöd ist allerdings, dass außer dem Essensfenster um 19 Uhr unser Restaurantwunsch gar nicht berücksichtigt wurde. Auf unserer Bordkarte ist das „L`Agentario“ auf Deck 6 als Restaurant und dort Tisch 379 vermerkt.
Hmm! Wie war denn das L’Argenatio nochmal ausgestattet? Wir wissen es nicht mehr. Entscheiden uns aber, das Restaurant erstmal zu besuchen und dann zu schauen, ob der Tisch gut ist oder nicht. Angeblich kann man bei totalen Unbehagen das Restaurant wohl auch wechseln. Schauen wir mal.

Am Restaurant angekommen entdecken wir zunächst eine lange Schlange im Eingangsbereich. Ohje! Zuerst wollen wir uns anstellen, hören dann aber aus der geführten nicht gerade leise geführten Diskussion mit dem Empfang vor dem Restaurant, dass es sich um Gäste handelt, die hier gerne essen würden, aber keinen Tisch hier zugewiesen bekommen haben. Das trifft auf uns ja nicht zu. Und da hinter dem Empfang seitlich ein Tischanweiser steht und offenbar ohne Arbeit ist, marschieren wir an der Schlange vorbei und wedeln mit unseren Bordkarten. Er wirft einen kurzen Blick darauf und führt uns sogleich durch das halbe Restaurant in einen relativ ruhigen und abgeschiedenen Teil in einer Ecke. Zwar nicht am Fenster, aber immerhin haben wir an unserem 4er Tisch eine bequeme Bank mit Lehne an der Wand und zwei gegenüberliegenden Stühlen, die zu unserer Überraschung auch gepolstert und gemütlich sind. Das ist völlig ok hier, das probieren wir aus.

Nach kurzer Wartezeit kommt unser Kellner, ein freundlicher Asiate mit einem Lächeln im Gesicht. Wir outen uns im gegenüber, dass dies unsere allererste Kreuzfahrt überhaupt ist und wir ein bisschen Hilfe bei den Abläufen brauchen. Er reicht uns also eine kleine auf dem Tisch platzierte Karte mit einem QR- Code. Diesen sollen wir mit dem Handy abscannen, dann würden wir die Speisekarte des Abends sehen und die Gerichte für die verschiedenen Gänge, aus denen wir dann auswählen können. Das klappt auch, nachdem wir uns mit dem Bord- WLAN der Costa Toscana verbunden haben. Zur Auswahl stehen allerdings wenig kindergerechte Gerichte! Das ist etwas unglücklich, aber gut. Da hier auch andere Familien unterwegs sind und die Kids ja auch was essen, wird es schon irgendwie gehen. Ich probiere es mit Carpaccio im ersten Gang und einen Braten im zweiten. Zum Dessert will ich die Frucht auf Krokant probieren. Für Tim mag eine Portion Nudeln und Nils versucht es mit dem Fleisch- Spieß. Und dann warten wir. Zu Trinken bestellen wir zwei Cola und zwei Apfelsaft. Das Angebot hier auch ein Glas Wein dazu zu bekommen, schlagen wir aus. Wasser wird direkt eingeschenkt und lediglich mit der obligatorischen Frage versehen, ob wir es mit oder ohne Sprudel genießen möchten. Und dann warten wir. Eine halbe Stunde! Ohne, dass die bestellten Getränke serviert würden oder der erste Gang. Während die Gäste an unseren Nachbartischen rechts von uns von einem anderen, deutlich schnelleren Kellner bereits den zweiten Gang serviert bekommen, erhalten wir nach den ersten 30 Minuten dann endlich die Vorspeise. Es sieht auch lecker aus und schmeckt auch ganz gut, aber die Portion ist doch deutlich kleiner, als ich es erwartet hatte! Gut, das ist hier kein Buffet in einem dreieinhalb Sterne Bunker, sondern das Restaurant versucht mit allen Mitteln, gehobene Gastronomie zu vermitteln. Auch dann, wenn in diesem Moment über alle Restaurant schätzungsweise mindestens tausend Leute das gleiche Abendessen genießen! Keine leichte Aufgabe und wir beschließen, uns jetzt noch kein (Vor-)Urteil zu bilden, sondern den Abend wirklich erstmal abzuwarten. Als der Kellner abräumt und eine Viertelstunde später den zweiten Gang bringt, fragen wir aber dennoch mal vorsichtig nach den bestellten Getränken. Er verspricht sich darum zu kümmern.
Ja und dann kommt eine andere Kellnerin etwa 10 Minuten später und räumt die leeren Teller des zweiten Ganges ab. Eine weitere Viertelstunde später kommt unser Kellner wieder! Statt Getränken hält er allerdings eine weitere Portion des Hauptganges mit dem Fleisch in der Hand! Er will es gerade auf meinen Platz stellen, da erläutere ich ihm, dass wir den Hauptgang schon hatten und eigentlich auf den Nachtisch, aber am meisten auf die Getränke warten würden! Ein Glück hatten wir wenigstens das Wasser, sonst wäre es echt ein trockenes Vergnügen geworden. Irritiert bringt der Kellner die bereits angedienten doppelten zweiten Gang wieder weg und verspricht sich zu kümmern.

