Preikestolen, heute gilt´s !

Anja und ich sind ja nun nicht gerade das, was man Sportskanonen nennen könnte. Und wenn man sich so unsere Reiseberichte der letzten Jahre anschaut, dann gehört z.B. das Wandern nicht gerade zu unseren Interessen, wenn wir unterwegs sind.
Entsprechend untrainiert stehen wir heute vor der Herausforderung „Preikestolen“, dem Predigtstuhl oder auch Felskanzel genannt.
Aber lassen wir uns davon aufhalten, hierfür nicht passend „trainiert“ zu sein?
Nee!
Wir haben das Ziel diesen Fels zu besteigen und einmal ganz oben zu stehen!
Dies sehe ich ein bisschen als persönliches Erfolgserlebnis, was ich aus diesem Urlaub unbedingt mitnehmen möchte.
Anja hat zwar etwas weniger Ehrgeiz in dieser Sache, lässt sich aber immerhin soweit von mir anstecken, um wenigstens mit mir den wohl einzigartigen Ausblick zu genießen.

Allerdings habe ich ehrlich gesagt schon ein wenig Zweifel, ob Anja es schaffen wird und so schlage ich ihr sogar gleich zwei Mal in kurzem Abstand vor, dass sie sich sonst lieber einen ruhigen Tag macht, beim Wohnmobil bleibt und mich lieber alleine diesen Felsen heraufklimmen lässt.
Meine Bedenken sind sicherlich nicht unbegründet, denn vor einem genialen (aber vor allem senkrechten!) Ausblick auf den Lysefjord steht zunächst einmal ein schwieriger und anstrengender Aufstieg!
Beides (also die Sache mit dem Ausblick und dem anstrengenden Aufstieg) hab ich vorab aus den vielfachen Infos aus dem Internet besorgt. Besonders eine Präsentation geistert hierzu immer mal wieder durch das Internet und landet des Öfteren in email- Postfächern dieser Welt. Diese beschreibt recht eindrucksvoll sowohl Lust aber auch Angstschweiß, welcher der Preikestolen zweifelsohne auslöst, zeigt aber auch einen beschwerlichen und steinigen Aufstieg.

Nun, wir sind heute dran, unsere eigene „Präsentation“ hier auf transitfrei.de zu veröffentlichen und damit unser persönliches Erfolgserlebnis für diesen Urlaub zu meistern!
Hoffentlich nehmen wir den Mund nicht schon jetzt zu voll! 😉

Den strategisch richtigen Schritt mit einem soliden Basislager haben wir bereits geschaffen, indem wir gestern hier her auf diesen teuren Campingplatz Preikestolen gefahren sind.
Denn dadurch stehen wir recht nah am Preikestolen- Basislager, von dem die Wanderung auf den ca. 3km langen Trail beginnt.
Der nächste richtige Schritt ist natürlich, möglichst nicht zu viele Kräfte mit unnötigen Märschen zu verbrauchen, und so nahe wie möglich an den Felsen heran zu fahren.
Diesen nächstgelegenen Punkt, den man maximal mit dem Auto auf Straßen erreichen kann, markiert ein unmittelbares Basislager, genannt Preikestolhytta.

Wir könnten nun natürlich vom Campingplatz einfach mit dem Wohnmobil dorthin fahren, aber wir wissen ebenso, dass Parken dort an der Hütte recht teuer sein soll.
Die Alternative wären noch, unsere Fahrräder abzuschnallen, oder eben den Bus zu nehmen, der direkt vor dem Campingplatz abfährt und an der Preikestolhytta seine Endstation hat.
Perfekt!
Und damit meine ich natürlich den Bus, nicht die Fahrräder! Denn der Weg zum Basislager geht wohl schon stetig bergauf, was auf dem Fahrrad eine nicht unerhebliche Anstrengung und damit ein unnötiges Verbrauchen unserer eh schon geringen Konditionsreserven bedeuten würde. Also nehmen wir, wie man der Beschreibung des gestrigen Tages sicher schon entnehmen konnte, den Bus!
Damit wir gleich den allerersten Bus nehmen können (die erste Abfahrt ist um 9:35 Uhr) und damit so früh wie möglich oben sind, stehen wir heute ganz früh und sogar freiwillig mit Wecker auf. Bereits um 7 klingelt der erste.
Wir drehen uns zwar noch ein paar Mal um, aber der innere Schweinehund wird uns heute nicht besiegen.
Ich weiß genau, dass wenn wir den ersten Bus nicht nehmen, nehmen wir am Ende gar keinen. Auch wenn der zweite Bus nur 30 Minuten nach dem ersten fährt.

Gegen viertel vor 8 geht es dann los, wir stehen auf und beginnen gleich den Tag!
Wir sind sogar so gut in der Zeit, dass wir uns noch einen kleinen Besuch des Servicehauses erlauben können.
Eine ganz schnelle Dusche gibt es also, kurz darauf eile ich gleich rüber in die Rezeption, um unsere vorbestellten Brötchen für heute abzuholen.
Klappt problemlos und so sind wir für ein erstes Wandererfrühstück perfekt gerüstet.
Kurz darauf sitzen wir auch schon draußen vor dem Wohnmobil und haben den Tisch gedeckt.
Fast freuen wir uns schon ein wenig darauf, gleich wie die Idioten einen Felsen hinauf zu jagen, als wären wir irgendwelche australische Berggorillas.
Muss doch mit dem Kopf zu tun haben, oder?!
Dennoch: Das erste Hochgefühl, dass wir so gut es nur geht vorbereitet sind, löst bereits jetzt echte Glückgefühle aus. Juchei!

         
     Morgens, viertel vor 8 auf dem Campingplatz            Die allermeisten Camper schlafen noch

         
     Kurzer Besuch im Servicehaus…                                    …und danach erst einmal lecker frühstücken! 🙂

Nur das Wetter beobachten wir sehr kritisch. Zunehmend beginnen die Wolken sich zuzuziehen und wenn ich der mir beim Brötchenholen gegebenen Auskunft aus der Rezeptionistin glauben darf, wird es heute gegen späten Nachmittag auch noch anfangen zu regnen.
Naja, das kann ja dann lustig werden! Aber mit etwas Glück sind wir zurück, bevor der Regen beginnt.
Mit stetigem Blick auf die Uhr können wir ein gutes Frühstück verspeisen und dann noch 2 Doppeldecker- Stullen mit Schinken vorbereiten, die wir ebenfalls einpacken und mit auf den Felsen nehmen werden.
Danach geht es dann auch schon los!
Der Rucksack wird geschultert, die festen Wanderschuhe geschnürt, das Navi (ein Garmin GPS eTrex) auf den Campingplatz ausgerichtet (nur zur Sicherheit, falls wir uns in der Einöde verlaufen 😉 und eingepackt, die Türe zum Wohnmobil verschlossen und schon sind wir auch schon marschbereit.

         
     Die letzten Vorbereitungen laufen an! Wasserflasche füllen.. …die richtigen Wanderschuhe aussuchen (rechts oder links?)

         
     …das Navi auf den Campingplatz programmieren…   …und zum Schluss das Wohnmobil abschließen. Tschö Wohni!

         
     Einzig das Wetter macht uns ein wenig Sorge!            Naja, wird schon! Erstmal los marschieren 🙂

Wir stoppen noch einmal kurz am Servicehaus, dann aber geht es gleich vor zur Bushaltestelle.
Meine Sorge, ob der Bus vielleicht überfüllt sein könnte, erweist sich übrigens als total unbegründet.
Ich hätte eigentlich gedacht, dass viel mehr Leute gleich den allerersten Bus nehmen würden, weil dieser für mein Empfinden mit 09:35 Uhr schon relativ spät fährt.
Dem ist aber nicht so.
Gerade mal unsere Nachbarn aus Gladbach mit dem Mietmobil von gegenüber sind angetreten, dazu gesellt sich noch ein jüngeres Paar aus München, die mit einem VW Bus hier in Norwegen unterwegs sind.
Gemeinsam warten wir zu 6st etwa 10 Minuten auf den Bus.
Glücklicherweise wird uns hierbei nicht langweilig, denn aus irgendeinem Grund fliegen im Moment eine ganze Menge Fliegen umher, die sich immer wieder auf uns niederlassen wollen.
Geht mal gar nicht, wir sind doch keine Kühe!
Und so wird wild mit den Armen gefuchtelt, mit den Fingern geschnippt und die Fliegen verscheucht.
Die Zeit geht so natürlich fix vorbei und fast auf die Minute pünktlich kommt der grüne Bus um die Ecke.

         
     Die mutigen Preikestolen- Abenteurer von heute         09:37 Uhr: mit nur 2 Minuten Verspätung kommt der Bus.

Wir steigen ein und lösen beim Fahrer das Ticket.
Schon gestern haben wir uns ja beim Check- In am Campingplatz informiert, was die Busfahrt kosten wird.
30 Kronen pro Person. Nicht gerade günstig (für grad mal 10 Minuten Fahrt!), aber was soll man machen?!
Parken an der Preikestolhytta wäre noch viel teurer und zu Fuß gehen verbraucht unnötig Reserven. Also wird zähneknirschend bezahlt.
Wir sichern uns den Platz in der ersten Reihe (der Bus ist komplett leer) und schon geht die Fahrt los. Es war wirklich eine gute Idee, die Strecke nicht mit dem Fahrrad anzugehen, denn es geht wirklich recht steil den schmalen Weg hinauf.

        
     Der schmale leicht steile Weg zum Basiscamp             Knapp 10 Minuten Fahrt später: Wir kommen an!

10 Minuten später erreichen wir gegen viertel vor 10 das Basislager am Preikestolen, von wo aus es nur noch zu Fuß weiter geht.
Was mich unterwegs allerdings etwas stutzig werden lässt, ist die Art des Tickets, welches wir im Bus bekommen haben.
Darauf steht nämlich gar nichts von „Rückfahrkarte“!
Sollte das möglich sein? Habe ich mich gestern so sehr verguckt? Da stand doch auf der Abfahrtstafel zum Preis des Tickets „Round-Trip“, was doch übersetzt Rundreise bedeutet, oder?
Und auch der Preis passt doch nicht!
30 Kronen für nur eine einfache Fahrt wäre doch ein bisschen ganz arg sehr teuer, oder?
Ich frage also beim Verlassen des Busses einfach mal den Busfahrer, was es denn mit dem Ticket auf sich hat und siehe da, das Ticket ist wirklich nur für eine Richtung! Hammer! Unglaublich!

