Die Nacht wird das erste Mal um 01:28 Uhr Ortszeit durch die Klospülung unserer Nachbarn unterbrochen. Man könnte meinen, Moses hätte gerade das Wasser geteilt! Hammer! Selbst die Wasserdusche der Toilette ist hier „proud american“!
Und jeder darf und soll es auch gerne mitbekommen, wenn hier der gemeine Amerikaner ein proud Pfund in den Lokus setzt!
Aber wir revanchieren uns knapp 3 Stunden später. Denn wir sind um halb 5 alle wach und gehen natürlich selbst reihum durch das Bad.
Ein bisschen schaffen wir es dabei auch, die Zeit im Bett zu ziehen um in den amerikanischen Rhythmus zu kommen, aber um kurz nach 5 packen wir zusammen. Danach duschen Anja und ich ausgiebig, während Nils und Tim amerikanische Früh- Cartoons im Fernseher verfolgen.
Heute steht die Fahrt nach Middelbury mit dem Mietwagen an. Das Tagesziel ist das Hampton Suits & Inn, das einzige Hotel, was ich in Middelbury gefunden habe. Immerhin! Ein Hotel! Der Ort scheint ansonsten so trostlos neben dem Coachmen- Wohnmobilwerk zu sein, dass er noch nicht einmal eine Vermietstation für Autos hat! Für Amerika, dem Land der Autofahrer nach uns Deutschen, eigentlich undenkbar! Dies ist übrigens auch der Grund, warum Anja sich noch entscheiden muss, ob sie nach der Wohnmobilübernahme entweder mit dem standesgemäßen Auto oder mit dem Wohnmobil von Middelburry die 30 Meilen bis nach Warzsaw fahren möchte. Denn erst in Warzsaw können wir den Mietwagen zurückgeben. Alternativ wäre noch South Bend Airport möglich gewesen. Aber ein Wohnmobil und ein Flughafen passen etwa so gut zusammen, wie Kaffeesahne zu Cola Light. Da passt die große Station an einem noch größeren Parkareal in Warzsaw einfach besser, zumal wir von hier aus direkt Kurs Süd einschlagen können und keinen Haken über Chicago fahren müssen. Doch dazu später mal mehr. Heute müssen wir den Tag erstmal starten und nach Middelbury fahren.
Da es um halb 6 noch zu früh für das Frühstück ist, stecken wir kurzerhand die Kinder in die Badewanne! Dann sind die auch gleich sauber und wir haben das erledigt.
Pünktlich gegen halb 7 geht es dann runter zum Frühstück. Und das kann sich wirklich sehen lassen! Zwei fette Töpfe mit Rührei, ein Kühlschrank mit Milch, Frühstücksmüsli und Kellogs, Butter, Margarine, Marmeladen, Honig, Bagels, Brötchen, Toast, Frischkäse, eine Saftmaschine und sogar ein Automat, der auf Knopfdruck innerhalb von 60 Sekunden einen Fladen Pfannkuchen auf den Teller zaubert! Wirklich toll!
Nils und Tim schnappen sich sofort eine gesunde Portion Farbstoffe und hauen sich bunte Frühstücksflocken in die Plastikschale. Anja und ich lassen den ersten Pfannkuchen durch die Maschine laufen und auf unsere Styroporteller fallen. Den Saft servieren wir stilecht im Plastikbecher, ja selbst das Geschirr ist hier aus Plastik! U N G L A U B L I C H !
Wir sehen es, staunen und können es nicht begreifen! Die sparen sich hier wirklich die Spülkräfte und produzieren dafür geschätzt 2 Tonnen Müll. JEDEN TAG! Es gibt praktisch nichts, was hier wiederverwendet wird! Den Tisch hinterher einmal über dem Mülleimer abräumen, fertig!
Und wir machen uns in Europa Sorgen, wenn wir mal ein beschnieftes Taschentuch fälschlicherweise in die Bio- Tonne gepackt haben?!
Wir lassen uns Zeit mit dem Frühstück. Wir haben es heute ja nicht eilig. Keine 300km wollen wir heute fahren. Nach Middelbury, wo wir morgen das Wohnmobil übernehmen und heute Abend im Hotel schlafen. Unterwegs wollen wir schon ein wenig einkaufen. Und ja, einen Abstecher nach Downtown Chicago wollen wir noch machen! An die Ecke Adams Street / South Michigan Avenue! Denn dort steht das quasi das offizielle Schild, was unsere Tour einläuten wird. „Historic Route 66 – Begin“. Google sagt zwar, dass es dort schwierig sein wird zu parken, aber wir werden schon etwas finden.
