*** Vorwort: Auch an diesem Tag haben wir leider im Nachgang feststellen müssen, wie unglaublich schlecht die Handybilder geworden sind! Leider haben wir außer diesen auch an diesem Tag kaum welche mit der DSLR gemacht! Das wird aber die kommenden Tage besser, versprochen! ***

Dienstag, 02. August: der erste richtige Ferientag in England!

Die erste Nacht im Wohnmobil war einfach wunderbar!
Ja, gut, ich habe diverse blaue Flecken und auch mehrfach in der Nacht wurden wir von unserem Nachwuchs, der in der Mitte des eher schmalen Bettes geschlafen hat, natürlich auch „wach getreten“. Aber irgendwie sind alle diese erholungsmindernden Begleitumstände kein psychologisches Problem, was einen jetzt sagen lassen würde: „Ich habe schlecht geschlafen!“. Bekommst halt einen Tritt in die Rippen, wirst wach und ärgerst dich. Aber nur einen ganz kleinen Moment, denn das sanfte Tröpfeln auf dem Wohnmobildach macht einem noch im Halbschlaf bewusst, dass man ja gerade im Wohnmobil schläft. Das versöhnt sofort und man schlummert gleich wieder weg – bis zum nächsten Tritt…

Gut, das Schlafkonzept werden wir  dennoch einmal überdenken. Das ist klar. Aber trotz Schlafmangel starten wir einigermaßen erholt, aber vor allem voller Tatendrang in den Tag! Denn heute beginnt sie erst so richtig, unsere Wohnmobiltour durch Südengland!
Ich bin schon ganz heiß darauf, heute das Wohnmobil im ausgeruhten Zustand durch den Verkehr zu bewegen. Die erhabene Aussicht der erhöhten Sitzposition zu genießen und die ersten Ziele dieser Reise anzusteuern! Wir schwanken noch, ob wir jetzt nördlich in Richtung Seebäder und Küste, oder erstmal landeinwärts Richtung König Artus und Stonehenge abbiegen sollen. Die Entscheidung soll aber gleich demokratisch am Frühstückstisch fallen.
Bevor wir aber frühstücken können, ist erstmal Rückbau angesagt! Nils schmeißen wir aus dem kleinen Bett, werfen seine kleine Matratze auf unsere große und verstauen das Bettzeug.
Dann heben wir den Tisch wieder an und positionieren die Sitzpolster auf der harten Holzbank, zum Schluss kommen die Kindersitze wieder an ihren Platz. Die sind übrigens perfekt auch für den „normalen“ Alltag im Wohnmobil geeignet, da die Kinder durch ihre eigenen erhöhten Kindersitze jeweils ordentlich am Tisch sitzen können, ohne dass wir etwas unterlegen müssten. So schlagen wir mit den Sitzen 2 Fliegen mit einer Klappe und brauchen z.B. keinen Ansteckstuhl oder gar einen Baby-Hochstuhl wie wir in ihm Wohnwagen haben, der den wenigen vorhandenen Raum hier im Wohnmobil noch zusätzlich verknappen würde.
Ja, ein bisschen gleicht der Rückbau des Nacht- und Aufbau des Tagzustandes schon einem Tetris- Spiel auf dem Gameboy! Da müssen die Sachen schon ineinander passen. Sonst hast du nachher ein Problem wenn der lange 4er kommt und du keine geschlossene Mauer mit nur einer Spalte frei hast! Kennt ihr bestimmt noch, oder? So ähnlich ist das auch hier.
Zum Glück sind Anja und ich beide wirklich ausreichend tetris-erfahren, sodass wir mit der richtigen Stautechnik auch keine Probleme bekommen.

Schon eine halbe Stunde nach dem Aufstehen haben wir sowohl die erste Morgentoilette erledigt, alles von der Nacht verstaut und auch schon den Frühstückstisch weitgehend gedeckt. Nur das Brot bereitet uns etwas Probleme! Gestern war es noch total knusprig außen und innen sämig- weich. Man hätte sich reinsetzen können!
Zwar ist das Aroma auch heute noch immer so wie gestern und es riecht auch total lecker, aber von der Haptik ist es eher mit einem weichen Stück Gummi oder Kautschuk vergleichbar! Zum Schneiden eine einzige Katastrophe, zumal wir mit Überraschung feststellen müssen, dass dem „Bordwerkzeug“ unerklärlicherweise ein Brotmesser fehlt! Wir haben lediglich ein kleines und zu allem Überfluss auch noch total stumpfes Küchenmesser, mit dem man z.B. Kartoffeln besser erstechen als schälen könnte, um sie zu küchenfertig zu erlegen. Auch beim Brot gewinnen wir damit keinen Preis,  das stumpfe Messer raspelt die Brotscheiben eher, als dass es sie schneidet…

Aber anstelle uns über fehlende bzw. unbrauchbare Messer zu beschweren beschließen wir, einfach bei nächster Gelegenheit ein Brotmesser nachzukaufen und dem Bordequipment des Wohnmobils zu spendieren. Dann haben wir den Rest für diese Reise und die Mieter nach uns dann auch noch etwas davon.
Mehr schlecht als Recht säbeln wir uns für den Moment ein paar Brotscheiben zurecht, gießen Kaffee auf (Instantkaffee) und decken den Tisch zu Ende. Dann wird in Ruhe fast eine Stunde lang gefrühstückt und beratschlagt.
Wir entscheiden uns für die weitere Route unser Wohnmobilreise, jetzt erstmal mit Winchester anzufangen! Winchester ist die erste größere Stadt nach London und besonders die Kathedrale soll äußerst sehenswert sein! Mehr noch, der Reiseführer spricht von zahlreichen Gräbern, Bischöfen und Königen, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Idealer Nährboden für geheime Zeichen, lose Bodenplatten, Schätze, den Aufenthaltsort der Bundeslade oder gar des heiligen Grals!
Auch, wenn im Reiseführer unter dem Stichwort „heiliger Gral“ ein anderes Ziel genannt wird, als alternativer Ort für ein Gralsversteck kommt die Winchester Kathedrale durchaus in Frage, zumal Winchester zu Zeiten dreistelliger Jahreszahlen sogar mal Hauptstadt von England noch vor London war! Kann doch sein, dass man den Gral dort versteckt hat?!

