Donnerstag, 08.06.2006

Nach der unschönen Nacht wachen wir zwar gerädert aber doch überraschend entspannt auf.
Ob das die gute Luft der Berge, der Wälder und des traumhaften Sees ist?

Ich besorge im kleinen Campingshop erst mal frische Brötchen.
Das ist doch Urlaub!
So in Schlappen morgens über die taufrische Wiese stiefeln und Brötchen holen…


Anja richtet derweil den Frühstückstisch und wir frühstücken erst einmal ausgiebig.
Wir gehen es ruhig an, auch weil wir ein wenig müde sind, eine Dusche soll das wieder richten und in Ordnung bringen.

Klar, dass ich mit dem Duschen schnell fertig bin und mache mich dann gleich an die nächste Premiere.
Das Klo.
Das Campingklo ist doch wirklich eine Eigenart für sich.
Einerseits aus Faulheit viel genutzt (weil man ja abends aus Bequemlichkeit nicht zum Klohaus gehen will), andererseits ist es für uns Neulinge natürlic komisch seine eigenen Abfallprodukte durch die Gegend spazieren zu fahren.
Ist zuhause einfacher: Abziehen, fertig. Aus den Augen, aus dem Sinn…
Außerdem wissen wir noch immer nicht so recht, wie man auf dem Klo vernünftig sitzen soll, chinesische Zirkusartisten oder Pygmäen hätten damit bestimmt keine Probleme, aber wir müssen uns jedes Mal in die schmale Ecke falten…
Ja sind denn Italiener so klein?

Aber das gehört wohl dazu.
Die Lampe am Klo ist zwar noch nicht an und ich kann den Füllstand mangels Erfahrungswert schlecht einschätzen, dennoch möchte ich nichts anbrennen lassen und werde nun das erste Mal das Klo entleeren gehen.

Ein wenig ist es mir dann doch unangenehm hier so mit der platschenden und gluckernden Kassette über den Platz zu laufen.
Jeder, der mich sieht, weiß doch sofort, was ich in der Kassette habe!
Peinlich peinlich, ich bekomme einen roten Kopf und schaue vor Scham versunken auf den Boden.
An der Entsorgungsstation ist schon reger Betrieb und ich erkenne, dass mir das ja eigentlich gar nicht peinlich sein muss.
Hierhin muss jeder, der mit dem Womo oder Wowa unterwegs ist, ob nun Akademiker oder Bauarbeiter.
Ich entleere die Kassette und spüle diese aus. Wenn man dabei gut aufpasst eine doch recht unerwartet saubere Angelegenheit.
Irgendwie schweißt das zusammen, das ist es wohl, was die Camper untereinander zu „Freunden der Landstraße“ macht, das regelrecht gemeinsame Entleeren des buchstäblichen Scheißeeimers.

Mit stolz geschwellter Brust geht es zurück zum Wohnmobil, die frische Kassette trage ich dabei heroisch wie eine Trophäe.
„Schaut her liebe Campingfreunde, ich bin ein echter Camper !“

Noch während des Ladevorgangs der Kassette im Unterbau klingelt das Handy meiner Frau.
Es ist die Polizei aus Vordingborg.
Sie bitten mich schnellstmöglich die Imei-Nummer meines E-700 durchzugeben, sie hätten sich letzte Nacht auf die Lauer gelegt und dabei eine Bande verhaftet, einer der Diebe hätte ein Handy dabei gehabt, auf das meine Beschreibung passt.

