*** Vorwort: Wir entschuldigen uns für die äußerst schlechte Qualität der Bilder des ersten Reisetages! Ab dem Folgetag sind die Bilder nicht mehr allein mit dem Handy aufgenommen und dadurch deutlich besser! ***

Der „längste Tag“ reloaded…
Der Wecker klingelt um halb 4. Wie unwirklich! Sollte hier zufällig ein Zeitreisender mitlesen, könnte er mir bitte einen Gefallen tun? Könnte er bitte meinem „Sonntag- Nachmittags- Ich“ ausrichten, dass ich jetzt doch bereit wäre, das teure Hotel kurz vor Calais für uns zu buchen?! Damit wir eben nicht am Montag um halb 4 aufstehen müssen, nur um in aller Herrgottsfrühe über Aachen und Brüssel Richtung Oostende und dann Calais zu fahren und allerspätestens um halb 10 am Fährhafen zu sein? Das wäre echt nett, danke!
Boah, bin ich müde!

Mühsam schleppen wir uns aus dem Bett und packen die letzten Sachen ins Auto. Dann schmieren wir Brote für die Fahrt (mit Kindern macht man das so und fährt nicht bei McDonalds zum Frühstücken vorbei so wie früher 😉 und tragen 2 müde Halbwüchsige ins Auto, die dort zum Glück mehr oder weniger sofort weiter schlafen. Dann geht es mit dem Sonnenaufgang im Rücken in Richtung Belgien, Frankreich, Ärmelkanal und England!

Die ersten 380km Richtung England verlaufen überraschend angenehm. Viel Verkehr ist nicht. Selbst bei Brüssel kommen wir nur kurz in eine Verzögerung, aber keinen wirklichen Stau. Und das, obwohl längst Berufsverkehrszeit ist! Komisch. Aber natürlich gut für uns und wir werden uns wohl kaum beschweren!

Nach Brüssel spätestens geht es dann los. Es wird hell um uns herum und die Kinder werden wach. Statt dem erwarteten „Sind-wir-bald-da“? kommt aber nur ein „Kann ich bitte Nintendo spielen?“ und zack, haben wir den ersten im Mario- Modus. Perfekt, denn so wird auch nicht gequengelt. Mit Tim ist es hingegen schon schwieriger. Aber auch dafür gibt es eine App auf dem Tablet, die stark an Teletubbies erinnert. Klar muss Anja ihm dabei helfen, aber er ist beschäftigt und langweilt sich nicht. Jetzt mögen die „Katharina- Saalfrank“- Fans entgeistert ausrufen, was wir doch für Rabeneltern wären! Wir könnten doch auch Kennzeichen raten! Oder „Ich sehe was, was du nicht siehst“ spielen! Ja, könnte man. Aber wir haben das früher nur gespielt, weil es noch keinen Nintendo oder Tablet für die Fahrt gab! Davon abgesehen kommt eine solche Gewalttour wie oft im Jahr vor? 2 Mal? Drei? Da werden die Kinder schon keine viereckigen Augen von bekommen…

Nach Brüssel erreichen wir das Meer. Ostende steht schon auf dem Schild. Dazu De Haan, De Panne, Dünkirchen, Calais. Wunderbar! Wir rauschen auf der Küstenautobahn entlang und liegen sehr gut in der Zeit! Den eingerechneten Puffer haben wir gar nicht gebraucht.
Nur mit dem erhofften Frühstück in Veurne an der leckeren Bäckerei, die wir seinerzeit während unserer Wohnmobil- Rundreise am der belgischen und französischen Küste hier am Kanal besucht haben, wird es wohl nix. Diese liegt ja mitten im Zentrum. Wir müssten parken, die Kinder ausladen, mit ihnen hin marschieren und das ganze, neben dem „genüsslichen Frühstück“ auch wieder rückwärts absolvieren. Dafür reicht die Zeit dann doch wieder nicht. Aber wir haben ja unsere Brote dabei, die werden wir nachher einfach auf der Fähre verspeisen. Ansonsten sehen wir von Belgien nichts, außer die ersten Sonnenstrahlen und eine günstige Tankstelle in Höhe Veurne, wo wir unseren Benzintank noch einmal komplett voll laufen lassen.

Kurz darauf huscht die französische Grenze vorbei und es kommt abrupt zu einem Stau! Der Grund: Ein kleines Stück Autobahn ist gesperrt!
Ohne erkennbaren Grund! Kein Baufahrzeug steht dort. Kein Bauarbeiter schwingt die Schaufel, nix. OK, das kennen wir auch von deutschen Autobahnen, aber die werden bei Schlafbaustellen für den Budgeterhalt wenigstens nicht als Vollsperrung eingerichtet! Hier aber doch! Ich will mich gerade ärgern, da blicken wir kurze Zeit später an der Ausfahrt in einen Gewehrlauf eines mürrischen Soldaten! Typ Kante, Fremdenlegionär aus Afrika, rotes Barett, schusssichere Weste, fette schwarze Wumme im Anschlag!
Dazu ein derart grimmiges Gesicht, welches jeden Terroristen das Fürchten lehren würde! Ein Glück entscheidet nicht dieser, welche LKW oder PKW bei dieser spontanen Kontrolle aus dem Verkehr gewunken werden, sondern zwei Polizisten. Diese nicht minder bewaffnet und mürrisch dreinschauend, dafür aber lässiger. Deutlich entspannter, als es die Soldaten sind! Ob sie einen konkreten Verdachtsmoment haben? Immerhin befindet sich Frankreich nach den Anschlägen noch immer im Ausnahmezustand!
Zum Glück wirken wir in Anbetracht der Maschinenpistolen aber wohl eingeschüchtert genug, dass sie bei uns offenbar keine Gefahr wittern. Wir werden einfach durchgewunken, noch bevor wir die aus Schreck fallen gelassene Kamera wieder aufheben können. Kurz darauf können am Kreisverkehr einfach wieder direkt auf die Autobahn auffahren. Puh!

Es dauert nicht lang, dann folgen die ersten Schilder zum Fährterminal. Etwas wehmütig müssen wir zwar die Schilder „Tunnel sous la Manche“ zum Eurotunnel ignorieren mit dem ich eigentlich lieber gefahren wäre (das hat damals mit dem Wohnmobil so super geklappt, auch wenn es uns den Auspuff endgültig lose gerappelt hat!), aber hey, eine Fähre ist besonders für Nils bestimmt auch viel spannender, als im Zug durch eine mit Neonlicht geflutete Röhre zu brettern.

Wir erreichen kurz darauf die Zufahrt zum Fährhafen. Schon Kilometer vorher sind die Befestigungen zu sehen! Ein schwerer doppelter Stacheldrahtzaun soll die Menschen davon abhalten die derzeit in Frankreich gestrandet sind und sich in wilden Flüchtlingscamps aufhalten und nur darauf warten, irgendwie nach England zu kommen. Alles gestrandet hier in Calais. Eine furchtbare, grausame Situation! Ich kann verstehen, dass England diese Menschen nicht aufnehmen möchte. Ich kann ebenso Frankreich verstehen, dass sie Reisende wie uns davor schützen wollen, mit diesen Verzweifelten in Kontakt zu gelangen und ich kann die Flüchtlinge selbst verstehen, die einfach nur dorthin wollen, wo sie hin wollen! Wollen wir doch auch!
Aber es ist müßig sich hier in einem Reisebericht zur weltpolitischen Lage zu äußern, oder gar Stellung zu beziehen! Ich meine, wer will das von euch lesen?
Und so belassen wir es dabei, euch zu beschreiben, was wir sehen. Eben diesen doppelten, befestigten und meterhohen Stacheldrahtzaun. Dazu immer wieder Einsatzwagen der Polizei, die mit Blaulicht am Standstreifen stehen.
Das Ganze wirkt wie die Zufahrt zu einem russischen Grenzübergang nahe eines militärischen Sperrgebiets zu Zeiten des kalten Krieges!
Abschreckend!