„Das passiert dir beim Camping nicht!“ raunt mir Anja zu. Das stimmt auch! Aber statt ihr Recht zu geben, beschließe ich beim nächsten Campingtrip zum abendlichen Grill- Dinner ebenfalls einfach die doppelte Anzahl Würstchen zu grillen und dies dann auch als „Fehler der Küche“ zu deklarieren. Ich lasse mir doch nicht die Kreuzfahrt mit dem ständigen Campingvergleich madig machen! 😉

Im Nachgang bereue ich übrigens, den doppelt servierten zweiten Gang nicht angenommen zu haben. Lecker war der Braten und die Portion eigentlich zu klein, um davon satt zu werden. Gourmet- Gastronomie halt, da reichen die Portionen maximal um das Auge satt zu machen. Für den Magen musst du dir aber meist hinterher noch einen Döner holen oder sowas. Hier hätten wir das Essen fürs satt werden wegen eines Fehlers doppelt bekommen können, aber ich Trottel hab ich nicht schnell genug reagiert und das Essen ausgeschlagen! Warum? Ich glaub es lag an der Uhrzeit. Es ist nicht so schön hier. Es ist laut, es ist wuselig. Und die Wartezeiten sind viel zu lang! Die Uhr zeigt halb 9 und wir haben noch nicht den Nachtisch bekommen, obwohl wir schon seit anderthalb Stunden hier sind. In weniger als 30 Minuten wollen die Gäste  mit der zweiten Tischzeit an unserem Platz sitzen, das könnte schwierig werden! Unmöglich wäre es geworden, wenn wir jetzt wirklich das zweite Hauptgericht gegessen hätten…

Zusammen mit dem Nachtisch, einer Art Fruchtsorbet im orangenen Zuckterteig auf Krokant erhalten wir unter tausend Entschuldigungen des Kellners unsere Getränke. Die Cola schmeckt, wenn man so lange darauf wartet, einfach herrlich, wenn auch zum süßen Dessert etwas deplatziert. Nachdem wir die orangene Bombe verspeist und die Gläser fast in einem Zug geleert haben, geht es zurück zur Kabine. Die Ruhe auf den Gängen tut richtig gut! „So laut ist es beim Camping zum Abendessen nicht!“ raunt Anja mir zu. Da ich mir nicht noch zusätzlich merken kann, zusammen mit dem doppelten zweiten Gang beim nächsten Campinggrillen auch noch laut mit Tasse, Schüssel und Teller zu klappern, muss ich das sofort entkräften und verweise auf den französischen Superstar, der uns vor über 10 Jahren auf einem Campingplatz in Frankreich nach dem Abendessen seine absolute Talentfreiheit demonstriert hat. Camping kann also durchaus auch in gewissem Sinne „laut“ sein.