Gut, darüber kann man sich nun ärgern, aber mir treibt es viel mehr den Angstschweiß auf die Stirn!
Denn ich habe nur die 60 Kronen eingesteckt, die wir für die Busfahrt Hin- und Zurück benötigt hätten! Ich hab ja bewusst leichtes Gepäck gewählt und die dicke Geldbörse im Wohnmobil gelassen.
Nun stehen wir hier, an der Preikestolhytta und haben vielleicht noch 5 Kronen in Kleingeld in der Tasche. OK, ich hab noch eine Kreditkarte als Notfallversorgung dabei, aber im Bus kann man damit definitiv nicht bezahlen!
Was nun? Zurückfahren? Das geht ja nicht, weil ich dafür ja kein Geld habe!
Alleine zurücklaufen und doch noch das Wohnmobil holen, damit es nicht ganz so spät wird, bis wir endlich losgehen können?
Die letzte Alternative wäre zurücklaufen, wenn wir die Hammertour vom Preikestolen wieder hinab gestiegen sind. Ob wir dann aber noch Energie für einen Fußmarsch haben?
Vielleicht gibt es ja aber hier, am Basiscamp, auch irgendwo einen Geldautomaten, wo ich mit der Kreditkarte Geld holen kann.
Hmm. So ganz ehrlich gefällt mir das alles nicht!
Ich merke nämlich, dass ich gerade das eigentliche Ziel des Tages und der ganzen Norwegen- Reise aus den Augen verliere (nämlich den Preikestolen zu erreichen!) und das geht mal gar nicht!
Also lasse ich erst einmal alles so, wie es ist und ohne mir etwas anmerken zu lassen, verlassen wir alle gemeinsam den Bus.

         
     Endstation Basislager. Hier wendet der Bus und fährt zurück   Hier parken übrigens alle anderen (kostet aber!)

         
     Naja, gut ausgeschildert ist der Felsen ja schonmal…   …und auch die Infotafel ist recht umfangreich

Im Basislager orientieren wir uns zunächst, es scheint hier gleich mehrere Häuser zur Versorgung zu geben.
Auch den Einstieg und Start zum Preikestolen ist sofort zu finden und so lassen wir uns nicht lange mit Shopping, Andenken und Co. aufhalten, sondern halten sogleich auf den Trail zum Preikestolen zu.

Wir machen mit unseren neuen Bekannten aus dem Bus gegenseitig noch schnell einige Bilder vom Begrüßungsschild des Preikestolen (wir von unseren Reisenachbarn, unsere Reisenachbarn für uns), danach resete ich das Navi (damit uns die Busfahrt nicht als Teil der Durchschnittsgeschwindigkeit angerechnet wird 😉  programmiere noch zusätzlich die Preikestolhytta als Wegpunkt ein und dann geht es los:

     Noch gut gelaunt! Wir kurz vor dem Aufstieg ;-)
     09:51 Uhr, Team Transitfrei kurz vor dem Aufstieg! Noch sind wir gut gelaunt… 😉

Der erste Schritt ist der schwerste! Man weiß, dass eine Hammertour vor einem liegt, aber bevor man Gelegenheit bekommt, darüber nachzudenken, folgt der zweite und dritte Schritt
Ganz schnell und einfach.
Und ehe man sich versieht, hat man schon die ersten Meter geschafft. Wow, das war leicht und schwer zugleich!
Instinktiv beginnt man natürlich direkt, die wenigen anderen Wanderer an diesem Morgen zu beobachten und mit sich selbst mit denen zu vergleichen.
Man muss da kein Geheimnis draus machen, wir sind hier rein von der Kondition und vom Körperbau her diejenigen, die die schlechtesten Voraussetzungen mitbringen.
Und ich glaube auch eine Mischung aus Mitleid und einem „das schaffen die nie!“- Blick in den Augen einiger Wanderer mit kompletter Trekking- Ausrüstung zu erkennen, die an uns vorbei ziehen.
Aber was uns konditionstechnisch fehlt, müssen wir eben mit dem glühenden Willen kompensieren, den Preikestolen zu erreichen! Denen werden wir es zeigen!

OK, unsere Nachbarn, sowie unsere Busbekanntschaft haben uns natürlich schon auf den ersten Metern komplett abgehängt, aber das macht ja nichts!
Die holen wir schon wieder ein! 😉

Der Grund, warum wir so langsam sind, liegt übrigens an der sofort knallharten Anstrengung, die fast augenblicklich nach den ersten Metern des Trails folgt.
Ein kurzes Stück ging es noch einen feinen Schotterweg hinauf, auf einmal aber werden die Steine groß, dann größer und ehe wir es uns versehen, müssen wir schon von Stein zu Stein stolpern.
Zum Glück ist der Erfolg der frühen Plackerei sofort sichtbar, denn an einigen freien Stellen gibt das Astwerk der Bäume um uns herum den Blick auf das Basislager frei und schon jetzt, nach nur 10 Minuten Aufstieg, sieht dieses in der Ferne und Tiefe fast wie ein Spielzeughaus aus.

         
     Die ersten Meter sind noch total easy…                    Es geht zwar stetig bergauf, aber der Weg ist noch „gehbar“

         
     Dann wird es allerdings schon schwerer! Lose Steine!   Aber dafür gewinnen wir auch recht schnell an Höhe!

         
     Das ist doch jetzt nicht wahr, oder? DAS ist der WEG???  Jep! leider ja! Anja gleitet gazellengleich die Steine rauf 😉

Etwas außer Atem erreichen wir gegen kurz nach 10, etwa 20 Minuten nach dem Start, den ersten Wegweiser und Streckensanzeiger, der uns signalisiert, dass wir die ersten 0,5 Kilometer von 3,8 Kilometer geschafft haben. Das motiviert!
Dennoch müssen wir hier, auf der ersten Ebene mit Sitzbänken und etwas Ausblick, eine kleine Pause machen.
Zu kraftraubend war schon jetzt der erste Teil der Tour und wir hängen schon fast in den Seilen. Puh!
Auch beichte ich Anja lieber doch schon jetzt, dass wir kein Busgeld für die Rückfahrt haben.
Sie kann es nicht glauben! (<– das ist übrigens der zensierte Ausdruck für: „Komm her du, ich erwürge dich!!!“  😉
OK, ich geb ja zu, dass es nicht sehr klug war, nur mit 60 Kronen in der Tasche los zu laufen. Aber ich hab ja auch extra eine Kreditkarte mit, falls wir wirklich Souvenirs kaufen wollen. Und hier in Norwegen kann man doch wirklich alles mit Kreditkarte kaufen, außer eben eine Busfahrkarte…
Zum Glück ist Anja, nach einem kurzen Moment der Fassungslosigkeit vor soviel Dämlichkeit, nicht allzu böse auf mich und da wir gleich mehrere Ideen haben, wie wir später wieder von der Preikestolhytta zurück zum Campingplatz kommen, hält uns dieses kleine Erschwernis nun auch nicht mehr auf. Beide haben wir ein Ziel vor Augen und das wollen wir nun erreichen!
Puh, da fällt mir aber wirklich ein großer Stein vom Herzen, dass Anja das so locker nimmt. Erst jetzt kann ich, nachdem ich mein Gewissen erleichtert und den Kopf dadurch klar hab, den Aufstieg so richtig angehen.
Nach ein paar Schluck Wasser geht es also gleich weiter nach oben!
Viel zu lange kann man sowieso nicht auf einem Punkt stehen bleiben oder sich gar wohin setzen. Kaum sitzt du oder bleibst stehen, hast du sofort eine Schar Fliegen um dich herum, die dich beschwirren und mir komischerweise immer wieder direkt bis ins Ohr fliegen wollen. Sowas von lästig und unangenehm!
Kurze Pause und mal verschnaufen? Da musst du aufpassen, dass du aus Versehen nicht sogar noch eine Fliege verschluckst. Bewegst du dich aber, lassen einen diese nervigen Flügelflieger weitestgehend in Ruhe. Also weiter!

         
Der erste Checkpoint auf dem Weg nach oben.       Da haben wir gut Höhe gemacht! Blick runter zum Basislager

Die Tour führt nun weiter einen recht steinigen Weg entlang. Die Steine sind hier nun etwa so groß, wie Gullideckel!
Man muss ein wenig darauf achten, dass man vor lauter Aufmerksamkeit auf den nächsten Schritt nicht den eigentlichen Weg aus den Augen verliert.
Zu viele „Fahrtmöglichkeiten“ gibt es hier und wenn hier nicht so oft und zahlreich das aufgemalte rote „T“ wiederholt werden würde (dieses markiert den Weg), wir würden uns wohl hoffnungslos in der Natur verlaufen.
Der Weg ist aber auch, zu meiner Überraschung, gar nicht so sehr ausgetreten, wie ich es erwartet habe!
Besonders die Steine, die jeden Tag sicherlich tausendfach betreten werden, scheinen kaum bis keine Abnutzungsspuren davon zu tragen. Man muss schon genauer hinschauen, dass man auf einigen Steinen hin und wieder Schleifspuren entdeckt die darauf hindeuten, dass hier öfter Schuhwerk, Wanderstöcke und mehr drüber hinweg spaziert und geklettert sind.

         
     Auf einem steinigen Pfad geht es nun weiter               Immerhin ist der Weg teilweise nicht mehr ganz so steil.

         
     Trotzdem muss man natürlich vorsichtig sein! Rutschgefahr!   Und ganz wichtig! Nie das rote „T“ aus den Augen verlieren

         
     Ja, bevor die Frage kommt. Das IST der Weg nach oben…  Hier geht es definitiv nur mit Händen und Füßen rauf!

Apropos Wanderstöcke! Dies ist etwas, was mir schon jetzt und auch die nächsten Stunden noch ganz schwer auf die Nüsse gehen wird!
OK, wir sind langsam unterwegs. Und genau, wie wenn wir mit dem Wohnmobil auf den engen Bergstraßen unterwegs sind, machen wir an den uns gegebenen Möglichkeiten Platz, um die schnelleren vorbei zu lassen.
Kurz nach Passieren des ersten „Check-Points“ haben uns nämlich schon wieder die nächsten eingeholt, die wohl mit dem Bus 30 Minuten nach uns gekommen, oder vielleicht mit PKW und Wohnmobil hier hoch gefahren sind.
Die übrigen Wanderer, die nun wie wir nur mit Schuhen und Händen unterwegs sind, verhalten sich eigentlich ordentlich, drängeln nicht und passieren uns, sobald wir sie vorbeilassen können.
Aber die mit den Wanderstöcken sind schlimm!
„Klick-Klack“ und dies immer dicht hinter einem ist echt nervig. Einmal kommt es sogar dazu, dass mir jemand seinen bekloppten Walking- Stock beim ausholen nach vorne fast zwischen die Beine gesteckt hätte.
Wäre ich dabei zu Fall gekommen, hätte ich dem Opi seinen Wanderstock auch wohin gesteckt, das ist mal sicher!
Dabei sind die mit den Stöcken nicht unbedingt schneller! Zur Erinnerung: Der Weg ist nicht geschottert oder ge- ascht, es ist kein Wanderweg, sondern hier liegen richtig grobe große Findlinge auf dem Weg, wo man sich eben wie bei einem Mosaik nur von Stein zu Stein fortbewegen kann. Ob und wenn ja wie diese Stöcke zwischen oder gar auf den Steinen Halt bieten sollen, ist mir ein absolutes Rätsel.
Naja, ich lasse den Grinseopa an der nächsten Gelegenheit vorbeistöckeln und dann geht es wieder weiter.