Kurz darauf erreichen wir den Fährhafen mit einer wirklich langen Schlange!
Wow! Gut, dass wir so viel Zeit eingeplant haben und nun diesen Puffer offenbar brauchen werden!
Und wieder einmal wundere ich mich, warum sich alle in die eine Reihe stellen, während die zweite Reihe komplett leer ist!
Erinnert ihr euch an unseren Reisebericht „Mit dem Wohnmobil nach Südnorwegen“? Wo wir morgens in Hirtshals auf die Fähre eingecheckt haben und ich mich ganz nach vorne mogeln konnte? Das „Prinzip zweite Kasse“ beim Aldi?
Ich schätze mal, das ist hier auch wieder so ein Ding!
Mutig steuere ich also diese zweite komplett leere Reihe an, bis ich, nachdem ich bereits gut 500m an den wartenden Autos vorbei gefahren bin, erkenne, dass wir uns in der BUS- SPUR befinden!!!!
SHICE!!!! Jetzt wird mir warm!  Das wird MEGA- peinlich, so oder so!
Entweder, weil wir einen fetten Rüffel ganz vorne bekommen werden, oder weil ich mich vorne wie ein Vordrängler in die Reihe einordnen muss und darauf hoffen muss, dass uns eine gute Seele herein lassen wird. Ich würde, ganz ehrlich, sehr mit mir zu kämpfen haben, jemanden da rein zu lassen, nachdem ich bestimmt eine halbe Stunde in der Reihe gestanden habe!
Der Gong rettet mich. Oder besser die Abfahrt! Denn es gibt eine Spur für „Tickets ohne Reservierung“, auf die wir abbiegen können. Das machen wir, denn von dort muss es ja, wenn man sich dann ein Ticket besorgt hat, auch wieder in eine Check- In Spur gehen. Und diese kommt früher, als erwartet! Denn kaum haben wir einen riesigen Parkplatz passiert (wo übrigens auch viele Wohnmobile stehen! Offenbar ein zugelassener Stellplatz!), gibt es auch wieder eine Spur für Ticketinhaber. Perfekt. Tatsächlich dürfen wir uns kurz darauf ganz vorn in die Reihe der Wartenden einreihen, nachdem wir eine Kreuzung passiert haben. Ein Posten achtet darauf, dass wir uns einreihen können und schützt uns gleichzeitig davor, von den dort Wartenden gelyncht zu werden. Schnell noch einen „Ja, wir waren wirklich ein Ticket kaufen“- Blick aufsetzen, dann rollen wir schon an den ersten Kontrollpunkt.
Die französische Ausreisekontrolle!

Wir zeigen unsere Ausweise. Die Dame ist freundlich und schaut sie sich nur kurz an. Dann reicht sie uns die Papiere zurück und wir dürfen ein Schalterhäuschen weiter fahren. Die englische Einreisekontrolle.
Hier dauert der Scan dann schon länger! Denn unsere Ausweise werden elektronisch erfasst und ausgelesen. Die Freigabe dauert dann tatsächlich ein paar Minuten und wir müssen einige Fragen beantworten. Was wir in England wollen zum Beispiel.
Überraschend! Wie soll das erst werden, wenn Großbritannien aus der EU austritt? Werden die Kontrollen dann nochmals verschärft? Oder eher abgemildert wie wenn man zum Beispiel in die Schweiz fährt? Na jedenfalls bestehen wir die Kontrolle! Das heißt zumindest fast…

Kaum sind wir am Schalterhäuschen vorbei, will nämlich ein britscher Grenzschützer in unseren Kofferraum rein schauen. Das kann er gerne machen und kurz darauf Anjas hervorragende Stapelarbeit in bester Tetris- Manier bewundern! Niemand packt einen Kofferraum so dermaßen symetrisch, dass wir das Raumvolumen maximal ausnutzen können!
Einen anerkennenden „Oh Gott, hoffentlich platzt denen nicht der Reifen…“- Blick später dürfen wir die Klappe wieder schließen. Auf das Ausräumen dieses Klamottenbergs hat der Officer offenbar keinen Bock.

Als letztes folgt der DFDS- Schalter. Jetzt kann eigentlich nichts mehr passieren. Eigentlich! Denn zum dritten Mal müssen wir nun unsere Ausweise zusammen mit der Buchungsbestätigung vorzeigen. Wieder wird heftig in den Computer geklimpert und die Dame reagiert unwirsch aus einem Grund, den ich nicht ganz nachvollziehen kann. Sie klimpert weiter und erklärt dann kurz darauf, dass wir auch gerne eine Fähre früher nehmen können, wenn wir denn wollten! Genau wie damals beim Euroshuttle. Klar wollen wir! Wir sind ja dadurch auch eine Stunde eher in England!

Wir bekommen einen Flyer, den wir an den Spiegel hängen sollen und einen Abriss, den wir auf die Fähre mitnehmen sollen. Und wir bekommen eine Reihe zugewiesen, in der wir uns einreihen sollen. Wir ziehen also vor und finden kurz darauf einige Wartereihen, wo normale Autos, daneben Wohnwagen und Wohnmobile und in unserer Reihe Fahrzeuge wie Transporter oder eben auch Autos mit Dachboxen oder Räder auf dem Dach wie wir stehen.
Dann geht die Warterei los.
Lange dauert es allerdings nicht! Wir stehen keine Viertelstunde, da wird erst die Nachbarreihe und dann die Ampel unserer Reihe auch schon grün und wir dürfen auf den Ausleger „Calais 7“ zur Fähre fahren! Das ist ja perfekt! Durch die frühe Abfahrt werden wir eine ganze Stunde eher in England sein und können die Vermietstation ganz entspannt ansteuern.

Unsere Einfahrt in die Fähre erfolgt nach Deck 5, wir kommen im „gelben“ Bereich zum Halten. Sofort machen wir Bilder vom Treppenaufgang, Deck und Bereich, damit wir nachher auch wirklich unser Auto wieder finden. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass die Fähre weitaus kleiner ist, als wir erwartet haben und man sich den Aufwand fast schon schenken kann.
Wir kraxeln im Treppenhaus die steilen Stufen hinauf und erreichen abrupt den „edlen“ Passagierbereich des Schiffes auf Deck 7. Hier entdecken wir dann sofort das Bordrestaurant, und im weiteren Verlauf im Bug des Schiffes eine Lounge mit Café Bar, wo sich auch eine Kinderspielecke befindet. Die ist perfekt für unsere Überfahrt. Die Sessel hier sind lümmelig, der Kinderbereich ausreichend groß und vor allem so abgesperrt, dass es nur einen Ein- und Ausgang gibt, den wir akribisch überwachen können. Drinnen sind die Kinder prima aufgehoben.
Tja, vorbei die Zeit, wo wir die Überfahrt noch auf einem Außendeck genossen haben. Aber ich schätze mal, dass diese Zeit wiederkommt, wenn die Kinder größer werden. Als ich 4 war kann ich mich jedenfalls nicht erinnern, ob ich Schiffe toll fand. Mit 8, 10 oder 12 aber auch jeden Fall! Ein paar Jahre noch und ich stehe hoffentlich zusammen mit dem Nachwuchs draußen auf dem Außendeck und beobachte mit den Jungs die vorbeifahrenden Schiffe mit dem Fernglas…

Die Überfahrt wollen wir natürlich so effizient wie möglich nutzen und so darf natürlich ein abwechselnder Toilettengang nicht fehlen. Das erste Klo, welches sich am Treppenaufgang befindet, ist allerdings abgesperrt. „Sorry for any inconvenience“ oder so ähnlich. Jaja. Ich marschiere das Schiff fast bis zum Heck durch, bis ich endlich ein weiteres Klo finde. Dieses ist allerdings hoffnungslos überlaufen!
Die Rettung lautet Deck 8! Denn über uns ist noch ein Passagierbereich, der sogar über eine kostenpflichtige (und komplett verwaiste) First Class Lounge verfügt. Die werden ja wohl auch ein Klo haben! Haben sie auch, allerdings wie das Pendant unten im Bug ist sie abgeschlossen! „Sorry for any inconvenience“ oder so ähnlich. Nein, ich „sorry“ das bestimmt nicht mehr! Ein Klo mit 2 Kabinen und 3 Stehtöpfen für uns Männer für ein Schiff mit bestimmt 250, 300 Passagieren an Bord, das ist einfach zu wenig! Ich bin, und das sage ich ganz ehrlich, absolut und total von DFDS enttäuscht!

Ich hatte unsere Überfahrt vor Jahren von Schottland nach Amsterdam mit der King of Scandinavia in dermaßen guter Erinnerung, dass für mich die Buchung mit DFDS eigentlich so gut wie klar war! Selbst, als P&O eine Abfahrt ein paar Euro günstiger anbot, ich blieb bei DFDS! Heute bereue ich das fast schon. Diese Überfahrt hat mal nichts, GAR NICHTS mit einer tollen Seefahrt zu tun! Es entspricht nicht dem Geringsten dessen, was im Internet mit blumigen Bildern versprochen wird. Das ist nicht mehr, als eine Busfahrt vom Vorort in die Stadt, eine S- Bahn an einem Samstagabend nach der Kneipentour! Es fehlen nur die leeren Bierflaschen, die durch den Zug bzw. über das Deck rollen. Das hier ist Transport einfachster Art, 3te Klasse, höchstens! Da fällt es fast gar nicht weiter ins Gewicht, dass es in der Café Bar „gerade keine Croissants“ gibt und dass das vollmundig mit gratis WLAN beworbene WIFI, welches nicht funktioniert. Einwählen ist nicht möglich. Oder etwas simples wie die Fenster! Diese sind dermaßen dreckig und versifft, dass man kaum nach draußen gucken kann! Die Überfahrt ist eine einzige Fahrt der Enttäuschungen und verkommt wirklich zum notwendigen Übel, um auf die Insel zu gelangen. Einstimmung auf einen tollen Urlaub in Südengland? Fehlanzeige.

