So! Heute geht es aber wirklich weiter! Wird auch höchste Zeit, denn immerhin ist heute schon Freitag! Nach dem kommenden Wochenende ist ja auch schon Montag und das bedeutet, dass wir das Wohnmobil in der Woche darauf schon wieder abgeben müssen! Die Halbzeit ist sozusagen in Sichtweite, in Fußballsprache haben wir die 30 Minuten überschritten. Das Spiel ist fast gelaufen!
Spätestens am Montag, zur Halbzeit also, sollten wir also am westlichsten Punkt Großbritanniens in Lands End angekommen sein, um mindestens genau so viel Zeit für die Südküste auf dem Rückweg zu haben, wie jetzt auf der „Nordseite“ von Südengland am Bristol Kanal. Sonst wird es ein Gewaltmarsch unter Auslassung von geplanten Reisezielen in der zweiten Woche! Stur stupide Autobahn, das möchte wirklich keiner von uns!

Den Start des ländlichen wie auch mediterranen Südenglands mit seinen Seebädern und Küsten wird heute das Seebad Weston-Super-Mare einläuten! Der Reiseführer spricht von endlosen langen wie breiten Stränden, dazu eine lange Promenade mit Pier und sogar ein Jahrmarkt ist dauerhaft vorzufinden. Ideale Bedingungen also, denn so kommen Mama und Papa in den Genuss von Strand, Meer und Ausblicken auf die See, während der Nachwuchs mit dem Karussell im Kreis fahren kann.

Ein kurzes Frühstück bestehend aus Cornflakes und Co. und wir sind fast startbereit! Faszinierend, wie schnell das mit dem Wohnmobil doch geht! Hätten wir, wo wir jetzt doch einige Jahre mit Wohnwagen unterwegs sind und sich bei diesem immer mehr Sachen ansammeln, dessen Verstauen immer recht viel Zeit beansprucht, fast vergessen! Stühle und Tisch falten und ins Staufach, Strom ab, Kabel aufrollen, einpacken, startklar! OK, die Keile nicht vergessen, aber dann!
Naja, zumindest bis zur Einfahrt. Denn da wollen wir auf jeden Fall noch einen kompletten Wasserwechsel vollziehen, um für heute Abend für einen möglichen Freisteher- oder Stellplatz für Wohnmobile gerüstet zu sein. Die Campingplätze hier oben gehen nämlich ganz schön ins Geld!

Die Entsorgung des Grauwassers gestaltet sich übrigens tatsächlich so schwierig, wie ich es gestern vorausgeahnt hatte. Wir kommen nur im Rückwärtsgang schräg an die Bodenluke heran und dann passt es auch nur, weil wir wirklich ein kompaktes Wohnmobil haben! Das ist wirklich nicht gut gelöst, aber eben auch der Historie des Platzes geschuldet denke ich mal. Vor 30 Jahren gab es eben vielleicht noch keine fest eingebauten Abwassertanks und wenn die Zisterne nunmal hier oben ist, dann muss man sich eben damit begnügen. Wir können unser Wasser immerhin ablassen was besser ist, als wenn man 30 Mal mit dem Eimer gehen muss.

Um 11 Uhr sind wir abreisebereit, Wir verabschieden uns in der Rezeption, wo auch heute die Truppe bemüht ist, mit uns in deutscher Sprache zu kommunizieren. Wie gastfreundlich! Bleibt uns sicherlich positiv in Erinnerung.
Nicht so positiv in Erinnerung bleiben wird uns allerdings das Wetter! Es ist trist, grau in grau schon den ganzen Morgen! Typisch englisch irgendwie. Aber gegen 11 Uhr, als wir endlich aus der schmalen Einfahrt auf die nicht weniger schmale Landstraße einbiegen, fängt es sogar ganz leicht an zu tröpfeln!

„Hört bestimmt gleich auf!“ gebe ich positiv denkend meiner Bordcrew auf den Weg, während die Regenwischer zur Hochform auflaufen. Ich könnte mich in den Hintern beißen, dass ich die schönen Wohnmobilbilder, die ich unten im Tal an der Formation alter Steinhäuser und eines Gutshofs erstellen wollte, nicht gestern bei gutem Wetter gemacht habe! Nun muss ich diese als Regenbilder einplanen. Den Umweg fahre ich dennoch und hoffe einfach, dass auch ein Bild mit Regen und britischer Szenerie im Hintergrund eben das Reisegefühl Südengland mit dem Wohnmobil transportiert. Ein paar Bilder werden hierbei auch ganz passabel, von denen vielleicht eins oder zwei in die nähere Auswahl für das Titelbild für den Reisebericht kommen werden.

Die anschließende etwa einstündige Fahrt durch die englischen Landstriche ist fast schon ein Urlaub für sich. Dadurch, dass wir den Weg ein Stückchen zurück gefahren sind, kommen wir nun in den Genuss abseits der dichter befahrenen Hauptstraße einige gute Kilometer über wirklich kleine Wege und Bahnen zu fahren.
Natürlich ist der Weg mitunter recht schmal, aber wir haben über weite Kilometer die Straßen fast ganz für uns allein und genießen dafür die schönsten Ausblicke sowie gelegentlich auch Einblicke in das skurrile Leben der Landbevölkerung. Wir stehen gerade an einem besonders schönen Fleckchen mit einem rustikalen altsteinernen Bauernhaus und einem etwas windschiefen leicht verwitterten Wegweiser, als ein Quad aus der Gegenrichtung angefahren kommt. Darauf: 2 junge Leute. Sie am Steuer, vielleicht 16, ohne Helm nur im Pulli, er, vielleicht 14, hinten drauf, ebenfalls ohne Helm und sehr sonderbar mit einer Art Arbeitsanzug bekleidet. Sie sind, das sieht man, definitiv nicht zum Vergnügen mit dem Quad unterwegs, sondern haben hinten drauf Baumaterialien und Kabel geladen und vorne am Lenker zusätzlich eine übergroße Plastikschüssel mit allerlei Werkzeug montiert. Auch ist das Quad eher so ein Gelände- Arbeits- Quad und kein Fun- Quad.
Es ist komisch, dass gerade dieses authentische Bild so faszinierend ist. Vielleicht ist es die seltsame Kleiderwahl in Kombination mit dem fehlenden Verständnis für sämtliche Sicherheitsvorkehrungen der beiden. Wer weiß.
Aber irgendwie sind die beiden urig und passen seltsam surreal ins Bild, wie es nur Engländer können!
Gerne hätten wir euch die obskure Fahrzeug-/Fahrerkombi gezeigt! Aber ihr wisst ja, Persönlichkeitsrecht. Kann die Leute ja schlecht zur Schau stellen…
Aber die Straßenecke zeigen wir euch! Einfach, weil sie so unglaublich authentisch ist! Der windschiefe schon angerostete Wegweiser und ein altes steinernes englisches Landhaus, welches seine besten Zeiten zweifelsohne schon hinter sich hat, gleichzeitig aber mit Sicherheit auch in 100 Jahren noch unverändert so hier stehen wird. Ein bisschen hat die Szene etwas von einem frühen Miss- Marple- Film!

Nach einigen weiteren Steigungen, Biegungen, entgegenkommenden Motorradfahrern und Gabelungen erreichen wir wieder eine größere Kreuzung, wo ein Mittelstreifen auf einer immerhin als „B“- ausgeschilderte Straße wieder so etwas wie eine „Hauptstraße“ erahnen lässt. Anja atmet erleichtert auf. Sie ist noch nicht wieder ganz im Wohnmobil angekommen und hat mit der mathematischen Reiseformel „breites Wohnmobil + engere Straßen als gewohnt = näher dran an Feld und Wiese“ noch so immer ihre Probleme die positiven Aspekte hiervon zu genießen!

Das verbesserte Straßenempfinden erkaufen wir uns praktisch mit der Tristesse, die Verbindungs- Landstraßen zwischen 2 Orten nunmal zu bieten haben. Abwechslung bieten nur gelegentliche Erkenntnisse, dass die Hecken hier deutlich höher und robuster wachsen, als sie es bei uns am Straßenrand tun. Da muss man den Seitenspiegel bei Gegenverkehr auch schonmal einklappen. Und mehr noch: Manchmal baut die Natur auch „Naturtunnel“, die möglicherweise nur durch die stetig durchfahrenden LKW freigehalten werden! Ansonsten wäre hier sicherlich dschungelartiges Dickicht, welches nur durch an den Scheinwerfern angebrachte Macheten durchschlagen werden könnte…
Das ist es dann aber auch! Fahrerisch wie optisch ist die Strecke bis zu unserem nächsten Reiseziel eher anspruchslos.
Entsprechend bin ich nicht traurig drum, als wir gegen kurz nach 12 Uhr Weston-super-Mare erreichen!

