Heute ist Halbzeit! OK, von den Urlaubstagen her stimmt das nicht ganz. Wohl aber von den Kilometern her! Denn wenn heute alles glatt geht, werden wir schon heute mit unserem Wohnmobil den historischen Mittelpunkt, den Midpoint der Route 66 in Adrian, Texas, überqueren! Und mehr noch: Anja wünscht sich für ihren morgigen Geburtstag, dass wir diesen am liebsten in Albuquerque verbringen! Damit dies klappt, müssten wir heute knapp 500km fahren! Schwierig wenn man bedenkt, dass wir schon 8 Uhr durch haben und wir neben dem Mittelpunkt auch noch mindestens ein weiteres Unterwegsziel ansteuern wollen. Denn wenige Meilen hinter dem Ortsausgang von Amarillo, Texas, liegt die Cadillac Ranch! Das populärere Gegenstück zur Bug Ranch, die wir vor ein paar Tagen besucht haben und von einem Texas State Trooper beim Graffitisprayen erwischt wurden! Mal sehen, ob uns dieses „Glück“ heute wieder vergönnt ist! 😀
Zum Frühstück gibt es heute übrigens so etwas, wie ein kleines Stückchen Heimat! Und damit meinen wir nicht eine ausdrücklich als „German Salami“ deklarierte Wurst aus unserem Heimatland wie damals bei unserem Roadtrip durch Südengland mit dem Wohnmobil, sondern etwas viel einfacheres. Toast mit Nutella! Nutella gibt es nämlich sogar hier, in den vereinigten Staaten von Amerika! Respekt wenn man bedenkt, dass die USA doch eigentlich eher für ihre Erdnussbutter oder Ahornsirup als süßen Brotaufstrich bekannt sind, oder?
Die Freude des guten Geschmacks wird einzig durch die „Mogelpackung“ getrübt, die die amerikanische Nutella hier vom deutschen bzw. europäischen Pendant unterscheidet. Doch seht selbst:
Zum Glück schmeckt die Nutella hier in den USA eigentlich ganz genau so, wie sie bei uns in Deutschland schmeckt. Muss das BigMac- Phänomen sein, das Ding schmeckt ja auch überall auf der Welt gleich. So oder so, wir lassen uns Zeit mit dem Frühstück und während Anja und ich den Tisch aufräumen und spülen, schicken wir die Jungs noch eine Runde auf den Spielplatz des Campingplatzes. Wird wieder ein langer Fahrtag heute und da sollen die sich wenigstens vorher noch ein wenig betätigen.
Gegen 10 sind wir abreisebereit. Das erste Ziel für diesen Tag, die Cadillac Ranch, liegt nur etwas mehr als 20km und eine gute Viertelstunde weiter westwärts von unserem aktuellen Übernachtungsplatz hier auf der Big Texan RV Ranch entfernt! Für amerikanische Verhältnisse ist das wirklich nur ein Katzensprung, obgleich man selbst dieses kurze Stück natürlich auch einzig nur mit dem Auto fährt. Oder eben in unserem Fall mit dem Wohnmobil!
Kinder eingesammelt, Stecker und Schläuche ab, Slideout eingefahren, wir haben alles! Ganz ehrlich: Die Arbeiten rund um unser dickes Wohnmobil, die wir am ersten Abend noch als Abenteuer gesehen haben, gehen jetzt wirklich bereits völlig routiniert von der Hand. So sehr, dass wir es kaum noch erwähnen brauchen. Um kurz nach 10 sind wir startklar und starten wie die Siedler früher gen Westen! Yee-haw Cowboys! 😀
Die Cadillac Ranch bei Amarillo, Texas:
Infobox Cadillac Ranch in Amarillo, Texas (Westseite)
Wo? Ausfahrt 62A (Hope Road / Helium Road) von der Insterstate 40
Position bei google maps
Eintritt: kostenlos!
Parkmöglichkeit Wohnmobil: Einfach am Straßenrand, kostenfreiWas:
Die Cadillac Ranch ist ein amerikanisches Kunstwerk aus den 70er Jahren. Zehn Cadillacs aus den 1940er bis 1960er Jahren sind hier schräg mit der Schnauze in die Erde getrieben, sodass die Fahrerkabine und das Heck steil empor stehen. Sie orientieren sich im Aufstellwinkel an den Pyramiden von Gizeh und sollen die Freiheit des aufsteigenden Automobils symbolisieren. Fragt uns bitte nicht, warum die Fahrtrichtung selbst dann ausgerechnet so aussieht, als führe die Route geradezu in die Hölle! 😉
Mit den Jahren haben sich die Cadillacs als Anziehungspunkt für Graffitikünstler aus aller Welt entwickelt. Jeder, wirklich jeder sprüht seine persönliche Farb- und Formkombination auf die Autos, die inzwischen mit einer unglaublich dicken Schicht Farbe überdeckt, die wohl selbst an den heißesten und trockensten Tagen niemals wirklich vollends austrocknet…
Deutsche Infos bei Wikipedia: wikipedia.org/Cadillac_Ranch
Schnell erreichen wir die Interstate 40 die hier aus Platzgründen einmal mitten durch Amarillo hindurchführt, als nur wie bei den vielen kleineren Ortschaften drumherum. Zum Glück gibt es keinen Berufsverkehr in Amarillo und falls doch, ist dieser längst vorbei. Wir kommen sehr gut durch an diesem Morgen.
Man hätte übrigens natürlich auch der alten Route 66 folgen und die Stadt selbst durchqueren können. Da wir aber das Vergnügen schon gestern hatten und beim Rangieren durch die Stadt in einer Einbahnstraße gelandet sind, müssen wir dieses Erlebnis heute wirklich nicht unbedingt wiederholen. 😉
Die Cadillac Ranch sieht man wirklich schon von weitem, die Autos recken sich wie zurückgelassene Stachel übergroßer Bienen buchstäblich aus der rundherum platten Erde und weiten Prärie heraus in den Himmel. Man kann sie fast unmöglich verfehlen, egal aus welcher Richtung man auf der Interstate 40 auf sie zufährt.
Wir nehmen die Abfahrt von der Interstate und folgen den anderen Autos an diesem Morgen, denn die kleine Sehenswürdigkeit ist recht gut besucht. Parken ist dennoch kein Problem, man stellt sich einfach an den Straßenrand der Parallelstraße zum Highway. Machen alle so.
Sorge macht mir allerdings, dass auch wirklich alle hier mit einer Spraydose herumlaufen! Gut, wir natürlich auch gleich. Aber was ist, wenn ein junger Heißsporn seine Finger nicht im Zaum halten kann und in Anbetracht der übergroßen „Kunstfläche“, die unser Wohnmobil rechts und links an den Seitenwänden bietet, ein spontanes Kunstwerk quasi im Vorbeigehen an die Wand wirft?! 😮
Das Schild, welches jegliches Graffiti und Farbspielereien jenseits des Zauns verbietet, wird ihn wohl kaum davon abhalten, oder?