Gegen 20 nach 10 sind wir reiseklar! Das Frühstück ist abgeräumt, die Teller gespült und verstaut, das Stromkabel eingeholt, die Dachluken geschlossen und er erste Besuch auf der VE- Station haben wir auch schon erledigt. Zwar zeigten die LEDs nach wie vor volle Reserven sowohl beim Frisch- wie beim Abwassertank, aber ein bisschen dran wird schon draußen bzw. drin sein und zum Üben ist das mal ganz praktisch.
Dass wir den Vierkant- Schlüssel zum Öffnen des Ablassventils nicht gefunden haben und den Verbleib des Vierkantschlüssels nach einiger Suche beim Vermieter telefonisch erfragen mussten, muss ja keiner wissen! Soll mal keiner denken, wir wären Laien und hätten vom Wohnmobil keine Ahnung! 😉

Gegen halb 11 sind wir dann endlich unterwegs. Etwas spät, aber nicht zu spät. Knapp 2 Stunden Fahrt orakelt unser Navi. Für den Weg nach Winchester müssen fast halbseitig wieder um London herum (dieses Mal auf der Westseite ohne Dartford- Tunnel) und dann in westlicher Richtung raus aus dem Moloch der Großstadt. Uns ist es recht.

Die Fahrt verläuft überraschend angenehm. Die Autobahn, auf die wir quasi unmittelbar neben dem Theobalds Park auffahren (wir haben sie in der Nacht überhaupt nicht gehört und nicht gewusst, wie nah sie doch ist), ist an diesem Morgen erstaunlich leer und wir kommen sehr gut durch. Perfekt für mich, um mich mit dem Wohnmobil endgültig für den noch kommenden anspruchsvolleren Teil der Reise vertraut zu machen. Das klappt auch prima, auch wenn ich noch immer Probleme mit dem Schalten habe. Das ist überhaupt das problematischste an diesem Rechtslenker! Weniger das Fahren auf der linken Straßenseite. Oder das wir einen Rechtslenker haben und ich ungewohnt auf der falschen Seite sitze (obwohl mir trotz Linksverkehr ein Linkslenker lieber wäre). Nein, das Schalten mit der linken Hand ist ein Problem! Viel zu oft rangiere ich vom vierten kommend wieder zurück in den dritten Gang, obwohl ich eigentlich in den fünften (rechts oben) möchte! Da fehlt einfach die eingespielte Motorik in der linken Hand, dass man den Ganghebel ja zu sich heran ziehen muss! Im Linkslenker zuhause müssen wir das ja nur mit dem ersten, bzw. zweiten Gang. Schaltet man aus dem Mittelbereich jedoch in die Endbereiche 5ter und 6ter Gang, geht das meist von allein. Es ist eben „weg“ drücken, irgendwie eine natürliche Bewegung. Hier ist es nun genau umgekehrt! Und obwohl ich nach dem zweiten und dritten Verschalten sogar weiß, dass ich den Ganghebel zu mir heranziehen muss, gelingt es mir dennoch mit fragwürdiger Regelmäßigkeit im weiteren Tagesverlauf, den dritten statt den fünften Gang zu erwischen. Tja.
Auf der Autobahn ist das natürlich kein Thema. Das Wohnmobil hat sogar sechs Gänge und ist man einmal im letzten Gang, läuft es ja doch wieder von allein. Tatsächlich fährt sich unser Wohnmobil so mit 110 erstaunlich gut! Man merkt auch sofort, dass rein motortechnisch die notwendigen Reserven sofort zur Verfügung stehen. Ein Sprint von 110 auf 120 oder gar 130 (also km/h versteht sich, nicht Meilen! 😉 geht. Aber: Das Wohnmobil ist eher der Marathonläufer, weniger der Kurzsstreckensprinter. Ab 115, spätestens ab 120 steigt der Verbrauch einerseits signifikant an! Gut, wer sich das leisten kann, sieht da noch drüber hinweg. Schwieriger ist dann schon, dass die ganze Fuhre anderseits leicht instabil zu werden scheint, sobald man über 120 kommt! Vielleicht fehlt mir hier einfach die Erfahrung als jahrelanger Kurierfahrer mit Sprinter und Co. auf deutschen Autobahnen, aber so richtig werden das Wohnmobil und ich jenseits der 120 keine Freunde. Es ist nicht 100% spurtreu, wankt ein wenig und produziert auch übelst Windgeräusche. Ersteres jetzt nicht so, als wäre die Situation kritisch. Aber es ist auch nicht so, als könnte man von entspanntem Reisen sprechen, wenn wir schneller als 110 fahren. Und als Anja nach den Reisekautabletten fragt, lassen wir für den Rest des Tages die Tachonadel knapp unter 110. Scheint die ideale Geschwindigkeit für unser Wohnmobil zu sein.

Wir erreichen Winchester gut anderthalb Stunden nach unserer Abfahrt nördlich von London. Sofort gefällt uns der kleine Ort! Er wirkt einerseits lebendig, fast schon wuselig. Andererseits aber ist er beschaulich und wirkt ein wie ein gepflegter englischer Landsitz mit seinen Blumenkästen und Blumentöpfen an den Laternen, den geputzten Bordsteinkanten oder Geschäften und Pubs in den Erdgeschossen der Häuser.
Mehr wie einmal habe ich zwar die Befürchtung, dass wir um diese oder jene Straßenecke mit unserem ausladenden Popo nicht herum kommen, aber als wir der Beschilderung zum großen Busparkplatz folgen und wissen, dass auch Busse hier entlang fahren, ist alles gut. Parken in Winchester mit dem Wohnmobil kann man „frei“ sowieso vergessen. Kein Platz! Daher können wir wirklich nur empfehlen, bei der Einfahrt gleich den Schildern zum Busparkplatz zu folgen und es gar nicht erst auf eigene Faust in den engen verwinkelten Nebengassen abseits der Hauptstraßen zu versuchen! Lieferanten und Möbeltransporter mögen hier ein stählernes Nervenkostüm besitzen und so manche Schramme an den Lieferwagen von UPS, DHL oder der britischen Post bezeugen dies stumm. Wir aber sind gar nicht scharf darauf unsere Kaution schon gleich am ersten Tag der Reise in den Wind zu schießen und erreichen so der Hauptstraße folgend unbeschadet den Coach Park Winchester.