Infobox Weston-Super-Mare
Unsere Reiseunterlagen wissen zu Weston-Super-Mare wenig Spektakuläres zu berichten. Altehrwürdiges Seebad mit einer langen Promenade. Der Strand ist weit und kann bei Ebbe bis zu 1,5km breit werden. Weston-Super-Mare hatte seine Glanzzeiten im viktorianischen Zeitalter, als das Urlauben an und das Baden in der See langsam gesellschaftsfähig wurde. Das muss die Zeit gewesen sein, als Herren noch Badeanzüge und Damen Badekappen getragen haben. An getrennten Strandabschnitten versteht sich!
Heute bildet insbesondere der „Grand Pier“ das Sehenswerte Element der Stadt.
Diese Seebrücke stammt aus der Jahrhundertwende und wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts eröffnet, brannte in den zahlreichen Jahren seiner Nutzung einmal komplett aus und wurde 2010 wiedereröffnet. Die Infos ergänzen kleine Jahrmärkte, Buden und Attraktionen rund um Pier und Seebrücke und bescheinigen Weston-Super-Mare eines der beliebtesten Reiseziele am Meer in England zu sein. Wir sind gespannt!

Sogleich beginnt die inzwischen wieder eingespielte Suche nach einem Parkplatz, was sich als umständlich gestaltet. Denn beschildert ist auch hier für Wohnmobile nichts! Busse haben hingegen mehr als einmal eine Auswahlmöglichkeit, sodass wir uns zunächst einfach mal in Richtung Meer halten. Irgendwo wird da schon etwas kommen.
Tatsächlich entdecken wir kurz darauf eine unglaublich lang gezogene Strandpromenade, wo sich mal rechts, mal links und mal beidseitig die Autos aufreihen. Im vorderen weniger belebten Teil der Promenade finden wir sogar in der Straße „Marine Parade“ spontan einen Platz an einem Zebra- Überweg, der durch den verkürzten Parkraum hinter uns knapp genug Platz bietet, dass wir uns in die Längslücke quetschen können und wirklich nur wenige cm hinten überstehen! Perfekt! (Koordinaten: N 51.335754° / E -2.983541°).
„Perfekt“ ist allerdings auch der Preis. Knapp 5 Euro kostet umgerechnet das Parken für bis zu 4 Stunden. Einen Tarif mit weniger Stunden gibt es nicht. Da kommt das Geld also her, wow!
Aber der Pier sieht einladend aus, eine solche Szenerie kennen wir ansonsten nur aus amerikanischen Filmen oder eben englischen Filmen, wenn sie an einem Pier wie diesem spielen. Diese Dauer- Freizeitparks, flankiert von jahrmarktsartiger Atmosphäre, Musik, das Aroma gebrannter Mandeln in der Luft, Zuckerwatte und dazu eben der ungewohnt tolle Ausblick auf einen wirklich weiten wie breiten Strand und das Meer. Klar, dass wir den Pier nun auch besichtigen wollen, besonders Nils freut sich auf eine Karussell- Fahrt!

Wir sichern das Wohnmobil so gut es geht. Hierbei beachten wir besonders unsere eigenen Reisetricks für das Parken in Großstädten mit dem Wohnmobil und können schon jetzt vorweg nehmen, dass trotz meines manchmal skeptischen Gefühls das Wohnmobil gerade HIER stehen zu lassen, auch während dieses Parkvorgangs unbegründet ist. Wir werden es später bei unserer Rückkehr unangetastet wieder vorfinden. Ob die Tipps dazu jetzt beigetragen haben wissen wir nicht. Aber geschadet haben sie jedenfalls auch nicht. 😉

Der Weg am Pier entlang ist recht lang! Aber dennoch war die Entscheidung gleich zu Beginn der „Parkmeile“ auf der Marine Parade zu nehmen richtig. Mit jedem Meter, dem wir dem Zentrum näher kommen, erübrigen sich weitere mögliche Parkbuchten für Wohnmobile und kurz bevor die erste Bude kommt, ist selbst für PKW kein Platz mehr zu finden.

Wir stellen übrigens auch schmerzhaft fest, dass nicht nur das Parken in Weston-Super-Mare teures Geld kostet, sondern auch das Nutzen der Attraktionen in diesem auf abgetrennten Areal aufgebauten Jahrmarkt, genannt „Funland“.  Zumal das hier im Funland verwendete Chip- oder Wertcoin- System etwas abstrus ist. Man kann bei den einzelnen Fahrgeschäften nicht mit Geld bezahlen. Vielmehr muss man sich an einem Wechselkiosk oder einem Wechselautomaten Wertmünzen besorgen, die dann gegen Fahrt und Essen eingetauscht werden können. Eine Münze kostet passenderweise 1 Pfund, wobei die Fahrgeschäfte dann unterschiedlich bezahlt werden. Eine Fahrt mit dem kleinen Karussell für Kinder kostet z.B. 4, eine Fahrt mit dem Mini- Autoscooter in einer Cars- Szenerie kostet gleich mal 6 Münzen, also 6 Pfund. Hammer!
Nichts desto trotz freut sich Nils über eine paar Attraktionen. So fährt er mit Anja eine wilde Runde auf der wilden Maus und darf später zum allerersten Mal auch alleine mit einem Kettenkarussell fahren!

Wir Eltern stehen natürlich mit aufgesetzt fröhlicher Miene daneben (während wir innerlich natürlich besorgt bleiben…) und uns bleibt nichts anderes übrig als zu erkennen, dass unser Bub allmählich groß wird! Alleine im Kettenkarussell! Mit 4! Wow! OK, er wird bald 5 und auch das Aufsichtspersonal ist da offenbar tiefenentspannt. Aber wir sind dennoch heilfroh, als sich das Teil nach einer wirklich unglaublich wilden Fahrt wieder senkt und wir unseren über beide Ohren strahlenden Sohn wieder in den Arm nehmen können.
„Papa, PAPA, damit möchte ich unbedingt nochmal fahren!!“
„Ja…, äh…, komm, wir gucken erstmal, was es sonst noch gibt…“
😉
Und schon ziehen wir weiter durch die überschaubare Anlage. 2, 3 Attraktionen sind noch interessant, aber nicht so sehr, dass ich meine sauer erworbenen Coins hierfür ausgebe. Zumal wir nur noch 2 in der Tasche haben und für eine weitere Fahrt, egal welche, neue Coins erst kaufen müssen! Für 2 Coins, also umgerechnet 2 Pfund, kannst du hier gar nichts machen. OK, auf einer deutschen Kirmes kommst du mit 2 Euro auch nicht besonders weit, aber dennoch.
Zuerst bin ich versucht die Münzen umzutauschen. Aber da Nils ja nochmals mit dem Kettenkarussell fahren möchte und wir uns darauf einigen, dass wir später auf dem Rückweg hier nochmals rein schauen, halte ich die beiden Münzen erstmal fest. Sowieso fraglich, ob wir die in Pfund zurücktauschen können. Am Automaten sicherlich nicht und am besetzten Kassenhäuschen guckt der Verkäufer bereits so mürrisch als sich mein Blick zielsuchend in seine Richtung bewegt (während wir ebenso eindeutig auf den Ausgang zusteuern), wird mir seine Haltung gegenüber eines möglichen Umtauschens mehr wie eindrucksvoll präsentiert. Wir sind bestimmt nicht die ersten, die Coins zurücktauschen wollen… Na egal.

Das Erlebnis im kleinen Jahrmarkt, Funland, war ernüchternd irgendwie. Das Tauschgeschäft mit den Münzen als Inselwährung in diesem Jahrmarkt war ein Bauernfänger- Trick und die Preise dazu sind recht hoch. Dies und mehr führt mich dazu, gleich den nächsten danebenliegenden Jahrmarkt auszulassen. Auch, wenn der noch spektakulärere Fahrgeschäfte anzubieten hat, wie der erste.
Konzentrieren wir uns lieber auf die Promenade selbst und den riesigen hölzernen Pier, den wir schon in der Ferne ausgemacht haben. So eine richtige Seebrücke, die wirklich ordentlich weit auf das Wasser reicht! Die möchte ich gerne entlang spazieren, das hat dann wirklich etwas „amerikanisches“. Etwas Vergleichbares gibt es bei uns kaum. Nur so kleine Seebrücken wie an der Ostsee könnte man vergleichen, aber die kommen in Länge und Volumen nichtmal annähernd an dieses Bauwerk hier heran, welches ja auch Einrichtungen bietet. Eher würden da die Stelzenbauten z.B. bei St. Peter Ording noch passen. Die reichen zwar nicht ins Wasser und stehen nur am Strand, sehen aber nicht minder faszinierend wie majestätisch aus.