Nützt ja nix, ich kann ja jetzt schlecht noch weiter abseits parken (was der gemeine Sprayer ja erst Recht als Herausforderung ansehen würde), noch kann ich die Cadillac Ranch ja einfach ausfallen lassen oder nur Anja mit den Kindern gehen lassen! Also schließen wir alles ab und legen ein paar Spielsachen vorne in den sichtbaren Bereich des Armaturenbretts in der Hoffnung, dass ein potentieller Sprayer Mitleid mit einer Familie hat und deren Werte nicht mutwillig zerstört.
Kaum sind wir durch das große Gatter auf die andere Seite des Zaunes geschlüpft, sehen wir natürlich die zahlreich vertreten übrigen Besucher der Ranch und natürlich die Cadillacs. Aber da ist noch etwas, was wir in der Ferne rund um die Fahrzeuge erspähen. Was ist das?! Silberne, schillernde Steine?
Als wir näher kommen, trifft uns fast der Schlag! Das sind Hunderte leerer Spraydosen! Fast so weit das Auge reicht.
U N G L A U B L I C H !!!
Die werfen ihre Dosen, wenn sie fertig mit Sprayen sind, wirklich einfach in die Prärie!
Dabei stehen vorne am Eingang zwei riesige Container, wo man seine Dose auch ordentlich entsorgen kann, wenn man sich an einem der Cadillacs ausgetobt hat.
Ich weiß nicht, was morbider auf mich wirkt. Die stummen wie schrillen in die Erde gesteckten Autos oder der Haufen Altmetall, der hier in der sengenden Sonne vor sich hin oxidiert!
Wir wenden uns den Autos zu und suchen uns einen Cadillac raus, der gerade nicht von Besuchern belagert und besprayt wird. Die Farbschicht auf dem Teil ist wirklich unglaublich! So fett, dass man filigrane Details überhaupt nicht mehr erkennen kann. Nur noch ein fetter Klumpen Farbe, der durch jede neu aufgetragene Schicht die Dicke weiter erhöht. Auch bildet die Farbe jedes Mal Nasen, die unweigerlich an eine bunt schillernde und von Menschen gemachte Tropfsteinhöhle erinnern! Farbstalaktiten, die bei gleichbleibender Farbbeigabe sicherlich in hundert Jahren bis auf den Boden reichen werden!
Was würde wohl passieren, wenn man die Farbe mal professionell, zum Beispiel mit einem Sandstrahler, entfernt! Würde unter der zentimeterdicken Farbkruste überhaupt noch Metall zum Vorschein kommen? Oder ist das ursprüngliche Auto aus Metall längst weggerostet und die Farbe ist, wie bei einer gehäuteten Schlange, als stumme wie leere Hülle zurückgeblieben?
Faszinierend!
Von den Reifen ist übrigens auch nur noch eine regelrechte Schwarte übrig! Ebenfalls mit Farbe bis zur Unkenntlichkeit bedeckt.
Wir drücken unseren Jungs wieder die Farbdosen in die Hand, dann dürfen sie sich wieder austoben. Die Farbe der Vorgänger ist zwar noch nicht ganz trocken, aber nützt ja nichts. Den Kunstwerken der Kinder räume ich sowieso nur eine Halbwertszeit von wenigen Minuten ein. Man erkennt am Horizont, dass der Besucherstrom zunimmt und sich mehr und mehr Autos am Parkplatz einfinden.
Geschätzt hat hier jeder zweite eine Spraydose in der Hand…
Mit etwas Abstand wirkt die Szenerie aus Cadillacs, aber ganz besonders durch den Müllkontrast der hunderten leeren und achtlos in die Prärie weggeworfenen Dosen noch immer auf eine morbide Art wie eine Szene aus dem ersten (bzw. vierten) Star Wars Teil, genauer an die unendlichen Weiten auf dem Wüstenplaneten Tatooine. Genauer an irgendein verlassenes Schrottfeld in der Nähe von Mos Eisley. Gleich wird Anakin Skywalker um die Ecke kommen und die Dosen zusammenklauben, um damit einen neuen Podracer zu bauen…
Unsere Spraydosen sind übrigens noch knapp zur Hälfte gefüllt, als wir unser Kunstwerk vollendet und die Kinderhände für die nächsten Tage unvorzeigbar mit Farbe verziert haben. Was tun? Wegwerfen (am Container vorne natürlich!) wäre eine Idee. Denn mit nach Hause nehmen werden wir die Dosen auf keinen Fall und ob wir diese auf der Reise noch einmal verwenden können, ist auch mehr wie fraglich.
Bevor wir sie aber halbvoll entsorgen, machen wir anderen eine Freude damit. Während der ganzen Zeit unseres Besuchs hier haben wir immer Leute, besonders Kinder und Jugendliche, durch das riesige leere Dosenfeld haben gehen sehen, die sich in gebückter Haltung so ziemlich jeder Dose angenommen haben. Hochgehoben, geschüttelt, als leer eingestuft und wieder fallen gelassen. Ganz klar, die wollen auch sprayen, haben aber keine eigenen Dosen dabei und suchen jetzt welche, wo vielleicht noch ein kleiner Rest rauszuquetschen sein könnte. Eigentlich müsste ich ja unsere Dosen lieber doch entsorgen. Denn mit der Sorglosigkeit, mit der die Amis die Dosen aufheben, prüfen und eben auch gleich wieder wegwerfen ist es sehr wahrscheinlich, dass unsere Dosen, wenn sie später leer sind, ebenfalls Teil dieses noch immer unglaublichen Dosenfeldes werden.
Wir geben die Dosen einem etwa 10 jährigen Jungen und einem etwas älteren Mädchen, nachdem wir uns mit einem dieser wortlosen Blicke, die nur Eltern verstehen, bei der Mutter des Mädchens rückversichert haben, dass die beiden die Dosen auch wirklich haben dürfen, an die nächsten Künstler weiter. Ich hatte kurz überlegt, ob ich sie um das Entsorgen der Spraydosen nach dem Sprühen bitte. Aber ich hab‘s dann doch gelassen. Wir sind nicht die moralische Weltpolizei. Da müssen die Amis schon selbst drauf kommen, dass man die Dosen hier nicht einfach aufs Gelände wirft…
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Zurück am Wohnmobil geht es gleich weiter. Bevor einer der umherstromernden Hobby- Graffitikünstler doch noch auf andere Ideen kommt und unser zum Glück bislang unbeschadetes Wohnmobil verzieren möchte. Auch ist es bereits spät! Die Uhr zeigt viertel nach 11 und wir haben bis Albuquerque noch über 400km vor uns!