Nach dem ersten steinigen Abschnitt erreichen wir dann eine Art Hochebene. Von hier aus haben wir wieder tolle Ausblicke über die Landschaft, aber vor allem geht es zum ersten Mal ohne beschwerlichen Aufstieg weiter.
Auch wechselt der Wanderweg nun die Herausforderung. Die Steine tauschen sich nun gegen immer länger werdende Wiesenstücke aus, die ein wenig wie ein Hochmoor auf uns wirken. Der Boden ist matschig, feucht und mit einigen Bächen und Tümpeln durchzogen. Zum Glück müssen wir nicht durch diesen Modder durch marschieren, denn es gibt es hier einen Holzbohlenweg, auf dem es sich deutlich besser spazieren lässt.
Auch lässt zu meiner Überraschung und Freude die Fliegenplage endlich ein wenig nach und ich hoffe mit jedem weiteren Höhenmeter, dass die Fliegen dann vielleicht sogar ganz verschwinden.
Anja sieht das Problem mit dem Geschwirre übrigens eher pragmatisch: Lieber ein paar Fliegen um uns herum, als eine Mückenplage! Das wäre nämlich ebenso möglich und auf jeden Fall deutlich unangenehmer…
Ach ja! Rund um die Wälder Norwegens hören wir übrigens den Kuckuck!
Und dieses Mal ist es kein Mensch, der den Lockruf des kleinen Schwarzwaldweckers nachmacht, sondern die echten Vögel!
Schon komisch! Noch im Sommer vor einem Jahr waren wir extra im Schwarzwald unterwegs, um den kleinen Vogel mal in Aktion zu sehen, oder wenigstens zu hören.
Damals war aber nix und ich selbst musste bei den Triberger Wasserfällen in die Bresche springen.
Und hier? Erschallt der Lockruf des Kuckucks wie eine späte Anerkennung meiner ornithologischen Kommunikationsfähigkeiten. 😉

         
     Ah, das ist natürlich deutlich angenehmer zu laufen…     …und wieder ein Checkpoint! 1,5 km sind bereits geschafft!

Mitten auf dieser Hochebene erreichen wir übrigens auch den nächsten Check- Point, der uns bestätigt, dass wir nun schon 1,5 Kilometer unterwegs sind.
Die Uhr zeigt 10:49 Uhr, was wiederum bedeutet, dass wir gerade mal seit 49 Minuten unterwegs sind.
Nicht ganz so schlecht, oder? 2 Stunden sind für den Weg für „normale Wanderer“ angesetzt, und wir haben nun noch etwas über 2 Kilometer vor uns.
Sorgen macht uns aber der weitere Weg, der auf der Check-Point- Tafel dargestellt ist.
Denn jetzt kommt eine richtig fette steile Passage, von der ich Bilder im Internet vorab gesehen hab. Und das, was da jetzt kommt, ist nicht lustig!
Aber davon verrückt machen lassen? Nee! Aber ich sag Anja lieber mal Bescheid, dass es ab jetzt richtig heftig werden wird.
Ach ja: Die Idee, dass wir den Rucksack mit unserem Proviant gemeinsam den Berg rauf tragen, ist bereits am ersten Check- Point zu meinen Ungunsten verschoben worden. Aber man ist ja Gentleman! Ich kann doch nicht zusehen, wie Anja die Zunge aus den Hals hängt und sie sich den Berg hinauf schleppt, während ich hier wie eine junge Bergziege locker luftig von Stein und Stein tänzele!
Also trage ich den Rucksack und wenn ich das gleich vorweg nehmen darf, werde ich den Rucksack für den Rest des Tages behalten (auch wenn Anja, das sei fairerweise erwähnt, mehrfach anbietet, den Rucksack wieder zu nehmen).
So sind wir wenigstens beide in etwa gleich schnell.
Ist wie bei der Formel 1, wo der Fahrer auf der Pole Position extra Gewichte ins Fahrzeug gelegt bekommt, um Chancengleichheit herzustellen 😉

Die steile Passage kommt früher, als erwartet und der Weg wird nochmals deutlich steiniger, als ich es mir zunächst vorgestellt habe! Wow!
Mit Händen und Füßen geht es die schweren Steine hinauf und auch hier muss man ganz genau darauf achten, dass man den Weg vor lauter Steinen nicht aus den Augen verliert! Zum Glück bremsen die Steinpassagen sowohl die Leute vor uns wie nach uns aus, sodass man nun eigentlich nur den bunten Klecksen in der grau- grünen Landschaft hinterher latschen muss, die sich den Berg hinauf und auch bereits wieder hinunter winden.
Und die Entgegenkommer überraschen mich schon! Geben die denn schon auf und brechen den Aufstieg ab? Ich muss schon genauer hinschauen, bis ich das Gegenteil entdecke!
Die wenigen Wanderer, die uns entgegen kommen, sind nämlich allesamt voll bepackt inklusive Zelt und Outdoor- Ausrüstung. Die haben wohl (wie es auch der Reiseführer berichtet) auf dem Preikestolen übernachtet und dann den Sonnenaufgang von der Felskanzel genossen.
Wow! Sicher ein toller Anblick! Aber das wäre definitiv nichts für mich!
Da hätte ich nur beim nächtlichen verschlafenen „Klogang“ Angst, dass ich die Felsspalte herunter falle. 😉

         
     So, jetzt wird´s Knacker! Das ist wirklich der Weg rauf!  Das rote „T“ (links am Stein) zeigt es an! Das ist der Weg!

         
     „Ist das wirklich der Weg nach oben?“ Leider ja!!!     Tapfer und mutig zugleich! Anja auf dem Weg nach oben

     Der Aufstieg zum Preikestolen - kein leichtes Unterfangen!
     Das Bild mussten wir einfach mal in groß zeigen! Seht ihr die kleinen Menschen zwischen den GROSSEN Steinen???  😮
     Diese Steine MUSS man wirklich nach oben rauf klettern, es gibt KEINEN anderen Weg!

Gegen 20 nach 11 erreichen wir die nächste etwas leichtere Passage, wo wir auf die ersten Steinmännchen treffen. Frühere Touristen haben hier aus kleineren Steinen kleine Steinhäufchen ausgetürmt, die nun wie stumme Zeugen die stetigen Auf- und Absteiger des Preikestolen bestaunen. Ob die Steinmännchen die vorbeieilenden Gäste zählen? Wenn sie es tun, hätten sie sicherlich eine Menge zu tun, denn irgendwie werden es immer mehr Kletterer um uns herum.
Richtig stolz bin ich aber mal auf Anja!
Die extrem schwere Steinpassage von gerade war wirklich nicht von schlechten Eltern und hat mich schon an den Rand gebracht. Jede Bewegung muss voll konzentriert erfolgen, jeder Griff und jeder Schritt sitzen.
Schnell schießt Adrenalin durch den Körper, wenn sich plötzlich ein Stein unter dem eigenen Gewicht bewegt oder man mit den Fingern plötzlich keinen Halt findet.
Wer meint, dass der Aufstieg zum Preikestolen mal eben eine 3 Kilometer- Wandertour wäre, der kann sich definitiv spätestens an dieser Stelle von diesem Irrglauben verabschieden. Das hier (siehe Bild oben) ist die Realität!
Und wir sind da durch! Hammer!

Gegen kurz vor halb 12 erreichen wir dann den nächsten Check- Point. Die Tafel bestätigt uns, dass wir hier, bei Neverdalsskaret das schwerste Stück geschafft haben. Mit etwas Glück geht es nun deutlich weniger steil und am besten nur noch auf Hochebenen entlang, bis wir in 1,8 Kilometern die Felsenkanzel erreichen werden.
Ist das nicht toll!
Wir sind sowas von gut und ich bin unheimlich stolz auf meine Frau und natürlich auch auf mich selber, dass wir das Ding echt zu packen scheinen!

         
     Blick zurück: Endlich raus aus dem steinigen Wald!      von nun an geht es viel offener und freier weiter

         
Kleine Steinmännchen am Wegesrand zählen die Touristen  YES! Checkpoint! Die Hälfte und das schwerste Stück geschafft

Man merkt übrigens, dass wir nun deutlich höher unterwegs sind. Immer wieder haben wir tolle Ausblicke auf die umliegenden Berge und tiefe wohl unberührte Wälder, was mich allerdings zu der Frage führt, wo denn der Fjord ist!
Immerhin liegt doch der Preikestolen direkt am Lysefjord, daher muss doch mal so langsam das Wasser auftauchen, oder?
Tatsächlich taucht kurz darauf wirklich Wasser auf, allerdings besteht dies eher aus einigen kleinen Seen, die hier auf der Hochebene links und rechts des Weges anzutreffen sind. Und diese Seen sind sogar als „schwimmbar“ eingestuft, ein entsprechender Hinweis auf den Infotafeln erlaubt ein kühles Bad an einem heißen Sommertag.
Heute allerdings können wir (wie auch alle anderen) darauf verzichten, denn hier oben ist es eher frisch und nicht besonders warm.
Auch die Wolkendecke über uns ist nochmals dichter geworden, hat die Sonne vertrieben und es scheint fast so, als würde es schon in Kürze anfangen zu regnen.

         
     Auf einem Höhenzug geht es nun weiter                    Viel weiter rauf kann es jetzt jedenfalls nicht mehr gehen

         
     Rechts und links bieten sich kleine Seen an           Wäre es wärmer, könnte man hier wohl auch baden

Wir lassen also die kleinen Badeseen gleichermaßen rechts und links liegen und steuern weiter den Weg, immer den roten T folgend, an.
Die Route führt uns nun einen leicht steilen Weg hinauf. Die Steine sind nun nochmals größer geworden und sind nun so groß, dass wir auf einem Stein locker 20 und mehr Schritte gehen können, bis der nächste Stein folgt.
Richtige tonnenschwere Brocken und Quader schmiegen sich hier in die Landschaft und an einigen Stellen sind die Steine so dominant, dass man beim Betreten eines Steinfells nicht das Ende sehen kann.
Es gibt in Norwegen den Begriff des „Fjells“, was ich mir nun, beim Anblick dieser „Steinfjelle“ nun auch endlich erklären kann. Der Begriff muss für diese Steine wohl extra erfunden worden sein…

         
     Offener unbewachsener Fels wird zum Wanderweg     Steinfjell! Das Wort wurde extra für das hier erfunden! 😉

         
     Aber immerhin lässt es sich auf den Steinen einfach laufen   Unter dem Gras findet sich Mooriges. Obacht!

Um 11:43 und bei Kilometer 2,7 erreichen wir bei Stidele auf diesem riesigen Steinfeld den letzten Check-Point, hier teilt sich erstmals der Weg.
Boah, sind wir fertig!
Unsere kleine als Diktiergerät umfunktionierte Digitalkamera dokumentiert schonungslos: „Gefühlter Tag 237 unseres Aufstiegs! Selbst der Himalaya kann nicht schwieriger sein, wie das hier!! Boah, sind wir am Ar***!“
Ehrliche Meinung! 😉

Hier auf dem riesigen Steinfeld haben wir nun die Wahl, ob wir dem grünen Pfeil und damit dem rechten Weg folgen wollen, dies wäre der so genannte „Hill Trail“.
Wir können aber auch dem roten Pfeil und dem „Cliff Trail“ folgen.
Da der „Hill“ vor uns sich als erneute richtig steile Angelegenheit darstellt, entscheiden wir uns für den „Cliff Trail“.
Klippen und Abgrund werden schon nicht so schlimm werden…

         
    Letzter Checkpoint bei Stidele! Jetzt müssen wir uns entscheiden: Hill Trail (grüner Pfeil) oder Cliff Trail (roter Pfeil) zur Kanzel

         
     Blick voraus: Da muss irgendwo der Hill Trail sein…       Nee danke! Wir laufen lieber den Cliff Trail entlang.