Gegen halb 8 sind auch unsere Handgepäckstück zu den Koffern verladen und unser schwerer SUV steht in der amerikanischen Morgensonne very proud unter der amerikanischen Flagge bereit zur Abfahrt.
Wir checken aus, geben die Karte ab und bekommen noch die Info mit auf den Weg, dass man unsere Kreditkarte belasten wird, falls wir einen Schaden im Zimmer verursacht haben sollten. Schaden im Zimmer? Wir könnten ja mal im Gegenzug die Mängel aufzählen für einen solch „netten Reisegruß“ an seine Gäste. Aber egal. Wir sind hier raus und werden wohl wahrscheinlich auch kein zweites Mal in unserem Leben an diesen Ort zurückkehren.
Der morgendliche Berufsverkehr erwischt uns kurz darauf mit voller Wucht! Wir sind ja vom Kölner Ring Kummer gewohnt. Nicht ohne Stolz führen wir im Rheinland gerne die morgendlichen Staumeldungen von WDR 2 an!
Aber das hier ist echt die Härte. Trotz 5, 6, 7 Fahrspuren, es geht immer nur im Kriechgang weiter. Das zerrt bei uns allen an den Nerven! Nachdem wir bereits eine gute Stunde im Stau gestanden haben und kaum die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, sind wir nah dran uns ein Bild aus dem Internet zu borgen und so zu tun, als wären wir am Schild gewesen! Aber das wäre natürlich auch ein bisschen gegen unsere Reise- Ehre. 😉
Also halten wir tapfer durch, bis wir die Skyline von Chicago über den Autos vor uns ausmachen können. Das ist einer der wenigen Vorteile, die unser Suburban hat! Diese unglaublich tolle Übersicht! Erhöht sitzen wie in einem SUV bei uns ist schon was Feines. Aber das hier ist wirklich Truckfeeling! Überhaupt kann man die Autos hier in zwei Klassen einteilen. Einmal die Normalen wie BMW und Co., die bei uns wohl als „fette Karren“ durchgehen würden und einmal die wirklich fetten Karren, wie Chrysler, Dodge Ram und eben unser Chevrolet Suburban. Ich hoffe nur, dass wir auch gleich in den engen Straßen von Chicago in der Lage sein werden, das Fahrzeug zu bewegen!
Um halb 11 (!) haben wir es endlich geschafft! Die Downtown von Chicago! Riesige Häuserschluchten nehmen einem fast die Luft zum Atmen und ein beklemmendes Gefühl drangvoller Enge macht sich breit. Hier ist nichts mehr natürlich!
Jeder Quadratzentimeter ist verbaut, auf mehreren Ebenen bewegen sich die Leute fort, eilen zur Arbeit, huschen über Zebrastreifen und versuchen, möglichst nicht überfahren zu werden. Dazu die hupenden Taxifahrer! Sie drängen einen auf jeden Fall noch auf eine Kreuzung zuzufahren, selbst wenn man erkennt, dass sich der Stau hinter der Ampel im weiteren Verlauf nicht mehr auflösen wird, bevor der Querverkehr grün bekommen wird! Halte ich aber an einer Ampel an, um eben nicht den Querverkehr nach dem Wechsel der Ampelphase zu blockieren, fährt auch schon der nächste rechts oder links an mir vorbei und quetscht sich rein in den kleinen Platz, der sich noch vor mir auftut.
Mehr wie einmal „vibriert“ dabei mein Sitz, der mir so auch über den Poposensor anzeigt, dass wir mehr wie einmal nur knapp einem Rempler mit einem anderen Fahrzeug entgehen! So toll die Übersicht unseres Schiffs auch ist, für die engen Straßen in Downtown Chicago ist dieses Auto ebenso ungeeignet, wie ein Supertanker für eine Ausflugsfahrt auf dem Decksteiner Weiher! Schlagartig sind übrigens auch die Autos um uns herum kleiner geworden! Auf dem Highway war das Maß noch ausgeglichen. Hier aber ist es nun deutlich zu Gunsten der kleineren Autos verschoben.