Volltreffer!
Na DAS ist doch mal Polizeiarbeit !
Da haben die so einen Fall vorliegen und legen sich gleich in der Folgenacht auf die Lauer.
In Deutschland bildet man erst mal eine Soko, beantragt dafür Finanzmittel und dann fährt man 3x mehr im Monat Streife, das wars dann.
Hier in Dänemark bedenkt man offenbar die Situation für Gäste und Touristen und reagiert sofort auf die Gefahr, jedenfalls sagt mit der zuständige Kommissar, dass er den Dieben auch gern den Überfall der vergangenen Nacht anhängen möchte und daher die IMEI braucht, damit wären das Wiederholungstäter und die Strafe wäre bedeutend höher.
Todesstrafe? Öffentliche Viertelung? Hängen? Geotine? Meiner Vorstellungskraft sind keine Grenzen für mögliche Strafen gesetzt, aber im Rahmen des Jugendschutzes verzichte ich auf weitere Ausführungen…
Ich wünschte mir, dass das erlaubt wäre, aber man muss mit kleinen Dingen zufrieden sein…
Der Kommissar sagt, dass er die Nummer bis Ende des Tages haben muss, sonst wäre das nicht mehr verwertbar, zumindest nicht in Kombination.
Ich setze alle Hebel in Bewegung.
Tanja unsere Hausbewacherin und amtlich ernannte Dosenöffnerin der Katzen während unserer Abwesenheit kann erst heute Abend danach schauen, das ist zu spät.
Ich erreiche meinen Vater, auch er hat einen Schlüssel zu unserer Wohnung, er fährt zu mir nach Hause uns holt dort die Handyunterlagen.
Ist schwierig, aber nach einiger Zeit glaubt er die IMEI zu haben.
Auf einem Lieferschein steht etwas drauf, könnte aber auch eine andere Nummer sein.
Leider habe ich außer dem Lieferschein keine andere Unterlage.

Der Aufkleber des Handys mit der IMEI klebt noch am Karton des Handys.
Dieser ist aber im Keller noch in einem verschlossenen Umzugskarton, da wir relativ frisch in unserer Wohnung eingezogen sind, haben wir noch nicht alles ausgepackt, das meiste einfach so in den Keller gestellt.
Ich wüsste selbst nicht, wo ich suchen sollte, fängt er bei Null an, würde das Stunden dauern, besonders wenn man nicht weiß, wie der kleine unscheinbare Karton aussieht.
Ich versuche gleich mehrere Varianten.
Trotz des zu erwartenden finanziellen Verlustes rufe ich eplus an.
Ich hoffe, dass man mir dort die IMEI sagen kann.
Leider hatte ich erst vor einigen Monaten ein Upgrade Handy besorgt, diese Nummer ist da, das ist aber ein anderes, als mein E-700. Die alte Nummer wäre nicht im Computer, man könne nur den alten Lieferschein anfordern, das würde etwa 2-3 Tage dauern.
Das fällt natürlich flach, das ist zu spät.

Ende vom Lied, die Nummer des Lieferscheins stimmt nicht mit der IMEI des gefundenen E-700 überein.
Ob es eine andere Nummer ist bekomme ich nicht heraus, was tun?
Zurück nach Dänemark? Das Handy „identifizieren“, dass man die Schweine dran kriegt?
Es nützt nichts, ich muss leider den Kommissar enttäuschen, ich kann nur diese Nummer des Lieferscheins vorbringen, ohne zu wissen, ob es die IMEI ist, oder nicht.

Dennoch bin ich begeistert, dass die Polizei was tut.
Ich entschuldige mich dafür, dass ich nicht von Schweden aus zur Aufklärung und Bestrafung beitragen kann, es nützt ja nichts, ich wäre auch nicht rechtzeitig in der Frist zuhause.

Wenigstens fällt uns beiden ein Stein vom Herzen, dass man wohl mehrere Personen verhaftet hat.
Die geschundene Seele redet sich ein, dass das auf jeden Fall die Täter gewesen sind.
Die sind nun hinter Schloss und Riegel, können uns nicht mehr überfallen…

Der Frust sitzt tief, ich hätte so gern geholfen…
Während ich so den halben Vormittag telefoniere (dauert so bis kurz vor 10), erkundet meine Frau die nähere Gegend um den Campingplatz zu Fuß, sie macht einige sehr schöne Bilder.
Schade, dass ich hierfür keine Augen hatte, aber ich war halt mit der IMEI beschäftigt.

So haben wir den halben Vormittag wieder an Zeit verloren, nach dem Zeitplan sind wir irgendwie nun schon 2 Tage hinterher, das kann ja eigentlich nichts mehr werden.
Im Kopf fängt man an die restliche Mietzeit auszurechnen und ob die Zeit wenigstens noch theoretisch reichen könnte…
Bisher ist unser Schnitt mehr wie schlecht, er ähnelt mittlerweile eher dem Kassetteninhalt unseres Thetford- Klöchens.