Und wieder wird der Weg zu einem steinigen Mix aus Plattenstein einer Hochebene, Waldabschnitt und Geröll, welche erneut mühsam besteigen werden müssen.
Herrje, nehmen die Beschwerlichkeiten denn kein Ende?
So langsam sind wir wirklich am Ende unserer Kräfte angekommen und wir haben schon hier fast die Hälfte unserer Wasservorräte ausgetrunken, obwohl wir noch nicht einmal am Preikestolen angekommen sind! Was sollen wir nur später auf dem Rückweg trinken?
Ein Supermarkt, eine Tankstelle, oder wenigstens ein Kiosk werden wir wohl kaum vorfinden.
Das letzte Stück zieht sich natürlich auch ungemein, zumal wir auch noch immer keine freie Sicht auf den Lysefjord haben. Das lässt den Weg gleich doppelt lang erscheinen!
Nur sehr viel weiter rauf kann es nun eigentlich nicht mehr gehen, denn rund um uns herum finden sich kaum bis keine höheren Erhebungen mehr.

         
     Unterwegs auf dem „Cliff Trail“, wir folgen weiter dem T  Und wieder müssen wir über Steine klettern 🙁

         
     Schroffe Felsen markieren den Abgrund                      Ausblick ins Tal, da fällt man tief…

Nachdem wir weitere Steinmännchen passieren, verlangt uns die Route dann noch einmal ALLES ab! Wahnsinn, was nun an Kletterpartie auf dem Cliff Trail uns wartet!
Einige Holzbauten an den steilen Abhängen bieten schon Sicherheit, aber an anderen Stellen geht es fast ungesichert den Abhang hinunter. Boah!
Ganz vorsichtig muss man hier also Schritt für Schritt nach vorne gehen, was nur noch funktioniert, weil wir seit ein paar Minuten endlich Blick auf den Lysefjord haben. Damit kann es doch nun wirklich nicht mehr weit sein!
Ein letztes Mal müssen wir eine richtig schwierige Stelle passieren (der Steg am Stein ist lediglich wenige Zentimeter breit und der Abgrund tief!!!), bevor wir ihn zum ersten Mal sehen. Den Preikestolen!!!!!

         
     Cliff Trail, jetzt wissen wir, warum der so heisst…          Zunächst ist es noch ganz leicht…

         
     Und: Wir haben endlich Blick auf den schönen Lysefjord!  Aber aufpassen, wo man hintritt!

         
     Die Route verlangt uns wirklich ALLES ab!                  Der Cliff Trail führt hier direkt am Abgrund entlang!

         
     Die letzten Schritte gehen wir wie im Trance…         Aber wir haben es geschafft! DA ist er, der Preikestolen!

Die letzten Meter gehen wir fast wie im Trance, das Glücksgefühl ist schon unbeschreiblich!
Wir haben es echt geschafft, wir sind endlich da!
Und immerhin haben wir es auf der ganzen Strecke geschafft, nicht letzter zu werden.
Ein anderes Paar haben wir überholt, die noch langsamer waren, wie wir. Das soll schon was heißen!
Aber das ist hier ja kein Wettbewerb, wer als erstes da ist, oder gerade geht.
Apropos: Unsere Nachbarn vom Campingplatz sind schon „fertig“ am Preikestolen und marschieren jetzt, wo wir gerade ankommen, wieder herunter…
Wir aber lassen nun mal diese wahrhaft traumhafte Felsformation des Preikestolen auf uns wirken und gehen schlaff und vollkommen ausgepumpt auf den Abgrund zu.

Schlagartig wird uns auch klar, warum der Preikestolen „Preikestolen“ oder eben „Gebetsstuhl“ heißt.
Denn genau, wie sich ein gläubiger Muslim an einem Freitag gen Mekka kniet und genau so, wie man in katholischen Kirchen während der Messe auf die Knie geht, gehen auch wir (wie alle anderen Touristen auch) natürlich auf die Knie, als wir die „Gefahrenzone“ vorne an der Klippenspitze erreichen.
Man kann gar nicht anders, als sich schützend zu Boden zu werfen!
Stehend beugt sich an diesem Tag niemand über den Abgrund! Und genau, wie wir auch, robben die allermeisten bis an den Abgrund heran, um wenigstens einmal den Kick zu fühlen, wenn man über 600 Meter steil in die Tiefe blickt!
Ganz Mutige sitzen am Klippenrand, recken die Arme in die Höhe und strecken die Beine von sich weg. Als ich es auch mal probieren will (man will ja ein tolles Foto für das Familienalbum 😉 ist mein Selbsterhaltungstrieb jedoch stärker! Ich schaffe es zwar, im „Spinnengang“ an die Klippe heran zu robben, kann mich aber final einfach nicht darauf setzen.
ZU sehr kribbelt alles in meinem Bauch, zu sehr hab ich Angst, in die unglaubliche Tiefe zu stürzen.
Nennt mich einen Feigling, aber Arme und Beine wollen mit (zum ersten Mal in meinem Leben!) einfach nicht gehorchen…
Unglaublich wenn man bedenkt, dass das nichts anderes ist, wie auf einem Stuhl oder einer Bordsteinkante zu sitzen. Und da fällt man ja auch nicht einfach herunter.
Was Höhe doch alles bewirken kann…

         
     Die Felskanzel lockt zahlreiche Besucher                  Einer von noch vielen weiteren Verrückten an diesem Tag  

         
     Kein Fangnetz, kein Zaun, keine Absperrung. Nur Abgrund!  Hier mal ein Bild zurück zum Weg, Anja steht in der Mitte…

         
     und macht Bilder: Ich am Abgrund: Runter auf die Knie… 😉   Aber ganz am Abhang sitzen? Nee, das schaffe ich nicht :-/

Ich taste mich einmal (nachdem sich meine Sinne wieder einigermaßen gefangen haben) bis ganz dicht an die Klippe heran, wobei ich schon schwer gegen meinen Selbsterhaltungsinstinkt ankämpfen muss. Denn alle Sinne schreien förmlich „Weg von dieser Felskante!“
Aber da muss das Adrenalin nun durch und so gelingt mir immerhin folgende Videoaufnahme:

Auch Anja traut sich ein wenig nah an den Felsvorsprung ran, allerdings nicht so weit, wie ich eben. Stattdessen möchte sie erst einmal ausruhen, was nach dieser Gewalttour mehr wie verständlich ist.
Also setzen wir uns im gebührenden Abstand zur Felsklippe auf den Boden und lassen uns erst einmal unseren Proviant schmecken, damit wir wieder zu Atem und zu Kräften kommen.
Und das ist auch nötig! Irgendwie hat der Aufstieg schon enorm an den Kräften gezerrt. Das Denken ist irgendwie auf ein Mindestmaß reduziert gewesen und auch der Blick nach vorne hat sich vom üblichen „Panoramablick“ ein wenig in einen Tunnelblick verwandelt, den Focus immer auf den nächsten Schritt gerichtet.
Jetzt, wo wir endlich sitzen und etwas essen wie trinken, haben wir auch wieder den Blick für alles das, was um uns herum passiert.
Und da tut sich einiges! Wie voll doch zum Beispiel der Felsen ist!
Überall um uns herum sitzen Menschen und machen das gleiche, wie wir. Rasten! Die allermeisten haben natürlich den gleichen Proviant, wie wir auch. Brötchen, Brot, Stullen und was zu trinken. Einige sind aber deutlich besser ausgerüstet, so kochen sich zum Beispiel ein paar Asiaten auf einem kleinen Spirituskocher ein paar Nudeln. Auch nicht schlecht!

         
     Gute Idee! Erstmal hinsetzen und Pause machen             Und natürlich was essen! Ein Halleluja für unseren Proviant.

         
     Nicht ganz ungefährlich! „Eiertitschen“ mit dem Preikestolen    Hmm… Überraschung! Das Ei hat verloren 😉

         
     Der Ausblick auf den Lysefjord ist übrigens, trotz des schlechten und trüben Wetters, noch ganz passabel

         
     Der Blick aufs Navi: Genau 607 Höhenmeter             Historischer Moment: Wir setzen unsere Flagge 😉

Um ein noch besseres Bild der Felskanzel zu haben und natürlich, um mal zu zeigen, warum der Preikestolen etwas so Besonderes ist, suche ich mir nach der kleinen Stärkungspause eine bessere Fotoposition.
Von einem Felsvorsprung schräg abseits lässt sich nämlich nun wunderbar die einzigartige Besonderheit des Preikestolen erklären und auch die Faszination, die von ihm ausgeht.
Die Höhe von was um die 600 Meter allein ist nämlich der ausschlaggebende Punkt, sondern die „Bauform“ der Felskanzel.
Jeder kennt ja einen X- beliebigen Berg. Berge haben ja in der Regel eine bis zur Spitze nach oben hin schräg verlaufende Form. Ähnlich wie ein „A“.
Steht man nun auf dem A an der Spitze, schaut man nach unten und kann dabei auf die Schräge herab blicken.
Die Preikestolen- Felskanzel hat allerdings keine so klassische Felsformation, sondern ist das genaue Gegenteil!
Die Kanzel am Berg sieht eher aus wie ein „V“, was bedingt, dass wenn man an der Spitze des Berges auf dem V steht, dass man dann eben wirklich senkrecht im freien Fall nach unten schauen kann.
Und hier sehen 600 Meter dann eben aus, wie 6000 Meter!!! Schaut selbst:

Dem Vorsichtigen scheint es wohl nahezu unmöglich, diese Felsnase überhaupt zu betreten!
Ich meine was ist zum Beispiel, wenn die Nase wirklich abrutscht?
Da kann man sich im freien Fall nirgendwo versuchen festzuhalten, weil nix da ist!
Schon verrückt mit dem Preikestolen, wie er allein durch diese Form für tausende von Touristen den magischen Anziehungspunkt in Norwegen darstellt.
Noch unglaublicher ist aber, dass trotz aller Gefahren hier oben nichts abgesperrt ist und man sich problemlos bis an die Klippe und den freien Abgrund heran wagen kann.
Bei uns in Deutschland wäre doch bestimmt ein Gitter mit einem Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter oder wenigstens ein mannshohes Geländer mit Unterfallschutz montiert. Dazu noch ein Sicherheitsnetz unterhalb der Kanzel, was selbst die letzten Selbstmörder auch noch ausbremsen würde.
Aber hier? Nix!
Ich hab natürlich im Vorfeld einige Recherchen zu Unfällen am Preikestolen angestellt.
Und dabei hab ich, obwohl es keinerlei Sicherheitseinrichtungen gibt, zu meiner großen Überraschung von keinem einzigen Unfallopfer gelesen oder davon gehört.
Lediglich einige Freitotanhänger soll es hierin verschlagen haben, aber wenn die wollen, helfen hier auch keine Gitter und Fangnetze.