Wir kämpfen uns schlussendlich doch bis zur Ecke durch, wo das Schild steht. Und ehe wir uns versehen, sind wir auch schon vorbei!
„Park doch irgendwo“ schlägt Anja vor.
„Klar, ich schalte einfach auf 4WD und dann stellen wir unseren Suburban hochkant gegen eine Hauswand, oder?“ kontere ich. So klappt es jedenfalls nicht.
Wir entdecken schräg gegenüber am Park eine Einfahrt zu einer Tiefgarage! Ja, das wäre doch eine Idee! Dann können wir wenigstens mal alle kurz zusammen am Schild stehen und ein Beweisfoto machen.
Wir steuern gerade darauf zu, als mir ein hässlicher gelber Balken gefährlich nahe an die Windschutzscheibe gerät!
Ja, beinahe kann sich Budget über das neue Chevrolet Suburban Modell „Roofless Top“ freuen!
In letzter Sekunde latsche ich auf die Bremse! Das war knapp! Die Tiefgarage ist viel zu niedrig, als das wir mit dem fetten Karren dort hineinpassen würden!
Mühsam setze ich aus der Einfahrt zurück. Dann versuchen wir durch dreimaliges Rechtsabbiegen wenigstens wieder in die Zielstraße zu kommen. Dann muss eben ein Foto bei voller Fahrt reichen.
Wir entdecken bei dem Versuch zwei Querstraßen weiter ein kleines ebenerdiges Parkfeld mit einem Schild „Public Parking“. Das könnte was sein! Zumindest gibt es hier keine Einfahrbalken. Wir kurven auf das Areal und sofort stoppt uns ein Parkwächter.
„We just want to visit the Route 66 Historic Sign, we are back in 15 Minutes at latest, for sure earlier“ stammele ich mir einen zusammen. Der Typ versteht sofort und erklärt zurück: „If you are back in 15 mins it will cost only 30 Dollars! This is a special price for you! Regulary we charge 45 Dollar for SUV and i have to charge you 45 Dollars, if you are not back in 15 mins!“
Scharf ziehen wir Luft durch die Zähne. 30 Dollar! Für 15 Minuten Parken! Man muss verrückt sein, wenn man dieses Angebot annimmt! Andererseits waren wir verrückt genug, hier her zu fahren. Und jetzt aufgeben? Kommt auch irgendwie nicht in Frage.
Dann aber wird es suspekt: Denn wir sollen den Wagen einfach mit laufendem Motor auf dem Areal stehen lassen! Damit er den Wagen hin und her rangieren kann. Angeblich. Nein, das ist dann doch zuviel! Da kommst du nachher zurück und fragst höflich: „Wo ist unser Auto?“ und er antwortet dann nur: „Welches Auto? Und überhaupt, kenne ich Sie?“ Nein, danke. Hätte ich die 30 Dollar vielleicht noch bezahlt (Anja tippt sich von vornerein an die Stirn), aber den Wagen mit all unserem Gepäck und den Wertsachen hier mit laufendem Motor stehen lassen? Das machen wir dann doch nicht!
Wir kurven aus dem Areal wieder heraus und fahren ein weiteres Mal in die Adams Street. Dieses Mal aber so, dass wir das Schild sehen! Ich stoppe daraufhin auf der Busspur und Anja springt mit Nils raus für ein Beweisfoto!
Die Aktion hat nur 2, 3 Minuten gedauert und es ist eigentlich völlig schizophren, nur hierfür über zwei Stunden im Berufsverkehr von Chicago im Stau gestanden zu haben. Dennoch war es uns das wert!
Jetzt ist es offiziell! Wir nehmen ab jetzt die Route 66 unter die Räder und haben den ersten Schritt hierzu getan. Fühlt sich richtig gut an!
Kaum ist das Bild im Kasten machen wir, dass wir aus dem Großstadt- Dschungel von Chicago heraus kommen. Dies klappt übrigens viel besser, als hinein zu fahren! Nach nur wenigen Minuten haben wir wieder einen Highway unter den Rädern. Und fast frei ohne Stau ist er auch! Der Chevrolet fühlt sich wieder in seinem Element und sorgt für den entsprechenden Vortrieb. Jetzt geht es weiter nach Middlebury!