Wir wollen gerade losfahren, da schrillt unser Handy ungewöhnlich laut und in einem unbekannten Ton. Nanu? Ein Blick auf das Handy überrascht uns! Eine Warnmeldung über eine Kindesentführung! Komplett mit Kennzeichen und Fahrzeugbeschreibung. Und dies nicht nur in englisch, sondern sogar direkt auf deutsch! Wow. Mir wäre nicht bekannt, dass wir bei uns in Deutschland eine solche Push- Nachricht einfach so aufs Handy geschickt bekommen könnten. Von wegen Datenschutz und so. Wenn aber genau in diesem Moment ein silberner Chevy Suburban mit dem gesuchten Kennzeichen vor uns herfahren würde und wir durch nur einen Anruf bei der Polizei eine mögliche Kindesentführung verhindern können, wäre der Datenschutz nicht nur zweitrangig, sondern ehrlich gesagt schei**egal!!
Richtig klasse ist das! Klar, dass wir die Augen aufhalten…
Mittelpunkt der Route 66 in Adrian, Texas am Midpoint Café
Über die weite Strecke bis nach Albuquerque für den heutigen Tag tröstet uns die Tatsache hinweg, dass wir den globalen Mittelpunkt dieser ganzen Reise, den Mittelpunkt der Route 66 am Midpoint Café, bereits in etwa 70km erreichen werden! Wow! Gemesssen an der uns für diesen Roadtrip mit dem Wohnmobil zur Verfügung stehenden Zeit, heute ist ja Donnerstag, wir haben das Wohnmobil vor 6 Tagen übernommen, haben wir einen ganzen Tag im Haben. Zurückgeben müssen wir das Wohnmobil erst nächste Woche Freitag! Jetzt könnte man natürlich sagen, wir seien mit nur einem Tag Puffer knapp in der Zeit! Das würde auch stimmen, wenn wir mit dem Wohnmobil wirklich bis zum „End of the trail“ nach Los Angeles bzw. zum Santa Monica Pier fahren würden! Das tun wir aber nicht! Wir geben das Wohnmobil ja schon in Las Vegas ab und verlängern die Reise im Anschluss mit einem Mietwagen, der uns von Las Vegas nach Los Angeles bringen wird. Es sind also mindestens zwei Tage, die wir der Planung voraus sind. Ein guter Grund, auch heute wieder die Räder rollen zu lassen und das Wohnmobil bis Albuquerque zu steuern, mindestens aber die Grenze nach New Mexico zu überqueren! Nach Illinois, Indiana, Missouri, Arkansas und Oklahoma der sechste Bundesstaat der vereinigten Staaten von Amerika auf dieser Reise!
Während wir noch darüber sinnieren, was wir mit der gewonnenen Zeit alles in Las Vegas anfangen werden, erspähen wir auch schon die Ausfahrt 23 voraus! Das ist Adrian in Texas, hier macht die Interstate 40 einen Schlenker und gibt, zwischen zwei Ausfahrten, wieder ein ganz kleines Stück der historischen Route 66 preis. Der Rest der alten Route ist in diesem Abschnitt quasi unter dem Highway der modernen Interstate 40 verschwunden.
Infobox Midpoint Route 66 / Midpoint Cafe
„Wenn Sie hier stehen, haben Sie die Hälfte bereits geschafft!“
Dieser paradoxe Satz stimmt auf bestechende Art und Weise, denn laut historischer Routenführung sind es von hier sowohl nach Chicago wie auch nach Los Angeles jeweils genau 1.139 Meilen, also etwa 1.830 Kilometer.
Diese geografische Besonderheit machte man sich natürlich schon früh zu eigen, das am Mittelpunkt angesiedelte Midpoint Café ist seit 1928 in Betrieb! Wie fast allen historischen Gebäuden und Einrichtungen an der Route 66 begann der Niedergang mit dem Ausbau und Inbetriebnahme der Interstate Anfang der 70er Jahre.
Erst mit der „Renaissance der amerikanischen Automobilgeschichte“ in den 90er Jahren lebte auch das Café wieder auf, es folgte die touristische Kommerzialisierung durch Inbetriebnahme eines Souvenirshops auf Basis des aufflammenden „Route 66 Hypes“.Einen weiteren Anschub erhielt das Café bzw. der Midpoint durch den Disney / Pixar Film „Cars“. Auch das am Midpoint angesiedelte Dörfchen Adrian diente Anfang der 2000er Jahre den Filmemachern von „Cars“ während Ihres Besuchs hier als Inspiration zur Darstellung des Filmschauplatzes „Radiator Springs“, welches ebenfalls als „Mittelpunkt irgendwo im Nirgendwo“ illustriert wird.
Bei unserem Besuch mussten wir leider zu unserer absoluten Überraschung feststellen, dass das Midpoint Café leider geschlossen war! Und dies wohl auch schon länger! Denn der Zettel im Schaufenster, dass „für diese Saison“ leider das Café geschlossen bleibt, stammt noch aus dem Vorjahr 2017!
Sehr schade! Besonders weil gerade dieses Café den Anspruch hatte, seit dem ersten Betriebstag mehr oder weniger „durchgängig geöffnet“ gewesen zu sein. Selbst unser Reiseführer erwähnt dieses wichtige Detail.
Neben dem Cafe und der nicht mehr in Betrieb befindlichen Tankstelle findet sich natürlich fotogerecht eine markante Markierung des Mittelpunkts auf der vierspurigen Straße sowie ein Holzgerüst, welches die Entfernungen in beide Richtungen zu den Endpunkten markiert und eben ideal als Fotomotiv herhalten kann.Koordinaten / Standort auf google maps
Infos in der Wikipedia (englisch): Midpoint Route 66
Noch bevor wir den Midpoint selbst erreichen, entdecken wir auf der linken Straßenseite eine alte und längst stillgelegte Philips 66 Tankstelle. Ein perfektes Fotomotiv für das moderne aber auch spritschluckende Wohnmobil im Vordergrund und alten verrosteten Zapfsäulen als Background, aus denen garantiert kein Sprit mehr fließen wird. Erinnert uns unwillkürlich an „Ausgebrannt“ von Andreas Eschbach. Diese Tankstelle wäre ein ideales Cover für das Buch gewesen!
Wir stoppen für ein Foto passabel an der Zapfstelle, dann schaue ich vorsichtshalber nach, dass wirklich kein Sprit mehr aus der alten Zapfpistole schießt. Sicher ist sicher. Dann reiche ich sie Nils und fordere ihn auf, das Wohnmobil doch endlich mal vollzutanken! Der geht gleich mit Elan an die Sache! Toll dieses Amerika! Ich meine wo sonst auf der Welt haben Kinder mal die Möglichkeit, an einer echten Tankstelle zu spielen! In Deutschland hätten wir einen 2m hohen Bauzaun um das Areal…
Auch Nils gelingt es natürlich nicht auch nur einen einzigen Tropfen aus der Pistole zu lutschen. Dennoch reicht das Tanken spielen für ein paar kurzweilige Minuten.
Ein paar Hundert Meter voraus kann man schon den eigentlichen Midpoint sehen. Eine fette Markierung ist auf die Reste der ehemaligen Interstate bzw. der hier vierspurigen Route 66 gemalt, die den Mittelpunkt deutlich markiert. Die Breite der Straße und auch die Dichte an ehemaligen Tankstellen (in der Ferne am Midpoint steht noch eine, allerdings inzwischen ebenfalls verlassen) lässt erahnen, was hier früher für ein Verkehr geherrscht haben muss. Nun, heute ist davon wirklich nichts mehr übrig! Während der ersten Viertelstunde, die wir nun schon am Midpoint verbringen, ist noch kein einziges Auto auf der Straße an uns vorbei gefahren. Weder nach Osten, noch nach Westen.