     Der Preikestolen- Felsen im Halbprofil
     vom sicheren Basisfelsen aus fotografiert: Die Preikestolen- Felsnase im Halbprofil. Da ist nix mit „gesichert“…  :-/

Während ich mich von der Felskanzel nun eigentlich mehr oder weniger verabschiedet habe, packt Anja hingegen der Mut und sie rutscht immer näher an den Felsvorsprung heran.
Schon nach dem kleinen Snack war sie bis an die Felskanzel gerobbt, aber nun muss natürlich noch ein Bild her, wo die Beine runter baumeln.
Boah!
Final muss ich sie regelrecht bitten, sich doch bitte bitte hinzulegen oder wenigstens hinzuknien, wenn sie so nah an die Felslippe vordringt.
Und auch das Baumelnlassen der Beine, was uns ja schon einige vorgemacht haben, kann ich bei Anja einfach nicht sehen.
Tja und dann setzt sie sich tatsächlich hin!
Ich kann kaum hinschauen, muss es aber natürlich trotzdem!
Denn von meiner Position aus kann ich nun natürlich tolle Bilder von Anja machen.
Andererseits bin ich hier auch zur Untätigkeit verdammt, denn sollte die Felskanzel genau jetzt in diesem Moment nachgeben und abrutschen, wäre es um meine Frau geschehen.

         
     Anja robbt nach vorne, schaut dann in die Tiefe         Sitzen am Abgrund: Wenigstens baumeln die Beine nicht…

Vom Fuße der Felskanzel schnappe ich mir als nächstes einen losen kleinen Stein.
Soll mal ein Erinnerungsstück für Anja werden.
Ist zwar etwas schlicht, aber zu meiner Verteidigung kann ich immerhin vorbringen, dass wir hier oben wie erwartet keinen Souvenirshop oder Kiosk anzutreffen ist.
Selbst fliegende Händler mit Sonnenbrillen, billigen Uhren und Bauchläden voll mit Ramsch sucht man hier oben vergebens.
Schon ungewöhnlich.
Ich schätze mal, dass hier oben norwegische HotDogs selbst zu 10,- € das Stück verdammt gut laufen würden!
Mehr noch! Getränke würden sich ebenso gut verkaufen, wie mir Anjas Aussage beweist.
Denn das, was ich vor mich hindenke, spricht sie aus. „Ich würde jetzt sogar 20,- € für einen 0,5er Krug leckere Apfelschorle vom Gasthaus Schweizer* bezahlen!“ und wenn Anja das sagt, dann meint sie es auch so!
* = Das Gasthaus Schweizer ist ein gutes Lokal mit Biergarten bei uns in Kerpen-Sindorf

Der Platz hier oben rund um die Felskanzel bietet also durchaus volles Potential für allerlei gastronomische Angebote…
Oder ein Dixi- Klo!
Mit dem Hubschrauber hoch fliegen und pro Klogang 2,-  € kassieren! Ich mag mir gar nicht vorstellen, wo eventuell überall die „Restprodukte“ der menschlichen Besuche hier rund um den Preikestolen die Landschaft garnieren.
Und auch ich würde wohl, wenn ich könnte, mal eben 2,- € hierfür abdrücken…
Aber es gibt hier oben weder Klo, noch einen Bauchladen oder einen HotDog- Stand und deswegen können wir, mit Ausnahme des schlichten Steins und den Erinnerungen an ein echtes Abenteuer, von hier oben auch nichts weiter mitnehmen.

Um 13:03 Uhr machen wir uns wieder auf den Rückweg.
Eine knappe Stunde haben wir am Preikestolen verbracht. Wir haben geruht, fürstlich gespeist und die Aussicht genossen.
Und wir haben gesehen, dass das Wetter sich besonders in der letzten Viertelstunde allmählich verschlechtert hat und sich die Wolken über uns immer mehr zuziehen.
Ich bin absolut sicher, dass sich die Vorhersage der Dame in der Rezeption mit dem Regen am späten Nachmittag ebenso bewahrheiten wird, wie der Big Ben in London um 8 Uhr auch 8-mal schlägt.
Und damit wir nicht nachher noch in schlechtes Wetter kommen, machen wir uns langsam wieder auf den Weg.
Man stelle sich vor, hier fängt es an zu regnen!
Die staubigen Steine würden innerhalb kürzester Zeit zu einer netten Matsch- oder Rutschbahn werden. Nee danke!
Ein weiteren Vorteil hat der Abstieg nun natürlich auch noch. Der Rucksack ist viel leichter!
Und wir sind nun natürlich viel souveräner, als noch zum Aufstieg! Runter kommen sie ja alle wieder und auch wir werden es schon irgendwie schaffen.

         
     So, wir machen uns wieder auf den Rückweg                  Vorsicht gleich schon bei den ersten Schritten…

         
     …wir wollen hier ja nicht stolpern! 😮                             und auch an dieser „Kante“ müssen wir wieder vorbei

         
     Dann aber geht es über das große Steinfjell weiter         Heee! Kannst du uns nicht mitnehmen? 😉

Nachdem wir die flachen Steinfjelle passiert haben, wird der Weg natürlich wieder uneben.
Und so schön einfach, wie wir uns den Rückmarsch vorgestellt haben, wird es dann doch nicht.
Irgendwie geht es rauf nunmal vom Kopf her „leichter“, weil man dabei nicht in die Tiefe schauen muss.
Und wenn man nun auf diesen riesigen Berg Geröll herab blickt, sieht man den Trail vor lauter Steinen nicht!
Oh Gott, wie und vor allem wo sollen wir hier denn den Weg finden?
Anja hat die Lösung: „Immer einen Schritt nach dem anderen“.
Erstaunlich, dass diese Idee tatsächlich funktioniert.
Man sollte wirklich nicht versuchen, in diesem Wust aus Steinen, Geröll und Geäst einen Weg zu entdecken, der sich als gehbar herausstellen könnte. Das klappt nämlich nicht und man landet auf der imaginären Sichtlinie voraus immer irgendwo an einer Felswand oder einem Abgrund.
Besser ist, man geht einfach. Immer vorwärts und immer auf den jeweils nächsten Stein.
Und schon offenbart sich uns der Rückweg von ganz allein.

Etwas problematisch ist natürlich die Tatsache, dass wir uns mit dem Wasserbedarf komplett verschätzt haben.
Jeder haben wir bereits weit mehr, als die Hälfte unserer Vorräte ausgetrunken und wir merken beide, dass der Abstieg uns doch mehr erwärmt, als das frischer werdende Wetter uns an Wärme abnehmen kann.
Wenn ich jetzt noch überlege, dass wir ja auch noch nachher an der Preikestolenhytta eine Möglichkeit des Rückwegs finden müssen und wir, wenn gar nichts hilft, sogar noch den Weg zum CP laufen müssen, wird mir Angst und Bang!
Schon jetzt hab ich sowas wie einen Tunnelblick, verschärft durch das stetige „Einen- Meter- voraus“- gucken.
Was passiert, wenn du hier wegen Wassermangel einfach umkippst?
Hier kommt ja kein Krankenwagen rauf!
Und Träger mit einer Bahre werden ja auch Stunden brauchen! Bliebe nur der Helikopter. Sauteuer (Hoffentlich zahlt den die ADAC- Auslandskrankenversicherung 😉 mit Sicherheit und auch der kann uns ja nicht unbedingt unter dem dichten Astwerk über uns finden.
Ich bin nahe dran, an den „Wasserlöchern“, die wir eine halbe Stunde nach Beginn des Abstiegs erreichen, einfach meinen Kopf in die Brühe zu stecken.
Zum einen, um ihn abzukühlen und natürlich zum anderen, um den kleinen Tümpel leer zu saufen.
Aber wie das nunmal so ist: Der Ekelfaktor vor diesem unbestimmten Gewässer mit all seinen darin schwimmenden Mikroben, Bakterien und sonstigen Pantoffeltierchen ist noch immer größer, als die „Schmerzen“ vom Durst.
Also laufen wir ohne Abkühlung oder einen ausgetrunkenen Bergtümpel weiter.

          
     Klar ist das Wasser zwar, aber gleich trinken? Nee…       Wir gehen also ohne „Tümpelwasser“ den Abstieg an

Glücklicherweise kommen wir auf dem Rückweg weitaus zügiger voran, als ich gedacht habe.
Nur knapp 50 Minuten, nachdem wir am Preikestolen losmarschiert sind, haben wir am Neverdalsskaret bereits die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht.
Und wieder sind es besonders die Schilder an markanten Wegpunkten, die einen mehr oder weniger durchhalten lassen.
Bis hierhin haben wir es schon geschafft und jetzt ist es nicht mehr weit.
OK, ich schwitze, mir tun die Füße weh, ich habe ohne Ende Durst, aber wir haben es fast geschafft, den Rest packen wir jetzt auch noch.
Was sich auf dem weiteren nun wieder steiler werdenden Weg allerdings als echte Herausforderung heraus stellt, sind die ganzen anderen Touristen!
Die mit uns talwärts marschierenden sind dabei gar nicht so sehr das Problem, sondern die ganzen Aufsteigewilligen!
Irgendwie haben die noch das Feuer in den Augen, das sie unbedingt oben ankommen wollen.
Dabei nehmen nur die allerwenigsten Rücksicht auf die, die so wie wir ausgepowert auf dem Weg nach unten sind.
Wir sind es also dann, die immer wieder den Abstieg unterbrechen müssen, um die ungestümen Aufsteiger vorbei zu lassen.
Das kostet Kraft!
Aber was will man machen? Du kannst den jetzt anraunen und sagen, dass ich zuerst gehe, aber spätestens beim Dritten oder Vierten hast du auch keine Kraft und Spucke mehr und so bleibst du doch stehen.
Waren wir denn vorhin auch so?
Als wir die abgeschlappten Gestalten gesehen haben, die sich mit hochrotem Kopf und hängenden Armen den Weg talwärts herab geschleppt haben?
Als kleine Entschädigung sind die Kletterpartien talwärts dank der Schwerkraft nicht ganz so anstrengend, wie der Aufstieg.
Und wenn der Weg dann doch mal breit genug ist, können Aufsteiger und Absteiger ohne Gefahr einander passieren.
Der Weg herunter ist ganz einfach doch irgendwie ein ganz klein bisschen anders, wie der Pfad, den wir auf dem Weg nach oben genommen haben.