Zu meiner großen Freude hat Nils später im weiteren Verlauf der Überfahrt genug im Spielebereich gespielt und will das Schiff erkunden. Auch das Außendeck! Perfekt! Alle zusammen drehen wir eine kleine Runde durch das Schiff und starten mit dem Außendeck am Heck des Schiffes, wo man einen tollen Ausblick auf den Ärmelkanal hat! Schade, dass das Wetter nicht so richtig mitspielen will, aber das gehört nunmal zur Kanalküste mit dazu und ist sicherlich ein guter Einstieg in das Wetter, welches uns wohl auch in England mehr wie einmal empfangen wird.

Vom Außendeck aus spazieren das Schiff einmal der Länge nach durch. Vorbei an einigen Spielautomaten oder der Trucker- Lounge, die nur Fernfahrern vorbehalten ist. So zumindest das Schild. Praktisch kontrolliert keiner, wer hier ein und aus geht. Würde ich jetzt nicht gerade von einer Familie begleitet, ich würde hier wahrscheinlich als gestandener Cowboy der Landstraße durchgehen. Dick genug wäre ich ja! 😉
Fast möchte ich mir die Mühe machen, die Preise der Fernfahrer- Lounge mit denen des „normalen“ Restaurants zu vergleichen. Nur um heraus zu finden, ob die Trucker wenigstens wirklich einen Vorteil haben. Am Ende lasse ich es aber doch. Bevor ich es noch unfair finde, dass wir als Familie ja auch irgendwie nicht zuviel bezahlen sollten und ich dann noch schlechter von DFDS denke, als ich es eh schon tue.
Vorbei am Trucker- Restaurant passieren wir eine kleine Information und eine Wechselbude, bis wir im Heck des Schiffes zum interessanten Schiffsteil kommen. Wenigstens das funktioniert hier noch! Der Bordshop!
Anlaufpunkt für Parfüm, übergroße Toblerone- Packungen oder Riesen M&Ms, die man für das zigfache des Supermarktpreises hier einladen kann. Dazu Souvenirs oder auch Unnützes wie z.B. die Alkohol- Tester, die mal eine zeitlang in Frankreich Pflicht waren. Ob sie dafür noch einen Dummen finden?
Deutlich cleverer ist die Ausbeute bei Gegenständen, die man auf der Insel braucht, aber vergessen hat. Reiseadapter zum Beispiel. Oder auch Kartenmaterial! Fast hätten wir für 7 Pfund einen Road Atlas gekauft! Ihr erinnert euch? Wieder eine Parallele zu Schottland. Dieses übergroße Ringbuch mit den eingezeichneten Straßen in England. Auf dieses Road Book wollen wir auch trotz Navizeitalter nicht verzichten. Aber wir erinnern uns an unseren eigenen Reisebericht, dass man den Atlas am besten direkt auf der Insel in einem Superstore oder an einer großen Tankstelle besorgt. Dort sind sie am günstigsten, was sich übrigens im späteren Reiseverlauf noch bewahrheiten wird.
Gut also, hier nicht sofort zugreifen, auch wenn sie merkwürdigerweise bereits die 2017er Ausgabe bewerben.
Wir schnüffeln uns durch allerlei Düfte und tragen auch das ein oder andere aus dem Probierspender auf. Madamé ZsaZsa wäre wohl stolz auf uns! Schnell bekommt man aber vom Wischwasch der verschiedensten Parfüms Kopfschmerzen und ich bewundere die armen Angestellten, die dies jeden Tag hier mitmachen müssen.  Man könnte sich fast fragen, ob Nasen- OPs zur Kaltstellung der Geruchsrezeptoren zum Sozialwerk von DFDS gehört.
Wir schlendern noch ein wenig durch die Reihen, finden aber nichts Interessantes mehr. Da Nils gerne wieder ins Spieleparadies möchte (dort lief Bugs Bunny auf Video an einem kleinen Fernseher), zieht es uns wieder an die Café Bar zurück. Dort sitzen wir dann die Zeit so ab, wie wenn man mit der S- Bahn im Berufsverkehr nach Hause fährt. Trocken, emotionslos, rational. Würde wir es nicht selber sehen, dass wir gerade eine Schiffstour machen, wir würden es nicht glauben.

Irgendwann folgt dann auch der Aufruf, dass wir uns wieder zu den Fahrzeugen begeben sollen.
Wir warten einen Moment (wie die übrigen Profis bei den Fährüberfahrten 😉 und gehen dann, als der größte Ansturm auf das Treppenhaus vorbei ist, zu unserem Auto. Das klappt prima, wenn man sich beim Aufstieg nach dem Reinfahren genau Treppenhaus, Deck und Aufgang gemerkt hat, sodass man sein Auto nicht hastig suchen muss, während die anderen schon den Motor starten…
Merkt euch also mindestens das Deck, idealerweise noch die Farbe des Aufgangs. Dann gehört ihr auch zu den „Profis“ und könnt euch gelassen zu eurem Auto begeben, wenn der Andrang der Amateure durch ist.
Schnell finden wir unsere „gelbe“ Treppe wieder und stehen kurz darauf auf Deck 5, wo wir unser Auto wohlbehalten wieder vorfinden und wo tatsächlich schon die meisten anderen in ihren Autos sitzen. Bewegen tut sich dennoch nichts.
„Gute Pferde springen nie zu hoch“ will ich in den Bart murmeln. Genau passend da. Kaum  sind wir eingestiegen, tut sich was vorne. Die Lademannschaft bereitet die Ausfahrt vor. Perfekt.

Während ein paar Versprengte noch ihre Autos suchen, starten natürlich die ersten schon ihre Motoren. Der Idealzustand liegt wohl irgendwo dazwischen. Irgendwann werden dann die Ratlosen weniger und dann setzt sich auch der metallene Bandwurm vor uns in Bewegung. Schön langsam geht es von der Fähre runter. Was folgt sind einige letzte Minuten Galgenfrist, bevor das „ungewohnte“ Fahren auf der linken Seite losgeht! Die Fahrspuren hier im Terminalbereich sind allesamt nur für eine Richtung freigegeben, sodass man hier noch nicht dem Linksfahrgebot unterliegt. Dennoch halten sich alle mehr oder minder instinktiv links (besonders die Gäste mit Kontinentalkennzeichen) und fahren schon jetzt besonders vorsichtig. Die wenigen Engländer hingegen fühlen sich offenbar sofort zuhause. Sie orientieren sich eher rechts und sind schnell dabei, die Fähre zu verlassen. Und als ein Franzose sich der Truppe anschließt, hält es mich auch nicht mehr auf der linken Schleicherspur. Wir können noch im Terminalbereich einige Plätze gut machen und sind, als wir den Hafen verlassen, tatsächlich aus dem dicksten Pulk der Übersetzer raus. Läuft!

Noch während wir auf der Fähre auf die Ausfahrt gewartet haben, haben wir das Navi programmiert. Knappe 150km sind jetzt zu fahren, gegen kurz vor 12 (oder kurz vor 11 lokaler Zeit) wären wir beim lokalen Campanda- Partner und Wohnmobilvermieter McRent im Norden von London bei Waltham Abbey. Das passt soweit.
Auf der unmittelbar an das Terminal anschließenden Autobahn finden wir uns nach wenigen Sekunden dann eigentlich recht gut zurecht! Zwar fahren wir mit so 100 km/h relativ behutsam, aber auch nicht übertrieben vorsichtig. Man muss sich an die ungewohnte Situation dann aber doch ein wenig heran tasten. Besonders auf die Autobahn einfädelnder Verkehr ist kritisch, weil er für uns von der falschen Seite auf die Autobahn auffährt und darüber hinaus die Beschleunigungsspuren kürzer sind, als bei uns.