Wir gönnen uns ganz spontan und ganz und gar absolut ohne kindlichen Einfluss auf diese Entscheidung ein leckeres Eis. Dazu genießen wir den Ausblick über Strand und Szenerie, bevor es gleich vor der großen Seebrücke bestimmt noch voller und vor allem noch teurer wird. Die Zahl der Buden und Attraktionen hat bereits deutlich zugenommen und inzwischen kosten Dinge Geld, die 200m hinter uns noch kein Geld gekostet haben. Wie der Strandzugang zum Beispiel. Der Strand selbst kann natürlich auch hier kostenfrei betreten werden. Aber auf dem Strand sind inzwischen abgegrenzte Areale zu finden, wo ebenfalls Geschäfte gemacht werden. Kleine Spielplätze für die Kleinen und Kleinsten mit Gerätschaften wie einer Schaukel oder Wippe. Nicht anders, wie ein normaler Kinderspielplatz bei uns hinter dem Haus! Der einzige Unterschied: Hier kostet der Zutritt pro Kind 1 Pfund! Wahnsinn!
Das es in England offenbar schlecht um öffentliche Spielplätze steht, haben wir schon in Winchester erleben dürfen. Das die Lücke aber von windigen Geschäftemachern besetzt und nicht von der öffentlichen Hand bedient wird, das erschreckt. Fürs simple Schaukeln oder Wippen ein Pfund verlangen. Hammer.
Und dennoch ist der kleine Spielplatz am Strand gut besucht, die Kasse klingelt! Wie überall eigentlich! Egal, ob das nun Jahrmarktareale sind, Strandspielplätze, Souvenir- oder Eisverkäufer, alle haben guten Zulauf! Sogar am Strand liegen viele Gäste auf ihren Handtüchern. „Klar, ist ja auch Strand“ werdet ihr jetzt sagen und das stimmt auch. Eigentlich. Aber selten haben wir einen dermaßen ungastlichen Strand gesehen, wie diesen hier!
Der Sand ist eigentlich eher eine harte, grobe Masse! Schwierig zu vergleichen, da wir so etwas bislang noch nicht gesehen haben. Als Strand geht das wenig durch, eher als kommerzielle Sandgrube!
Von wegen fein! Sandkastensand bei uns ist fein gekörnt dagegen! Dann ist der Sand schwer, offenbar durch einen recht hohen Feuchtigkeitsanteil. Ein dort aufgelegtes Handtuch drückt Feuchtigkeit beim Draufsitzen so schnell durch, wie der Feuchtigkeitstest der neuesten Windelwerbung im TV beim B- Produkt rechts!
Dazu ein nach wie vor nicht weniger Wind und die mangelnde Sonne. Nein, das ist irgendwie kein richtiges Strand- und Badewetter, zumal man vom richtigen Strand, also der Bereich, wo das Meer auf das erste Land trifft, kilometerweit weg ist! Man hört es nicht rauschen und muss sich schon etwas anstrengen, das Meer überhaupt auch zu registrieren. Dennoch tun die Einheimischen so, als sei das hier der Strand an den Balearen. Komisch! Und vielleicht auch verständlich, warum so viele Engländer in den Süden, nach Spanien, Portugal und Co. ans Meer fahren. Die haben im eigenen Land zwar deutlich mehr Küste als wir, aber gegen die deutschen Strände an Nord- und Ostsee stinken die hier ehrlich gesagt richtig ab!
Nun, manch einer wird sicherlich auch bei weniger schönen Gegebenheiten den Urlaub hier verbringen. Machen wir ja auch, wenn jetzt nicht unbedingt wegen der Strände. Und wie bei uns titelte eine der britischen Zeitungen in diesen Tagen zum Sommerloch, dass Urlaub im eigenen Land beliebt wie nie sei! Das sehen offenbar auch die Engländer so.

Wir spazieren weiter auf der Promenade und kommen der stattlichen Seebrücke näher, dem GRAND PIER, der schon seit einiger Zeit unseren Blick fesselt.
Kommt man allerdings näher, verliert sie mit jedem Schritt einen Teil von seinem Glanz und als wir erkennen müssen, dass das Holzbauwerk nicht unwesentlich mit zweifelhaften Angeboten plakatiert ist, erkennen wir den Ort als das, was er ist. Ziemlich abgerockt!
Vom ehemaligen Glanz des viktorianischen Zeitalters sind leider nur noch Reste in der Bauweise zu erkennen!  Und das nichit nur hier, sondern überhaupt an allen Gebäuden hier rund um den Grand Pier! Es muss einmal toll ausgesehen haben hier! Aber jetzt bleibt nur noch ein letzter Hauch von Mondänität, den das Seebad Weston-super-Mare sicherlich mal vor 100 Jahren durchweht hat.

Eine eigentlich traurige Entwicklung! Nicht nur gewöhnlich, sondern eher zum Abgewöhnen. Schade, dass die Seebrücke wie auch die anderen Gebäude schon deutlich erkennbar verkommen sind. Liegt aber nicht nur an der mangelnden Pflege, sondern auch am Gästeklientel! Die Engländer hier sind so laut! So ruppig! Selten, dass wir urlaubende Engländer in einer solchen Masse gesehen haben und schon gar nicht in deren eigenem Land! Der Konsum von Alkohol an diesem öffentlichen Ort und zu dieser Zeit (es ist noch immer Mittag) überrascht hierbei zusätzlich und lässt sich in Bezug auf unsere Kinder schon instinktiv meine Schutzschilde ausfahren. Zumal ich noch nirgendwo Polizei gesehen habe! Zum Glück sind die kleinen Grüppchen betrunkener Engländer (und auch einiger Grüppchen betrunkener Engländerinnen, nicht das ihr meint!) mehr oder minder mit sich selbst beschäftigt und lassen uns zum Glück vollkommen unbehelligt. Früher hätte ich vielleicht einfach nur „Party People“ gesagt. Aber es ist nicht abends um 10, sondern mitten am Tag! Wie kann man zu dieser Tageszeit schon so betrunken in der Öffentlichkeit sein?!
Instinktiv ziehe ich meine beiden Jungs nah zu mir ran, als wir den GRAND PIER betreten. Allerdings nur kurz. Denn man kommt nur wenig weit, bis man überraschend vor einem Drehkreuz steht! Der Zugang kostet tatsächlich GELD!
Nein, also das nicht! Wäre das hier schön erhalten, OK. Gäbe man sich hier Mühe und müsste ich den Blick der Kinder nicht von einigen wild geklebten und nur halbherzig überdeckten xxx- Werbeplakaten ablenken, die zweifelhafte Dienste anbieten, OK. Vielleicht würden wir es noch bezahlen. Aber so? Nur zur Abzocke? Nein. Nicht mit uns!

Um nicht weiter auf die Angebote herein zu fallen, spazieren wir direkt ab hier direkt auf dem Strand zurück in Richtung Wohnmobil. Hier können die Kinder dann auch wieder etwas freier laufen und nutzen diese Möglichkeit auch sogleich. Auch, wenn dieser matschige, pappige und schroffe Sand nachher überall kleben wird! Nützt ja nix. Die Kinder haben richtig viel Freude an diesem großen Sandkasten, äh, Matschkasten! Und wir? Lassen es einfach laufen. Ich hab schon eine Idee, wie wir das Problem später lösen…

Der Rückweg über den Strand ist eine sehr gute Idee! Die Kinder können ausgelassen toben, sich richtig verausgaben. Perfekt als Ausgleich für die längeren Fahrt- Etappen. Und für die optischen Kollateralschäden an Klamotten und Körper haben wir eine kreative Ide! Zwar hat unser Wohnmobil keine Außendusche wie seinerzeit unser alter „Wohni“, dennoch können wir auch hier die Kinder kurz sauber machen. Denn das Bad unseres Wohnmobils hat ja ein Fenster und der Schlauch ist lang genug! Um Füße und Hände abzuspülen, ohne den pappigen Sand ins Wohnmobil zu tragen, reicht diese Lösung tatsächlich!

Tja, das Erlebnis „Weston-super-Mare“ ist zu unserer Überraschung eher enttäuschend. Und wir machen auch keinen Hehl daraus, dass wir froh sind, als wir Weston-Super-Mare gegen halb 3 wieder verlassen!
Nicht nur der scharfe Wind oder die eher frischen Temperaturen sorgen für ein wenig strandfreudiges Erlebnis. Oder der überraschend raue wie schroffe Sand, sondern auch die schroffen Menschen hier, die Strand und Seebad bevölkern. Fast wären uns negative Worte wie abgenutzt, ja sogar abgeranzt eingefallen, um die Situation zu beschreiben. Wir können nicht genau erklären, warum wir das so empfinden. Und da wir auch keine negativen Gedanken mehr im Urlaub hegen möchten, freuen wir uns jetzt lieber auf das nächste Stück der Route, nämlich:

Die Fahrt mit dem Wohnmobil in und durch den Exmoor- Nationalpark!