Nur eine Sache geht wohl gar nicht und sei gleich mal der Vollständigkeit halber für alle erwähnt, die vielleicht mit dem Gedanken spielen, den Preikestolen mit dem eigenen Hund zu besteigen: Wenn der Hund nicht groß genug ist, um die fetten Felsbrocken alleine zu bespringen und auch die hierfür nötige Kondition für einen mehrstündigen Aufstieg mitbringt, ist es für Hundebesitzer so gut wie unmöglich, den Felsen zu besteigen!
Besonders an der heftigen Stelle zwischen Kilometer 1,5 (Checkpoint Krogebekkmyrane) und Kilometer 2,0 (Checkpoint Neverdalsskaret) kann man sich von Gedanken wie „Ich helfe meinem Hund“ oder „an den schweren Stellen trage ich ihn einfach“ eindeutig verabschieden!
Man braucht wirklich alle seine Gliedmaßen, Arme wie Beine, gleichzeitig selber, um diese Passage überhaupt für sich selbst zu schaffen!
Wir haben ein Ehepaar am Fuße der heftigen Felspassage gesehen. Die hatten so einen Golden Retreiver dabei.
Der Hund sah schon komplett fertig und sogar richtig leidend aus, der Mann hatte einen hochroten Kopf und die Dame Tränen in den Augen.
Kein Wunder, denn sie haben an dieser Stelle wohl bemerkt, dass es hier definitiv mit ihrem Hund nicht mehr weitergehen kann und sie den Preikestolen mit dem Hund niemals erreichen!
Ärgerlich und frustrierend zugleich, wenn einem dies erst nach der bereits geleisteten Anstrengung auf halbem Weg auffällt und man dann abbrechen muss.
Wir haben mitbekommen, wie der Mann krampfhaft versucht hat, einen anderen Weg oder vielleicht irgend eine andere Lösung („Ich gehe vor, du reichst mir den Hund an, dann gehst du wieder vor, usw…“) zu finden.
Die Frau hat aber (mit den Nerven und eigenen Kräften sichtlich am Ende), immer nur abgewunken und wurde am Ende der Diskussion sogar leicht hysterisch, weil ihr Mann es einfach nicht wahrhaben wollte.
Sie haben dann abgebrochen, was auch vernünftig war.
Tja, wie gesagt: Das Ärgerniss erst zu bemerken, nachdem man bereits die Hälfte des Weges zurückgelegt hat, muss echt ein Schlag sein. Von daher: Lasst den Hund beim Wohnmobil, wenn er einer solchen Herausforderung über mehrere Stunden nicht gewachsen ist!
(Anmerkung vom 22.02.2011: Einige unserer Leser berichteten uns, dass sie die Kletterpartie mit ihrem Hund geschafft haben. Einhellig ist hierbei jedoch die Meinung, dass bei Mensch und Tier eine gewisse Grundfitness erforderlich ist, um dieses Höhenabenteuer anzugehen. Dies sei der Vollständigkeit halber für alle Interessierten an dieser Stelle erwähnt.)

         
     Das schwerste Stück etwa auf der Hälfte des Weges:    Diese Felsbrocken muss man rauf und wieder runter!

         
Diese hier auch! Das geht nur mit Händen und Füßen!  Auch hier hilft alles jammern nix, da muss man durch

         
     Endlich, die schweren Steinpassagen enden…                 …Jetzt geht es wieder deutlich leichter vorwärts.

Irgendwann biegen wir dann auf das letzte Drittel des Trails ein.
Puh! Fast sind wir durch!
Der Weg ist hier auf einmal wieder schon einfach und wir wundern uns beide, dass wir an dieser Stelle vorhin schon beim Aufstieg gedacht haben, dass es ja kaum noch schlimmer werden kann.
Aber jetzt?

         
     Hurra, bald geschafft! Da ist das Basiscamp!  🙂           Vorhin kam uns dieses Stück noch total schwer vor

Locker fluffig wandern wir den Weg entlang und haben sogar wieder Kraft, unsere entgegenkommenden Aufsteiger zu mustern. Was sind da nur für Leute dabei?
Da wäre zum einen eine spanische Reisegruppe. Locker 40 Männlein wie Weiblein, alle unterschiedlichen Alters. Die Trainierten ganz vorne, drängeln die anderen zur Eile. Die älteren Herrschaften oder auch die Untrainierten eher hinten. Ganz am Schluss dann die Mit-50er mit gutem Bauchansatz, die schon jetzt das Schwitzen und Stöhnen anfangen.
Oh- weia! Das schaffen die doch niemals!

Oder das ältere Ehepaar, welches hier den Weg ganz gelassen herauf schlendert.
Die Dame mit Stiffelletten hat einen Regenschirm in der Hand, der Herr mit Sonntagsschuhen ohne Profil und eine Herrenhandtasche baumelnd am Handgelenk.
Beide tragen dazu noch einen eher unpassenden Mantel (weil dieser herab hängt und somit zum Klettern denkbar ungeeignet ist) und wirken darüber hinaus sehr reserviert.
Die beiden passen sicherlich in jeden Kurpark und jede Fußgängerzone eines beliebigen „Bad Irgendwas“ Städtchen an einem Sonntagnachmittag.
Aber hier, auf dem Preikestolen- Trail sind die so fremd, wie eine Olive als Deko auf einer Schoko- Sahnetorte!
Beinahe mitleidig schaue ich den beiden bei ihrem „Spaziergängchen“ und raune dann zu Anja: „Guck mal…“
„Ja, ich weiß“, kommt ihre Antwort „Das packen die NIE!“
Schon komisch.
Naja, aber wer weiß das schon genau?
Vielleicht befinden sich ja in der adretten Herrenhandtasche Müsliriegel in Form von komprimierter Astronautennahrung oder eine Tablette zur Desinfektion von Tümpelwasser. Wir können es den beiden nur wünschen, denn so, ganz ohne Vorräte oder eben einer Regenjacke, kommen die beiden wohl kaum bis ganz nach oben…

Um 15:05 Uhr ist es geschafft!
Boah ey!
Wir sind wieder unten!
Absolut kaputt, total ausgepowert, aber glücklich wie die Schornsteinfeger!
2 Stunden hat der Abstieg gedauert, eine gute halbe Stunde haben wir weniger gebraucht, als für den Aufstieg.

         
     Wir spazieren aus dem Wald heraus, das wars!            Jetzt wollen wir uns im Basiscamp näher umschauen

Und kaum sind wir unten, drängt mich doch ein dringendes Bedürfnis in die Zivilisation.
Nein, nein! Ich muss zwar aufs Klo, aber dies ist nicht unser vornehmliches Problem.
Ich will mal schauen, ob sich vielleicht mit etwas Glück irgendwo ein Geldautomat befindet!
Wir haben ja noch immer das Problem, dass wir mangels Bargeld kein Ticket für den Bus kaufen können und, wenn wir keine andere Fahrtmöglichkeit finden, wir sogar noch ein kleines bisschen mehr laufen müssten.

         
     Vielleicht finden wir hier einen Automaten?                     oder man verkauft uns dort vielleicht ein Busticket?

Wir schauen uns um und entdecken eine Art Kiosk mit integriertem Souvenirverkauf.
Passt perfekt!
Denn noch dringender, als Bargeld oder ein Busticket, ist natürlich der Flüssigkeitsbedarf.
Schon bemerkenswert, wie der Körper doch auf seine Bedürfnisse aufmerksam machen kann! Offenbar hat hier im Kopf der Erhaltungstrieb die Steuerung der Bedürfnisse übernommen und gibt uns mehr, als nur Impuls und Drang mit an die Hand, nun für den richtigen Ausgleich zu sorgen.
Ohne mit der Wimper zu zucken, geben wir umgerechnet 4 Euro für eine Flasche Wasser 0,5 aus.
Davon natürlich gleich 2 und auch noch eine Flasche Cola wie Eistee Light schnappen wir uns aus dem Kühlregal.
Dazu kommt natürlich noch für jeden ein Eis, wir brauchen ja Kohlenhydrate!

Übrigens, im Shop kann man natürlich mit Kreditkarte bezahlen, sonst hätten wir echt ein Problem!
Ich weiß nicht, was ohne die Möglichkeit der Kreditkartenzahlung geworden wäre.
Wahrscheinlich hätte ich mir die Sachen einfach genommen…  😉

         
     4 Euro für eine Cola? Pah, das juckt mich nicht!            OK, das war teuer! Aber unvermeidbar! 😉

Die weiteren Bedürfnisse wie Bargeld (einen Automaten gibt es nicht, was wir auf Nachfrage erfahren) oder ein Busticket (verkaufen sie auch nicht) kann der kleine Shop nicht befriedigen.

Nach dem Stillen des ersten Dursts und dem Genuss des Eis machen wir erstmal eine kleine Pause auf einer Bank vor dem Kiosk.
Dabei beraten wir, wie es nun weiter gehen soll.
Ein Busticket können wir hier nicht bekommen und Geld bekommen wir hier auch keins.
Ich schlage Anja vor, dass ich alleine zum Campingplatz zurück marschiere, eben das Nötigste zusammen packe und sie dann mit dem Wohnmobil hier oben abholen fahre.
Wäre nur gerecht, denn ich bin ja schuld, dass wir kein Geld für den Bus haben.
Aber Anja mag mich nicht alleine zurück laufen lassen und so beginnen wir uns mit der Situation eines weiteren gemeinsamen Marsches abzufinden.
Wir könnten natürlich den oder anderen abreisenden Kollegen mit Wohnmobil oder deutsche PKW- Fahrer ansprechen, die von hier weg fahren.
Immerhin gibt es nur eine einzige Straße und die führt zwangsläufig an unserem Campingplatz vorbei.
Aber das brauchen wir nicht.
Wir sind heute schon so weit gelaufen, da machen es die 2 oder 3 Kilometer bis zum Campingplatz nun auch nicht mehr.
Und nachdem wir uns mit Eis und Getränken gestärkt, noch ein paar Postkarten eingekauft und ein wenig ausgeruht haben, spazieren wir gemütlich gegen kurz nach halb 4 zurück in Richtung Campingplatz.

         
Neben der Straße geht es den Weg zurück zum Campingplatz   Man sieht es hier sehr gut: Anja ist hochmotiviert 😉

Ach ja!
Das von der Rezeptionisten angekündigte schlechte Wetter ist nicht ausgeblieben!
Schon beim Genuß von Eis und Wasser auf der überdachten Veranda am Shop haben wir dem Regen beim Regnen zugeschaut und auch auf dem Weg zurück an der Straße entlang gießt es von oben natürlich auf uns herab.
He, wir sind doch schon groß und brauchen kein Wasser mehr zum Wachsen! Auch der Durst ist gelöscht, warum also das viele Wasser?
Aber wisst ihr was? Das macht uns gar nichts aus!
Wir denken nur an die vielen Leute, die jetzt, im Regen, den Preikestolen hinauf oder herab laufen und sich über glitschige und rutschige Steine quälen müssen.
Gegen die geht es uns noch richtig gut!
Ganz easy spazieren wir an der Straße entlang und haben, dank relativ wetterfester Kleidung, auch nicht so die Probleme mit dem Regen.