Hingegen den Gepflogenheiten in Deutschland wird übrigens nicht gebremst, um den einfahrenden herein zu lassen (was sowieso eine Unsitte ist), sondern mehr oder minder drauf gehalten. Besonders die LKW sind völlig mit sich und der Welt im Reinen und denken nicht im Traum daran, z.B. mal die Fahrspur zu wechseln, geschweige denn durch einen Lupfer im Gas die Leute einfahren zu lassen.
Überhaupt sind die LKW hier wirklich ein Problem und die Erinnerungen an unsere Schottland- Reise werden wach. Würden wir schätzen, würden wir sagen, dass die LKW hier so im Schnitt 5-10 km/h schneller unterwegs sind, als bei uns.
Verstärkt wird der Eindruck der „brutalen LKW“ dadurch, dass:

  • Die Fahrspuren gefühlt schmaler sind, als bei uns
  • Einige LKW deutlich höher erscheinen, als die Obergrenze von 4m bei uns
  • Die LKW, die uns mit etwa 100-110 km/h überholen, verkehrstechnisch richtig aber für uns ungewohnt RECHTS an uns vorbei donnern

Das kann so natürlich nicht weitergehen. Und so erhöhen wir die Marschgeschwindigkeit auf 110-120 km/h, um uns deutlich von den LKW abzusetzen. Jetzt, mit dem Auto, klappt das natürlich auch problemlos. Mit unserem Wohnmobil war es damals nicht möglich und ich bin schon gespannt, wie es später mit dem Miet- Wohnmobil sein wird. Hoffentlich ist es stark genug motorisiert, um hier souverän im Verkehr ohne Gehudel mit den LKW mitfahren zu können.
Mit jedem Meter den wir fahren, werden wir ruhiger auf der Autobahn. Die erste Nervosität alles komplett falsch zu machen ist verflogen und sogar das Fluchen über die Unfähigkeit einiger anderer Verkehrsteilnehmer funktioniert auch recht schnell wieder. Seifert`sche Tradition! 😉
Orte wie Canterbury fliegen vorbei. Orte, bei dessen Ortsnamen man sich durchaus wieder an alte Ritterfilme aus den 50er und 60er Jahren erinnern kann. Hatten wir ja mit der Durchfahrt durch den Sherwood Forest auch mal und spätestens in Schottland, als uns William Wallace an jeder Ecke begleitet hat, waren wir vollends in einer der spannendsten geschichtlichen Epochen Britanniens eingetaucht! Ich bin auch bei dieser Reise voller Erwartung, ob sich dieses Gefühl wiederholen lässt. Canterbury, mit seinem Erzbischof, erlaubt zumindest einen ersten bleibenden Eindruck. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet dieser wichtige Bischofssitz so weit südlich von London in Küstennähe liegt?

Nach Canterbury folgt bereits mehr oder weniger der Londoner Autobahnring. Es wird voller, aber auch die Fahrspuren werden mehr. Das Gewusel hier, welches uns, wenn uns unmittelbar nach der Ausfahrt aus der Fähre erwischt hätte, hier nun empfängt, lässt sich eigentlich recht gut händeln.
Auch der Dartford- Tunnel, an den wir bei unserer ersten Reise eher unschöne Erinnerungen haben, lässt uns heute unbehelligt und ohne Schäden an der Auspuffanlage unseres Autos passieren.

Info- Box Dartford- Tunnel:
Anders als noch 2007 bei unserer Schottland- Rundreise, gibt es nun keine Kassenhäuschen mehr! Die Maut zur Durchfahrt zum Dartford- Tunnel kann nur online bezahlt werden! Entweder im Voraus (unter Angabe des Kennzeichens und z.B. per Kreditkarte), oder maximal 24 Std. nach Durchfahrt durch den Tunnel online oder an einer Verkaufsstelle.
Die Buchung könnt ihr online hier erledigen: pay-dartford-crossing-charge

Nach dem Dartford- Tunnel geht es wuselig aber beherrschbar auf dem Londoner Autobahnring weiter. Wir kommen gut durch, sodass wir gegen kurz nach 12 (Bordzeit ist ab jetzt Londoner Zeitzone) von der Autobahn bei Waltham Cross / Waltham Abbey abfahren. Schnell entdecken wir auch die Vermietstation, wir rauschen in voller Fahrt vorbei!
DAS ist alles? Wir müssen drehen und ein weiteres Mal die Station Road entlang fahren, weil ich es kaum glauben kann! Das ist ja nur ein kleiner Hinterhof! Nicht, dass das schlimm wäre. Hauptsache das Wohnmobil ist in Ordnung. Was mir aber Sorgen macht, ist die viel zu schmale Einfahrt und der Verkehr hier auf der Station Road! Kann doch nicht sein, dass wir die ersten sind, die hier nachher mit einem Wohnmobil aus der Einfahrt herausfahren müssen, oder? Oder fahren die alle nur nachts rein und raus?
Gut, wir werden diese Erfahrung auf später vertagen. Da wir das Wohnmobil offiziell erst ab 15 Uhr übernehmen können und wir gerade Mal kurz nach 12 haben, suchen wir uns einen Superstore Supermarkt in der Nähe. Zum einen, um schon die Vorräte einzukaufen (damit wir dies nachher nicht mit dem Wohnmobil machen müssen) und zum anderen, damit wir noch in Ruhe einen Snack zum Mittagessen einnehmen können, bevor wir nachher das Wohnmobil übernehmen. Wenn wir da jetzt schon reinfahren heißt es bestimmt, man sei noch nicht fertig.

Schnell finden wir einen Tesco Superstore in der Nähe. Das passt. Tesco kennen wir ebenfalls noch von unserer Schottland- Reise (ja, Schottland zum x-ten! Auch, wenn ihr es inzwischen vielleicht schon nicht mehr lesen könnt! Diese Reise ist hier halt irgendwie omnipräsent! Es werden bestimmt später noch Robin Hood, der heilige Gral und William Wallace dazu kommen! ;-) und wissen, dass man dort gut einkaufen wie etwas Schnelles von der heißen Theke essen kann. Ist so etwas wie real bei uns.

Und nicht nur Essen gibt es hier! Tesco versteht es wie kaum ein zweiter Laden, hier die Leute an sich zu binden. Einerseits durch Slogans, die ein fast schon menschenfreundliches Lebensgefühl vermitteln (Würdet ihr z.B. bei Aldi einkaufen, wenn Aldi mit übersetzt „jedes bisschen hilft“ werben würde?), andererseits durch Mehrwertdienste, wie Servicepunkt für Handys oder auch Geldautomaten direkt von Tesco oder einer Partnerbank, wo man kostenlos Geld abheben kann.
Auch das kennen wir schon, also das mit dem kostenlosen Geldabheben. Zu guter Letzt folgen natürlich noch die billigsten Tankstellen an diesen Superstores. Alles aus einer Hand.
Wir parken ein und spazieren in diesen Supermarkt. Immer wieder ein erhebendes Erlebnis, besonders hier in England. Welche lokalen Spezialitäten erwarten uns? Welche Angebote? Was werden wir entdecken? Mag sein, dass dies der ein oder andere von euch nicht nachvollziehen kann, aber andererseits ist es gerade der Supermarkt, der wie ein Schmelztiegel der Gesellschaft wirkt. Hier müssen ja auch alle anderen hin und nirgendwo trifft man eher auf Einheimische. Nicht gerade für ein Gespräch, aber doch immerhin für eine erste Beobachtung.
Allerdings „beobachten“ wir gleich als erstes die Toiletten des Supermarktes! Die Fahrt hier her war lang! Kurz darauf folgt das „Mittagsangebot“ noch am Eingang und Bypass direkt zu den Kassen, wer es eilig hat. Sandwiches in allen Formen, Farben und Variationen. Nur eins bleibt stets gleich, es sind und bleiben wabbelige Sandwiches.

Aber immerhin wurde in den letzten Jahren das Sortiment für die Schnell- Mittagesser ausgebaut. Neben der umfangreichen Auswahl an Sandwiches gibt es inzwischen auch Taccos, Nachos oder Bagels mit nicht minder belegter Auswahl. Dazu Angebot wie den „Meal Deal“, ein Sandwich, ein Getränk und ein Nachtisch (wie eine kleine Tüte Chips oder ein Schokoriegel) für 3,50 Pfund. Geht so. Wir greifen ebenfalls zu und wollen gerade den Einkaufsmarathon beginnen, als mir der Servicepoint für die Handys ins Auge fällt. Ich erwische auch gleich eine freie Mitarbeiterin, die mir auf meine Frage sofort ein Starterpaket mit 1 GB Datenvolumen und 1000 Einheiten für SMS und Telefonie für 10 Pfund verkauft. Zusammen mit einer Wegwerf- Nummer, die nach 18 Monaten ohne Aufladung automatisch gelöscht wird. Ganz ohne Name oder Personalien und anonym von mir sofort bar bezahlt. Innenminister DeMaiziére würde bei uns wahrscheinlich einen mittleren Blutsturz bekommen. Das zeigt, wie unsinnig sein Gesetz zur Terrorabwehr ist. Eine Karte aus dem Ausland, welche in Deutschland dank Roaming ja trotzdem funktioniert, wird an die Stelle treten. Ganz einfach!