Eigentlich war ja noch ein Abstecher nach Clevedon geplant. Das zweite laut Reiseunterlagen empfehlenswerte Seebad. Dieses haben wir uns im Vorfeld zu dieser Tour als mögliche Sehenswürdigkeit im ADAC Tour- Set auch markiert. Wenn es sich allerdings im gleichen Zustand wie Weston-Super-Mare präsentiert, na dann vielen Dank! Zumal es in der falschen Richtung liegt! Wir müssten für Clevedon nach Nordosten fahren, wobei unser eigentliches Ziel, Land’s End im Westen der Insel Großbritannien, ja im Westen liegt! Umwege sind jetzt aktuell gar nicht mehr meins, weil ja heute auch schon Freitag ist und wir spätestens am Sonntag in Land’s End sein sollten, damit wir den Turn- Around ohne Stress schaffen. Also Mut zur Lücke, Clevedon lassen wir hier und heute aus und folgen stattdessen der A 38 und A 39 in Richtung Minehead, dem Tor zum Exmoor National Park.

Die Fahrt verläuft recht angenehm. Zwar sind immer mal wieder Engstellen dabei und die Büsche wachsen mitunter bis an das Fahrerhaus heran, bilden eine dichte Mauer und zerkratzen einem, wenn man nicht aufpasst, den Außenspiegel, aber diese Momente sind zum Glück eher selten. Meistens ist die Straße frei und sehr gut auch mit dem Wohnmobil befahrbar. Bis auf die Engstellen! Würden uns nicht gelegentlich kleine Transporter, Laster und gelegentlich mal ein Wohnmobil entgegen kommen, wir hätten Sorge, ob die A 39 auch im weiteren Verlauf durch den Exmoor- Nationalpark eine gute Wahl wäre! Man kann an einigen Stellen kaum glauben, dass es sich um eine Hauptverbindungsstraße handelt! Besonders, weil diese Engstellen so plötzlich auftauchen. Mal eine schmale Brücke, mal ein altes bis an die Hauptstraße heranragendes Haus, es gibt immer wieder Überraschungen auf der A 39. Aber das gehört wohl dazu, wenn man den Exmoor- Nationalpark erkunden möchte…

Info- Box Exmoor- Nationalpark:
Der knapp 700 km2 große Nationalpark bietet allerlei Sehenswertes für Naturfreunde! Heim für zahlreiche Tiere und Pflanzen bietet das auf die Grafschafen Devon und Somerset verteilte Naturparadies, insbesondere die Moorheiden und Höhenlagen mit ihren typischen niedrig angelegten Hecken und wenig baumbesetzen Areal.
Der Park ist ferner seit 2011 als „Lichtschutgebiet“ deklariert, was soviel bedeutet, dass die natürlich Dunkelheit im Park durch künstliche Lichtquellen nicht gestört werden soll. Ein neu zu bauender Flughafen ist hier also z.B. in nächster Zeit wohl nicht zu erwarten… 😉

Das Tor zum Exmoor Nationalpark stößt Minehead auf. Die letzte größere Stadt, bevor es in die Wege und Wirrungen des Nationalparks gehen wird. Minehead ist nochmals eine richtige größere Stadt, was sich besonders anhand der Verkehrsbehinderungen belegen lässt. Nicht schön, denn wir verlieren hier nicht nur unnötig Zeit, sondern die Kinder auch die Lust am Stillsitzen in der Sitzgruppe. Zum Glück schläft der kleine Tim nach etwas Gequengel ein und Nils können wir durch eine Runde Nintendo beschäftigen. Katharina Saalfrank würde sicherlich eher Kennzeichenraten oder „Ich sehe was, was du nicht siehst“ vorschlagen, aber zum einen gewinnt Nils bei solchen Spielen immer und zum anderen haben wir schon genug damit zu tun, uns auf den Verkehr zu konzentrieren! Wow, sind die Straßen hier eng und gleichzeitig dicht befahren!

Dass es goldrichtig war auf der A 39 zu bleiben, erkennen wir übrigens kurz NACH unserer Durchfahrt durch Minehead und dem kurz darauf folgenden Örtchen Porlock. Wow, ist das schön hier! So ein richtig nettes kleines uriges britisches Städtchen! Wo Miss Marple und Mr. Stringer am Abend eine Runde spazieren gehen, wo die Kingsmen ein Versteck haben und wo man noch Apple Pie zum 5 Uhr Tee serviert. Es ist ZU schön, um echt zu sein! Das es dennoch echt ist, erkennt man leider an den gedrungenen Gassen (die Straßen hier kann man wirklich nicht als „Strassen“ bezeichnen) und an dem Umstand, dass man auch nirgendwo mit dem Wohnmobil parken kann! Und selbst wenn uns das gelingen würde, ein Spaziergang durch Porlock wäre eine echte Herausforderung mit Kindern!
Haben die Autos (geschweige denn ein Wohnmobil) schon kaum Platz um aneinander vorbei zu kommen, ergeht es den Fußgängern noch schlechter! Die Bürgersteige sind so schmal, dass man kaum nebeneinander gehen kann und nicht selten müssen Spaziergänger des Dörfchens an Ecken und Kanten auf die Straße ausweichen! Ein Rollstuhl oder ein Kinderwagen käme kaum durch, ohne mit den Autos auf der Straße zu konkurrieren! Wenn wir uns dabei vorstellen, dass die Jungs hier von Haus zu Haus hüpfen, kann einem schon bange werden. Und so durchfahren wir das Örtchen nur. Viel mehr bleibt uns sowieso nicht übrig.

Wir haben von der Ortsdurchfahrt aber immerhin ein kleines Video gedreht. Es zeigt authentisch die Szenerie, Freude und Faszination, aber auch Respekt vor den engen Wegen. Und als am Ende der Strecke auch noch eine 25%ige Steigung angekündigt wird, seid ihr quasi beim Grauen von Anja live dabei… 😉

Die steile Anhöhe meistern wir im zweiten Gang. Ungewöhnlich, dass wir trotz unseres Multijet- Turbodiesels so weit runter schalten mussten! Zum Glück bleiben uns Haarnadelkurven und Spitzkehren erspart und wirklich hoch ist die Anhöhe auch nicht. Kaum haben wir sie überwunden, wird der Weg deutlich flacher und auch wieder breiter. Und wir sind da! Wieder einmal! „Echter“ könnte sich Südengland nicht anfühlen, wieder einmal wird jedes Klischee bedient! Ursprünglich und authentisch zugleich erinnert die Szenerie mit saft geschwungenen Hügeln, hellgrünen Auen und erdnaher dunkelgrüner baumloser Vegetationen unweigerlich an das Auenland aus J.R.R. Tolkien’s Herr der Ringe! Fabelwesen könnten man gedanklich hier aber ebenso gut ansiedeln! Für grüne Trolle, Kobolde unter Bogenbrücken und Töpfe voll Gold muss man wahrscheinlich nicht zwingend nach Irland fahren, wenn man sich diese Gegend hier anschaut! Mindestens aber ist das südliche England hier eine unglaublich schöne Kulisse, die das Auge definitiv satt macht!
Während wir noch die ersten Ausblicke fahrend genießen, entdecke ich auf der rechten Fahrbahnseite einen Parkplatz auf der Anhöhe. Perfekt! Sofort fahren wir hier raus und haben unfreiwillig und unbewusst einen der schönsten Aussichtspunkte über den Bristol Kanal, die zum Teil steile wie steinige Küste, das Dörfchen Porlock und Minehead im Hintergrund gefunden!
Wir parken stilecht neben einem anderen Wohnmobil, schalten den Motor ab und genießen für einen Moment die unglaublich schöne Aussicht! Sogar Nils ist für einen Moment von seinem Videospiel abgelenkt, das will schon was heißen!

„Papa können wir mal aussteigen?“ fragt Nils in für uns unerwarteter Euphorie. Natürlich können wir! Und so schnappe ich mir die gute Digitalkamera und mache gleich ein paar wirklich fantastische Aufnahmen von der Aussicht, Landschaft, Parkplatz, vom Wohnmobil, von uns und von der ganzen atemberaubenden Szenerie. Die Luft hier oben ist so klar, die Welt wirkt so klein, und ist doch so voller Faszination, wer hätte das gedacht?!