         
     Kaum losgelaufen fängt es natürlich an zu regnen!    norwegische Einsamkeit, eine Straße, Anja und ein Schirm 😉

Und selbst auf dem Rückweg kann ich noch etwas „sportlichen Ehrgeiz“ in die Waagschale werfen! Angenommen, wir hätten ein Ticket für den Bus kaufen können, hätten wir noch etwas über eine Stunde warten müssen!
Der nächste Bus fährt nämlich erst wieder um 16:30 Uhr und wenn wir nicht zu sehr trödeln, sind wir sogar noch vor dem Bus wieder am Campingplatz.
Übrigens: Neben der äußerst fragwürdigen Preispolitik wundern mich ebenso die Abfahrten vom Preikestolen.
Vor 16:30 fährt der Bus um 15 Uhr und nach 16:30 sogar erst wieder um 19:55!!
Gemessen an der hohen Anzahl der Besucher hier oben und der Tatsache, dass der Bus immerhin bis Stavanger fährt und dort sogar einige Hotels anfährt, erscheinen mir die Frequenzen doch etwas unterdimensioniert.
Aber was soll´s, wir fahren ja eh nicht mit dem Bus.
(Anmerkung: In unserem Reisefazit habe ich einen Link zum Busfahrplan eingestellt, wer sich gerne über die aktuellen Zeiten schlau machen möchte…)

Die Latscherei über die Landstraße ist natürlich deutlich angenehmer, als die Kletterei am Felsen. Aber schon nach dem ersten Kilometer wird das monotone Taps- taps- taps auf dem harten Asphalt zur Qual!
Zu sehr schmerzen die Füße, zu sehr dringt der Regen mittlerweile an allen möglichen Stellen auf die Haut vor.
Anja hat immerhin noch einen kleinen Schirm, ich hingegen habe nur meinen Stoffpullover überziehen können (weil Anja auch die Regenjacke hat) und dieser saugt sich nun natürlich allmählich mit dem Wasser voll.
Anja bietet mir zwar den Schirm oder alternativ die Regenjacke an, aber jetzt brauche ich die auch nicht mehr.
Soll sie mal lieber trocken bleiben! Immerhin bin ich Schuld, dass sie hier durch den Regen latschen muss.
Etwas ärgerlich ist natürlich, dass das Navi uns nur die direkte Luftlinie zum Camp anzeigen kann.
Da wir darüber hinaus bei der Busfahrt nicht so recht auf Zeit und Weg geachtet haben, können wir die Strecke zum Campingplatz nur erahnen.
Aus den angezeigten 2,5 Kilometern werden aber recht schnell 3, dann 3,5 und am Ende sogar 4. Einfach nur, weil die Straße eben nicht der direkten Luftlinie bis zum Wohnmobil folgt, sondern eben durch Kurven und Streckenverlauf eine andere Route nimmt. Das einzige, worauf man sich verlassen kann, ist die Kontinuität des Wassers von oben.
Aber wie gesagt, wir beklagen uns nicht! Wir könnten ja auch noch ebenso gut mit dem Abstieg beschäftigt sein…

         
     Ein paar Kühe beäugen uns am Wegesrand und wir wissen genau, was sie denken: „Man sind die blöd, die LAUFEN ja extra!“

         
     „Das Wandern ist des Müllers Lust…“  So ein Heuchler! 😉    Laut Navi müssten wir fast da sein! Tja, leider Luftlinie…

Die letzten Meter werden aber dann doch zur absoluten Qual.
Ich bin absolut sicher, dass wenn wir noch einen Kilometer oder so zu laufen hätten, wir noch nicht so dermaßen abgeschmackt wären.
Aber jetzt, wo das Navi gerade mal noch 300 Meter Reststrecke bis zu unserem Wohnmobil anzeigt, tut wohl ALLES weh und wir pfeifen aus dem letzten Loch!
300 verblödete Meter! Dabei sehen wir den Campingplatz noch nicht einmal! Wenn uns das Navi hier veräppelt, steige ich eigenhändig die Fels wieder rauf und zeige dem Navi, was 300 Meter sind! Nämlich die Hälfte der Strecke, die es braucht, bis es im freien Fall vom Preikestolenfelsen unten auf die Steine aufschlägt!
Meine Füße tun so unglaublich weh! Ich hab Blasen an beiden Füßen (ich laufe schon im Saft), meine Oberschenkel brennen, meine Unterschenkel schmerzen. Ich habe aufgehört, durch die Nase zu atmen, ich bin nass bis auf die Haut.
Auch Anja geht es natürlich nicht besser, sie irrt ebenso kraftlos hinter mir her, wie ich voraus gehe.
Dann endlich sehen wir den Campingplatz! Juchu!
Das dumme mit der Entfernung ist nur, dass wir unser Wohnmobil gestern aufgrund der angespannten Auslastung am CP relativ weit „hinten“ geparkt haben. „hinten“ ist aber nun, wenn man Preikestolen kommt, eben „vorne“. Dies bedeutet wiederrum, dass wir tatsächlich an unserem Wohnmobil vorbei marschieren müssen und es nur durch den Zaun sehen können.
Ach, wie gemein!
Ich versuche zwar noch, ein Loch im Zaun oder einen sonstigen Eingang zu finden, aber das Gelände ist gut gesichert und darüber hinaus dicht bewuchert und noch mit einem matschigen Graben vor dem Zaun versehen.
Ich könnte es zwar schon schaffen, würde mir dabei aber mindestens die Klamotten versauen und höchstwahrscheinlich sogar die Hose am Zaun einreißen oder sowas.
Auch wäre es nicht fair Anja gegenüber, die bestimmt nicht über den Zaun hechten mag, wie ein gemeiner Dieb. 😉
Und so trotten wir an unserem Wohnmobil erst einmal vorbei und weiter am CP entlang, bis wir den Eingang auch endlich entdecken können.

         
     Der Campingplatz: Leider verzäunt und mit Graben     Schnüff!!! Da hinten steht unser Wohni! So ein Mist!

Just in diesem Moment fährt übrigens auch der Bus vorbei!
Schon vor etwa 20 Minuten war uns der Bus in Richtung Preikestolenhytta entgegen gekommen und ich hab zu Anja gesagt, dass es jetzt aber knapp wird.
Wir haben auch einen Schritt zugelegt, aber am Ende hat es dann doch nicht mehr gereicht.
Mist, knapp verloren!
Hätten wir unser Wohnmobil auf direktem Wege erreichen können, hätten wir gewonnen. So aber müssen wir uns den Faulenzern im Bus geschlagen geben, die allerdings mindestens ebenso abgekämpft aus dem Bus steigen, wie wir aussehen.
Und wir, das können wir nun sogar mit Stolz behaupten, sind sogar noch eine Extra- Runde gelaufen!
Das baut auf und lässt uns den Schmerz an Beinen, Schenkeln, Füßen, Bauch und Po vergessen.
Zumindest für einen ganz kleinen Moment.

         
     Nur um wenige Minuten schlägt uns der Bus…            …Geschafft! Auch wir sind wieder am Campingplatz

Die letzten Meter auf dem Campingplatz selber sind schnell erledigt.
Jetzt, wo wir am Ziel sind, geht das auch wieder ganz leicht.
Auf dem Campingplatz ist übrigens absolut tote Hose.
Viele Gäste sind scheinbar abgereist (wohl wegen des Wetters) und die, die noch da sind, haben sich allesamt in ihre Zelte, Wohnwagen oder Wohnmobile verkrochen und sitzen wohl mehr oder weniger freiwillig den Regen aus.
Nur die Gladbacher, die unser Kommen bemerken, haben einen anerkennenden Spruch für uns, als wir deren Wohnmobil passieren.
Natürlich brüsten wir uns gleich mit unserer Extrarunde Laufen und ernten zunächst erstaunte und dann anerkennende Blicke. Tja, dass wir sogar noch die Strecke zurück laufen würden, das haben die beiden von uns wohl am allerwenigsten erwartet.
Wir müssen ja nicht erwähnen, dass diese Lauferei eher unfreiwillig geschah 😉

         
     Die große Campingwiese 2 ist fast leer                      Auch die Zeltbereiche sind geräumt, keiner ist unterwegs

         
     Die Wiese 3 (gestern noch randvoll) ist regelrecht verwaist    Juchu, wir sind da! Wohni hat uns wieder 🙂

Im Wohnmobil angekommen fallen wir regelrecht in unsere Möbel.
Puh!
Minutenlang machen wir, außer Trinken und einen Snack essen, erstmal gar nichts.
Einfach nur Schuhe aus, Strümpfe runter und die schmerzenden Beine hoch legen.
Das tut gut!
Lange halte ich das allerdings nicht aus.
Zu sehr habe ich den Eindruck, als müsste ich mir die Strapazen der Reise regelrecht abwaschen und so schnappe ich mir das Duschbeutelchen und spaziere um halb 5 durch den anhaltenden Dauerregen rüber zu den Duschen.
Ich habe sogar Glück, denn entgegen meiner Erwartung sind die Duschen komplett frei und ich kann an diesem Nachmittag richtig lange und ausgiebig duschen und brauche mit meinem Duschabenteuer zum ersten Mal seit Ewigkeiten deutlich länger, als Anja.
Eine Wohltat für die Füße ist das Herumgestehe in der Dusche natürlich nicht. Aber dank der Gummischuhe und ihrer ergonomischen Form geht es eigentlich.

         
     Die Gummischuhe sind eine Wohltat für die Füße…        Der Versorgungsweg: Das ist ja wie am Preikestolen hier!

Auf dem Rückweg vom Duschen wird übrigens ein weiteres Mal meine Erkenntnis bedient, dass alle Camper hier in Südnorwegen irgendwie den gleichen Weg haben.
Das haben wir mit den Gladbachern erlebt und bestätigt sich jetzt ein weiteres Mal.
Denn hier, auf der ersten Wiese, steht das bunte holländische Kuhmobil der „Crazy Campers“, die wir schon am Tag unserer Anreise auf der Fähre gesehen haben.
Ach, sieh mal an!

         
     Beim Spaziergang über den Campingplatz entdeckt:       Das Mobil der „Crazy Campers“ aus Holland

Zurück am Wohnmobil hängen wir die nassen Handtücher im Badezimmer auf.
Wir hätten uns das Duschen gehen eigentlich fast sparen können, einmal abwaschen unter dem Regen vor der Türe hätte durchaus gereicht.
Das Blöde ist, dass wirklich überall die Feuchtigkeit ins Wohnmobil zieht und wir mit den nassen Handtüchern nun sogar noch diesen Effekt unterstützen.
Es nützt ja nichts, Wärme muss her.
„Tick – Tick – Wrouff!“ nimmt also unsere geliebte Truma den Dienst auf und spendet schon nach kurzer Zeit wohlige Wärme.