Die nette Dame vom Tesco bugsiert auch gleich die Karte in mein mitgebrachtes Zweit- Handy und schaltet den Service sofort frei. Echt freundlich von ihr und natürlich auch, ohne jemals nach meinen persönlichen Daten gefragt zu haben. Unser Innenminister hätte wahrscheinlich längst Schnappatmung! 😉
So gerüstet können wir jetzt auch ohne Mehrkosten die Campingplätze abtelefonieren, die wir auf dieser Reise sicherlich anrufen werden. Sind ja Ferien und da werden sicherlich viele unterwegs und die Plätze sicherlich auch mal voll belegt sein. Damit wir dann nicht das Suchen anfangen, kommt die britische Sim- Karte wie gelegen.

Wir laden den Wagen voll mit allem, was uns lieb, lecker und teuer erscheint. Sogar ein Stück Heimat darf auf keinen Fall fehlen! OK, „Frankfurter“ oder „Hamburger“ sind logisch. Aber das bewusst und gewollt mit „german“ irgendwas geworben wird, das ist doch was! Es macht mich fast schon ein wenig stolz! Ein Blick auf die ovale Produktkennzeichnung auf der Packung macht übrigens deutlich, dass die Wurst hier tatsächlich aus „DE“, also Deutschland kommt! Gut, da hätten wir sie auch gleich mitbringen können. Dennoch. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir z.B. bei uns im real typisch „british“ irgendwas bekommen! Außer vielleicht englisches Weingummi. Aber ansonsten fällt mir spontan nichts ein, was jetzt der Exportschlager der Insel wäre und bei uns so gekennzeichnet werden müsste, dass es für den Kunden als Vorteil angesehen wird, dass das Produkt gerade aus England stammt. Hier bei der „German Salami“ scheint das aber fast schon der Fall zu sein! Klar, dass ich gleich 2 Pakete einpacke! Nicht, dass ich nicht eher Lust hätte, typische englische Wurst zu kaufen, das ist es nicht. Es ist viel mehr, dass ich gerne den Konsum unserer Produkte einerseits hier ankurbeln möchte und zum anderen möchte ich herausfinden, ob die Wurst für hier anders schmeckt, als bei uns. Das wird spannend! 😀

Mit vollem Einkaufswagen und einem ersten Sandwich zwischen den Backen geht es gegen halb 2 zurück zum Auto und dann auch gleich in Richtung des Wohnmobilvermieters. Jetzt will ich es aber auch haben! Unser Wohnmobil! Für 2 Wochen! Und die Frage möglichst schnell klären, ob das bislang „geschenkte“ Wohnmobil für 2 Wochen jetzt am Ende doch bezahlt werden muss, oder ob es wirklich (mit Ausnahme des Sprits und der Kaution) von uns bezahlt werden muss! Viele kritische Stimmen waren ja im Vorfeld zu lesen gewesen. Von Betrug war sogar die Rede, als Mathias von Campanda in der Facebook- Gruppe das vermeintlich kostenfreie Wohnmobil angeboten hat. So recht hat sich keiner getraut, lieber kritisch hinterfragt und in Frage gestellt. Und auch ich gebe zu, dass ich es mir selbst noch nicht so recht vorstellen kann, dass es wirklich kostenlos sein soll!
Aber was passiert? Schlimmstenfalls haben wir gut in England eingekauft und eben 2x am Tag den Ärmelkanal durchquert. Unser Saison- Campingplatz in Holland ist von hier aus vielleicht so 5 Stunden Fahrtzeit plus Fähre entfernt. Wollen die jetzt von uns gleich 2.000 Euro für 2 Wochen Wohnmobilmiete haben, sind wir in unserem „zweiten Zuhause“, noch ehe der Tag endet…

Mit Kribblen im Bauch fahren wir die Station Road ein drittes Mal entlang. Dieses Mal biegen wir natürlich rechtzeitig ab und entdecken, dass sich an die schmale Einfahrt noch ein zwar gedrungener, aber mit Wohnmobilen und Autos optimal vollgestellter Parkplatz im Hinterhof anschließt. Darauf lässt die schmale Einfahrt der McRent- Vermietstation in der Station Road Waltham Cross / Waltham Abbey wirklich nicht schließen.

Sofort entdecken wir, neben den in den Ecken geparkten Wohnmobilen, gleich 2 Wohnmobile im mittigen Areal quasi vermietfertig. Neben einem Alkoven ist Teilintegrierter ist dabei, obgleich das hier stehende Fahrzeug überhaupt nicht mit dem Bild zur zugehörigen Buchung im Internet übereinstimmt. Macht aber nix, denn wie Mietwagen ist ja nicht eine bestimmte Automarke mit Modell, sondern nur eine Fahrzeugklasse gebucht. Und „Compact Plus“ passt durchaus auf den schicken Teilintegrierten von Sunlight, der hier unter der britischen Sonne parkt. Wie aus dem Ei gepellt sieht er aus und ich mache mir durchaus kleine Hoffnungen, dass dies unser Wohnmobil sein könnte. Aber: Klar, so ein großer Alkoven, der daneben steht, darf es gerne auch sein! Und ich werde fragen, ob vielleicht diese Fahrzeugklasse kurzfristig verfügbar ist und was dies ggf. mehr kosten wird. Es wäre ja für uns mit 4 Personen schon ein enormer Raumgewinn, wenn wir mit einem Alkoven- Wohnmobil statt mit einem TI durch Südengland touren könnten! Noch immer hab ich nämlich keine Idee, wo wir alle in einem „Compact Plus“ schlafen sollen!

„Well, you know it is only a small Motorcaravan?!“ fragt mich kurz darauf die Dame in der Rezeption mit einem skeptischen Blick auf unsere 4- köpfige Familie, als wir uns als Mieter für ein Wohnmobil outen und sie in den Unterlagen die Buchung hervor gefischt hat. Aha. Meine Befürchtungen sind also nicht unbegründet. Zwar hat das Sunlight- Wohnmobil, genauer ein T-58 aus der aktuellen Modellreihe, 4 Sitzplätze mit ordentlichem Gurt (das wussten wir, das war in der Compact- Plus Klasse zugesichert, sonst wären wir gar nicht erst auf das Angebot eingegangen. Die Kinder müssen schon mit und dabei auch sicher sitzen!), aber es bleibt dabei, dass es eigentlich nur für 2 zum Schlafen geeignet ist!
Ich war auf diese Frage natürlich vorbereitet und habe, für den Fall dass das Schlafen mit 4 Personen in diesem Wohnmobil verboten sein sollte, mir eine Antwort für ein mitgeführtes zusätzliches Zelt zurecht gelegt (wenn wir dieses brauchen sollten, können wir es noch immer kaufen. Theoretisch 😉 aber diese Ausrede brauchen wir nicht. Sie ist, als ich unsere Buchung bestätige und sie nachschaut, dass sie wirklich leider gar keine größere Fahrzeugklasse mit Alkoven verfügbar hat, auch sofort hilfsbereit und meint, dass man eben die Sitzgruppe noch im Notfall umbauen könnte. Na, das ist doch was!
Sie erledigt den Papierkram und dann wird es nochmals spannend. Die Finanzen!
Doch auf den großen Trommelwirbel im Kopf folgt kurz darauf die Erleichterung. Wir müssen „nur“ die Kaution von 1.000 Pfund per Kreditkarte eindecken. Die bekommen wir, wenn wir das Wohnmobil mehrheitlich in einem Stück zurückbringen, dann wohl auch wieder. Ansonsten bezahlen? Gar nichts! Scheint tatsächlich alles geklärt und erledigt zu sein!
Nun gut! JETZT macht sich Erleichterung breit und wir können uns auf den Urlaub freuen! Denn es ist wirklich da. WIRKLICH! Unser Wohnmobil! Zwar nur für 2 Wochen. Aber gerade für 2 Wochen! Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. Letztere macht nämlich die größeren Haufen! 😉
Und als wir mit dem Übergabeprotokoll aus der kleinen Rezeption nach draußen gehen und die Sonne scheint, wird plötzlich das Gefühl auf einen ganz tollen Wohnmobilurlaub in Südengland übermächtig! Es passiert wirklich und wir sind nur noch Minuten davon entfernt!