Natürlich möchte Nils ein Eis vom Eiswagen haben, der ebenfalls hier auf dem Rondell zu finden ist. Später, bei unserer Nachrecherche im Internet werden wir feststellen, dass es für viele langjährige Englandfahrer eine Tradition ist, an diesem alten klapprigen Ford Transit- Eiswagenö am Aussichtspunkt ein Eis mit Blick auf den Bristol Kanal zu genießen!
Zuerst bin ich noch skeptisch, weil der Wagen wirklich die besten Jahre weit, WEIT hinter sich hat! Denn wenn der Wagen nicht der beste ist, ist es meist auch um die Ware nicht so gut bestellt.
Aber das Eis ist überraschend lecker und zuhause werden wir später sagen, dass das Eis an diesem Punkt auch für uns ab sofort zur Tradition wird! Ein schöner Brauch eigentlich, man lässt irgendwie ein „To-Do“ hier was einem wie ein Anker hilft, eines Tages an diesen Ort zurück zu finden.
Wäre es hier oben nicht so einsam (also wenn die anderen Touristen am Ende eines Tages sicherlich wieder zurück in die Stadt fahren), könnte man sich fast überlegen, hier zu bleiben und am Abend den Sternenhimmel zu genießen. Bei klarer Sicht muss dieser Platz hier gigantisch sein. Eine Nacht hier oben unter dem Sternenhimmel mit dem Dörfchen im Tal ist sicherlich etwas ganz besonders! Oder andererseits einfach nur stockdunkel, wenn es bewölkt ist, wer weiß…

Nils und ich spazieren einmal zur Straße runter. Dieser geschwungene Weg durch diese malerische Landschaft, dazu diese ach so markanten weißen Wegweiser, die sind einfach zu inspirierend, um sie unbeachtet zu lassen! Wäre ich Maler oder Künstler, ich würde mich wohl mit einer Staffelei genau HIER hin setzen und einfach die Landschaft malen! Wäre ich Freigeist und ohne Verpflichtungen, genau HIER wäre der Startpunkt, wo man sich einfach an den Straßenrand stellt, interessanten Menschen begegnet und einfach mal den Daumen raus hält um zu sehen, wohin einen dieser verschlungene Pfad führen wird!
Auch, wenn ich beide Erwartungen wahrscheinlich nicht erfüllen kann, so finde ich mit meinem laienhaften Verständnis, dass uns wenigstens die Fotografien recht passabel geglückt sind! Wobei dies streng genommen keine Kunst sein dürfte, denn das Motiv ist ja für sich allein schon so makellos und meisterhaft, dass selbst ein Stümper es mit aller Duseligkeit nicht mehr versauen könnte. Von daher…

Zurück vom Ausflug an die Straße möchte Nils noch ein wenig durch die Gräser streifen. Auch Tim kommt, nach einer kurzen Zwischenmahlzeit im Wohnmobil, dazu. Gemeinsam mit den Jungs spaziere ich ein paar Schritte einen kleinen Feldweg entlang und genieße die gute Luft, die Aussicht und den ungewohnt weichen Boden unter den Füßen. Fühlt sich ein wenig so an, als würde man unter der dünnen Kieseldecke wie auf fester aber matschiger Erde oder besser Ton laufen. Sie gibt nach, ohne dass man einsinkt. Komisch.
Weit gehen wir nicht. Auch, weil der Weg schon nach wenigen Metern relativ steil abfällt und wir den ganzen Weg ja auch wieder zurück marschieren müssen. Bergab ist einfach, bergauf eine Qual. Und da wir beginnen das Wohnmobil aus den Augen zu verlieren, drehen wir lieber rechtzeitig um.

Der Platz hier ist wirklich wunderschön und wir können wirklich nur jedem Tourist und Besucher der Region raten, hier anzuhalten und Station zu machen. Sogar ein Umweg würde sich lohnen! Hier rasten, vielleicht ein kleines Picknick und dabei die wunderschöne Aussicht auf Porlock und darüber hinaus bis Bossington und in die Bristol Bay und den Bristol Kanal zu genießen. Es ist einfach nur traumhaft!
Koordinaten: (N 51.203954° / E -3.639253°)
Wir lösen uns schweren Herzens von der aussichtsreichen Plattform! Mit mehr Zeit bzw. einem sicheren Platz für die Nacht wären wir wahrscheinlich länger hier geblieben. Aber so recht wissen wir noch nicht, wo wir heute bleiben werden. Auch müssen wir uns ja erstmal weiter „treiben lassen“, damit wir auch irgendwo ankommen können, irgendwo angespült werden. Also alles wieder setzen und dann nehmen wir mit unserer kleinen schnittigen Landyacht wieder Fahrt auf.
Wir folgen der A 39 dabei weiter in westlicher Richtung.

Besonders schnell kommen wir übrigens nicht vorwärts und besonders weit auch nicht. Zu schön ist die Landschaft, dass wir sie einfach nur durchqueren! Zum Glück sehen das auch sehr viele andere Verkehrsteilnehmer so! War die Fahrt bislang zu unserer Überraschung weitgehend problemlos und an Engstellen fand sich immer eine Lösung so scheint es, dass die Leute hier im Nationalpark Exmoor sogar noch ein klein wenig verständnisvoller unterwegs sind. Vielleicht, weil sie ebenso wie wir nicht hier auf der A 39 unterwegs sind, um von A nach B zu kommen, sondern weil sie um des Reisens willen fahren. Weil sie ebenso wie wir entschleunigen wollen, die Landschaft in sich aufsaugen wollen. So ist es kein Wunder, dass wir uns an den wenigen Parknischen am Wegesrand gegenseitig die Klinke in die Hand geben, um die Aussicht zu genießen und weitere spektakuläre Bilder machen!
Das Wort Traumstraße ist es, was die A 39 hier im Exmoor- Nationalpark am besten beschreibt! Bereits einige wenige Male hatten wir das Glück, auf solchen Traumstraßen unterwegs zu sein. Wo hinter jeder Biegung und hinter jeder Kuppe ein neuer spektakulärer Eindruck auf uns gewartet hat.
Wie seinerzeit auf der Route 44 in Norwegen oder z.B. in Kroatien auf der Adria Magistrale auf der Ostseite Istriens, genauer zwischen dem Hafenstädtchen Medulin und dem Bergdörfchen Labin.
In diese Reihe reiht sie die A 39 hier nicht nur ein, sie führt diese Liste unserer persönlichen Traumstraßen mit dem Wohnmobil fast schon unerwartet an!

Und selbst wenn man im Gegensatz zu uns durch den Exmoor Nationalpark „einfach nur durch“ wollte und schneller fahren möchte, es ginge gar nicht!
Viel zu häufig wird unser Vorwärtsdrang durch eine Vielzahl Schafe, Lämmer oder sogar auch mal frei herumlaufende Pferde und andere Tiere unterbrochen!
Es ist erstaunlich, mit welcher Seelenruhe die Wolle- Lieferanten hier kauend und wiederkauend am Straßenrand oder auch zur Abwechslung einfach mal mittig auf der Straße stehen und es sich gut gehen lassen!
„Ein Wohnmobil? Ach ja. Vielleicht mache ich mal Platz.“ Und wir? Besonders die Kinder finden es natürlich faszinierend, dass die Tiere hier so nah ans Auto kommen und sich von deren Anwesenheit auch nicht beeinflussen lassen.
Hier sind Tiere auf der Fahrbahn offenbar ganz normal! Wenn wir in 2 Wochen wieder im Berufsverkehr auf dem Kölner Ring unterwegs sind und eine Radiomeldung im Verkehrsfunk von Tieren auf der Fahrbahn warnt, werden wir uns an diesen absolut gelassenen Moment schmunzelnd zurück erinnern. 🙂

In Lynmouth kommen wir wieder in die erste größere Ortschaft. Ein kleines Dörfchen mit unglaublich engen Straßen! Und mehr noch, hier teilt sich der Weg! Das Navi schlägt unbeirrt vor, wir sollten an der Weggabelung rechts abbiegen in Richtung Lynton und Barbrook auf die B 3234. Anja hat allerdings Bedenken wegen dieser Lösung! Nicht nur, weil die A 39 streng genommen laut Beschilderung links herum Richtung Blackmore Gate und Barnstaple führt, sondern weil ein Warnhinweis den Wegweiser nach Lynton ziert, der LKW über 7,5t aber besonders Gespanne mit Wohnwagen verbietet! Nun, streng genommen fallen wir weder in das eine, noch das andere Verbot. Aber wir sind bereits Straßen gefahren, die für LKW bis 11,5t zugelassen waren und wir uns schlichtweg nicht vorstellen können, dass diese hier wirklich entlang fahren können. Einfach viel zu eng!
Mehr noch! Wir erinnern uns genau an unser letztes „Abenteuer“ mit einer „B“- Straße, seinerzeit auf dem Rückweg von Schottland nach England. Ja, es war kürzer, aber derart unchristlich steil, dass man fast Sorge haben musste das Wohnmobil kippt vornüber und landet auf dem Kühlergrill…

Was nun? Wir stoppen erstmal in einer kleinen Seitenstraße und beratschlagen uns kurz, dann entscheiden wir demokratisch* (* = bedeutet: Anja setzt sich durch! 😉 und nehmen den „langen“ Weg gegen die Navi- Empfehlung und folgen weiter der A 39.
Eine Entscheidung, von der wir im Nachgang nicht wirklich wissen, ob sie nun besser oder schlechter war. Denn der Weg über die A 39 ist ECHT übel! Selten so enge Straßen gesehen! Wieder mal!
OK, hier im Ort bitten wir einen halb auf der Straße und halb auf dem Bürgersteig parkenden Engländer mit einem hellblauen PKW, er möge bitte kurz den Weg frei machen. Er entschuldigt sich tausend Mal, dass er den Weg blockiert hat und gibt den weiteren Straßenverlauf dann kurzerhand frei. Das war noch einfach!