Nachdem wir auch die letzten Ausläufer von Chicago hinter uns gelassen und an gleich zwei Mautstellen vorbei gefahren sind, die in kurzem Abstand jeweils ein paar Dollar für eine wirklich schlechte Straße von uns abgepresst haben (Man kann übrigens wählen, ob man Bar-/Kreditkartenzahler ist oder die Maut elektronisch abgebucht werden soll, wir sind natürlich Barzahler), wird es ruhiger um uns herum. Die Autos werden nochmals weniger und lösen sich zu Gunsten der LKW ab, die hier ihre Bahnen ziehen. Ein metallener Bandwurm und keineswegs nur auf einen Fahrstreifen beschränkt. 70 dürfen PKW fahren, LKW 65. Aber wenn einer auch nur eine Meile schneller als sein Vordermann fährt, beginnt die Überholerei. Wir kennen das vom „Trucker- Paule“ bei uns, der in Höhe der Raststätte Hannover- Garbsen zum Überholen heraus zieht, und bereits beim Anblick der Bergspitzen der Alpen im Allgäu den langsameren LKW rechts von sich überholt hat. Hier ist es nur noch schlimmer! Manchmal kommen die überholenden LKW nämlich gar nicht vorwärts. Aber der Ami erträgt dies mit einer stoischen Ruhe, die beeindruckt. Kein Hupen, kein Aufblinken, kein gar nichts. Er fährt dann dahinter her, wahrscheinlich vom Abstandssensor, Tempomat und Fahrspurassistent geführt, ohne dies überhaupt mitzubekommen oder sich daran zu stören.
Ach, eins wollte ich noch zu unserem Auto anmerken. Das Teil ist ein richtiger kleiner Spritsparer!
Ja! Wirklich!! Trotz seines V8 Motors!
Wie ich das meine? Nun, wenn man sich mit dem Gasfuß nur ein wenig zurückhalten kann, schaltet der Wagen in eine Art „gleitenden Betrieb“. Also wenn man eine Geschwindigkeit erreicht hat und nicht weiter beschleunigt. Von acht Zylindern werden einfach kurzerhand vier abgeschaltet! Das Cockpit belohnt dies durch Wechsel der Farbe von einem kräftigen blauen V8 in den grünen ECO- V4- Modus und zeigt die jeweilige Betriebsart auch entsprechend an. Da bekommt man schon vom Zuschauen ein gutes Umweltgewissen. Besonders weil es mir mit zunehmender Sicherheit im Umgang mit dem Auto gefällt, den Wagen sparsamer zu fahren, als es der Tempomat kann! Fahren wir durch eine Senke, will der Automatikmodus dies natürlich sofort durch Gasgeben korrigieren, obwohl man ja an der Kuppe wieder die alte Geschwindigkeit bei gleicher Gasstellung erreicht. Also schaltet der Wagen auch den V8 wieder zu, was natürlich Sprit kostet.
In der manuellen Steuerung hingegen lasse ich mir den kurzen Geschwindigkeitswechsel gefallen und verliere eben ein paar Meilen pro Stunde. Geht es kurz darauf wieder in die nächste Kuhle, haben wir das Defizit wieder aufgeholt. Belohnung: Der Autopilot schafft so etwa 18 Meilen mit einer Gallone Sprit, ich hingegen komme auf satte 20! Das sind dann so 12 Liter auf 100km. Ganz ehrlich: Für ein Schiff dieser Größe kann man über den Wert echt nicht meckern! Leistung bei Bedarf ist da. Satt. Aber wenn man sparsam fahren möchte, dann geht auch das. Warum haben wir diese Technologie noch nicht serienmäßig in Deutschland?!
Nimmt doch der Dieselproblematik für Gespannfahrer den Schrecken! Statt eines schweren Diesels, kauft man eben den schweren Benziner! Fahre ich im Gespannbetrieb mit Wohnwagen, habe ich 8 Zylinder und 250 PS. Fahre ich im Regelbetrieb ohne Hänger, habe ich eben 4 Zylinder und 125 PS! Was ist daran so schwer?!