OK, natürlich bleibt die Frage mit dem Schlafen! Inzwischen stehen ausgerechnet gleich zwei große Alkoven- Wohnmobile neben unserem Teilintegrierten. Wir entdecken sie, als wir vom Vermietbüro hinter unser Rezeptionistin hereilen und zielstrebig draußen auf die Wohnmobilreihe zusteuern. Die beiden Alkoven wirken fast wie majestätische Schlachtschiffe neben einem (unserem) kleinen Trawler. Und ja, ich schaue etwas neidisch zu den beiden Alkoven rüber! Ein solches Schlachtschiff würde zweifelsohne eine Menge Platzprobleme lösen. Allen voran das Schlafproblem, von dem wir noch nicht sicher wissen, ob wir es mit einem Teilintegrierten Wohnmobil überhaupt gelöst bekommen.

Aber genau, wie Jürgen Prochnow als „der Alte“ im Film „Das Boot“ können wir unseren kleinen Besitzerstolz nicht verbergen, der sich beim Anblick unseres „Bootes“ für die nächsten 2 Wochen ergibt. Wir fühlen uns etwa so, wie die drei Offiziere in La Rochelle, die erstmals auf ihr im Bunker einsatzbereit liegendes Boot herab schauen und der Alte ein „unser Boot!“ mit einem gewinnenden Grinsen zum Besten gibt. Genau so stolz wie er schauen wir jetzt auf unser kleines kompaktes Wohnmobil. Unser Boot! Und ganz egal, wie eng es darin werden wird, es ist unseres! Für immerhin 2 Wochen. Das wohlige Gefühl im Bauch nennt man glaube ich „Erhabenheit“.   🙂

Es liegt nun an uns, unser Boot so schnell wie möglich klar zum Auslaufen zu machen. Und so effizient wie möglich packen wir, nachdem wir im Übergabeprotokoll einige kleine Kratzer festgehalten haben und kurz darauf eine doch recht umfangreiche Einweisung zur Handhabung des Fahrzeugs erfolgt ist, alles aus dem Auto ins Wohnmobil.
Noch wird nicht jedes Teil an seinen endgültigen Platz verbracht. Ist fast so, wie wenn beim „Boot“ beim Auslaufen die Salami und die Bananen noch an den Torpedo- Rohren hängen. Weil man eben noch nicht weiß, wohin damit!
Richtig einräumen wollen wir das Wohnmobil sowieso erst auf dem nächstbesten Campingplatz! Wo wir draußen dann auch den Raum haben, die Dinge auszubreiten. Davon abgesehen haben wir heute, nach der anstrengenden Anfahrt und der inzwischen fortgeschrittenen Zeit (die Einweisung hat immerhin fast eine Stunde gedauert! Sie war, obwohl wir uns als Wissende geoutet haben, wirklich sehr umfangreich!) kaum noch Energien für längere Touren übrig und möchten daher nicht mehr sehr weit fahren.
Zuerst hatte ich hier in der Ecke den Lee Valley Campingplatz ausgesucht. Ich hätte ihn gerne von zuhause auch vorgebucht! Auf meine Telefonversuche war allerdings nur der Anrufbeantworter zu erreichen und auf meine email, die ich abgeschickt habe, warte ich bis heute vergebens auf Antwort. Auch keine schöne Art. Aber somit auch klar, dass der Lee Valley Campingplatz nicht unserer wird.
Dennoch bleibt guter Rat teuer! Der Vermieter kommt uns überraschend zu Hilfe!
Denn zusammen mit der Anmietung sind wir automatisch für die Dauer der Anmietung Teilnehmer im „Privilege Scheme“ des Camping & Caravanning Club, einem der beiden ganz großen Campingclubs hier auf der Insel! Schon in unserem Schottland- Fazit hatten wir, seinerzeit noch ohne Mitgliedschaft, von unseren ungewollten Berührungspunkten mit den Clubs berichtet. Nicht immer positiv. Jetzt aber sind wir für kurze Zeit Mitglieder und das löst ehrlich gesagt nochmals ein fettes Problem! Denn mehr und mehr Campingplätze hier auf der Insel haben sich diesen beiden Clubs angeschlossen. Zwar muss man nicht immer Clubmitglied sein, um dort übernachten zu dürfen, aber Clubmitglieder erhalten Vorteile! So werden sie z.B. ggf. bei der Platzzuteilung bevorzugt und sie zahlen natürlich einen rabattierten Clubpreis! Und wie da die Preisunterschiede sein können, wissen wir auch schon von unserer Reise von vor fast 10 Jahren! Dazu kommt, dass man für Mitglieder auch immer versucht, einen alternativen Platz zu finden, wenn der gewollte Stammplatz voll belegt sein sollte. Als Ausweichkapazität dienen dann „Certified Places“ bzw. „Certified Locations“, je nach Club unter anderem Namen. Gerade diese Notkapazität dürfte sich in der Hauptsaison ohne eine einzige Buchung als wichtig erweisen!
Jetzt könnte man natürlich sagen: „Hättest du dich mal vorher um eine Mitgliedschaft gekümmert!“ und das wollte ich auch! Aber zur Erinnerung: Wir haben das Wohnmobil samstags für die Abfahrt am darauffolgenden Montag zugesagt! Die Mitgliedsunterlagen kommen, wenn man sich vorab in Deutschland registriert, mit der Post…
Nun, auch diese Sorge ist durch die globale Vermieter- Vereinbarung mit dem CCC vom Tisch! Wir sind Mitglied, ganz automatisch! Super!

Zum zweiten Mal packt das Schicksal nun schon einen dicken Batzen Sorge von unseren Schultern, die wir im Zusammenhang mit dieser Reise gesehen haben. Fast erscheint es wirklich so, als SOLLEN wir diese Reise endlich machen. Die Hindernisse, die dabei im Weg liegen, lösen sich wirklich auf wunderbare Weise in Luft auf. Und als ich das kleine Booklet zusammen mit Anja studiere, fällt uns hier in der Nähe sofort der Theobald´s Park Campsite Campingplatz des CCC auf. Wir vermuten ihn in der Nähe, weil der Punkt auf der Übersichtskarte im Booklet ungefähr dort ist, wo wir uns befinden. Dass der Platz aber nur 5km (!) von unserem aktuellen Standort entfernt ist, ist die Sahne auf dem Schokoeis! Getoppt nur durch die „Schokosoße mit Kirsche“, soll sagen: Ja, sie haben auf jeden Fall noch eine Parzelle für uns frei und freuen sich, dass wir gleich kommen. So zumindest die Rückmeldung auf meinen Anruf. Hammer, oder?! Noch besser könnte der Start wirklich nicht verlaufen, der Vorhang geht quasi von alleine auf und Südengland liegt zu unseren Füßen! Ich kann mich nicht erinnern, wann wir jemals soviel „Dusel“ an einem Stück hatten! Fast ist es so wie früher! Mit dem Universum! Kamera war weg? Beim Universum bestellt und sie liegt im Handschuhfach. Auspuff bei einem 1984er Ducato in England kaputt? Wir bestellen für kleines Geld ein möglichst kurzfristig verfügbares Ersatzteil und finden tatsächlich in einem Dorf eine Schrauberbude, die uns innerhalb von 2 Stunden nicht nur das Teil besorgt, sondern auch einbaut! Alles beim Universum bestellt und prompt geliefert. Gerade das macht die gesamte Situation aber auch komisch, irgendwie unwirklich!
Das Wohnmobil ist für lau, wir konnten es deutlich früher übernehmen, wir haben einen Platz wie gewünscht gleich hier um die Ecke und eine kleine Sicherheit, dass wir auf der gesamten Reise immer Unterstützung bei der Schlafplatzsuche durch den Camping and Caravanning Club genießen. Könnte es besser sein, es wäre die Matrix in einer frühen Urversion, wo alle Menschen noch glücklich waren…