 

Goldrichtige Entscheidung der Beschilderung zum Coach Park zu folgen übrigens! Auch, wenn die Beschilderung in der Stadt ausnahmslos für Busse ausgelegt ist, finden wir gleich an Zufahrt und Parkautomat auch den Hinweis, dass auch Camper mit Caravan und Wohnmobil hier am Coach Park Winchester richtig sind und in den Bustaschen stehen dürfen. Ja nicht nur dürfen, sondern sogar sollen! Alles andere wird nämlich mit einer dicken Strafe geahndet. Oha!
„Busverdächtig“ ist dann übrigens auch der Preis für diesen Parkplatz. 7 Pfund! Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob wir nur eine Stunde, oder den ganzen Tag und sogar über Nacht bis morgen hier verbringen wollen. 24 Std = 7 Pfund.
Und das ist jetzt ein kleines Problem! Denn wir haben keine 7 Pfund! Wer konnte denn ahnen, dass gleich die erste Begegnung außerhalb unserer Plastikkartenwelt ein Parkscheinautomat sein wird, den wir zwingend mit Münzen füttern müssen?!

Jetzt stehen wir da. Aus der Not heraus probiere ich es mit dem Telefonjoker! Soll heißen man kann seine Parkgebühren auch per Telefon bezahlen. Das Kennzeichen wird dann registriert und man kann so stehen. Ohne Parkschein. Der Versuch meine Kreditkartendaten am Telefon einzugeben endet bei einer sehr freundlichen Dame einer Parkplatzverwaltungsgesellschaft, die mich als Festlandeuropäer durch das System führt. Am Ende bestätigt sie mir, dass mein Wohnmobil mit dem Kennzeichen entsprechend bis morgen Mittag gebucht ist. Als sie auflegt, muss ich schlucken! Ich habe nichts als Bestätigung! Kein Zettel, kein Parkschein, keine Buchungsnummer. Gar nichts!
Da ist er wieder, der kleine Deutsche! Es reicht nicht, dass ich das Wort einer mir völlig unbekannten Dame am Telefon, deren Namen ich mir nicht merken konnte, als Bestätigung habe, nein, der kleine Deutsche auf meiner Schulter braucht ein Blatt Papier, an dem er sich festhalten kann. Ein Papier, wo drauf steht, dass alles seine Ordnung hat!
„Na hoffentlich hat das auch wirklich geklappt, ansonsten bekommen wir halt eine Knolle oder mit Pech in 3 bis 6 Monaten Post vom britischen Inkasso- Unternehmen nach Hause!“ frotzele ich Anja zu, die die Augen verdreht. Das Parkabenteuer am Telefon hat viel zu lange gedauert, wir hätten schon vor Minuten los gekonnt! Als erstes beschließen wir daher, unbedingt noch heute ausreichend Kleingeld zu besorgen! Eine Situation wie heute wird sich definitiv wiederholen!

Die Straßen von Winchester auf dem Weg ins Zentrum erweisen sich nun, auf den zweiten genaueren Blick zu Fuß, plötzlich gar nicht mehr so gepflegt, als noch vorhin bei der Durchfahrt. Hier und da Dreck in den Ecken und gelegentlich Müll, sowie aufgegebene Geschäfte, Zeitungspapier als Blickschutz an den Schaufenstern und dicke Posthügel vor so mancher verrammelter Tür zeugen davon, dass auch in England wirtschaftlich nicht alles zum Besten bestellt ist! „Da kommt der EU- Austritt sicherlich zum richtigen Zeitpunkt“ mag man da fast sarkastisch schon denken.

Zum Glück wird es optisch schlagartig besser, als wir uns der Fußgängerzone nähern. Dort floriert dann auch die Wirtschaft wieder, die Leute wuseln umher und tragen volle Einkaufstüten mit sich herum. Spontan fühlt man sich an das erste Adventswochenende auf der Kölner Hohe Straße erinnert.
Wir lassen die Geschäfte links liegen und steuern gleich das absolute Highlight an, die Kathedrale von Winchester! Sie ist nur einen Steinwurf vom Zentrum entfernt und von einem schönen Park flankiert.

Info- Box: Winchester Kathedrale
Die Kathedrale von Winchester hat, auch ohne als möglicher Aufenthaltsort des heiligen Grals berücksichtigt zu werden, einige interessante Eckdaten zu bieten. Winchester war im 9 Jahrhundert die erste Hauptstadt Englands, bevor es 2 Jahrhunderte später von London abgelöst wurde. Schon früh gab es Bestrebungen für ein würdiges Gotteshaus, im Jahre 1079 sollen die Arbeiten hierfür erstmals aufgenommen worden sein. Die Kathedrale unterlag durch die Jahrhunderte sowohl romanischen, normannischen und gotischem Baustil. Ein Wunder, dass sie bei dem Flickwerk nicht einstürzt! Obwohl halt, das ist sie doch! Im Jahr 1107 ist die ganze Bude zusammen gekracht. Und wurde danach mühsam wieder aufgebaut.
Spätestens mit dem „Aha- Effekt“ erinnert uns die Winchester Kathedrale sofort an das Buch „Die Säulen der Erde“!
Fast ist es bei unserem Besuch so, als würden wir Tom Builder´s Schritte durch die heiligen Hallen nachhallen hören, auch wenn das Buch angeblich auf der von hier etwas weiter entfernt stehenden Kathedrale von Salisbury beruht. Aber Salisbury steht ja auch noch auf dem Programm…
Hier in Winchester wurden übrigens Könige nicht nur verheiratet und auch gekrönt, sondern auch begraben! Und davon nicht wenige. Die Kathedrale hat somit durchaus einen Platz und Stellenwert in der britischen Geschichte. Dazu die zahlreichen Bischöfe, die ebenfalls hier ihre letzte Ruhestätte fanden.
Interessant auch: Das riesige Kirchenfenster! Im Bürgerkrieg 1642 eingeschmissen folgte nach Re-Installation der Monarchie der mühsame Neuaufbau des Fensters, angeblich aus den Glasscherben des Einwurfs 18 Jahre zuvor. Was muss das eine Fisselsarbeit gewesen sein! Sie haben es am Ende auch dran gegeben und lieber das Fenster neu gestaltet. Hätten wir ja gleich so gemacht und das Altglas dem Verwerter überlassen. 😉
Das zum Schluss in der modernen Zeit sogar ein Taucher in der Kirche beschäftigt war, der die Kathedrale sogar vor dem neuerlichen Einsturz bewahrt haben soll, rundet die Geschichte(n) zum Schmunzeln und Schmökern durchaus ab.
Mehr zur Kathedrale von Winchester findet ihr hier:
Ein eher emotionsloser kompakter Wikipedia- Eintrag: Kathedrale von Winchester
Die offizielle Webseite gibt es hier: Winchester Cathedral