Am echten Midpoint angekommen parken wir das Wohnmobil natürlich einfach auf der Straße. Wir könnten es wahrscheinlich sogar quer zur Fahrbahn AUF die Mittelmarkierung positionieren, es würde niemanden stören! Krass, wie wenig hier los ist! Dabei ist das doch einer der eher bekannteren Ziele auf der Route 66, oder?! Zumindest weiß nicht nur unser Reiseführer oder das Sehenswürdigkeitenportal im Internet hierzu ausgiebig Auskunft zu geben, auch in Gruppen und Foren hatten wir immer wieder von diesem Mittelpunkt gelesen. Ein erhebendes Gefühl, dass wir hier nun selber stehen! Besondere geografische bzw. markante Punkte ziehen mich immer wieder an! Egal, ob nun das Nordkap in Norwegen, das Südkap oder das Westkap in England, der Punkt in Dänemark, wo bei Skagen die Ostsee und die Nordsee aufeinander treffen oder auch wo die Grenze zwischen Mittelmeer und Atlantik verläuft. Mittelpunkt der Route 66? Abgehakt!
Für ein schönes Erinnerungsfoto stellen wir uns natürlich gleich an die Infotafel, es fehlt eigentlich nur eine ordentliche Jury, die uns für unsere Leistung es hier her geschafft zu haben feierlich eine Urkunde und einen Orden überreicht.
😀
Da noch immer keinerlei übriger Autoverkehr zu erkennen ist, dürfen jetzt auch mal die Jungs ans Steuer! Natürlich nicht alleine, aber zumindest mit ein bisschen Hilfe von Papa ans Lenkrad. Wir fahren für die nachgestellte Szene dieses historischen Moments, wo wir über diesen geografisch markanten Punkt fahren ein kleines Stück zurück bis etwa zur alten Tankstelle. Dort wende ich und dann fahren wir ein weiteres Mal auf den Mittelpunkt zu. Dabei filmt Anja unsere Überquerung des Mittelpunkts mit dem Wohnmobil von außen und ich von innen.
Mit Bildern und Filmen im Kasten spazieren wir noch ein paar Schritte auf der einsamen Hauptstraße entlang. Besonders Anja freut sich jetzt auf ein richtig leckeres Stück hausgemachten Midpoint- Kuchen, welchen der Reiseführer in den höchsten Tönen lobt!
Leider ist die Enttäuschung groß, als wir am Midpoint Café vor verschlossenen Türen stehen! „Diese Saison leider kein Betrieb, vielleicht demnächst wieder!“ klärt uns ein Schild auf! Das ist beachtlich wenn man bedenkt, dass das Schild bereits aus dem Vorjahr 2017 stammt! OK, das kam zwar unerwartet, aber auch nicht wirklich überraschend. Ich meine hier ist ja auch noch immer absolut nichts los! Niemand verirrt sich nach Adrian, Texas, niemand scheint für diesen Moment der historischen Einkehr an diesen markanten Punkt die Route 66 verlassen zu wollen! Spontan wird uns klar, warum die Macher des Disney- Films „Cars“ auch hier in Adrian waren und der Ort mit die Vorlage für das fiktive „Radiator Springs“ als verlassenes Nest irgendwo neben der Interstate im Film gewesen ist. Schade ist es trotzdem! Besonders wenn man bedenkt, dass ausgerechnet das Café sich damit brüstete, das durchgehend am längsten geöffnete Café auf der Route 66 gewesen zu sein.
Auch der angeschlossene Souvenirshop ist natürlich geschlossen. Uns bleiben lediglich ein alter Ford und ein International KB 2 Truck, um noch ein paar Fotos zu machen.
Ansonsten können wir nichts weiter machen, als gegen halb 1 wieder auf die Interstate zu fahren.
Bis Albuquerque sind es noch 233 Meilen…
Es dauert keine Viertelstunde, dann sind wir wieder drin im Interstate- Trott! Rechts ist weite Prärie unter blauem Himmel. Links ist weite Prärie unter blauem Himmel! Vor uns voraus ist der Highway unter blauem Himmel, der in der Weite der Prärie ganz in der Ferne voraus zu enden scheint. Einzige Abwechslung ist eine einzige Wolke, die uns auf dem Weg zu begleiten scheint bzw. in die gleiche Richtung zieht. Denn egal, wie sehr wir auch Gas geben, wir scheinen uns ihr einfach nicht zu nähern.
Zum Glück können wir der Lethargie, die gerade nach uns greifen möchte, gerade noch entkommen! Denn wirklich unmittelbar vor der Grenze nach New Mexico, wir können das markante gelbe Schild auf der Interstate schon sehen, verlassen wir an der Ausfahrt Glenrio ein weiteres Mal die Interstate, um eine historische Sehenswürdigkeit auf der alten Route 66 zu besuchen.
Das Geisterdorf Glenrio an der Route 66
Infobox Geisterdorf Glenrio an der Route 66 (Grenze Texas / New Mexico):
Glen Rio bedeutet eigentlich „kleines Tal am Fluss“. Romantische Bezeichnung wenn man bedenkt, dass von einem idyllischen Tal am Wasser eigentlich kaum etwas zu sehen ist. Würde das Schild nicht dran stehen, Glenrio wäre ein ebenso staubtrockener Ort in der Prärie wie der 10 Meilen zuvor beim Midpoint. Dennoch hat Glenrio eine erstaunliche Geschichte zu bieten, denn der Grenzort zwischen Texas und New Mexico war zu Zeiten der Route 66, die mitten durch den Ort durchführte, ein fast ebenso beliebtes Zwischenziel auf dem Weg von Ost nach West oder eben von West nach Ost. Sogar eine Zeitung wurde hier von 1910 bis 1934 herausgegeben! Und so, wie der Ort derzeit ausschaut, würde es uns nicht wundern, wenn noch vereinzelte Exemplare hiervon hier zu finden sind. Denn alles ist tot und verwaist! Verriegelt und verrammelt. „Beware of the Dogs“- Warnschilder unterstreichen bedrohlich mit einem im Hintergrund gut wahrnehmbaren Bellen wütiger Hunde ein eher touristenfeindliches Ambiente an einigen Häusern, besonders am alten Motel nebst Tankstelle. Vielleicht waren es auch einfach zu viele Touristen, die sich an der postapokalyptischen Endzeitszene des Örtchens, die durchaus für jeden Walking- Dead– Film reicht, nicht satt genug sehen konnten und den genervten Anwohnern buchstäblich auf den Frühstückstisch gestiegen sind. Wie auch immer, der Touristenstrom trifft sich heute mehrheitlich mitten auf der Hauptstraße vor dem Motel, ganz in Reichweite der Interstate, dessen Bau wie auch schon in Adrian am Mittelpunkt für den Niedergang des Örtchens gesorgt hat und dem zweifelsohne auch das Revival und die Nostalgie der Old Mother Road nicht zu neuem Glanz verhelfen konnte.