Die Fahrt zieht sich für uns wie für die Kinder. Und da ist es wieder, das schlechte Gewissen, dass unsere Jungs den ganzen Tag nur im Auto sitzen, wenn auch bequem. Denn auch im Fond fehlt es an nichts, selbst Armlehnen sind an den schweren Einzelledersitzen angebracht. Die Jungs sitzen hinten wie die Präsidenten in einer Staatskarosse! Da sie allerdings mit keinerlei Regierungsaufgaben betraut sind, wird ihnen natürlich mit fortschreitender Stunde entsprechend langweilig. Klar, über Stunden im Auto sitzen ist ja auch nicht schön! Dies haben wir dem Stau in Chicago zu verdanken! Was wir dort an Zeit gelassen haben, geht jetzt natürlich aufs Sitzfleisch…
Ein drittes Mal zahlen wir an der Autobahnausfahrt von Middelbury Maut, die wir gegen 13:15 Uhr Ortszeit erreichen. Hier liegt noch richtig viel Schnee rechts und links neben der Fahrbahn! So haben wir uns den Frühlingsstart natürlich nicht vorgestellt. Wir müssen ab morgen echt gucken, dass wir schnell in den Süden kommen…
Middlebury ist ein etwas größeres, aber dennoch typisches Städtchen für amerikanische Verhältnisse. Auffällig sind allenfalls die Amish! Die in karger Enthaltsamkeit lebenden Menschen, die der modernen Elektronik und Errungenschaften wie den Automobilen abgeschworen haben und lieber auf Kutsche und Pferd wie die Pilgerväter setzen. Nicht wenige von denen sehen wir auf den Straßen mit ihren Kutschen fahren. Das sieht ungewohnt aus und sorgt bei Nils wie Tim für staunende Blicke aus dem Fond heraus und wenigstens für etwas Zeitvertreib.
Da wir mit kurz nach ein Uhr sowieso noch nicht ins Hotel können und die Kinder von der Regierungsbank hinter uns nach etwas Essbarem verlangen, halten wir im Zentrum von Middelbury an einer Tankstelle, wo auch ein Taco Bell zu finden ist.
Tacco Bell ist übrigens auch ein Fast- Food- Restaurant. Nur eben statt mit Burgern und Nuggets mit Taccos und Nachos. Zu unserer Überraschung gibt es leider keine Kids- Menüs auf der Karte. Blöd. Wird möglicherweise das erste und letzte Mal gewesen sein, dass wir auf dieser Reise bei Taco Bell stoppen. Denn den Jungs schmecken die Taccos, die der Mann uns für Kinder empfohlen hat, leider gar nicht. Hmm.
Wenigstens der Spielplatz kann immerhin Tim einen kurzen Moment des Glücks abringen. Leider wird es bei Minus 2 Grad schnell zu kalt zum draußen spielen.
Also geht es weiter, noch etwas Zeit totschlagen bis wir ins Hotel können. Einkaufen kommt da gelegen! Wenigstens die ersten paar Wasserflaschen und etwas zu knabbern, etwas Milch und vielleicht auch Kakao und so.
Gleich zwei Supermärkte hat Middlebury zu bieten. Leider ist keiner davon ein Megastore wie Walmart, aber immerhin ein Hardings wird das Nötigste befriedigen! Ich mag nämlich kein zweites Mal für zwei Flaschen Wasser, eine Cola und ne Limo 25 Dollar ausgeben wie im Hotel gestern Abend…
Als wir auf den Parkplatz fahren, entdecke ich gleich meine Parklücke. Kennt ihr das? So einen Radarblick für die beste Parkmöglichkeit? Mit einem SUV und dem erhöhten Überblick klappt das super. Ich pinge also meinen Parkplatz an und fahre satt in die überbreite Parklücke, die auch von der anderen Seite nicht als Behindertenparkplatz ausgewiesen ist. Perfekt.
„Hier kannst du aber nicht parken“ meint Anja.
„Warum nicht?“ frage ich kritisch zurück!
„Weil hier die Amish parken!“
„Wie kommst du denn darauf?“
„Dann guck mal aus dem Fenster!“
Und da liegt er. Ein Pferdehaufen! Hatte ich eben noch für komprimierte Rußpartikel im Brikettformat aus einem SUV Auspuff der amerikanischen Klasse gehalten, aber jetzt, so bei näherer Betrachtung, könnte da was dran sein!
Auch die an der Kopfseite der Parkflächen stehenden Metallbalken sind nicht etwa Orientierungsbalken für SUV- Fahrer, nein, nein! Hier werden tatsächlich viel mehr die Pferde der Kutschen angebunden!
Ups!
Wir parken schnell möglichst weit weg vom Kutschenparkplatz, um ja nicht mit den Gläubigen zu kollidieren. Am anderen Ende des Areal finden wir ein geeignetes Plätzchen.