Später, im Wald und auf den schmalen Brücken, verhallt diese Bitte des Wegfreimachens gegenüber Büschen und Bäumen, Wegbegrenzungen, Hecken, Mauern und Abgründen rechts wie links neben uns übrigens ungehört! Wenn DAS die bessere Straße ist, wie ist es dann erst auf der Nebenstraße nach Barbrook?

Nachrecherche: A 39 vs. B 3234 zwischen Lynmouth und Barbrook (Richtung Barnstaple)
Das Thema hat mir im Nachgang keine Ruhe gelassen und bei der Aufbereitung unseres Reiseberichts und unserer Reisekarte für das Fazit habe ich mir die fragliche Stelle natürlich bei google Maps einmal näher angeschaut. Fast schon bereue ich es, dass wir an diesem Tag der A 39 gefolgt sind!

Erstens: Die Strecke über die B 3234 von Lynmouth bis Barbrook ist etwa 2,5 km lang! In Barbrook trifft sie dann wieder auf die A 39. Im Gegensatz dazu ist die A 39 zwischen beiden Wegpunkten knapp 8km lang. Dazu kommt: Schaue ich mir die Route auf google maps einmal an, ist die A 39 gespickt von Kurven, Haarnadelkurven, Spitzkehren und so weiter! So war es ja auch. Die B 3234 folgt hingegen eher leicht geschwungenen Bögen! Auch bin ich die Route über Google Street View einmal entlang gefahren. Ja, die Strecke ist eng! ABER: Auf etwa halber Höhe kommt sogar ein „Holiday- Park“ Campingplatz, wo sogar Wohnwagen stehen (man sieht den „Sunny Lyn Holiday Parc“ super auf google street view: Google Streetview auf der B3234 )
Da hätten wir auch da entlang fahren können…

Auch die Hürde der Wald- und Wiesenlandstraße meistern wir schlussendlich. Wenig Verkehr, noch weniger Gegenverkehr, wir haben den schmalen wie kurvigen Berg- und Waldpfad praktisch für uns allein.
Und dennoch: Noch nie, und wir meinen wirklich NOCH NIE waren Straßen auf all unseren Reisen derart eng und vor allem durchgängig wie anhaltend wohnmobilunfreundlich, wie sie es hier sind! Das muss man wirklich so sagen! Egal, ob nun Schottland oder auch Norwegen. Ja, auch da gab es manchmal enge Stellen. Aber mit der Betonung auf STELLEN! Hier in Südengland ist die ganze Straße eine einzige Engstelle! Hier entlang zu fahren erfordert ein sicheres Verständnis für sein Wohnmobil mitsamt seinen Abmessungen! Es erfordert Umsicht, Rücksicht und die Fähigkeit, sich auch auf plötzlich geänderte Verhältnisse einstellen zu können!
Selten zuvor verbrauchte eine Straße derart viele Ressourcen des Netzwerks Gehirn, dass ich mich als Fahrer wirklich nur selten an der Landschaft erfreuen kann. Das ist neu für uns! Hier entlang zu fahren ist nicht wirklich Urlaub für den Fahrer. Besonders, wenn man mit einem Mietmobil unterwegs ist und sich an jeder Biegung und Steigung, an jeder Hecke und bei jedem hinter einer Kuppe oder Kurve auftauchenden Gegenverkehr gedanklich schon von seiner Kaution verabschiedet hat. Und dabei fahren wir noch nicht einmal schnell! Die Fahrt durch den Exmoor National Park ist wunderschön und wir würden sie um nichts in der Welt missen wollen!
Aber wir wissen auch, dass wir für eine mögliche Rückkehr eventuell ein anderes Verkehrsmittel, aus ausgerechnet ein Wohnmobil wählen würden! OK, vielleicht liegt es daran, dass wir ungewohnt und plötzlich mit dem Wohnmobil unterwegs sind. Vielleicht wären wir souveräner, wenn wir mit unserem eigenen alten Wohni hier wären und damit Fahrpraxis hätten. Vielleicht wäre es auch leichter, wenn man sich nicht noch immer ungewohnt am linken statt am rechten Fahrbahnrand orientieren könnte. Wer weiß.
Aber wie auch immer: Wer schon zuhause auf der Landstraße zwischen Emden, Aurich und Greetsiel mit dem Wohnmobil aneckt, der kann sich hier gleich auf einem Campingplatz internieren lassen und das Wohnmobil am besten gar nicht bewegen!
Am besten kommt man hier wirklich noch mit einem Motorrad auf seine Kosten! Nicht wegen der Kurven oder der Herausforderungen, sondern weil es auch bei Gegenverkehr problemlos weiterfahren kann. Nun, vielleicht sind diese Zeilen für den Moment noch etwas verfrüht. Man soll den Tag ja nicht vor dem Abend loben! Auch muss ich mich zwingen, diese Zeilen innerlich nicht schon jetzt in das Reisefazit zu schreiben, wenn es um eine Bewertung „Südengland mit dem Wohnmobil – Erfahrungen, Tipps und Tricks zum Fahren“ geht. Denn das wäre gleichsam vermessen wie zu früh.
Aber dennoch wird die Erfahrung im Exmoor National Park mit Sicherheit viel zu unserer Gesamtbewertung beitragen. Insbesondere für diejenigen unter euch, die mit einem Wohnmobil eine (vielleicht allererste) Reise auf die Insel Großbritannien mit dem Wohnmobil planen und noch nicht wissen, ob sie lieber nach Südengland oder Schottland fahren sollen. Für die weiß ich schon jetzt die Antwort: Schottland!
Die Traumstraße hier ist, besonders kurz hinter Minehead und Porlock, wirklich wunderschön! Aber eben im weiteren Verlauf auch herausfordernd. Ein Dilemma! Wir vergessen sogar, auf dem Stück zwischen Lynmouth und Barbrook Bilder zu machen!

Hinter Barnstaple wird die 39 deutlich gemäßigter. Die irren Kuppen, Engstellen und Wegunwägbarkeiten werden weniger.
Wir haben wieder einen fast durchgehenden Mittelstreifen und auch die mannshohen Hecken rechts und links, die uns oft wie eine Sardine in der Büchse ohne Aussicht auf Bewegungsfreiheit eingeengt haben, werden weniger. Puh! Durchatmen am Steuer ist angesagt, wir cruisen dem Abend entgegen.
Inzwischen haben wir übrigens auch unser Reiseziel für heute gefunden! Schon auf dem tollen Aussichtsplateau hatte Anja einen Favoriten und jetzt, wo wir unterwegs sind und die Stunden des Tages sich dem Ende neigen, wird das Tagesziel konkret! Tintagel!
Eine alte Stadt an einer zerklüfteten Küste, die sich mit einem besonderen Merkmal rühmt…

Info- Box Tintagel
Bereits in der Spätantike befand sich hier eine erste Siedlung. Unwirkliche Vorstellung wenn man sich später die Bilder einmal ansieht. Warum die ersten Siedler ausgerechnet hier siedelten, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.
Springen wir ein paar Jahrhunderte vor ins 12. Jahrhundert, wo der britische Chronist Geoffrey von Monmouth in seiner berühmten Historia Regum Britanniae den Ort Tintagel kurzerhand zum Geburts- und Residenzort von niemand geringeren als König Artus selbst erklärt hat!
Ihr kennt die Historia Regum Britanniae nicht? Macht nichts, kannten wir vor unserer Reise auch nicht und ehrlich gesagt haben wir sie auch nicht vollständig gelesen. 😉
Es handelt sich aber inhaltlich wohl um eine Liste der Könige Britanniens, in der eben auch König Artus genannt ist. Schade, dass das Werk des Meisters eben starken Zweifeln unterliegt und König Artus in die gleichen Mythenkreise wie Merlin, Avalon und der heilige Gral eingeordnet wird.
Das es z.B. Robin Hood gegeben haben kann, ist wahrscheinlicher, als die Anwesenheit von König Artus, dem ersten Gralssucher der Geschichte. Und selbst Robin Hood´s Existenz ist nicht zweifelsfrei belegt.
Zurück zu Tintagel. Neben der „Tatsache“ Geburts- und Herrschaftssitz des berühmten Königs und Gralssuchers Artus gewesen zu sein, liest sich Tintagel erstaunlich weltlich! Angepasst an den Besucherstrom rund um das berühmte Zugpferd Artus ist nur noch eine alte Poststation aus vergangenen Zeiten erhalten. Gerade diese ist aber richtig alt und wird inzwischen vom National Heritage gepflegt.
Die alte Burg Tintagel Castle hingegen, in der König Artus vielleicht geboren wurde und wo er gelebt haben soll, ist hingegen nur noch als Ruine über den Klippen der Steilküste enthalten.