Die Fakten zur Kirche lesen sich neutral sachlich mit einem Schmunzeln. Doch dafür sind wir nicht hier. Uns geht es natürlich um nichts geringeres, als den heiligen Gral! Wir sind schon sehr gespannt, ob man in der Kirche Zeichen und Hinweise finden könnte, die Abenteurer und Fantasten zu wilden Theorien beflügeln können, eine mögliche Spur auf den Gral zu deuten! Ganz klar, dass ich diesem Spleen mit unserem Besuch hier und heute neuen Auftrieb verleihen will. Wenn der Gral wirklich hier in England ist, dann dürften wir so nah an ihm dran sein, wie nie zuvor! Von wegen Rennes-le-Chateau oder Rosslyn Chapel. Das ist doch nur ein rein weltliches Ablenkungsmanöver zweier Autoren (nämlich dem Ur- Verschwörungstheoretiker Pierre Plantard und den auf ihn folgenden populären Dan Brown), die höchstwahrscheinlich ganz bewusst diese Schnitzeljagd in die Welt gestreut haben, um vom eigentlichen Versteck des Grals abzulenken! Jawoll-ja! EINSELF!11!!
Und wir fallen auch noch darauf rein und reisen rauf bis Schottland, nur um dort die Rosslyn Chapel nach Zeichen der dort überdeutlich vorhandenen Rosenlinie abzusuchen. Hiob 38:11 halt.
Dabei liegt der Gral doch im Wahren hier, in Südengland! Und der erste Hinweis wird hier in der Winchester Kathedrale zu finden sein! Ganz bestimmt. 🙂

Den Gralsdrang in mir bremst eine Kasse abrupt vor mir! Autsch, das kam unerwartet! Ein Küster oder Domprobst oder wie sie heißen empfängt und zunächst freundlich, verwickelt uns in ein Gespräch und steckt uns schon einen Flyer zu, gleichzeitig bugsiert es uns langsam in Richtung der Kasse, von der aus wir kaum noch entkommen können. Es sei denn wir würden energisch drauf pochen. In einer Kirche? Das wirkt schon als Bauwerk per se einschüchternd! Als Kathedrale ist der Effekt ungleich höher, zumal der Küster in seiner ebenfalls Respekt abnötigenden „Kirchenuniform“ gar nicht mehr so freundlich dreinschaut, als wir erstmal unschlüssig vor der Kasse stehen. Ja oder nein?
Wir entscheiden uns für  „ja“, schlucken beim Preis und bekommen Eintrittskarten wie beim Phantasialand ausgehändigt. Na hoffentlich lohnt sich der Aufwand!
Ein wenig fühle ich mich schon überrumpelt! Das hab ich so nicht erwartet! Eine Unsitte, für den Besuch eines Gotteshauses auch noch Geld zu verlangen! Erst später werde ich im Flyer zur Kathedrale lesen, dass Gäste, die rein aus religiösen / spirituellen Gründen die Kathedrale besuchen wollen, sich beim Küster vorab melden sollen. Diese müssen dann nichts bezahlen und dürfen gleich in eine Gebetsecke im Haus durchgehen. Immerhin. Ich versuche also den Besuch der Kathedrale nachträglich wie eine Art „Museum“ zu sehen, wo man für gewöhnlich ja auch Eintritt bezahlen muss. Wenn auch nicht gerade so viel, wie hier. Der Gegenwert ist nämlich nicht so umfangreich, wie man anhand des Eintrittspreises jetzt vielleicht vermutet hätte.
Das Grab von bzw. der Name Jane Austen sagt vielleicht den einen oder anderen belesenen Romankenner sicherlich etwas. Wir müssen allerdings gestehen, dass wir den Namen hier zum ersten Mal lesen! Sie soll aber niemand Geringeres, als die bekannteste englische Roman- Autorin sein. Oha! Da kommt uns der Name dann doch besser gleich zumindest ein bisschen bekannt vor. Vielleicht aber auch nur, damit wir von unseren Leserinnen und Lesern nicht als tumbe Kunstbanausen angesehen werden! 😉
Dann finden wir ein altes Taufbecken, Wandmalereien aus dem 12/13. Jahrhundert mit dem Leidensweg Christi in einer Kapelle, ein Königsgrab und zahlreiche tote Bischöfe. Noch ein großes Glasfenster, ein Versammlungsraum für die Bischöfe und dann noch ein Chorraum. Das war´s. Und dafür Eintritt?! Ich meine im Kölner Dom liegen immerhin die heiligen drei Könige und der Zugang dort kostet nichts…
Aber wer weiß, vielleicht liegt gerade im Unscheinbaren dieser Kirche der Schlüssel zu einem Geheimnis, welches größer kaum sein könnte! Ein Geheimnis, welches andere Relikte, Splitter vom Kreuze Christi, die Könige, ja selbst das Leichentuch von Turin buchstäblich wie ein Abbild mit verblassendem Charakter aussehen lassen. Ihr ahnt es schon, oder?
Genau, der heilige Gral! Warum nicht hier, in der Winchester Kathedrale!
Zuerst kann ich mir keinen Reim drauf machen, warum man diese Kirche (oder eben jede andere) damit in Verbindung bringen könnte. Während wir aber so durch die Hallen stapfen, überfällt mich, gerade warm werdend mit der Kirche, regelrecht ein Geistesblitz! Etwas, was mir sagt, dass wenn wir nach Hinweisen hier in der Kirche suchen, diese später als 1531 datiert sein sollen!
Warum ausgerechnet 1531? Und warum später als dieses 1531?!
Nun: Im Jahre 1531 erfolgte die Lossagung der Briten von der römisch-katholischen Kirche und Gründung der anglikanischen Kirche! Und das hatte vielleicht einen wichtigen Grund, oder besser gewichtigeren Grund, als uns allgemein bekannt ist!? Vielleicht war nämlich die Weigerung des Papstes, seinerzeit die Ehe von König Heinrich VIII für ungültig zu erklären, nur ein Vorwand!
In Wahrheit existiert ein Hintergrund, der es erforderlich  machte, der römisch-katholischen Kirche quasi in einem Handstreich jegliche Befugnisse in England zu entziehen?! Spinnt man den Gedanken weiter, könnte man durchaus eine Parallele zum grausamen Ende des Templerordens ziehen, als am Freitag, den 13. Oktober 1307 alle Templer in Frankreich verhaftet und im Nachgang mehrheitlich ermordet wurden!
Vielleicht stand ja nach dem sich andeutenden Bruch zwischen Heinrich VIII und Papst Clemens VII ein ähnliches Ereignis auch in der englischen Kirche zur Debatte und der wahre Hintergrund der Lossagung von der römisch-katholischen Kirche war eben nicht eine Frau, sondern die Wahrung des Geheimnisses um den heiligen Gral! Die Bischöfe von England, die diese Lossagung und Gründung der englischen Kirche mit dem (weltlichen!) Monarchen ja mindestens unterstützten, ja eigentlich sogar voran trieben, waren vielleicht ganz berühmte Nachfahren (also nicht bzw. nur rudimentär in der Ahnentafel, sondern eher Mitglieder des Ordens) des Templerordens, der etwas mehr als 200 Jahre zuvor in Frankreich sein jähes Ende fand! Schon damals war es doch so, dass einige Templer nach England geflohen sein sollen. Mit ihnen der Schatz der Templer. Ob nun schwere Goldkisten, oder eben der einzig wahre Schatz, der Gral, in ihrem Gepäck! Vielleicht infiltrierten sie damals, dank Kontakten und klerischem Wissen die damaligen Instanzen der Kirche. Und vielleicht kündigte sich eben genau jener Bruch und ein „Aufräumen“ der Kirche auch in England an!
Aber dieses Mal waren die Templer *äh* ich meine natürlich die Bischöfe von England deutlich besser vorbereitet! Sie sagten sich, bevor es brenzlig wurde, kurzerhand unter einem billigen Vorwand (der Sex des weltlichen Königs ist immer billig! 😉 von der Kirche endgültig los und entzogen sich somit der sich zuziehenden Schlinge!
Als Trutzburg ein ganzes Land, welches plötzlich für Exkommunikation aus Rom nicht mehr empfänglich war.
Wow, was für eine tolle Theorie!
War der Gral zu diesem Zeitpunkt noch nicht in England, so wird er spätestens jetzt auf den Weg dorthin gemacht haben! Rennes-le-Chateau in Frankreich? Pah! Viel zu nah dran am Einflussbereich des Papstes, der Kardinäle, den Bischöfen und den Inquisitoren der Kirche! Wenn der Gral so weit wie möglich in Sicherheit außer Reichweite des Papstes gebracht werden sollte, dann doch wohl dorthin, wo diese Institutionen am besten gar keinen Einfluss nehmen konnten. In England! Ja, man kann es fast fühlen. Wir dürften dem Gral so nah wie noch nie sein! Besonders wenn man bedenkt, wie viele Bischöfe hier in der Kathedrale begraben liegen!