Der Hardings ist sehr gut sortiert und bietet eine tolle Auswahl. Besonders an Dingen, die es bei uns nicht gibt. Paw Patrol Gummibärchen zum Beispiel! Wer nicht weiß, was PawPatrol ist (derjenige hat dann wahrscheinlich auch keine Kinder und kann nicht verstehen, dass diese Gummibärchen zuhause unseren gesellschaftlichen Stand auf jeder Geburtstagsparty deutlich ausbauen werden!), für den kann es egal sein. Nils und Tim aber freuen sich wie die Schneekönige. Und wir gönnen es ihnen. Quasi als kleine Wiedergutmachung für den langen Fahrtag. Wenn wir das jeden Tag machen, also die Kinder entschädigen wenn wir lange im Auto unterwegs sind, dann brauchen wir noch zwei zusätzliche Koffer für unseren Heimflug…
Nach dem Einkauf geht es gleich ins Hotel. Das Middelbury Hampton Inn & Suits ist unser Domizil für eine Nacht und schon als wir auf den geräumigen Parkplatz auffahren wissen wir, dass das Hotel hier um Längen besser ist, als das Haus in Chicago letzte Nacht! Alles hier im Hampton Inn ist sauberer, freundlicher, heller, gemütlicher, besser!
Und beim Check- In gibt es obendrauf noch ein freundliches Wort. Oder eher ein neugieriges! Denn der Mann an der Rezeption möchte von uns wissen, woher plötzlich all die Deutschen kommen, die unerwartet seit etwa einer Woche hier regelmäßig für eine Nacht bei ihm einchecken. Wir erklären kurz, dass es sich wohl wie bei uns um Gäste für Überführungsfahrten handelt, die hier in Middelbury ein Wohnmobil von Roadbear oder El Monte direkt ab dem Wohnmobilwerk von Coachmen übernehmen. Wie wir. Er fragt, was dies kostet und ist sehr interessiert hieran! Hat er noch nie von gehört, dass es so etwas überhaupt gibt! Tss! Da sitzt er nur wenige Meter neben dem wohl größten Wohnmobilwerk der USA (wir haben schon bei der Einfahrt in den Ort so ziemlich an jeder Ecke Auswüchse hiervon gesehen. Autos, Fahrgestelle, Zubehör, Logistikzentren, hier im Ort ist alles auf Coachmen ausgerichtet!) und hat keine Ahnung, wie man von hier zu welchem günstigen Preis ein Wohnmobil mieten kann?
Das Zimmer 213 ist wirklich toll! Es ist ebenso sauber, wie der Rest des Hotels. Kein Putz, der abblättert, kein Schimmel in den Fugen des Badezimmers und kein Telefon neben dem Bett, von dem man denken könnte, das A-Team hätte damit seinerzeit noch seine vertraulichen Gespräche geführt. Ein völlig krasser Gegensatz zum Flughafenhotel in Chicago!
Hier fühlen wir uns richtig wohl!
Wir packen das nötigste aus und besuchen dann für eine gute Stunde die Poolanlage im Haus. Für die Jungs halt. Und die freuen sich über die ungewohnt freizügige Bewegung und haben Spaß an den Blubberblasen im Whirlpool. Es ist herrlich!
Nach dem erfrischenden Badespaß ziehen wir nochmals los. Gegenüber des Hotels findet sich zum einen eine Apotheke und ein Haus weiter ist ein McDonalds. Ist zwar in den USA Frevel, weil es hier noch viel mehr Ketten und Restaurants gibt, die es fast-food- technisch zu entdecken gilt, aber Nils hat es sich gewünscht. Und das schlechte Gewissen der Eltern sorgt dafür, dass es eben heute Abend McDonalds gibt. Und alternativ nicht ein netten Abend im „the Deutschessenshaus“, welches uns beste deutsche Speisen auf gleich mehreren Essenstafeln angeboten hat. Das es im Internet als „Dutchmen Essenshaus“ gelistet wird und dutch ja eigentlich holländisch wäre, darüber sehen wir mal als Europäer großzügig hinweg. Hätte ich zugegeben gerne ausprobiert! Auch um zu sehen, wie sich Amis so Deutschland vorstellen…
Zuhause wären wir übrigens einfach nur über die Straße gegangen. Hätten in der Apotheke eingekauft und wären danach zu McDonalds rein. Aber Anja sagt ihr sei kalt. Also nehmen wir, stilecht für die USA, für 50 Meter Luftlinie das Auto und schmeißen den schweren V8 einfach nochmals an! 😉
Anja fährt übrigens, ist ihre erste Fahrt mit dem großen Auto und gleichzeitig die Übungsfahrt, die ihr bei der Entscheidung morgen das Wohnmobil oder das Auto zu fahren helfen soll.