Erwähnenswert ist sicherlich noch, dass passenderweise hier in Glenrio einige Szenen des Klassikers „Früchte des Zorns“ mit Henry Fonda gedreht wurden.Aber auch dieser Hollywood- Glanz ist inzwischen verblasst. Heute kann man dem Steppengras beim müden Überqueren der Straßen zuschauen. Das heißt natürlich nur, wenn man kein Auto im Weg steht! Denn Glenrio ist einer der wenigen Orte, wo es wirklich niemanden zu stören scheint, dass man sein Auto hier nicht wirklich parken muss. Man lässt es einfach stehen, „verliert“ es quasi beim Aussteigen mitten auf der Straße und dennoch wird wirklich niemand behindert! Allein die schiere Breite eben jener vierspurigen Hauptstraße lässt erahnen, was hier früher für ein Verkehr und Leben gewesen sein muss.
Anja dreht mit Nils eine Runde um das Areal, um ein paar Schnappschüsse der verfallenen Häuser einzufangen. Ich bleibe derweil beim Wohnmobil zurück, da Tim auf den knapp 20 Kilometern von Adrian nach Glenrio eingeschlafen ist und wir ihn nicht alleine im Wohnmobil zurücklassen können. Er wacht zwar ein paar Minuten später auf, aber Anja hinterher suchen mag ich dann auch nicht. Zu bedrohlich sind die zahlreichen „Private Property“, „Keep out“ und „Beware oft the Dog“- Schilder, die, untermalt durch stetes Hundegebell in der Ferne, einen wenig einladenden Eindruck machen. Aber die surreal breite Hauptstraße durchstromern Tim und ich. Faszinierend, wie unser fettes Wohnmobil am Straßenrand regelrecht untergeht. Selbst, als wenig später ein zweites Wohnmobil vom Vermieter Roadbear hinter uns parkt, dominiert noch immer der Asphalt. Tim hat sichtlich Spass daran, die überbreite Hauptstraße zu seiner persönlichen Runway zu machen und eine Runde Flugzeug zu spielen. Lang genug ist die Startbahn hierfür zweifellos.
Sichtlich fasziniert kommen Anja und Nils zurück von Ihrer Exkursion. Ein paar interessante Bilder hat sie mitgebracht. Das alte Motel bietet einige noch begehbare Räume und Zimmer. Jetzt, bei Tageslicht kann man sich diese Räumlichkeiten natürlich mit Faszination und Neugier anschauen. Die typische Morbidität eines „Lost Place“ eben! Am Abend aber, den Schauer spürt man selbst jetzt am hellichten Tage, möchte hier wohl niemand freiwillig verweilen! Hat was vom Bates Motel und Alfred Hitchcocks „Psycho“!
Schade, dass die Häuser einfach so verfallen! Hier fehlt die Initiative einer Art „Heimatverein“, der uns die Geschichte des Ortes und ganz besonders des Hotels ein wenig näher bringen würde. Eine Infotafel würde schon genügen. Andererseits ist es gerade so, wie es jetzt ist, einfach authentischer…
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Ein kleines Stückchen geht es nach Osten, bis wir vor der Grenze zu New Mexico wieder auf die Interstate 40 auffahren.
Und dann ist es soweit! Der nächste Bundesstaat auf dieser Reise liegt vor uns! Für einen Moment ist die Tristesse der jähen Autobahn vergessen und Euphorie umgibt uns. Der wilde Westen! Schon in Texas omnipräsent, jetzt in New Mexico wird dies nochmals intensiver! Wir freuen uns auf Albuquerque und etwas mehr spanischen Einfluss hier in Amerika. NEW Mexico, das ist ja praktisch fast wie Mexico, oder? Olé! 😀
Mit der Grenzquerung nach New Mexico gilt übrigens die Mountain Time Zone! Von Bergen ist hier zweifelsohne nichts zu sehen, aber die Uhr wird hier in der Mountain Time Zone wieder mal um eine Stunde zurückgestellt! Fast wie in Zurück in der Zukunft! Um halb 2 in Texas losgefahren, werden wir den nächsten Ort auf unserem Weg nach Albuquerque, den kleinen Ort Tukumkari (das ist die nächste größere Siedlung auf der Route und bietet sich für ein kleines Mittagessen an), in etwa einer Stunde um halb 2 erreichen. Perfekt! So macht Urlaub Spaß! Man sieht was von der Welt und die Zeit scheint dabei stillzustehen. 😀
New Mexico überfüllt nochmals unsere Erwartungen an das, was wir intuitiv mit dem „wilden Westen“ verbinden. Auch hier ist es völlig egal ob du nach rechts schaust, oder nach links. Es ist Prärie überall! Keine Chance, hier auch nur ansatzweise fruchtbaren Boden zu finden. Es ist nur Sand überall, Dürre, Steppe, graue, gelbe und rote Erde, maximal hier und da bedeckt mit etwas Steppengras und kleinen grünen Tupfern. Dazu dieser gigantische Weitblick nach vorn! Man bewegt sich zwar irgendwie (was uns der mehrfache Blick auf den Tacho auch belegt), aber ob man jetzt oder 10 Minuten später nach vorne schaut, das Panorama bleibt stets das Gleiche! Unglaublich diese Weite! Die USA sind wirklich das gefühlt größte Land der Welt.
Einzig unangenehm ist der stetig wie böig von schräg vorne pustende Gegenwind! Wir müssen unserem Zehnzylinder wirklich ordentlich Sprit spendieren, um vorwärts zu kommen. Gleichzeitig muss man schon orentlich nach links lenken, damit das Wohnmobil geradeaus fährt! Keine schöne Sache.
Mexikanisches in Tucumcari
Die Pause in Tucumcari, die wir jetzt einlegen und mal schauen, ob wir etwas zum Mittagessen bekommen, kommt wie gerufen. Mit etwas Glück entdecken wir ein schönes Touristenörtchen zum Bummeln und speisen, während der Wind am liebsten abflaut.
Infobox Tucumcari, New Mexico, an der Route 66:
Tukumkari bietet zwei wesentliche Highlights. Zum einen ist es sehr farbenfroh! Ein „typisch mexikanischer“ Touch durch bunt bemalte Fliesen und Kacheln ist unverkennbar. Besonders farbenfroh wird Tukumkari allerdings erst so richtig in der Nacht, wenn zahlreiche Neonreklamen die nächtlichen Straßen erhellen und damit einen Hauch von Las Vegas versprühen.
Zweitens ist der Ort ein durch die Route 66 beliebter Anziehungspunkt. Selbst in der Zeit, als die Interstate dem nüchternen Vorwärtskommen der Route zeitweise den Rang ablief, konnten sich hier einige Motels der „guten alten Zeit“ gegen den Trend des Aussterbens und sogar später gegen den gegenteiligen später aufkeimenden Trend der Route 66-Nostalgie und den damit verbundenem Aufkommen der Motelketten erfolgreich wehren.