Darüber hinaus ist es hier in Gränna wunderschön! Das Wetter ist klasse, die Aussicht prima, der Platz gepflegt und die Toiletten / Duschen sehr ansehnlich und sauber. Für einen kurzen Moment überlegen wir sogar hier zu bleiben und das Nordkap- Projekt ad acta zu legen.

    
So schön ist der Badestrand in Gränna Camping & Badlagun

    
Traumhaftes Wetter und eine herrliche Kulisse…

    
…wenn wir nicht rauf zum Nordkap wollten, würden wir glatt hier bleiben! 🙂

Trotz Gedanken den ursprünglichen Plan zu ändern machen wir uns erst mal wieder auf den Weg die E 4 in Richtung Norden zu fahren. Wir haben ja nur jetzt und hier das Wohnmobil. Das wäre vertane Zeit, wenn wir es nun als Wohnwagen missbrauchen würden. Ein Ferienhaus wäre wahrscheinlich billiger gewesen.

Die Idee mit dem Ferienhaus ist gar nicht mal so schlecht, wir nehmen uns vor vielleicht in ein oder zwei Jahren hier nochmals her zu kommen und uns dann nur gezielt (Süd-) Schweden anzuschauen.
Was wir bis jetzt gesehen haben ist wirklich wunderschön.

         
Man kann gleich hier am See-Ufer sitzen und Eis genießen         Blick über die eine der Campingwiesen des Gränna CP

Wir tanken in Gränna gegen kurz nach 10 an einer Shell und bekommen 53,39l Diesel für 609,71 SEK, danach geht es weiter auf der E 4 entlang, die Straße ist gut ausgebaut und wir kommen hervorragend durch.
Der Rest des Tages ist zunächst geprägt von fahren und verläuft eher schläfrig und monoton, da wir mangels Sprachkenntnisse kaum was von dem verstehen, was aus dem Radio kommt und wir nicht den richtigen Sender mit guter Musik finden, spielt zunächst unsere Musik- CD. Als wir die durch haben, werfen wir eines unserer Hörbücher an.

Ich erkenne unterwegs einen Ortsnamen wieder, es ist etwa Mittag, als wir Nyköping passieren.
Unser Flieger von Ryanair nach Venedig 2005 hieß so (City of Nyköping), da mache ich grad mal schnell ein Bild von.
Zumindest von dem Schild.

         
Wir passieren Nyköping                                                          Weiter auf der E 4: Noch knapp 100km bis Stockholm

Wir passieren Stockholm gegen halb 2 und wundern uns, dass wir so gut durchkommen. Stockholm ansehen können wir aber einerseits aus Zeit- andererseits aus Bockgründen nicht.
Hier nach Stockholm fliegen Billigflieger hin, eine Stadtbesichtigung werden wir also ein anderes Mal erledigen.
Die wenigen Einblicke, die man von der Autobahn aus bekommt, sind aber auch alles andere als einladend,
Einzig ein echter schwedischer Ikea verdient unsere Aufmerksamkeit, dass wir davon sogar ein Bild während der Fahrt machen.

Nach Stockholm bei Upsala endet die Autobahn und die E 4 wird zu einer Landstrasse mit Gegenverkehr.
Anja findet das lustig, denn immer dann, wenn ihr ein dummes aber nicht schlimmes Missgeschick passiert, dann ruft sie: „Upsalla!“ und ist nun natürlich hocherfreut endlich die „Wurzel des Übels“ mal live zu sehen: „Upsala!“

Weiter gehts auf der E 4, wir sehen viele andere Womofahrer, denen wir die Hand zum Gruß entgegenstrecken.
Feine Sache das, man fühlt sich gleich dazugehörig.
Am Anfang winken wir noch heftig, daran erkennt man wohl die Neulinge, später werden auch wir nur noch lässig 3 Finger vom Lenkrad lösen und dem anderen „Kapitän“ der Landstrasse cool entgegen halten…

Wir freuen uns darüber, dss wir nun von der tristen Autobahn herunter fahren und endlich etwas vom Land zu Gesicht bekommen. Ist immer schöner, wenn man auf Landstraßen unterwegs ist. Auch, wenn das zu Lasten der Geschwindigkeit geht.