Da Tim von dem Nudelgericht sehr enttäuscht war und noch über Hunger klagt, machen wir noch einen Blitzbesuch im „La Sagra“- Restaurant. Laut App handelt es sich hierbei um ein offenes Buffet- Restaurant mit freier Platzwahl, allerdings ist es kurz davor zu schließen. In den letzten verbleibenden Minuten lassen wir den Koch an der Nudelbar den letzten Rest Pasta mit Bolognese-Sauce aus dem Topf kratzen, dann platzieren wir uns selbst an einem der Tische. Zum Trinken zapfe ich unter den ungläubigen Blicken der bereits aktiv gewordenen Aufräumtrupps am Automaten schnell vier Gläser mit Wasser. Die  Nudeln sind nicht wirklich gut. Aber anstatt als Restenudeln als verkochte Pappe im Topf gelegen zu haben, sind sie überraschen überbissfest. Wow! Und das für ein italienisches Schiff. Aber gut, der Bub bekommt wenigstens noch was in den Bauch. Morgen müssen wir aber mal rausfinden, wie es die Familie am zweiten Tisch neben uns geschafft hat, für ihre Kinder im L’Argentario sogar Pommes mit Nuggets zu bekommen! Das haben wir auf der Karte nicht gefunden und der Kellner hat auch nix diesbezüglich gesagt. Aber das machen wir dann morgen.

Der Tag war unfassbar anstrengend und wir sind alle hundemüde! Gerade jetzt, nach dem Essen, macht sich eine unglaubliche Bettschwere breit! Nicht verwunderlich also, dass wir uns gegen halb zehn bereits alle bettfertig machen. Und dann bin ich es, der „das erlebst du nicht beim Camping!“ zu Anja raune! Aber nicht im negativen Sinne, sondern mit einem gewinnenden Lächeln! Denn wir können die Balkontüre öffnen und die herrliche Meeresluft hereinlassen! Dazu ein akustisches Schauspiel durch das sanfte Wellenbrechen am Rumpf des Schiffes, wie es die Einschlafgeräusche unserer Alexa nicht besser könnte! Wow! Und das Beste: Wir können die Türe offen und das Licht eingeschaltet lassen und dennoch findet kein einziges Viehzeuchs, Fluginsekt oder gar Stechmücke seinen Weg in unsere Kabine! Einfach nur wir und das Meer in der Luft und im Ohr! Herrlich! Schöner kannst du kaum einschlafen.

Gegen Mitternacht werde ich nochmals wach. Ich weiß nicht genau, was mich aus dem Schlaf geholt hat. Ist es das sanfte Schaukeln? Das sonore, nicht störende Hintergrundbrummen der Motoren? Die Luft? Das Rauschen der Wellen? Ich schaue mich um. Hell ist es in unserer Kabine, beinahe wie am Tag. Nur eben nicht taghell! Sondern so dumpf irgendwie! Aschfahl, aber dennoch hell! Ist das eine Art Notlicht, dass wir im Alarmfall den Ausgang finden? Doch dann dämmert es mir! Das Licht kommt von draußen und scheint durch den schmalen Spalt im Vorhang herein, den wir für die gute Luft und das Meeresrauschen aufgelassen lassen. Ich öffne die Balkontür und trete ins Mondlicht auf unseren Balkon. Die Nacht ist klar, nur wenige Wolken hängen am Himmel. Der Mond steht in der Mitte des Himmels und erhellt die Nacht. Das Wasser des Mittelmeeres wirkt silberfarben wie aus einer anderen Welt, der leichte Wellenschlag wirft tausendfache Schatten auf dieses quecksilbrige Meer. Faszinierend stehe ich da und erwarte jeden Moment die Bestätigung dafür, in eine andere Dimension eingetaucht zu sein. Auf einem Ozean einer anderen Welt umher zu schippern! Ich muss dem Drang widerstehen Anja zu wecken, sie auf den Balkon zu zerren und ihr zu sagen: „Das erlebst du nicht beim Camping!“. Nicht nur, um die negativen Erlebnisse des Tages auszugleichen, sondern um mit diesem Bild eines anderen Universums uneinholbar in Führung zu gehen! Erhabenheit macht sich breit, durchströmt mich und ich muss zufrieden in die Nacht lächeln. Ein paar Minuten genieße ich den Anblick. Dann gehe ich mit einer inneren Zufriedenheit ins Bett, die ich selten erlebt habe.
Ein Bild kann den Moment gar nicht wirklich einfangen! Dennoch versuche ich es:

 

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