Beides bleibt uns leider verborgen. Für die Neonlichter müssten wir über Nacht bleiben und ein authentisches Route 66 Motel aus den 50er Jahren macht mit einem Wohnmobil unter dem Hintern ebenfalls wenig Sinn. Wer aber Touristenörtchen mag und auf kitschige Souvenirs steht, für den lohnt hier ein Stopp!
Auch Tukumcari kann seine Herkunft als autofahrende Stadt einer autofahrenden Nation nicht verleugnen. Wie im ausgestorbenen Glenrio sind die Straßen hier unglaublich breit und es ist für uns wieder einmal ein leichtes, unser fettes Wohnmobil quasi an jeder Straßenecke zu verstecken. Hatten wir im Vorfeld unserer Reise doch einige Bedenken, ob wir mit dem Wohnmobil auch wirklich „mobil“ sein würden, zerstreuen sich diese Sorgen an Orten wie diesen eigentlich sofort. Überhaut kein Vergleich zu Deutschland. Oder irgendeinem anderen Land in Europa, welches wir bislang bereist haben.
An einem nett aussehenden Souvenirshop mit HotRod und Truck als Eyecatcher am Wegesrand wollen wir anhalten und brauchen wirklich nur einmal rechts in eine Seitenstraße einbiegen und können dort einfach unser großes Roadbear- Wohnmobil rechts am Straßenrand abstellen. Auch auf der Hauptstraße wäre dies übrigens möglich gewesen. Aber in einer Seitenstraße ist es ruhiger und wir können besser aussteigen, die Straße besser überqueren und sogar noch ein paar Bilder mit unserem schicken Roadbear- Wohnmobil im Hintergrund machen:
Das Teepee Curios welches bei der Vorbeifahrt unsere Aufmerksamkeit erregt hat, entpuppt sich als urgemütlicher Souvenirladen mit wirklich sehr annehmbaren Preisen (wie wir später im weiteren Verlauf der Reise noch merken werden).
Wir probieren viel aus! Von Hüten über Shirts, Caps und sogar Schuhe. Selbst Spielzeug für die Kinder findet sich hier, dazu viele Stücke mit indianischem und/oder mexikanischem Touch. Totems, Kopfschmuck, Traumfänger, aber auch Totenmasken (vom Dia de Muertos), Tellerchen, bunte Kacheln und Fliesen. Ein wirklich schöner Laden mit einem kleinen, gedrungenen Verkäufer, der in einem Westernfilm aus den 50er Jahren der „typische Mexikaner“ wäre.
Wir kaufen mehr, als wir eigentlich ausgeben wollten. Aber allein schon Partnerlook- T- Shirts für die Jungs und mich im Route66- Look, die dürfen wir auf keinen Fall liegen lassen!
Herrlich hier! Wer hier durchkommt, der darf ruhig mal in den Laden reinschauen. Für das Stöbern hier lohnt sich sogar die Abfahrt von der Interstate!
Unsere Idee hier in Tukumkari Mittag zu essen geht übrigens voll in die Hose! Fast schon einfältig unterstellen wir auch Tukumkari, dass es eines dieser typischen amerikanischen Kleinstädte neben der Interstate ist. Das heißt die Interstate fährt in einem Bogen um den Ort herum und es gibt einen östlichen Zugang von der Interstate und einen aus westlicher Richtung. Üblicherweise reihen sich dann die Fressbuden, Tankstellen und Motels aller modernen Ketten rund um diese beiden Ausfahrten von der Interstate an.
Zu unserer Überraschung entdecken wir jedoch an der westlichen Zufahrt zum Highway leider gar nichts davon! Keine einzige Fast- Food- Schmiede! Kein Tacco Bell, kein Dennys, kein Popeyes, kein Jack in the Box, kein Wendys, kein Burger King, ja nicht einmal einen McDonalds! Was ist das denn bitte?
Auch die Tankstellen, die sich für gewöhnlich rund um die Ausfahrt befinden, fehlen fast vollends! Das heißt FAST! Denn das es hier mal das übliche Dreieck aus Motel, Fressbude und Tanke gab, das sehen wir an einer aufgegebenen Tankstelle der Kette Shell!
Gut, eine aufgegebene Tankstelle ist für deutsche Verhältnisse sicherlich total ungewöhnlich, hier an Amerika haben wir uns aber inzwischen daran gewöhnt. Allerdings mit der Ausnahme, dass die aufgegebenen Tankstellen allesamt so aus den 50er bis 70er oder vielleicht noch 80er Jahre stammen. Also gut und gerne 30 Jahre und älter sind. Die aufgegebene Shell- Tankstelle hier sieht aber nicht so aus, als hätte als einer der letzten ein Michael Knight mit seinem K.I.T.T. dort getankt!
Wäre der Bewuchs nicht so erheblich und die Tanke so verfallen, man könnte meinen die wäre erst letzte Woche eröffnet worden! Und steht jetzt schon wieder leer. Wahnsinn! Gebaut, nicht rentiert und dann lassen die das einfach so stehen und geben es dem automobilen Zerfall preis! So muss eine post-erdöllose Welt aussehen, die Andreas Eschbach in „Ausgebrannt“ beschrieben hat…
Bei dem Anblick wundert uns einmal mehr, dass die sonst übliche Infrastruktur auf jeder Seite der Stadtabfahrt von der Interstate offenbar gab, aber ausgerechnet hier in Tucumcari an der Westzufahrt eben aufgrund mangelnder Rentabilität aufgegeben wurde. Warum nur?!
Erst später beim Blick auf die Karte in google Maps wird uns auffallen, dass Tukumkari die berühmte Ausnahme der Regel ist. Denn neben den obligatorischen östlichen und westlichen Zufahrten hat Tukumkari noch eine dritte, südliche Zufahrt im Zenit des Interstate- Bogens. Und um diesen, und NUR um diesen, reihen sich hier benannte Burgerketten. SO EIN MIST! Wir hätten vorhin auf der Hauptstraße (Tucumcari Boulevard) links auf die 209 / South 1st Street abbiegen müssen, um an der südlichen Interstate- Auffahrt alles das vorzufinden, was unserem Gaumen beliebt. Pech!
Wir könnten natürlich drehen!