Es wird spät und später. Wohnmobile sind kaum noch unterwegs und in mir drin erwacht so langsam dieser Zwang, endlich mal irgendwo ankommen zu können, bevor es richtig dunkel wird. Das mag ich beim Wohnmobil eigentlich gar nicht. Man funzelt sich im Schein der Scheinwerfer, Rücklichter oder einer funzeligen Taschenlampe sein Stromkabel zurecht, baut mühsam auf und sucht seine Sachen zusammen, während die übrigen Camper bereits längst zu Abend gegessen haben und im Fernsehen den Tatort schauen. Das ist nix!
Zumal wir ja noch nicht einmal wissen, ob wir überhaupt unterkommen werden in Tintagel! Zwar haben wir gleich mehrere Wohnmobilstellplätze in Tintagel auf dem Schirm, aber die müssen ja auch erstmal frei und bezahlbar sein! Nicht vergessen, es sind ja nicht nur Ferien, sondern es ist ja auch Freitagabend!
Wer mal mit dem Wohnmobil an der deutschen Nord- und Ostseeküste unterwegs war und versucht hat, in den späten Abendstunden an einem beginnenden Wochenende einen Stellplatz auf einem dortigen Wohnmobilstellplatz zu bekommen der weiß, was wir meinen!
Andererseits ist es total ungewöhnlich, dass wir für einen Freitagabend fast alleine auf der Straße unterwegs sind! Dabei fahren wir mit der A 39 doch noch immer auf einer verbindenden Hauptstraße!

Noch schlimmer wird es, als wir gegen kurz nach halb 8 von der A 39 rechts abbiegen und den Wegweisern nach Tintagel folgen.
Wieder habe ich so ein ungutes Gefühl! Wieder wird die Straße extrem eng. Eigentlich einspurig. Das deutet auf nichts Gutes hin! Wahrscheinlich ist Tintagel (oder Titangel oder Tingeltangel Bob oder Tim Takelwagen oder wie das Nest heißt, vor allem Nils fallen spontan gleich mehrere Bezeichnungen für den Ort ein, dessen Name so recht in kein Schema passen will) irgend ein Nest mit einem verfallenen Pub, einer alten Poststation und einer Bushaltestelle, wo in der Stunde ein Bus fährt. Aber nur an Wochentagen!
Ich meine wie sonst sollte diese Straße hier bitte die Touristen herbringen? In diese ach so angeblich gelobte Touristenhochburg!? Mit Bussen vielleicht? Mit ist noch kein einziger begegnet und auch Wohnmobile, die wenigstens noch ansatzweise Tourismusströme erkennen lassen, haben wir auch schon lange nicht mehr gesehen!
Einzig einige Einheimische im Auto sind noch unterwegs und scheinen überraschend hastig in den wohlverdienten Feierabend zu wollen. Fast scheint es so, als würden sie hier nach Einbruch der Nacht den Hund von Baskerville von der Kette lassen, der dann alles zerfleischt, was noch auf der Landstraße unterwegs ist! Und in diesem Nest wollen wir wirklich schlafen? Na das kann ja heiter werden!
Wahrscheinlich ist der Parkplatz ein mit Ginsterbüschen übersäter Haufen und der letzte Wohnmobiltourist war wahrscheinlich Arist Dethleffs höchstpersönlich, der mit seinem Wohnauto vor gefühlt Hundert Jahren hier auf der Durchreise war und nach einer grauenvollen Nacht machte, dass er weiterkam!
Man-o-Man, das war offenbar gar keine gute Idee mit dem Wohnmobilstellplatz in Tintagel! Wir hätten uns doch besser mal früher einen vernünftigen Campingplatz gesucht!
Wir sind müde, etwas genervt von der enorm anstrengenden Fahrerei vorhin im Nationalpark und wir sehnen uns eigentlich nur nach einem Campingplatz, wo wir die Kinder einfach laufen lassen können. Warum haben wir das nicht gemacht? Der Stellplatz in Winchester war doch schon kaum für Kinder geeignet, warum tun wir uns das also schon wieder an? Nur für den unmittelbaren Zugang zur Stadtbesichtigung? Oder um 3 Euro zu sparen?!

Wir erreichen Tintagel und wir bereuen sofort, dass wir noch auf dem Zufahrtsweg an Tintagel gezweifelt haben! „Ist das schön hier!“ – „Lauter Nils!“ – „IST DAS SCHÖN HIER PAPA!“ – „Richtig so!“ 😀
Selbst unser Vierjähriger kann Tintagel etwas Positives abgewinnen und der Ort erscheint auf den ersten Blick wirklich wie im Märchen! Es ist noch ein bisschen was los, Geschäfte und Läden haben geöffnet.
Menschen spazieren Hand in Hand an diesem lauen Sommerabend lässig über die Straße, überall sind Lichter, kurzum, hier ist Leben! Wir fühlen uns spontan wohl und bereuen diesen Abstecher von der A 39 keinen Augenblick!
Tintagel ist wirklich ein Geheimtipp für ein lebendiges ehrliches kleines Städtchen an der sonst so kargen und einsamen Küste.
Wie ein Licht am Ende des Tunnels, wie ein Leuchtturm in der Brandung, obgleich König Arthus hier allgegenwärtig ist und selbst die ausgeschilderten Parkplätze mitunter seinen Namen tragen.

Sofort entdecken wir einen der Wohnmobilstellplätze. Einprogrammiert hatten wir zwar den Nachbarplatz, den King Arthur Car Park, aber der Mayfair Car Park kam nunmal als erstes rechts am Wegesrand und den haben wir spontan genommen.
Auch, weil hinter dem festen Asphalt ein größeres nicht asphaltiertes Areal folgt, wo sich etwas Kiesel und viel mehr Wiese abwechseln. Perfekt wird das Areal aber erst dadurch, dass hier bereits ein gutes Dutzend Wohnmobile stehen (am Nachbarplatz stehen nur 2 und die stehen noch auf Beton…) und deren Besatzungen den Abend genießen.
Es gibt keine fest vorgegebenen Parktaschen und alle stehen mehr oder minder im respektvollen Abstand zueinander, dass man seine Stauklappe bequem öffnen und auch einen Tisch mit Stuhl rausstellen kann. Ob es erlaubt ist weiß ich nicht. Aber alle machen es. Selbst ohne Strom und VE ist das hier wirklich ein toller Stellplatz!
Auch das Angebot drumherum passt. Wir sind nicht nur wenige Schritte von der belebten aber auch historischen Hauptstraße des Örtchens entfernt, gleich gegenüber der Einfahrt zum Stellplatz haben wir auch noch einen kleinen kleinen SPAR- Supermarkt gesehen. Da werden wir morgen früh bestimmt frisches Brot für unser englisches Frühstück bekommen und falls doch nicht, ist gleich gegenüber zusätzlich noch eine Bäckerei!
Kaum haben wir das Wohnmobil abgestellt, marschiere ich noch flugs mit Nils los, um noch schnell etwas Milch im Supermarkt zu holen! Die ist uns nämlich ausgegangen und Nils steht hier total auf die Corn Flakes mit Milch.
Zumal die Milch hier in England ehrlich gesagt auch ohne Cornflakes schon ziemlich lecker ist! Zum einen vermute ich die frischen grünen Wiesen und Weiden dahinter. Was die Kuh hier futtert, kann nur ein gutes Ergebnis an Milch liefern. Dazu kommt, dass die Milch hier nicht wie bei uns 1,5% Fett hat, sondern 1,8%. Den Unterschied schmeckt man! Noch nicht so fettig wie 3,5er, aber auch deutlich geschmackvoller, als unser Spülwasser mit Milchgeschmack aus der Melkanlage.
Ja, natürlich kostet die Mich hier etwas mehr! Aber sie schmeckt ganz einfach und das zahlen wir dann dafür gern.
Neben Milch, etwas zum Knabbern und Eiern finden auch 3 Döschen Wackelpudding ihren Weg in unsere Einkaufstüte. Nils wollte sie haben und weil das heute mit dem langen Fahrtag so gut geklappt hat, hat er sie sich auch verdient. OK, es müssten nicht gleich 3 sein, aber die gute Kassiererin weist uns darauf hin, dass einer 75p kostet, aber 3 nur 1 Pfund. Komische Preispolitik, aber dann nehme ich natürlich gerne drei.
Weil die Dame an der Kasse so nett ist, frage ich sie auch gleich, wo wir eine gute Portion Fish&Chips noch heute Abend essen können!
„For sure! Just head down the road, it´s a few Doors! You can´t miss!“ bekomme ich herrlich gastfreundlich mitgeteilt. Ja, hier in Tintagel sind die Leute überraschend freundlich und das steckt an irgendwie! Wir fühlen uns wohl!
Die Pizza, die wir eigentlich machen wollten, bleibt im Kühlschrank!
Spontan möchten wir lieber noch eine kleine Runde spazieren gehen und das Fish&Chips Geschäft ausprobieren, was mir die nette Kassiererin empfohlen hat. So können wir uns nach dem anstrengenden Fahrtag gleich noch ein wenig bewegen, müssen nicht spülen, bekommen was warmes zu essen und sogar einen ersten Überblick über das Städtchen, welches wir schon jetzt in unser Herz geschlossen haben. Wenn wir es morgen dann ausführlich besichtigen wollen, wissen wir zumindest schonmal, wo alles ist.