Wenn wir jetzt nur noch wissenschaftlich geleert, *äh* gelehrt wären und einen Zusammenhang zwischen den Bischöfen um 1531 und den hier begrabenen Bischöfen herstellen könnten, dann hätten wir die Theorie doch rund! Ein Bischof, der vielleicht zu Zeiten des Templergemetzels hier gelebt hat und selbst Templer, oder zumindest Sympathisant war. Das wäre DER Knüller!
Ui-ui-ui, was für eine schöne, steile Romanvorlage! Ich sollte Geld als Muse für die Schriftsteller von morgen verlangen oder lieber gleich ein solches Buch selbst schreiben! Logischer Hinweis an mich selbst: Ich muss unbedingt daran denken, dass ich diesen Textblock auf jeden Fall noch aus dem Reisebericht entferne, bevor wir den Reisetag online stellen! Nicht, dass mir irgend ein erfolgloser Buchautor unter den Synonym Ban Drown noch die Ideen klaut! 😉

Akribisch untersuchen wir nun natürlich die hier ausgestellten Gräber der Bischöfe! Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang ein kleiner Spiegelwagen, der hier scheinbar nutzlos in den Gängen steht. Mit diesem kann man die Decke quasi auf einen flachen leicht angewinkelten Spiegel projezieren. Wozu dieser Wagen wohl gut ist? Sofort spinnen wir wilde Theorien, selbst Anja ist begeistert und schiebt den Wagen zusammen mit Nils an verschiedene Stellen, um wahlweise einfallendes Licht zu lenken oder besonders markante Strukturen im Spiegel einzufangen und zu hoffen, dass sich hierdurch ein Hinweis ergibt, der ohne Spiegel nicht aufgefunden werden kann! Auch Schalter suchen wir. Inschriften an Gräbern, Rosen, Baphomets, was man so finden kann und was man mit nur wenig Fantasie in eine kleine Geschichte verwandeln kann.

Neben der eher spielerischen Suche nach Hinweisen zum heiligen Gral ist ein anderer eher weltlicher bzw. politischer Blickwinkel in der Kirche interessant. Denn hier, so scheint es, tagen die oberen Kirchenherren! Ein wenig sieht dieser Teil der Kathedrale aus wie das House of Lords oder das Houses of Parliament, der politischen Sehenswürdigkeit in London! Fast könnte man meinen, gleich tritt das hohe Haus hier zusammen und der Speaker schlägt mit seinem Stock gleich 3x auf den Boden, um den ehrenwerten Vorsitzenden anzukündigen. Ein wenig wirkt dieser Gedanke ausgerechnet in einer Kirche surreal. Eine öffentliche politische Sitzung könnte man hier zweifelsohne abhalten. Aber so ein kirchliches Konzil? Ein solches tagt doch, wenn man sich das so vorstellt, doch eher im Verborgenen hinter verschlossenen schweren Eichentüren, oder?