         
Bei Stockholm: ein IKEA 😉                                                    Die E 4 wird einspurig, endlich geht es „über Land“   

In Tönnebro legen wir erneut einen Tankstop ein, ist schon unglaublich, was hier heute an Kilometer abgespult haben, die Straße war super zu fahren (es wurde außerhalb der Städte immer wieder mal 2-spurig) und wir sind sehr gut vorran gekommen.
Ich glaube es kaum, wir haben gute 680 Kilometer an nur einem einzigen Fahrtag zurück gelegt!!!
Schallgeschwindigkeit „Mach 2“ mit dem Wohnmobil ohne es gemerkt zu haben, ist doch super und wir haben nun wieder Hoffnung, dass wir es vielleicht doch noch bis zum Nordkap zu schaffen.
Um halb 5 müssen also schon wieder tanken und erhalten an einer OKQ8-Tankstelle 62,66 Liter Diesel für 718,71 SEK

Kurz vor 18 Uhr fahren wir den nächsten Campingplatz an.
Wir müssen einsehen, dass die Idee mit dem wild campen wohl nicht unser Ding wird.
Die Örtchen, die wir durchfahren sind durchweg anders aufgebaut, wie unsere Dörfchen.
Es gibt nur die Hauptdurchfahrstrasse, Abbiegungen der Hauptstrasse sind entweder nicht vorhanden oder führen rechts und links gleich in Einzäunungen oder offenes Feld.

Anders als bei uns kann man nicht mal eben 3x links und 2x rechts abbiegen und steht dann in einer ruhigen Seitenstrasse, hier scheint es so etwas nicht zu geben.
Die Idee außerhalb der Stadt einfach die Piste zu verlassen und dann irgendwo im Wald zu stehen, behagt uns nicht wirklich, da wir nach unserem Einbruch in das Womo uns noch immer nicht richtig sicher fühlen.

Auch kommt der deutsche Ordnungssinn in uns durch, der es uns verbietet sich einfach an den Wegesrand zu stellen und dort wild zu campieren (auch wenn es nur stehen und nicht wirklich campieren wäre). Wir sind ja schließlich keine Zigeuner und haben nicht einen „ollen Planwagen“ dabei.

So erreichen wir den hübschen rustikal gelegenen 3-Sterne Campingplatz Bergafjärdens bei Sundsvall (bergafjarden.nu).
Wir zahlen für die Nacht mit Strom 300 SEK, den Platz dürfen wir uns selber aussuchen und so entscheiden wir uns für ein abgelegenes Plätzchen auf der rechten Platzseite mit fast freiem Blick zum Wasser durch die Bäume.
Der Strand ist nur 25 Meter durch den Wald entfernt, sehr hübsch. Nur schade, dass auch hier wieder so viel gemeines Viehzeuchs in der Luft herum schwirrt.
Wir sind nicht sicher, ob wir am Meer, in einer Seenbucht, oder einem Fjordausläufer stehen, dennoch ist es hier nicht schlecht, durch die Lage direkt unter Bäumen im Wald ist jedoch nichts mit Fernsehen.
Aber wir sind ja aber auch nicht zum Fernsehgucken hier.

Die Toilettenanlage ist ausreichend sauber, wenn auch nicht so modern eingerichtet, wie die unsers letzten Campingplatzes.
Unsere Camping-Card wird hier ebenfalls akzeptiert und wir bekommen einen kleinen Rabatt.
Toll, das Ding hat sich soeben bezahlt gemacht…

Am Abend gehen wir noch ein wenig spazieren, leider treibt die fliegende Teufelsbrut uns hier recht schnell wieder in das Wohnmobil.
Anja hat zwar kein Problem mit der surrenden Brut, aber ich reagiere beinahe manisch auf das hochfrequente Geschrei der kleinen Nachfahren Draculas.
Was für ein Glück, dass unser schickes Wohnmobil mit Mückengaze an allen Fenstern ausgerüstet ist.

Ich kann in dieser Nacht auch dank der frischen Luft und dem ruhigen Standplatz ein gutes Stück Schlaf nachholen.
Die Gewissheit, dass Diebe vielleicht auch mal wirklich gefasst werden, der sichere Standplatz und die höhere Distanz zu unserem persönlichen Waterloo lässt mich deutlich erholsamer schlafen, als in der letzten Nacht.

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