Schnell werden wir auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Die ersten Meter am Steuer des Wohnmobils sind die Hölle! Alleine die viel zu enge Einfahrt, die wir nur im Schneckentempo durchfahren können. Aus Angst, dass wir rechts oder links hängen bleiben! Und dann auf die Straße! Auch noch links abbiegen! Das wird wohl nichts werden!
Aber halt, es ist ja Rechtsverkehr! Dann ist links abbiegen so wie bei uns rechts abbiegen. Das geht gerade noch. Tatsächlich ist es dann, als wir uns endlich im rollenden Verkehr mit dem großen Wohnmobil eingeordnet haben, viel leichter als gedacht. Man fährt sowieso ja nur dem Vordermann hinterher. Das haben wir eben schon nach Ausfahrt von der Fähre so gemacht und machen wir jetzt mit dem Wohnmobil eben auch. Aber es ist natürlich etwas anders, als wenn wir in unserem Auto sitzen! Zum einen ist so plötzlich wieder ein Wohnmobil zu fahren doch ungewohnt. Viel ungewohnter ist aber die Rechtlenker- Position!
Besonders die Gangschaltung macht mir schwer zu schaffen. Erster und zweiter geht noch. Auch in den dritten und vierten kommt man. Aber dann geht es los! Die linke Hand, bei mir als Rechtshänder chronisch unmotorisch, will beim Schalten in den 5ten immer wieder den dritten Gang erwischen! Was der Motor natürlich mit einem jaulenden Aufheulen begleitet! Herrje! Hinzu kommt, dass das Fahrzeug ein Sechsganggetriebe hat. Ich werde dies im späteren Reiseverlauf natürlich noch zu schätzen wissen, aber im Moment ist es einfach nur ungewohnt! Wir eiern mehr, als das wir uns souverän fortbewegen und ich kann von Glück sagen, dass die meiste Zeit ein großer Transporter vor uns hergefahren ist, der mir durch seine Vorausfahrt automatisch angezeigt hat, dass die Straßen vor uns frei sind! Himmel, ist das ENG überall! War das schon immer so? Hab ich wirklich alles, ALLES verlernt?! Ich fahre doch auch Gespann! Das ist doch auch so breit, wie jetzt das Wohnmobil!
Oder sind die Straßen einfach nur enger? Oder ist es das ungewohnte Sitzen auf der rechten Seite? Oder der Umstand, dass bei einem Kratzer wohl die Kaution fliegen geht und wir somit nervös um den Erhaltungszustand des Fahrzeugs sind?! Was auch immer, wahrscheinlich eine brodelnde Mischung aus allem zusammen, wir eiern wirklich nur durch den Verkehr.

Zum Glück ist der Campingplatz Theobalds Park (Theobalds Park, Bulls Cross Ride, Waltham Cross EN7 5HS) wirklich nur 5km entfernt und wir sind heilfroh, als wir gegen kurz nach drei die Einfahrt des Campingplatzes erreichen.
Puh! Endlich da.

Zielstrebig betreten wir die Rezeption und werden sogleich freundlich empfangen. Fast wie in einer Familie! Es ist schwer einzuschätzen, ob dieser freundliche Empfang nur extrem gut gespielt oder ehrlich gemeint ist. Glaubt man an das Gute im Menschen, dürfte er ehrlich sein. Ist man hingegen -typisch deutsch- skeptisch, unterstellt man gleich eine vorrangig geschäftsfördernde Taktik.
Aber ob so oder so, wir bleiben ja eh nur für eine Nacht und brauchen daher gar nicht in die Fänge möglicher marketingtechnischer Tricks geraten. Die Dame in der Rezeption ist genau die, mit der ich eben telefoniert habe. Sie meint, dass sie mindestens einmal die Woche Camper von McRent hier auf dem Platz haben und seien daher das Thema schon gewohnt. Mit Ruhe und Gelassenheit erklärt sie mir nochmals das „Privilege Scheme“ des Caravanning and Camping Club und händigt mir hierzu ein weiteres Verzeichnis der Campingplätze aus. Auch gibt sie mir meinen Quittungsbon und erklärt mir, dass unten auf dem Bon meine temporäre Membership- Number enthalten wäre. Egal, auf welchen Clubplatz ich von nun an fahre. Einfach die Member- ID vorlegen und schon könnte das ganze Prozedere mit Ausweis und Co. unterbleiben. Das ist doch was!
Darüber hinaus teilt mir die Rezeptionistin mit, dass sie von hier aus jeden Platz des Clubs im Voraus für uns buchen könne und ob wir für unsere geplante Rundreise schon eine grobe Touridee hätten. „Ja so halt an der Nordseite von Somerset, Wales und Cornwall entlang und dann eben bis zum Land´s End“ versuche ich auf Englisch, was wiederrum den Platzmeister, der ebenfalls mit hier im Büro sitzt, auf den Plan ruft. Er rät mir vom Reiseziel „Land´s End“ fast schon ab, ohne dabei übermäßig aufdringlich zu sein. Worte wie Touristenfalle fallen dabei ebenso, wie a „coup“, „tourist Trap“ and ein „ripp-off“ wie er mit englischen Phrasen eindrucksvoll wie sachlich beschreibt. Ich bestätige ihm, dass wir genau das erwarten. Aber es uns egal wäre! Denn wie das Nordkap ist „Land´s End“ nunmal „Lands End“! Das muss man doch mal gesehen haben.
Der Platzmeister grinst und es scheint so, als habe er diese Diskussion nicht zum ersten Mal geführt. Und als habe er darüber hinaus nicht zum ersten Mal die Antwort bekommen, dass die Leute ja dennoch dorthin fahren wollen! Wie eben auch bei uns.
Also lässt er von seinem Versuch ab uns Lands End madig zu machen und erkundigt sich lieber nach unseren übrigen Reisezielen der Route. Ein bisschen scheint es so, als würde der Platzmeister die Ehre seines Landes in unserer späteren Erinnerung zu dieser Reise retten wollen, indem er uns quasi zum Ausgleich für Lands End andere Reiseziele schmackhaft machen will. Hastig stammele ich 2, 3 Reiseziele daher, die mir spontan einfallen. Immerhin! Und als ich schon „Winchester“ sage fällt mir augenblicklich ein, dass wir ja auch den heiligen Gral endlich finden wollen! Ohne diesen Kelch wäre die Reise doch sinnlos! Ein Glück, dass mir das eingefallen ist. Denn der Alte grinst plötzlich verschmitzt, als wüsste er GENAU, wo der Gral zu finden wäre! Kann das sein? Ein Platzmeister hier ein paar Kilometer nördlich von London, der vielleicht ein Großmeister der Senneschale ist und um den Aufenthaltsort des Grals weiß? Es dauert eine Sekunde und dann lacht der Mann. So herzlich, dass man nur mitlachen kann. Sofort scheinen wir einen Stein bei ihm Brett zu haben, denn jetzt ist er mir wirklich freundschaftlich gesonnen. Immerhin.
Noch in der Rezeption vereinbaren wir, dass wir auf dem Rückweg, wenn wir das Wohnmobil in 2 Wochen wieder abgeben müssen, wieder hier auf den Platz für die letzte Nacht fahren werden. Natürlich, weil der Campingplatz Theobalds Park nicht nur für die Übernahme, sondern auch für die Rückgabe eines Wohnmobils ideal gelegen ist! Aber eben jetzt auch, damit wir dem Mann von unseren Reiseerlebnissen berichten können. Denn an diesen so scheint es, ist er nun ehrlich interessiert. Na das ist doch was!
Den Rest der Formalitäten erledigen wir problemlos, dann kommt unser Platzmeister mit und weist uns unseren Platz auf dem Feld zu. Da wir um einen Platz nahe zum Spielplatz gebeten haben, stehen wir recht mittig auf dem weitläufigen Areal.

Wir lassen die Kinder erstmal auf den Spielplatz vor unserem Wohnmobil spielen und laufen. Die können sich da prima ein wenig austoben, während wir das Wohnmobil nun in einen kampfbereiten Zustand versetzen. Die Salami vom Torpedorohr abhängen, ihr versteht schon. 😉
Alles findet auf wunderbare Weise irgendwie seinen Platz. Hilfreich ist hierbei auf jeden Fall das große Staufach unter dem Bett, welches ich prima von außen beladen kann. Das sich dort bereits die vom Campingvermieter bereitgestellten Stühle, der Campingtisch, ein Eimer, das Stromkabel und der Wasserschlauch befinden, tut dem übrigen verfügbaren Raum keinen Abbruch. Gut, dass wir nicht mit Koffern gefahren sind! Zuerst hatten wir nämlich genau dies zuhause überlegt. Die typischen Gepäckstücke, die man auch am Flughafen für die Fernreise mitnehmen würde halt. Aber die haben wir bewusst zuhause gelassen und dafür unser Zeug in rollbare Plastikkisten verstaut, welche von außen teilweise durchsichtig sind. Die müssen wir jetzt gar nicht komplett entladen, sondern können sie teilbeladen nebeneinander in den Stauraum stellen. Klar, solche Dinger schieben wir nicht durch ein Flughafenterminal, aber für die Reise Auto / Wohnmobil / Auto sind sie perfekt!