Einzig mit den Kindern ist es hier in der Kirche etwas schwierig! Sie sind natürlich noch viel zu klein, um sie für das spannende (wenn auch eher spielerische) Thema der Gralslegende zu faszinieren, zumal eine „Schatzsuche“ streng genommen in einem Gotteshaus kein Spiel ist. Mehr so ein Spleen, ohne andere dabei zu stören. Die Kirche ist ja primär ein Ort der Ruhe und Einkehr. Stattdessen empfinden Nils, aber besonders der kleine Tim, die Kirche eher als ungewohnt großen Spielplatz! Und auch, wenn Jesus die Kinder gerne zu sich kommen lässt, verbietet uns wiederrum die eigene gute Erziehung, dass wir unsere Kinder hier in der Kirche schalten und walten lassen können, wie sie denn wollen. Ergo sind wir mehr mit unserer Aufsichtspflicht beschäftigt, als dass wir wirklich in Ruhe nach möglichen Symbolen, Zeichen und Hinweisen zum Verbleib des heiligen Grals schauen könnten. Ist halt so. Ob es aber nun an unserer Aufsichtspflicht liegt, oder am doch eher kahlen Gebäude. Oder am Umstand, dass ich für DEN Eintrittspreis einfach mehr erwartet habe. Der Funke springt nicht so recht über. Und das liegt nicht nur daran, dass die Kathedrale von Winchester mal so gar keine Abenteuerstimmung in Bezug auf die Gralssuche aufkommen lassen will. Sie ist einfach etwas kalt und so verwundert es vielleicht auch nicht, dass wir uns nach nur einem Rundgang durch das christliche Haus schon wieder in Richtung des Ausgangs zuwenden…

Der Besuch der Kathedrale war nicht nur etwas anstrengend, sondern hat uns auch hungrig gemacht! Zeit für eine englische Spezialität, Fish & Chips!
Mein für frittierte Nahrung wohl geschultes Auge hat zum Glück für alle schon vor unserem Besuch der Kathedrale noch in der Fußgängerzone einen Aufsteller gesehen, der auf „Fish&Chips“ in eine Seitenstraße verwiesen hat. Mangels Alternative hier rund um die Kathedrale folgen wir dem Aufsteller und erreichen einige Meter später an einer Straßenecke einen weiteren Werberträger der Fischbude. Hmm. Und spätestens, als ein dritter Aufsteller in eine schmale Gasse verweist, hat die Suche nach der Fischbude ein bisschen was von einer Schnitzeljagd! Ein wenig skeptisch durchforste ich erst einmal alleine die hohle Gasse, bis ich in einer kleinen Ladenstraße auskomme. Tatsächlich finde ich hier einen „Fish&Chips“- Laden. Flugs Frau und Kinder abgeholt und das Angebot des Catch Fish&Chips hier in Winchester einmal ausprobiert. Zwar wirkt das Ambiente hier unter dem tristen Betondach eines Funktionsbaus der Ladenstraße wenig einladend, aber wenn dafür die Küche stimmt, ist uns das Aussehen des Hauses doch egal! Zumal sich hier einige Einheimische herum treiben und ihr Mittagessen bereits schmecken lassen. Wir bestellen also 2x Fish & Chips und einmal überraschend HotDog für Nils, der sich unter „Fisch“ derzeit eher nur ein labberiges Stück „gedünstetes Rotbarschfilet“ vorstellen kann, was er ansonsten im Kindergarten auf dem Mittagsteller vorfindet. Wir hätten besser mal den Vergleich zum Fischstäbchen für ihn geschlossen, denn die kennt und mag er natürlich und als wir dann das herrlich goldgelb panierte Fischfilet erhalten, will er seinen HotDog am liebsten mit uns tauschen! Die Portionen sind aber beide so groß, dass wir nicht nur mit Tim, sondern auch mit Nils teilen können und dennoch alle vier von 2x Fish & Chips und einem HotDog satt werden.
Pommes sind sehr lecker, der Fisch ist gut (obwohl er für meine Begriffe durchaus hätte noch knuspriger und krosser sein können) und die Portion groß wie preiswert. Ich glaube, wir können Besuchern von Winchester nach einer anstrengenden Besichtigung der Kathedrale durchaus den Besuch des „Catch Fish& Chips“ in Winchester mit gutem Gewissen empfehlen (66 St George’s St, Winchester SO23 8AH oder oben der Link führt direkt zu Google maps und den guten Bewertungen!). Wer sich allerdings mit frittiertem Fisch so gar nicht anfreunden kann, findet übrigens um die Ecke auch einen McDonalds…  😉

Etwas träge, ja beinahe schon müde schleppen wir uns nach dem Menü zurück in Richtung Wohnmobil. Tim ist quengelig. Kein Wunder, er sitzt ja auch schon die ganze Zeit im Kinderwagen und konnte nur im Park vor der Kathedrale wirklich etwas ungezwungen herum laufen. Nils fühlt sich schlapp, Mama satt und Papa schwer, denn er muss nicht nur sein eigenes Gewicht und das des Fisches sowie eines Dreiviertel HotDogs im Bauch mit sich herum tragen, sondern auch den schlappen Nils, der sich über die neu gewonnene Aussicht von Papas Schultern aus freut. Ja, so eine Stadt- bzw. Kirchenbesichtigung mit Kindern kann echt anstrengend sein!
Schwierig ist jetzt wirklich der Weg zurück! Es geht rauf, es geht runter! Gefühlt aber deutlich mehr rauf! Und stand das Wohnmobil vorhin wirklich so weit weg? Wir waren doch vorhin viel eher in der Stadt und haben viel weniger Querstraßen passiert! Doch so sehr wir uns auch anstrengen, am Wegesrand ein noch nicht entdecktes Haus, eine noch nicht gequerte Straßenecke zu finden, wir sind doch wieder auf dem gleichen (richtigen) Weg zurück. „Ach ja, stimmt, der Briefkasten! An dem sind wir vorhin ja auch vorbei gekommen) und so weiter. So bleibt also der laaaaaange und beschwerliche Rückweg nur das Ergebnis der eigenen Einbildung. Der Weg selbst ist der gleiche, den wir auf dem Weg in die Stadt auch genommen haben.