Aber frei dem Motto: „Go West!“ und „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ fahren wir jetzt auch die Interstate 40 weiter durch. Da bin ich jetzt dickköpfig! Wird schon was kommen…
Was kommt ist leider keine Frittenschmiede, sondern Wind! Wieder einmal! Und er bläst uns heftiger entgegen, als noch vor Tucumcari. Wir haben jetzt wirklich alle Mühe und gegen den fast sturmartigen Gegendruck fortzubewegen. Ich trete das Pedal unseres Wohnmobils bis zum Bodenblech bereits durch, dennoch versucht die Automatik regelmäßig zurückzuschalten, weil wir die Geschwindigkeit im höchsten Gang einfach nicht gehalten bekommen! Wer hätte das gedacht! Das fette amerikanische Wohnmobil seinem 10- Zylinder und 300 PS hat Probleme vorwärts zu kommen! Unweigerlich fühle ich mich fast schon an die Fahrt nach Dänemark seinerzeit mit unserem alten Wohnmobil erinnert. Da hatten wir auch fett Gegenwind und kamen kaum über 80 km/h bei Vollgas. Aber das Teil hatte bei 3 Tonnen Gewicht auch nur 75 PS aus 2,5 Litern Hubraum mit 4 Zylindern. Und hier?!
Unser Kampf gegen Odins Kräfte kostet Energie! Sehr viel Energie!
Unser Brennstoffvorrat geht unweigerlich zur Neige und da wir ja auch das Mittagessen verpasst haben, fahren wir gegen halb 3 Ortszeit in Santa Rosa von der Autobahn ab. Laut Google Maps liegt hier ein Autohof und ein Fastfood- Restaurant findet sich hier auch.
Kaum sind wir von der Autobahn abgefahren, erschlägt uns die amerikanische Logistik! Wahnsinn was hier an LKW umher rangiert! Unser erster Versuch an einer Philips 66 zu tanken schlägt gnadenlos fehl. Zu lang ist die Schlange, zu viel Rückstau bis auf die Straße von LKW und PKW gleichermaßen. Aber haben wir bei der Abfahrt nicht oberhalb der Straße eine Loves gesehen?! Also wenden wir neben der Tankstelle und fahren das kleine Stück zurück. Im Schatten einer Felsenkuppe entdecken wir dann eine Tankstelle der Kette Pilot, gleich daneben auch die Loves. Und als Sahne auf dem Schokoeis gehört zur Tankstelle auch eine Filiale der Burgerkette „Carls Jr.“!
Bei diesem Namen handelt es sich offenbar um einen alteingesessenen Familienbetrieb, wo Vater und Sohn in nunmehr zweiter Generation (mindestens) traditionelle amerikanische Burgergerichte mit viel Liebe und Herzblut zubereiten. Das müssen wir als Touristen natürlich probieren! 😀
Und ja, auch wenn das Loch im Tank riesengroß ist, das Loch im Bauch ist größer! Und so suchen wir uns im authentischen Fernfahrer- Restaurant von Carls Jr. einen Platz und bestellen ein paar leckere Burger.
Schon als wir das Restaurant betreten bekommen wir den zweiten Schlag des Tages! So viele Menschen!
Nach den eher verlassenen Orten des Tages eine sehr ungewohnte Abwechslung! Es wuselt um uns herum, Leute kommen, Leute gehen. Es wird bestellt und durch die Reihen des fast schon supermarktähnlichen Verkaufsraumes gestöbert. Dazu das stete Stimmengewirr von der Kasse bis zu den fast vollbesetzten Tischen des Restaurants (dabei haben wir Mittagszeit lange vorbei und fürs Abendessen ist eigentlich noch zu früh!) sorgt für eine gewisse Unruhe im ganzen Umfeld. Und über allem tönt alle paar Minuten eine Durchsage durch die hauseigenen Lautsprecher: „Customer Number 123, your Shower is now ready!“
Offenbar trifft sich hier die halbe Fernfahrerelite und hat diesen besonderen Platz zusätzlich für ihre Körperhygiene auserkoren. Es ist faszinierend wie ungewohnt zugleich.
Nachdem wir unsere Bäuche gefüllt haben, sitzen wir zusammen und überlegen, wie es heute weitergehen soll. Bis zum KOA Albuquerque sind es noch etwa 200km. Eigentlich ist das nicht mehr so weit. Andererseits haben wir auch schon knapp 450km heute zurückgelegt und die Uhr zeigt auch schon 16 Uhr. Es wäre keine Schande, sich hier in Santa Rosa etwas für die Nacht zu suchen.
Der Hammer fällt dennoch für Albuquerque. Anja hat morgen Geburtstag und wünscht sich, an diesem Tag nicht so viel fahren zu müssen und stattdessen zur Abwechslung mal endlich wieder eine größere Stadt mit einer anständigen Fußgängerzone bzw. so etwas wie einer Flaniermeile zu besuchen. Das klappt natürlich nur, wenn wir jetzt auch durchziehen. Also raus und weiter geht´s!
„Durchziehen“ passt übrigens auch für unseren Straßenbären! Satte 26 Gallonen genehmigt er sich, das sind um die 100 Liter. Voll ist der Tank aber deswegen noch immer nicht, ich kann nur schlichtweg nicht für mehr als 70 Dollar tanken, die Pistole stoppt automatisch! Bis Albuquerque sollte es aber reichen, auch wenn der Wind mit unverminderter Stärke schräg von vorne auf uns einbricht und wir selbst mit Vollgas nur mit Mühe unsere Geschwindigkeit halten können.
Auf den letzten 200km verlässt uns regelrecht die Energie. Die Kinder haben keine Lust mehr auf Fahren und sind quengelig. Anja hat auch wenig Lust aus dem Fenster immer das gleiche sehen zu müssen und auch ich hab keinen Bock auf Lenken mehr. Mehr noch, mir tun inzwischen richtig die Arme weh! Es fühlt sich an, als hätte ich den ganzen Tag Krafttraining gemacht. Nichts anderes aber war das ständige Gegen- und Festhalten des Lenkrads gegen die Windböen. Da nützt auch einfach die beste Servolenkung nichts, wenn dich so eine Böe erfasst und mal eben einen halben Meter zur Seite drückt! Dann lenkst du dagegen, dass das Lenkrad fast im 45° Grad Winkel steht, nur um die Spur zu halten!
Das „Kreuzen gegen den Wind“ über viele Kilometer hat seine Spuren hinterlassen, sodass der weitere Verkehr, der natürlich vor Albuquerque auch wieder dichter wird, auch wirklich die letzten Energien verbraucht.
Auch den ersten Unfall haben wir beinahe! Vor Albuquerque führt die Straße durch eine felsige Landschaft und schlägt einige Kurven, um den besonders dicken Brocken auszuweichen. Bei Einfahrt in die Deckung hinter einen solchen Felsen geraten wir abrupt in den Windschatten, sodass der stete Druck von schräg vorne gegen das Wohnmobil abrupt nachlässt. Klar, dass ich sofort gegenlenke, dann aber erfasst uns eine Fallböe von der gegenüberliegenden Anhöhe und drückt das Wohnmobil ebenso unvermittelt in die gleiche Richtung, in die ich lenke! Fast wie in einem Actionfilm knickt das Wohnmobil durch die Wankbewegung regelrecht vorne rechts ein und drückt uns auf die linke Fahrspur! Es ist pures Glück, dass genau in diesem Moment dort keiner neben uns ist! Den hätten wir weggerammt, ohne auch nur das Geringste dagegen tun zu können!