Gegen kurz vor 6 gibt es das erste gemeinsame Essen im Wohnmobil. Brötchen, Wurst und noch ein paar Reste, die wir im Tesco an der heißen Theke gekauft haben, finden sich auf unserem Abendbrottisch wieder. Erstaunlich, wie gut das mit dem Abendessen klappt. Tim sitzt in seinem Kindersitz, den er auch für die Fahrt verwendet, auf der Sitzbank neben Anja. Nils sitzt mit seinem Kindersitz auf dem Beifahrersitz und ich habe den Fahrersitz in Richtung Tisch gedreht. Alle haben Platz, die Kinder sitzen nicht zu tief und alle kommen ans Essen dran. Hätte ich nicht gedacht! Schön, wenn das klappt.
Das Essen ist allerdings weit weniger schmackhaft, als erwartet. Würstchen wie Hähnchen schmecken nicht richtig herzhaft, eher wabbelig. Wir kennen das Phänomen von früheren Reisen nach England und Großbritannien. Sieht total lecker aus (besonders das britische Frühstück mit Speck, Eier, Bohnen, usw.), aber wenn du dann reinbeißt, ist einfach nur alles laff. Da hilft dann auch kein Salz- und Pfefferbergwerk mehr.
Hier mit Hähnchen und den kleinen Würstchen ist das jetzt auch so. Das Enttäuschende dabei ist aber, dass diese Sachen dieses Mal nicht nur lecker aussahen, sondern auch lecker gerochen haben! Und das tun sie noch immer! Aber beißt man rein, schmeckt es total anders, als es duftet. Sehr komisch! Wie kann das nur sein? Wir rätseln beim Abendessen und machen ein Spiel draus. Nils schließt die Augen und ich stecke ihm was in den Mund, danach bin ich dran. Jeder von uns muss dann raten, was er gerade isst. Soviel vorweg: Wäre dies ein Spiel bei einer Gameshow, wir hätten wahrscheinlich verloren! 😉
Einzig das weiche Brot mit einer Lage Schinken und einer Scheibe Chester Käse drauf schmeichelt dem Gaumen. Besonders, weil es natürlich der gute „Tesco Value“ sein muss! Unvergessen Anjas Zitat während unserer Schottlandreise und ich darf bestätigen, dass sich weder Anjas Meinung hierzu, noch mein Geschmackserlebnis zu diesem Schinken verändert hat. 😉

Nach dem Abendessen geht es ans Aufräumen und Spülen. Fasziniert nutzt Anja das Warmwasser aus dem Truma Kombiboiler und erfreut sich an den für uns Wohnwagencamper ungewohnten wie unglaublichen Wasser- und Abwasserreserven, die so ein Wohnmobil bietet! Trotz ausgiebiger Spülorgie zeigt der Frischwassertank unbeeindruckt 4 LEDs für vollen Füllstand und der Abwassertank dafür gähnende Leere. Wow! Im Wohnwagen wäre der kleine Rolltank jetzt schon zur Hälfte leer und der Abwassertank entsprechend voll…

Den Tag schließen wir mit einer erfrischenden Dusche ab. Nils und ich probieren den Herrensalon aus. Der erste Eindruck: Wie prüde! Ist es denn so etwas Besonderes, dass man auf das Geschlecht der Reinigungsfachkraft hinweisen muss? Abrupt fühlt man sich an amerikanische Verhältnisse erinnert! Bekommt man keine Warnung, dass sich auf der Herrentoilette auch mal eine weibliche Reinigungskraft verirren könnte und erschreckt man beim Anblick derselben, kann man den Campingplatz bestimmt auf eine Millionenabfindung verklagen! Dazu passt, dass in den Duschen die Traglast der Duschsitze extra ausgegeben wird. Selbst, wenn sich Nils mit mir zusammen auf den Stuhl setzen würde, würden wir das Gewicht nicht erreichen. Wie dick muss also der Camper sein, der sich von diesem Schild angesprochen fühlen muss! Der würde doch auch in kein Wohnmobil mehr passen!
Na gut, uns amüsiert das Ganze. So scheint es halt hier zu sein! Mal sehen, ob wir auf dieser Reise genügend Material zusammen bekommen, um ein „best of“ der Schilder, Hinweise und Gebote zu fabrizieren. Der Start für eine solche Bildershow ist jedenfalls geglückt…

Etwas betrüblich sind dann die Duschen selbst. Also wir meinen jetzt nicht die Hygiene, nein-nein! Es ist viel mehr die spartanische technische Ausstattung hier. Es gibt nämlich NUR heißes Wasser! Dieses zwar kostenlos, aber eben NUR heiß! So heiß, dass man sich kaum unter den Strahl drunter stellen kann! Sonst wird man zum Suppenhuhn! Nils hält es so gerade aus und ist froh, dass wir das Duschen auf das Minimalste einkürzen. Wow! So eine heiße aber vor allem nicht regelbare Dusche habe ich selten erlebt auf einem Campingplatz! Wahrscheinlich sind wir durch die letzten Jahre auf unserem Saison- Stellplatz in Zeeland, Holland, einfach viel zu verwöhnt und müssen uns an das harte raue Camperleben erst wieder gewöhnen! 😉

Zurück von der Dusche bringen wir die Kinder ins Bett. Tim bekommt eine kleine Ecke im großen Elternbett. Er ist ja erst ein Jahr alt und braucht nicht so viel Platz. Für Nils hingegen wird das Bauen des Bettes schon komplizierter! Es soll ein Notbett in der Sitzgruppe geben. Aha. Es gibt sogar eine Zeichnung hierzu im Betriebsbuch. Aber ganz ehrlich: Da blickt KEINER durch! So viele Teile, das kann doch gar nicht sein! OK, den Tisch bekommen wir noch hin. Aushängen, Fuß einklappen und in der tiefen Leiste wieder einhängen. Aber dann! Wie werden die Polster ausgerichtet? Und ist der Beifahrersitz nun Teil des Bettes und wir haben ein Längsbett? Oder muss irgendwas ausgezogen werden und es ist ein Querbett?
Wir probieren ein wenig rum, belassen es dann aber dabei, die mitgenommene Kinderbettmatratze auf der umgebauten verkürzten Sitzgruppe auszulegen. Für Nils reicht es gerade aus und ehe wir uns versehen, ist er auch schon eingeschlafen.

Tja, damit erkennen wir eines der Hauptprobleme im Wohnmobil, das müssen wir ab morgen besser machen! Wenn Nils in der Sitzgruppe schläft, haben wir keinen Platz zum Sitzen mehr! Besser wir lassen ihn morgen zusammen mit seinem Bruder im großen Bett einschlafen und betten ihn dann, wenn wir selber ins Bett gehen wollen, einfach um. Das sollte passen.
Jetzt aber können wir kaum etwas anderes machen, als selbst ins Bett zu gehen. Ist aber auch nicht die schlechteste Idee! Immerhin war der Tag echt lang, extrem hart und auch anstrengend. Die Eindrücke, die verarbeitet werden wollen, sind enorm!
Und da haben wir wieder eine Parallele zu unserer letzten großen Rundreise durch England mit dem Wohnmobil! Wieder ein „längster Tag“! Nur, dass wir auch dieses Mal die „Invasion“ umgekehrt gestaltet haben und nun in England eingefallen sind. Wie seinerzeit die Normannen. Ich glaub das waren neben den Römern die einzigen, denen wirklich mal eine Invasion der Insel gelungen ist. Alle nach ihnen sind gescheitert, oder?
Na, nicht ganz. Wir haben es ja nun auch geschafft! Wie damals! Anreise über Belgien, durch den Eurotunnel, auf der Insel den Auspuff halb verloren, die Hand verbrannt und dann auf einem Rastplatz bei London den schlimmsten Sturm erlebt, den man im Wohnmobil nur erleben kann.
Heute blicken wir zwar schmunzelnd an diese Abenteuer zurück, aber dennoch tut es gut wenn wir sagen können: Da geht es uns heute besser!
Zwar regnet es heute Abend, an unserem ersten Abend auf der Insel, auch wie damals, ja, aber nur leicht. Und es klingt ehrlich gesagt merkwürdig vertraut auf dem Dach! Fast wie Musik. Aber nicht so schnöde wie eine Schnulze von Helene Fischer, die auf unser Dach vom Wohnwagen hämmert, sondern eher wie eine Symphonie von Bach! Erhaben, edel, entspannend. Dieses fast neue Wohnmobil weckt schon jetzt Begehrlichkeiten, die wir zuhause kaum abstreifen werden können…

2 Kommentare

  1. Super Geschichte, das Lesen macht mir viel Spaß. Wir hatten vor 35 Jahren für kurze Zeit ein Wohnmobil welches ich selbst ausgebaut habe, auf Basis eines VW LT28. In zwei Wochen können wir uns hoffentlich wieder Wohnmobilbesitzer nennen. Der gebrauchte Globebus ist schon bezahlt und wartet nur auf frischen TÜV und Anmeldung. Ich habe heute nur die erste Seite gelesen, aber sie macht Lust auf mehr. 😉

    • Danke Karl Heinz für dein freundliches Lob, hat uns sehr gefreut!
      Für euer Wohnmobil und euch wünschen wir alles Gute und viele spannende und schöne Touren durch die Lande!
      Beste Grüße senden
      Tim, Nils, Anja und Björn

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