Gegen 15 Uhr erreichen wir müde und kaputt wieder unser Wohnmobil!
Etwas neugierig bin ich ja schon, ob wir zum Beispiel schon ein Knöllchen, oder gar Schlimmeres wie eine Radkralle zu vermelden haben! Aber zu unserer Überraschung ist nichts dergleichen am Wohnmobil zu finden. Entweder, es hat niemand den Parkplatz kontrolliert oder meine Telefonzahlung hat doch geklappt.
Erstmal eine Runde Pause! Kalte Cola für mich, kleine Runde verspäteter Mittagsschlaf für Tim. Tut uns allen gut!
Der erste Tag war überraschend anstrengend ehrlich gesagt und wir überlegen, wie wir nun den Rest des Tages gestalten wollen. Eigentlich war ja angedacht, dass wir nach dem Besuch der Kathedrale noch bis Stonehenge weiterfahren!
Das sind ja auch „nur“ ein paar Steine, da sollte doch in ein, zwei Stunden abgefrühstückt sein. Unser Reiseführer würde uns sogar Recht geben! Stonehenge ist voll, ein Besuch wird daher entweder früh am Morgen vor 10 Uhr, oder am Nachmittag nach 16 Uhr empfohlen, wenn die meisten Busladungen schon wieder verschwunden sind.
Wir haben jetzt halb 4 und nach Stonehenge sind es gerade mal 60km von hier. Wenn wir jetzt los fahren, sind wir in einer Stunde da und können das sich leerende Monument genießen.
Warum wir noch nicht unterwegs sind, liegt an unserer Weitsicht! Denn was kommt danach? Wir sind jetzt schon müde und kaputt und wenn wir jetzt noch nach Stonehenge fahren, wird sich unsere Situation nicht unbedingt verbessern! Dann aber müssten wir uns noch einen Schlafplatz suchen und uns dort ja auch noch einrichten und Abendessen wäre ja auch noch vakant! Das wird dann vielleicht für den Rest des Tages einfach ein bisschen zu viel. Spätestens dann kollidieren wir ja auch mit der Schlafenszeit der Kids.
Blöd! Das hatten wir früher so nicht, da wären wir sehr wahrscheinlich schon auf der Autobahn unterwegs.
Jetzt aber überlegen wir hin und her, bis uns die Zeit die Entscheidung abnimmt. Tim schläft lang und auch wir verheddern uns in Pro und Contra, bis es auf die 5 Uhr und es damit zu spät für einen Stellungswechsel mit Besuch des Stonehenge- Monuments wird. Wir entscheiden uns stattdessen, einfach kurzerhand hier in Winchester zu übernachten! Bezahlt ist der Platz sowieso für 24 Stunden! Egal, wo wir auch hinfahren würden, das überzählige Geld würde verfallen und wir müssten darüber hinaus ja auch wieder neu bezahlen. OK, bleiben wir eben hier!
Meine anfängliche Skepsis für die Idee hier auf dem mehr oder minder freigegebenen Wohnmobilstellplatz des Busparkplatzes von Winchester zu übernachten (so von wegen böse Buben und so), verflüchtigt sich mit der Ankunft weiterer Wohnmobilurlauber! Heute Nachmittag noch fuhren die letzten weg, als wir von unserer Stadtbesichtigung zurückkamen. Da waren wir hier alleine. Jetzt aber ist sogar eine ganze Reisegruppe dazu gestoßen. Alle aus Italien, das sind 5, 6 Wohnmobile. Interessante, illustre und etwas volumige wie lautstarke Truppe von Herren und Damen oberen Alters. Als Nils und ich gerade den Parkplatz verschönern (dazu gleich mehr), kommen die Italiener frisch aufgebrezelt für eine Besichtigung der Stadt zu mir und fragen auf Italienisch, wie sie in die Stadt kommen und wie das hier mit dem Parken funktioniert. Englisch (oder gar deutsch) spricht keiner von denen! KEINER! 8 Mann, bzw. 4 Mann und 4 Frauen stehen in einer kleinen Traube bei mir und beratschlagen, was ich denen wohl gerade auf Englisch und Deutsch versuche zu erklären! Das sie eben ein Parkticket ziehen müssen und dieses eben nur als Tagesticket gekauft werden kann. Das es dafür dann aber auch über Nacht bis für sie Morgennachmittag gilt! Mit einer Symbolsprache, einem Zeig auf die Uhr und den Parkautomaten scheinen sie es zu verstehen. Den Weg zur Stadt zeige ich Ihnen dann auch nur grob, indem ich den Arm ausstrecke und die Richtung anzeige. So, wie die drauf sind, würden die eine vernünftige Routenbeschreibung sowieso nicht verstehen. Fast gewinne ich den Eindruck, der oder andere von denen hat auch schon einen im Tee bzw. ein bereits geleertes Rotweinglas in der Spüle stehen.
Vielleicht ganz gut, dass sie sich nur noch zu Fuß bewegen und nicht mehr mit dem Wohnmobil…

Nils beobachtet die Konversation mit den Italienern übrigens aus sicherem Abstand. Schon seit einer halben Stunde haben Nils und ich es uns mit Malkreide vor dem Wohnmobil gemütlich gemacht. Sehr gerne wären wir ja, nachdem klar war, dass wir hier übernachten, mit den Kindern auf einen Spielplatz gegangen! Aber wir haben weder einen gesehen, noch hat es etwas gebracht, Einheimische nach einem Spielplatz zu fragen.
Eine Frau mit Einkaufskorb, die sich auf dem Weg zu ihrem Auto mit einer anderen Passantin gerade am Unterhalten war, habe ich als Einheimische eingeordnet und angesprochen. Sie war auch so nett, sich einen Moment Zeit für uns zu nehmen und nachzudenken, wo auf meine Frage hin so etwas wie ein Kinderspielplatz hier in der Ecke zu finden sei!
„Well…“ und dann kam lange nichts.
„We have a playground about 1 Mile south from here. But it is only a bigger Meadow in a parc!” Families are having sometimes picnic there. But a real playground, no sorry. There is no one public playground around here.”
Etwas schwach! Haben die Engländer denn wirklich keine Spielplätze für ihre Kinder? Bzw. keine öffentlichen?
Auf einen ungewissen Marsch über eine Meile in einen kleinen Park lassen wir uns jedenfalls nicht ein. Bleibt also dabei: Nils malt sich seinen Spielplatz vor unserem Wohnmobil einfach selbst.
Es entsteht in kurzer Zeit ein Haus, dann eine Sonne mit Beinen, ein Wasserhahn, dessen Wasser auf das Haus plätschert (natürlich!), einen Rundweg mit Ampel und natürlich ein McDonalds an der Ecke neben dem Kindergarten. Alles da.
Nils ist, nach einer guten Stunde Straßenmalerei, sichtlich stolz auf sein Kunstwerk, was Anja und ich natürlich auch gleichermaßen anerkennend würdigen.