Allmählich kehren, nach einer längeren Ruhephase des Dösens und Kräftesammelns, die Sinne wieder.
Allen voran natürlich das Hungergefühl!
Jau, jetzt was leckeres herzhaftes zum Abendbrot!
Mein Wunsch stößt bei Anja sofort auf Gegenliebe, sodass wir uns schnell ein paar gute Nudeln aufkochen und in einem zweiten Topf aus unseren Bordvorräten Gulasch aus der Dose erwärmen.
Zusammengemischt gibt das gegen kurz 7 ein richtig gutes und schmackhaftes Abendessen.
Der Tipp mit dem Gulasch in der Blechdose stammt übrigens von unseren Freunden Thomas und Steffi von der Womozeit, die uns hier eine besondere Marke empfohlen haben.
Da Thomas sich aber nicht selten darüber beschwert, dass sein Lieblingsgulasch so oft ausverkauft wäre, will ich dem nicht noch zusätzlich Vortrieb dadurch leisten, dass ich hier Marke und Handelsunternehmen nenne. 😉

         
     Da kochen wir uns doch mal ein paar leckere Nudeln mit Gulasch! Ideal, um die Kraftreserven wieder aufzufüllen 🙂

Nach dem üppigen Abendessen schnappe ich mir den Spül und gehe ein weiteres Mal mit meinem schön weichen Gummischuhen durch den Regen rüber zum Servicehaus, um dort dann zu spülen.
Dann haben wir das Nudelwasser wenigstens nicht im Abwassertank…
Noch immer ist der Platz wie eingeschlafen und trist. Nur wenige Camper stehen noch auf den Wiesen und die wenigen Camper, die es trotz des schlechten Wetters hier her verschlagen hat, haben sich wirklich ausnahmslos in die Fahrzeuge verkrochen.
Einzige Ausnahme, die Holländer!
Die haben nämlich jetzt ihr großes Fußballspiel, welches sie gemeinsam in der Rezeption im Aufenthaltsbereich vor dem dort aufgestellten großen Fernseher gemeinsam schauen können.
Gestern waren es noch wir, die erfolgreich durch die nächste Herausforderung gegangen sind.
Wenn es die Holländer hier und heute schaffen, treffen wir uns vielleicht bald im Finale. Hui, das wäre was! Für einen solchen Spitzenevent müssen wir uns unbedingt einen Campingplatz suchen, der von Deutschen und Holländern gleichermaßen bewohnt wird.
Ich glaub, an einem besseren Platz könnte man dieses Spiel wohl kaum genießen…

Am Abend zieht dann dichter wabernder Nebel auf, der mit seinen feuchten Fingern von den Bergen herab nach uns greift. Zusammen mit dem nach wie vor anhaltenden Dauerregen unterstützt dies zusätzlich den eh schon nasskalten Effekt. Buargh!
So richtiges useliges Grauselwetter! Zum Fürchten und Weglaufen!
Aber wir haben ja wenigstens unsere kleine Heizung, die uns ein richtiges schönes kleines uriges Zuhause möglich macht. Dazu eine leckere Tasse heißen Pfefferminztee und schon ist uns das unselige Wetter komplett egal.
Und auf einmal ist dann tatsächlich wieder ein ganz klein wenig so, wie damals bei unserer allerersten Wohnmobil- Reise zum Nordkap.
Eben jener Abend, an dem wir durch ein regnerisches Mosjoen gelaufen sind und nur eine warme Truma sowie eben auch besagte heiße Tasse Pfefferminztee das erste Mal heimeliges Gefühl in Kombination mit einem Wohnmobil ausgelöst hat.
Und wenn ich heute so auf die ganzen nach wie vor zahlreich vorhandenen Zeltcamper schaue, die sich nun bei diesem diesigen Mistwetter in ihre Stofftütchen einlullen müssen, bin ich doch wieder einmal froh, dass wir ein Wohnmobil haben.
Lieber ein altes, störanfälliges Wohnmobil, als das beste, schönste und teuerste Zelt.
Bitte nicht falsch verstehen! Wir haben nichts gegen Zeltcamper. Jeder, wie er selber mag. Und scheinbar sind ja viele Menschen auf diesem noch ursprünglicheren Trip unterwegs, aber für uns wäre das definitiv nix!
Ich brauche meine kleinen 4 Wände um mich herum, die mich zusammen mit einer brauchbaren Ausstattung vor eben jenem unschönen Wetter schützen, welches draußen gerade aufzieht.

         
     Am Abend zieht Nebel auf, kriecht über den Platz       Dazu der Regen, der in Bächen vom Mobil fließt…

         
     Nein, das ist wirklich kein schönes Wetter  🙁            Das ist heimelig: Eine heiße Tasse Pfefferminztee!   🙂

Wir tippen an diesem Abend lang am Reisebericht, da ich möglichst wenig der heutigen Eindrücke vergessen möchte.
Und sogar Anja ist so stolz auf unsere Leistung, dass sie spontan eine eigene kleine Präsentation vorbereitet, die sie morgen nach Deutschland zu ein paar Freunden und ein paar Arbeitskollegen schicken will.

Ein Glück, dass man für Computerarbeiten keine besondere körperliche Anstrengung aufwenden muss.
Jede Art von Bewegungen werden nämlich zur Qual!
Die Knie schmerzen, die Fußsohlen tun weh, alle Knochen knacken. Mann, wir werden heute Nacht wohl sehr gut schlafen…
Aber allein der süße Geschmack des Erfolgs wird das bittersüße Schmerzen aller Gelenke vergessen lassen.
Und nun, nachdem wir diese selbst gesetzte Herausforderung wirklich geschafft haben, geht es ab morgen deutlich entspannter durch den Rest von Norwegen.
Bergen steht noch auf dem Programm, die Flam- Bahn natürlich und dann mal schauen. Ja und dann geht es auch schon bald wieder in Richtung Süden…

Hier noch unsere ganz persönliche Preikestolen- Statistik:
Aufstieg:
Start am Basiscamp (Preikestolhytta): 09:50 Uhr
Ankunft am Preikestolen: 12:17 Uhr
Dauer des Aufstiegs: 2,27 Stunden
Gelaufene Kilometer: 3,87
Durchschnittsgeschwindigkeit: 1,58 km/h

Abstieg:
Start am Preikestolen: 13:04 Uhr
Ankunft am Basiscamp (Preiekstolhytta): 15:05 Uhr
Dauer des Abstiegs: 2,01 Stunden
Gelaufene Kilometer: 3,87
Durchschnittsgeschwindigkeit: 1,92 km/h

Gesamt gelaufene Strecke (mit Extratour): 12,04km

Ist doch eigentlich gar nicht so schlecht, oder?
Dafür, dass wir Bürositzer sind, kaum bis keinen Sport treiben und total ungeübt im Thema Hochgebirgswandern sind?!

Und noch etwas zum Thema Statistik:
Manch einer hat sich vielleicht gefragt, wie wir das „Toilettenproblem“ gelöst haben.
Nun, ich habe es da als Mann einfach, musste dafür aber auch entsprechend „bezahlen“.
Denn als ich an einer Stelle während der Preikestolen- Kletterei kurz mal „hinter den Baum“ verschwinden musste, stand ich ungewollt in der Nähe eines Tümpels. Offenbar eine Brutstätte für Mücken.
Sofort wurde ich umringt von den Mistviechern und es war schwierig, sich einerseits in Bemühen für eine saubere Hose auf die Zielgenauigkeit zu konzentrieren und dabei andererseits die „norwegischen Stukkas“ in Form der gefräßigsten Mücken abzuwehren.
Scheinbar hat es aber doch eine geschafft, obwohl ich bestimmt locker 10 Blutsauger in den schnellen 40 Sekunden tot geschlagen habe!
Ende vom Lied:
Mückenstiche Anja: 2
Mückenstiche Björn: 2
Alles wieder offen…
P.S.: Wer sich fragt, wie Anja das „Toilettenproblem“ gelöst hat, haben wir natürlich auch die passende Antwort:
„Alles verschwitzt“ 😉

Überraschung des Tages:
Etwas, was mich auf dem ganzen Weg den Preikestolen rauf wie runter und ganz besonders am Preikestolen selbst fasziniert hat: Obwohl wohl jeden Tag einige Hundert oder vielleicht auch Tausend Besucher den Felsen rauf und wieder runter steigen und fast alle an der Felskanzel eine schöne Vesperpause machen, findet sich fast kein Müll!
Keine Dosen in den Wäldern, keine Plastikfolien zwischen den Steinritzen, nichts.
OK, hier und da mal ein Papierchen, oder ein Flaschenverschluss. Aber im Großen und Ganzen hat jeder (wie auch wir natürlich) sein Essen rauf und seinen Müll wieder mit runter geschleppt.
Dies ist die zweite besondere Leistung, die allen Gästen des Preikestolen neben der Kletterei angerechnet werden muss!
Welche Müllabfuhr sollte die auch leeren?!
Mit einem Hubschrauber vielleicht? Das wären aber teure Müllgebühren!
Aber so ist es natürlich vorbildlich und eine Überraschung zugleich.
Vielleicht liegt es daran, dass den Felsen nur wahre Gipfelstürmer erreichen, die schon von Haus aus mit sich und der Natur eins sind 😉

Erkenntnis des Tages:
Ganz oben, als wir auf dem Preikestolen- Felsen angekommen waren und den ersten Ausblick über das Land und den Lysefjord genossen haben, habe ich Anja gefragt, was sie nun von Norwegen hält und was sie jetzt, nach diesem typischen norwegischen Abenteuer, mit Norwegen verbindet.
Ganz spontan und genau in diesem Moment übrigens, weil Anja nach dieser Anstrengung ohne groß nachzudenken und intuitiv (wie erhofft) geantwortet hat.
Ihre Antwort: „Norwegen! Für mich das Land der Steine und des Wassers.
A.) Wasser und b.) Steine. …  Aber Steine überwiegen hier!

6 Kommentare

  1. Respekt !
    Wir waren 1997 dort oben und alles , was geschrieben wurde , stimmt !
    Klasse Bilder , toll geschrieben und Respekt , dass ihr zurückgelaufen seid. Ich hätte wahrscheinlich Sitzstreik gemacht und Anhalter gespielt .
    Irgendwann möchte ich auch mal wieder dorthin ….

    • Es war ein sehr prägendes Ereignis seinerzeit. Auch und gerade besonders das Zurücklaufen. 😀
      Beste Grüße senden Anja und Björn

  2. Hallo Jörg,
    ein schöner, ausführlicher und ehrlicher Bericht!
    Meine Frau und ich vollenden in diesem Sommer unseren 75sten Geburtstag. Wir haben auch vor im August auf den Preikestolen zu steigen. Eigentlich wollten wir unsere Wanderstöcke zur Unterstützung mitnehmen. Das werden wir aber nun wohl nicht machen, nachdem die unterwegs eher zu stören scheinen. Wir werden uns, wie Ihr, sicher viel Zeit dafür lassen.
    Wir nehmen unsere Elektrofahrräder mit zur Fahrt vom CP zur Hütte.
    LG Georg und Gerlinde aus Freiburg

    • Hallo ihr beiden,
      nun, ob stören oder nicht, das muss man natürlich selbst abschätzen. Wir haben keine Erfahrung mit Wanderstöcken. Auf einer Wanderroute sind sie sicherlich hilfreich. Aber es gibt auch einige Anstiege, wo man Hände und Füße gleichermaßen braucht. Die Idee mit den Fahrrädern finden wir hingegen super! Damit spart man den unregelmäßig abfahrenden wie vergleichsweise teuren Bus und ist trotzdem fix vor Ort.
      Wir wünschen euch eine tolle Zeit und einen schönen Aufstieg!
      Tim, Nils, Anja und Björn

  3. sehr schöner bericht – oder auszug aus eurem tagebuch^^
    und das hier war hilfreich!
    ich werde den felsen (so gott nix dagegen hat) auch erklimmen. ich hab nen hund den ich eigentllich noch garnicht in den planungen drinn hab, weil er einfach immer bei uns ist.
    aber …er is auch schon alt und alles andere als fit 🙁
    ich werd mir eure warnung also zu herzen nehmen und ihn im womo zurück lassen .
    wie ich den weg zur kanzel hinter mich bringe sehn wir dann mal. schmerz und leidensfähigkeit sind ja sehr individuell *gg*

    gegebenenfalls werdet ihr rückmeldung erhalten ^^

    grüsse
    jörg

    • Hallo Jörg,
      freut uns, dass dir unser Aufstieg gefallen hat und dir eine Orientierung geben konnte.
      Wir wünschen dir eine tolle Tour zum Preikestolen!
      Beste Grüße senden
      Tim, Nils, Anja und Björn

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