In der Apotheke bekommen wir eine Salbe für Anjas Schnittwunde am Finger und natürlich Pflaster. Wie sollte es auch anders sein mit PawPatrol Motiven! Auch davon wandert ein Paket später in den Koffer. Nicht nur Gummibärchen, auch Pflaster mit den blöden Köter… *äh*, ich meine mit den niedlichen Hundewelpen der Zeichentrickserie werden zuhause bei den Kindern der Nachbarschaft reißenden Absatz finden! Für ein PawPatrol Pflaster schlagen die sich demnächst freiwillig das Knie auf, das kann ich euch versichern…
Das Abendessen bei McDonalds ist ein Standard- Menü. Es schmeckt anders, vielleicht etwas herzhafter, als bei uns. Der Fast- Food- Kenner schmeckt einen etwas herzhafteren Käse heraus. Der Laie würde einfach mehr Salz im Patty vermuten. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in der Mitte.
Ansonsten aber gibt es nichts zu berichten. Weil es nach dem Essen noch zu früh ist, sich schon ins Hotel zurückzuziehen, möchte ich gerne die Gelegenheit nutzen, noch etwas nachzuprüfen. Ich habe nämlich von Roadbear widersprüchliche Informationen erhalten, wo wir morgen unser Wohnmobil abholen sollen!
Geschrieben wurde uns Main Street, Ecke Coachmen Drive! Das deckt sich mit den Reiseberichten, die ich im Internet gefunden habe. Wir haben allerdings auch eine Anfahrtsskizze erhalten und nach dieser müssten wir das Wohnmobil auf dem Corson Drive Ecke der Bundesstraße 12 an einem ehemaligen Tankstellengebäude übernehmen! Das ist gut eine Meile weiter nördlich auf dem Gelände, gegenüber vom Baseball- Feld!
Wohin also morgen? Am besten im wuseligen Berufsverkehr und mit Pech noch hinter dem Bus mit allen Passagieren aus Chicago, die morgen auch ein Wohnmobil übernehmen. Dann wäre der Einsatz und Vorteil des Mietwagens umsonst gewesen.
Damit uns das nicht passiert, gehen wir heute Abend noch auf eine Erkundungsmission! Wir fahren rüber zum Coachmen Wohnmobilwerk und sondieren die Lage.
Wir finden den Coachmen Drive auf Anhieb. Er ist aber auch nur schwierig zu verfehlen bei den ganzen Wohnmobilen, Trailern, Wohnanhängern und Fahrgestellen, die hier in der Gegend herumstehen.
Die Zufahrt ist allerdings beschränkt. Man gelangt nur vorbei an einem kleinen Security- Häuschen ähnlich wie ein Zollkiosk an den Grenzen auf das Areal!
Als wir uns der Einfahrt nähern, werden wir abrupt von einer proud american Lichterflut angestrahlt! Es wird taghell vor uns und im Auto. Gleißend werden wir geblendet gleichso, als würden wir uns einem militärischen Sicherheitsbereich nähern!
So abschreckend dies auch auf den ersten Moment wirkt, desto selbstbewusster fahre ich darauf zu. Bin ja German und damit von Haus aus als Tourist unterwegs. Das wird schon! Da werden schon keine Soldaten mit Maschinengewehr im Anschlag hinter dem für uns komplett dunklen Bereich hinter den Flutlichtern stehen, oder?
Tatsächlich ist das Licht automatisch angegangen. Das Pförtnerhäuschen ist leer und die Schranke auf. Niemand ist zu sehen. Wir warten einen Moment, ob noch jemand kommt. Aber es rührt sich nichts. Die Lampen, offenbar von einer Zeitschaltuhr gesteuert, erlöschen wieder. Als sich unsere Augen an die Dunkelheit wieder gewöhnt haben, können wir auch ringsherum niemanden ausmachen.