Wir spazieren ein paar Schritte die wirklich schöne Hauptstraße entlang. Der Verkehr ist ruhig, vereinzelt fährt ein Auto vorbei. In dem ein oder anderen Pub ist Leben drin, wobei ich das nicht so meine, wie in einer Londoner Hafenkneipe an den Docks! Dafür ist es viel zu gemäßigt.
Nicht nur wir sind zu dieser Stunde noch mit Kindern unterwegs, auch andere Familien gehen noch spazieren.
Es hat ein wenig was vom Schaulaufen und Genießen, ähnlich wie heute in Weston-Super-Mare.
Nur bodenständiger, ehrlicher!
OK, Karl Lagerfeld würde sich wahrscheinlich, wegen der zahlreichen Jogginghosen hier, entsetzt seinen japanischen Fächer keulikazemäßig in die Augenhöhlen rammen, aber die Engländer lieben offenbar ihren merkwürdig legeren und zwanglosen wie kreativlosen Kleidungsstil und wirken auch als „Fashion Victims“ ganz zufrieden. Aus dem Innern heraus irgendwie und nicht so, wie die touristischen Gegenstücke in Weston- Super- Mare, die ihre „gute Laune“ eher durch Alkohol hervor provoziert haben.
Die Hauptstraße ist jedenfalls eine tolle Flaniermeile, auf der wir gerne auf und ab spazieren!

Für einen längeren Spaziergang fehlt uns die Power! Saft- und kraftlos schleppen wir uns mit der Zunge auf dem Boden in den Fischladen an der Ecke, in dem es zu unserer Überraschung ordentlich brummt! Wir haben Glück, denn eine kleine Reisegruppe macht gerade einen Doppeltisch frei, den wir sofort in Beschlag nehmen können. Das war es auch schon wieder mit freien Sitzplätzen, die allermeisten nach uns müssen mit einem Stehtisch Vorlieb nehmen oder nehmen ihr Essen gleich „take away“ und tragen es in schweren Plastiktüten aus dem Laden.

Wir bestellen zwei große Portionen Fish&Chips, die wir uns mit den Kindern teilen werden. Denn das, was wir an vorherigen Bestellungen haben über den Tresen gehen sehen, reicht für 2 bestellt locker auch für 4! Ich meine ich bin ja wirklich ein guter Esser und das spiegelt sich auch in meinem Regellichtraum wieder, den ich zum Beispiel in einem Türrahmen einnehme. Aber das, was hier teilweise an Gewichtsklassen einige Kampfstärken ÜBER mir hier heute Abend Fisch und Pommes bestellt, dagegen bin ich ein Hänfling. Wir müssen aufpassen, dass es uns nicht auch so geht, offenbar ist der Fisch hier wirklich reichhaltig* (* = also im Sinne von fettig)!

Die Zubereitungszeit dauert nicht lang. Das Fett der Frittiermeile (das sind schon keine Fritteusen mehr…!) ist immer heiß, die Wannen kontinuierlich gefüllt und so funktioniert auch eine zügige Abwicklung.
Zwei heiße Schalen stehen kurz darauf neben kalten Getränken auf unseren kleinen Tischen. Es reicht gerade noch für ein auf zwei Fotos, bevor wir uns über die leckere frittierte Köstlichkeit hermachen! 😀

Mit dem letzten Bissen Fisch bin ich pappsatt und genieße das wohltuende Gefühl, wenn das Zwerchfell vom gefüllten Magen angehoben wird und gegen die Lunge drückt. Um der Homöopathie und natürlichen Heilmitteln statt Rennie den Vorzug zu geben, verteile ich noch großzügig die letzten Reste meiner flüssigen Pflanzenextrakte aus der Coca-Cola Pflanze aus meiner Dose im Magen, dass es bis zum Rülpsen weh tut!
Wow! Was ein Gedicht diese Portion Fish&Chips doch war! Kommt sie an die Portion in Winchester heran? Der Fisch sicher, über die Pommes müsste man streiten. Hier waren sie deutlich krosser, fast zu kross. Beinahe schon „chips“, also Chips aus der Tüte wie aus dem Supermarkt. Nur dicker und gar nicht weich im Innern. Wahrscheinlich waren sie perfekt, um sie in dieser merkwürdigen grünen Tunke oder Creme zu tauchen, wie es zweidrittel der chipskaufenden Gäste hier gemacht haben! Wahrscheinlich entfaltet sich erst mit dieser grünen (minz- oder spinatartigen) Matschepampe ihr wahres Geschmackserlebnis! Wer weiß. Vielleicht wurde deswegen unsere Frage nach Majo nur mit einem Schulterzucken beantwortet? Und sehr wahrscheinlich haben wir durch die mitfrittierten Acrylamide dieser krossen Pommes unsere Lebenserwartung gerade um einige Jahre gedrückt! Aber dennoch und trotz einiger Makel: Das war es wert!

Satt, vollgefressen, innerlich zufrieden, aber auch unsagbar müde spazieren wir die Hauptstraße noch einmal bis zur nächsten Ecke, aber dann war es das. Wir sind satt und müde!

Wir drehen am Wegweiser und dann geht es zurück zum Wohnmobil. Die Sonne geht gerade unter und taucht die Silhouette der Häuser vor sich in eher dunkles Schwarz mit flammenden Hintergrund. Als Pessimist könnte fast meinen, Dantes Inferno sei gerade losgebrochen! Dabei ist es offenbar nur ein ganz gewöhnlicher Abend in diesem englischen Küstendörfchen. Ein wenig liegt Salz in der Luft und es wird auffallend frisch! Ich glaube, wir gleichen gleich alle wunderbar schlafen!

Es fällt uns schwer, uns nach dem Zubettbringen der Kinder nochmals hinzusetzen. Aber wir müssen mal grob überlegen, wie die weitere Tourplanung nun aussehen wird. Morgen früh nach dem Frühstück wollen wir uns natürlich erstmal das Städtchen und natürlich Tintagel Castle erkunden. Vielleicht entdecken wir ja wieder ein paar vermeintliche Hinweise und Spuren, die zum Verbleib des heiligen Grals beitragen könnten!
Dann geht es wahrscheinlich weiter nach St. Ives. Danach wollen wir schauen, ob wir schon Land´s End besuchen können! Haben wir das abgehakt, suchen wir uns wieder einen Campingplatz, wo die Kinder sich wieder etwas mehr bewegen können. Den denen haben wir heute wirklich ein gutes Stück Sitzen abverlangt, was bei uns auch ein schlechtes Gewissen hervorruft. Dann noch ein Stell- statt ein Campingplatz und der auch noch ohne Spielplatz? Das ausgleichende Eis morgen gegen unser schlechtes Gewissen als Eltern ist den Kindern jetzt schon mehr als sicher…
😉

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