Das Geschirr klappert bedrohlich in den Schränken hinter uns, die Vorräte im Schrank darunter sortieren sich neu nach Gewicht und nicht nach Geschmack. Das ganze Wohnmobil vibriert regelrecht, als wir, um gut 30 km/h ausgebremst, wieder Kontrolle über das Fahrzeug gewinnen. Das Adrenalin tut sein Übriges, wir sind auf einen Schlag alle hellwach!
Woah!
Ankunft in Albuquerque und „ein Wohnmobilvermieter namens Malzbier“ 😉
Wir machen drei Kreuze, als die Ausfahrt 167 erreichen. Zum Glück liegt die Ausfahrt VOR der Stadt und perfekterweise auch nur wenige Meter von der Autobahnausfahrt entfernt. So bleibt uns eine stressige Fahrt durch die Stadt im Halbdunkel gegen zahlreiche Neonlichter und Verkehrsgetümmel erspart.
Schade ist nur, dass der KOA Journey Campingplatz in Albuquerque (befindet übrigens hier) zwar zentral liegt, aber dennoch deutlich zu weit weg vom eigentlichen Zentrum ist, dass wir das Wohnmobil morgen stehen lassen könnten. Dennoch campieren wir einfach lieber auf einem KOA, weil wir hier einfach kinderfreundlichere Infrastruktur mit Spielplatz und Pool vorfinden. Auch der Platz hier hat natürlich einen Spielplatz, aber, was viel besser ist, er soll auch endlich wieder einen Innenpool haben! So eine Runde Schwimmen jetzt am Abend wäre genau das Richtige!
Wir checken ein und erleben einmal mehr eine dieser lustigen Reiserlebnisse, die man nur erfährt, wenn man eben reist!
Da hier auf dem KOA offenbar einige Wohnmobilvermieter Rabatte ausgehandelt haben, fragt uns die nette Dame der Rezeption natürlich, von welchem Vermieter unser Wohnmobil sei.
Da Roadbear zu den eher besseren hier in den USA gehört und ich absolut sicher bin, dass wir hier einen fetten Rabatt bekommen, poltere ich in heller Vorfreude natürlich stolz mein „Roadbear“ heraus.
Die Dame guckt mich derart irritiert an, als hätte sie NOCH NIE von diesem Vermieter gehört! Aber das ist noch etwas anderes! Ihr kennt das bestimmt, das ist eine dieser peinlichen Situationen, wo Sekunden wie Stunden werden und beide Seiten nicht wissen, was sie sagen sollen! Dies hier ist so ein Moment!
Sie guckt und erwartet etwas, ich gucke und erwarte ebenso etwas. Und beide warten wir betreten jeweils auf den anderen.
Habe ich was falsches gesagt?
Ja gibt es denn mit Roadbear keinen Rabatt? Haben die vielleicht sogar Streit mit Roadbear wegen irgendwas und gleich wirft sie uns raus?! Oh- weia!
„Is there a problem?“ frage ich nach bangen Sekunden.
„Please, what is your RV Rental Company?“ fragt sie erneut so unglaublich höflich, dass es mich irritiert und sichtlich ins Schleudern bringt.
Oder kennt die diesen Vermieter vielleicht gar nicht?!
Kann doch nicht sein! Ich meine Roadbear ist doch eine allseits bekannte Marke mit zig Vermietstationen in den USA, ja?!
Dann wirft die Dame einen irritierten Blick auf einen Cola- Kühlschrank neben der Theke und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. ICH BIN EIN IDIOT!
Um aber zu verstehen, was hier gerade falsch gelaufen ist, übersetze ich unseren Dialog mal ins Deutsche:
Rezeptionistin: „Und bei welchem Vermieter haben Sie Ihr Wohnmobil gemietet?“
Ich: „Malzbier!“
Rezeptionistin (irritiert): „Malzbier?“
Ich (völlig selbstbewusst): „Ja, Malzbier! Ist das ein Problem?!“
Und dann kann ich verstehen, dass sie mich ungläubig anschaut und nach einigen Sekunden zögerlich fragt, ob ich das bitte buchstabieren könnte! ;-D Denn ich habe das Wort „Roadbear“ nicht wie „Roadbear“, sondern eher wie „Rootbeer“ ausgesprochen! Klar, dass sie denkt ich hätte nicht alle Tassen im Schrank, wenn ich auf ihre Frage nach unserem Wohnmobilvermieter mit einer alkoholfreien Bierzubereitung antworte. 😀
Nun, beim zweiten Versuch klappt es dann.
Aber erst, nachdem ich „Road like „Street“ and Bear like „GROAAAR!““ akustisch wie auch eindrucksvoll optisch einen Bär erkläre. Sie lacht und dann bekommen wir den obligatorischen kleinen Rabatt von 5 Dollar für unseren Vermieter.
Wir bekommen ein schönes Plätzchen wunschgemäß nahe dem Spielplatz zugewiesen. Das passt. Nur mit dem Pool wird es wieder nichts. Denn selbiger ist DOCH nur ein Außenpool! Was als „Innenpool“ im Campingführer abgebildet ist, sei lediglich eines dieser Spa’s. Also so ein mehreckiges Becken, wo man drin sitzt und sich die Blubberblasen um den Popo sprudeln lassen kann.
Naja. Besser als nichts, probieren wir eben das.
Es ist frisch an diesem Abend! Wir werfen die Heizung an, die sich auch sofort ans Werk macht, aus unserem Wohnmobil ein wohnliches Zuhause zu machen.
Dann folgt eine kleine Erkundungsrunde über den Platz, um die müden Knochen noch ein wenig zu bewegen und auch den mehreckigen Sitzpool zu suchen. Wir finden ihn einem Verschlag nahe beim Pool, leider ist er bis zum letzten Platz mit einer lautstarken Südstaatenfamilie bereits besetzt. Ein „Howdie“ verstehen wir noch, dann aber geht die Konversation in einem fast schon quakenden Slang unter. Keine Ahnung, ob sie uns mitgeteilt haben, wann sie gedenken den Pool zu räumen oder wir ein Rezept für Pfannkuchen mit Ahornsirup erhalten haben. Beides nützt uns aber nichts.
Wir sind kaputt, wir sind müde und belassen es für heute auch dabei, dass es wieder mal nichts mit dem Pool wird.
Die Kinder dürfen sich auf dem Spielplatz noch ein wenig austoben, Anja und ich schmieren noch ein paar Brote für ein einfaches Abendbrot. Gegen 20 Uhr, als die Sonne bereits hinter den Häusern verschwindet, gehen wir aber dann auch völlig erledigt ins Bett.
Das war heute wirklich wieder einmal ein unglaublicher Fahrtag! Und viel zu viel!
Langsam reicht es wieder mal mit dem vielen Fahren! Ein Jokertag muss dringend her…
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Tagesetappe Amarillo (Tx) – Albuquerque (NM):
Meilen bei Abfahrt: 1.404,7
Meilen bei Ankunft: 1.690,5
Gefahrene Meilen: 285,8 = ca. 460km