Hmm. Was nun? OK, wenn sie mich so nett bitten, fahren wir mal rauf auf das Gelände. 😉
Wir finden schnell den Corson Drive und fahren diesen entlang. Das Navi unseres Chevrolet kennt sich auch hier auf dem Werksgelände bestens aus und lotst uns zielgerichtet zur gewünschten Hausnummer auf dem Corson Drive.
Während wir im doppelten Schritttempo vor uns hin schleichen, kommen uns plötzlich zwei Scheinwerfer entgegen. Es ist der Wachschutz!
Ohje! Jetzt haben wir was angestellt, bekommen gleich Hausverbot und damit die Chance abgenommen, morgen hier unser Wohnmobil abzuholen! Hoffentlich komme ich mit meiner german Tourist Ausrede durch, wenn ich gleich die Mündung eines Teasers blicke, mit dem Gesicht zum Asphalt!!
Zu meiner Überraschung aber fährt der Wachschutz einfach an uns vorbei und macht auch keine Anstalten, hinter uns zu drehen oder sein Flashlight einzuschalten. Puh! Jetzt nur nicht auffallen, wir fahren mit unvermindertem Tempo ebenso weiter, mit dem wir auf das Auto des Wachschutzes zugefahren sind.
Nachdem wir den Corson Drive fast ganz durchgefahren sind, entdecken wir linke Hand ein paar geparkte Wohnmobile. Sie sehen, anders als die hier versprengten mehrere Dutzend halb fertige und rohe Fahrgestelle, überraschend reiseklar aus! Die Adresse passt auch soweit, das könnte es sein hier!
Tja, und eines der Wohnmobile wird es wohl sein! Unser Wohnmobil für morgen!
Beeindruckend, was hier steht! Und ein kleines Fahrzeug mit dem hoffentlich etwas sparsamen V6 Motor (auf Basis des Ford Transit), was wir in unserer Buchung unverbindlich angegeben haben ist leider gar nicht dabei. Ohje! Hoffentlich wird es nicht so ein übergroßes Schiff, denn davon stehen hier eindeutig am meisten… 😮
Nun, hier werden wir morgen um 08:30 Uhr pünktlich hier auf der Matte stehen wie bestellt. Wir wissen jetzt, wo es ist und wie wir fahren müssen. Das beruhigt.
Wir drehen um und fahren zurück zum Tor, wo uns schon der Wachschutz erwartet! Der Typ war wohl auf Patrouille und hat nun seinen Platz im Pförtnerhäuschen wieder eingenommen.
Wir stoppen an der Ausfahrt (das ist wohl dann doch typisch deutsch) und da ich ihm ungern einen Grund geben möchte, uns unwirsch zu fragen, warum wir hier des Nachts auf dem Werksgelände umher kurven, gehe ich in die Offensive! Ich frage nach, wo morgen die Übergabe der Roadbear Wohnmobile stattfindet und er bestätigt mir (eher genervt, dass wir ihn überhaupt stören, ich glaube er hätte uns am liebsten einfach nicht gesehen…), dass Roadbear jetzt neu an den Corson Drive 250 umgezogen ist. Wo wir standen war also richtig, jetzt haben wir sogar die Bestätigung. Sehr gut.
Mit einem „Thank you Sir“ verabschieden wir uns und ich lasse die 300 Pferdchen unseres V 8 sprechen. Schnell weg, bevor dem Wachschutz doch noch einfällt, dass wir hier eigentlich gar nichts zu suchen hatten…
Im Hotel angekommen machen wir nicht mehr viel. Tim ist schon auf dem Rückweg eingeschlafen und muss ins Bett getragen werden. Nils ist noch wach und darf noch ein wenig Nintendo spielen, bis auch er um halb 9 Ortszeit zusammen mit Anja einschläft.
Ich tippe noch eine gute Stunde an den Reisenotizen für heute und mache dann auch, dass ich ins Bett komme! Einerseits steckt uns noch immer die Zeitumstellung in den Knochen, andererseits müssen wir ja morgen früh fit sein, damit wir wieder in Ruhe frühstücken und dennoch um 08:30 Uhr vor allen anderen unser Wohnmobil übernehmen können, bevor der Bus mit den anderen Leuten aus Chicago eintrifft und die Wohnmobile hier im Minutentakt ausgegeben werden müssen. Dann wird es sicherlich voll. Da standen gut 20 Wohnmobile zur Abholung bereit! Vielleicht sogar mehr!