Gegen kurz nach 6 machen wir noch einen kleinen Spaziergang, die Kraft ist wieder da! Aber nicht ganz uneigennützig, denn wir wollen noch etwas zum Abendessen besorgen und sind schon ganz heiß darauf zu erfahren, wie gut das mit dem Backofen hier im Wohnmobil klappt! Und was kann man am besten im Ofen machen? Außer Kuchen? Richtig! Pizza! Auf google Maps haben wir (übrigens, hier auf dem Stellplatz kann man sich im WLAN des „The Winchester Hotel & Spa“ einloggen. Ein Kennwort ist nicht erforderlich…) gleich nebenan am benachbarten Parkplatz einen „Tesco Express“ ausgemacht, den wollen wir gerne mal besuchen.
Der Tesco Express entpuppt sich allerdings nur als besserer Tankstellenverkauf, denn er ist Teil der Verkaufsfläche einer großen Esso- Tankstelle. Zwar ist das Angebot und kommt so an die Autohöfe bei uns heran, aber ein richtiger Supermarkt ist der Tesco Express, mit Ausnahme der immer verfügbaren weichen Sandwiches, damit noch nicht. Zumal das Preisniveau dann doch eher in Richtung Tankstellenpreis als richtiger Supermarkt geht. Schade. Dennoch finden wir natürlich Tiefkühlpizza im Angebot und entscheiden uns für eine Hausmarke, die deutlich günstiger ist, als die ebenfalls bekannte Premium- Marke aus Deutschland.

Die Erwartung an unsere erste Pizza aus dem Wohnmobilbackofen ist groß! Umso enttäuschender ist die erste Pizza, die sich fast buchstäblich in Rauch auflöst! Ja sind wir denn die ersten, die den Ofen in Betrieb nehmen? Es riecht ein wenig nach Imprägnierung, als sich der Ofen aufheizt, kurz darauf riecht es verbrannt. Den Grund für den Brandgeruch finden wir schnell und machen es bei der zweiten Pizza dann besser. Der kompakte Ofen ist etwas kleiner, gleichzeitig ist die Brennereinheit auf den hinteren Teil punktuell konzentriert. Schieben wir die Pizza jetzt ganz durch, setzen wir den Rand hinten überproportional der Hitze aus. Ergebnis: Vorne noch kalt, hinten verbrannt!
Normalerweise mag ich es gerne knusprig, Anja hingegen lieber was heller. Die Kinder liegen irgendwo in der Mitte. Eigentlich perfekt für uns, aber hier ist für Anja „kalt“ im Rand einfach zu wenig, während meine Kohleecke selbst mir als krosser Knacker zu hart und schwarz ist. Da freuen sich die Acrylamide im Essen, wenn wir sie derart aufheizen, „Nein Danke“, lieber nicht.
Bei der zweiten Pizza ziehen wir die Pizza daher so nahe wie möglich an die Türe, damit die Pizza nicht direkt über den Flammen kokelt. Dazu drehen wir sie alle 2 Minuten ein Stückchen weiter. Das Ergebnis ist deutlich besser und kann sich sehen lassen!
Den Test hat der Wohnmobil- Backofen, nach einigen Startschwierigkeiten, nun also doch bestanden! Nur blöd, dass wir mangels zweitem Grillrost immer nur eine Pizza machen konnten! Aber auch das bekommen wir noch in den Griff…

Nach dem Abendessen wird gespült und aufgeräumt, dann machen wir das Bett für die Kinder und schicken sie im großen Bett schlafen. Anja und ich bleiben in der Sitzgruppe und beratschlagen die weitere Route für morgen. Das Ziel steht auf jeden Fall schon jetzt fest: Stonehenge! Und zwar so früh wie möglich, damit wir vor der im Reiseführer als „heimsuchend“ beschriebenen Menge Bustouristen die Steine gesehen haben!

Vor dem Zubettgehen drehe ich auf dem Stellplatz eine kleine Runde. Will mir mal die Nachbarschaft anschauen und gucken, wer sich noch so alles auf dem Platz herum treibt.
Spontan fällt mir dabei ein, warum ich eigentlich so viel lieber auf Campingplätze fahre! Dabei ist es noch nicht mal SO sehr der Umstand, wie wir hier stehen. Es stört mich eher, wie wir wahrscheinlich mit unseren Mitcampern auf dem Platz in einen Topf geworfen werden!
Da wären z.B. die Deutschen, schräg gegenüber!
Obwohl auf den Schildern zur Parkplatzbenutzung eindeutig drin steht, dass Camper, Caravans und Wohnmobile in den Parktaschen des „Coaches“- Bereich stehen sollen und man darüber hinaus eine Strafe zahlt (das gilt für alle, auch für PKW), wenn man nicht innerhalb seiner Markierung steht, stehen die Deutschen mit ihrem Alkoven mittig auf dem Platz einmal quer über 4 Parktaschen! Als einzige hier!
Peinlich!
Ich meine es ist ja nicht so, als seien nicht noch genügend Parktaschen im gegenüberliegenden Coaches- Bereich frei! Da ist quasi alles frei! Aber das stört sie am sturen und egoistischen Falschparken keinesfalls, nicht das ihr denkt.
Die Italiener neben uns, die eine Wagenburg (immerhin innerhalb der Markierung, wenn auch mit 2 Fahrzeugen pro Parktasche…) mit 4 Wohnmobilen gebaut haben, sind allerdings auch nicht viel besser.
Dass sie mittig zwischen ihren Fahrzeugen einen Grill aufbauen und prima „campingähnliches Leben“ entwickeln, mag ich noch mit zusammengekniffenen Augen nicht sehen (dafür riecht das Essen einfach zu gut! 😉  Dass sie aber ihr Abwasser einfach auf den Parkplatz laufen lassen und dieses dank der Schräge dann auch bei unserem Wohnmobil ankommt, darunter herläuft und unter unserem Wohnmobil auf der anderen Seite wieder hervor tritt, das geht dann doch zu weit!
Als sie dann noch anfangen, Radau zu machen und Mama Miracoli über den Platz zetert, ist das Verständnis auf meiner Seite erloschen. Echt schade! Und eine Schande für unsere Urlaubsform.
Alle, wie sie dort stehen.

Zum Abschluss der Runde statte ich noch dem kleinen öffentlichen Sanitärgebäude des Parkplatzes schräg gegenüber des Hoteleingangs einen Besuch ab. Das WLAN läuft dort einfach super 😉
Für ein öffentliches WC ist es hier überraschend sauber und Verbrauchsmittel wie Toilettenpapier nebst Seife ist vorhanden. Ungewöhnlich, offenbar gehen die Briten mit diesen Dingen etwas freundlicher um, als es in Deutschland der Fall wäre. Ein so sauberes Häuschen würde es bei uns nur mit Zugangskontrolle (Schlüssel oder Pin- Code) geben, nicht aber öffentlich für jedermann.

Zitat des Tages:
„Heute Nacht schläfst DU aber auf der Wandseite!“ – „kein Problem, du musst nur deine Beine abschrauben!“

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