Schade, dass wir aus dem frühen Rhythmus nun endgültig heraus sind. Gestern Abend sind erst kurz vor Mitternacht Ortszeit ins Bett und entsprechend wird heute lange geschlafen. Erst gegen 8 Uhr stehen wir auf! Das lange Schlafen war offenbar nötig, gleichzeitig ist es aber auch etwas ärgerlich, weil wir damit quasi schon den halben Tag verschlafen haben! Die letzten Tage zuvor waren gefühlt super, weil wir eben vor oder eben mit den ersten Sonnenstrahlen wach und quasi topfit waren! Als wir aber jetzt die Vorhänge aufziehen, ist hier auf der Big Texan RV Ranch in Amarillo um uns herum schon fast alles leer! Die allermeisten RV`ler und Wohnmobile sind schon längst weitergezogen, nur unser Wohnmobil steht, mit Ausnahme der Dauercamper, allein in unserer Reihe!
Aber das macht nichts, denn heute legen wir wieder einen Jokertag ein, bleiben im Ort und werden heute Abend ein echtes texanisches Steak verspeisen! So zumindest der Plan…

Eine Katzenwäsche später stehen wir auch schon draußen! Schon gestern wurde mir am Telefon mitgeteilt, dass es bis 09:30 Uhr frische Donuts und Kaffee in der Rezeption gibt. Die möchten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Und bezahlen müssen wir ja auch noch!

Es ist frisch an diesem Morgen! Die Sonne wärmt zwar bereits, aber der Wind bläst kräftig wie eisig über den Platz. Zum Glück ist es nicht weit in die Rezeption. Dort werden wir uns leckere Donuts schnappen, bezahlen und dann auch mal forsch nachfragen, was jetzt mit dem Pool ist! Immerhin habe ich den Platz hier eigentlich nur wegen des Indoor- Pools angesteuert, weil Nils und Tim im Hotel in Middelbury so viel Spass im Pool hatten. Das hätten wir hier gerne wiederholt und angepriesen als „Indoor- Pool“ war der Pool ja schließlich auch.

Wir betreten die Rezeption und sind gleich eingeschüchtert! Schlagartig wird uns klar, warum der bekannte Wahlspruch „Don´t mess with Texas!“ keine hohle Phrase ist. Die meinen das ernst! Unsere Blicke werden auf den mächtigen Tresen gelenkt. Und auf eine resolute Dame, die hier die Frühschicht schiebt.
So eine richtige Südstaaten- Lady! Sagt man zu Texas überhaupt noch Südstaaten? War Texas Teil der Konföderation, wie man sie aus dem Filmepos „Fackeln im Sturmkennt? Das ist doch eher Missouri und so, oder? Na egal. Jedenfalls ist die Dame auf jeden Fall eine echte Cowboybraut und gestandenes Texas- Urgestein! Sie begrüßt mich mit einem „Howdy hoaw ar‘ ya?!“ was ich innerlich HOFFENTLICH richtig mit einem für den Dienstleistungssektor mustergültig korrekten: „Guten Morgen mein sehr verehrter Gast, wie geht es Ihnen heute?“ übersetze. Was nuschelt die auch so? Kaut die gerade Kautabak? Oder ist das gar ein Stück Rinderhaut?!
Buargh!
Würde mich nicht wundern, wenn die Lady früher als Kindermädchen gearbeitet und niemand geringerem als George W. Bush persönlich die Windel gewechselt und ihm bei einer frechen Attacke den Hintern versohlt hat! So tough ist die!
Ich versuche ebenfalls so etwas wie einen Slang, um nicht ganz so sehr als schmächtiger Europäer rüberzukommen. Geht gnadenlos in die Hose ehrlich gesagt, sie lächelt leicht spöttisch wie belustigt.
Logisch, sie weiß offensichtlich nur vom Anschauen, dass ich der „German guy“ bin, der gestern angerufen hat. Bisschen peinlich. Gehen wir schnell zum Tagesgeschäft über! Sie erklärt mir, dass ich hier mit Kreditkarte bezahlen muss und gleichzeitig erläutert sie mir das Kreditkartensystem so, als sei ich geradewegs dem Mittelalter entstiegen und hätte zuvor erfolglos versucht, „mit münzenem Gulden meine anhier offene Schuld der letzten Nacht gottgefällig zu vergelten“.
Oh-Mann!
Hallo?! Wir zahlen in Europa auch schon mit Plastikgeld!! Tss-tss…
Natürlich klappt das Zahlen mit meiner Kreditkarte tadellos, 70 Dollar wechseln virtuell den Besitzer.

Noch während der Kreditkartendrucker rattert, werden wir von der Texas- Lady mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck zu Kaffee und Donuts eingeladen, die an der kleinen Kaffeebar nebenan bereit stehen. Ein netter Service! Lässt fast vergessen, dass der Pool unbenutzbar ist. Ich wollte dies auch ansprechen und hab all meinen Mut zusammen genommen, aber in dem Moment, wo mich die Lady argwöhnisch betrachtet hat, hat mich der Mut dann doch verlassen.
In einem Staat, wo es noch immer die Todesstrafe gibt, genügt sicherlich ein falsches Wort, um wegen einer Rückfrage zu einem nicht vorhandenen Pool gleich mal als Greenhorn geteert und gefedert zu werden. Mindestens. 😉

Die Donuts hier sind übrigens weit, WEIT weg von dem, was wir unter einem Convenience- Donut aus der Fernsehwerbung verstehen! Ein paar optisch traurig anmutende Kringel, mickrig und überraschend streng riechend! Aber sie sind frisch und selbst gemacht! Das ist so wie mit Omas Kuchen vs. der Dr. Oetker Fertigbackmischung!
Der eine gelingt immer, sieht auch immer gleich aus und schmeckt auch immer gleich (wir lassen das „gut“ mal absichtlich weg…), während ein selbst gemachter Kuchenteig durchaus auch mal für eine Überraschung gut sein kann. So scheint es hier mit den Donuts auch zu sein, denn was denen optisch fehlt, machen sie durch ein merkwürdig anziehendes Duftaroma wieder wett.
Da auch andere Gäste die Donuts probieren und auch Minuten später noch leben, geben auch wir uns einen Ruck. Wie gesagt, hier in Texas wird man bestimmt, wenn man die Höflichkeitsformen nicht wahrt, eben geteert und gefedert.
Der Fettkringel, den wir kurz darauf probieren, ist noch warm und überraschend herzhaft! Das Fett, in dem sie vor dem selbst gemachten süßen Überguss gebraten wurden, war unter Garantie ein Tierfett, vielleicht so etwas wie pures Schweine- oder Rinderschmalz! Die Geschmacksnerven fahren ergo Achterbahn, weil das Ding sowohl ekelhaft süß, wie auch übertrieben salzig und fettig schmeckt!
Ein Geschmackserlebnis der unvergleichlichen Art!
Noch während wir zaghaft kauen und überlegen, ob das Teil nun schmeckt oder nicht, überkommt uns eine Erkenntnis wie ein Donnerschlag gleich so, als wenn wir die Erkenntnis vom Baum der Erkenntnis probiert hätten:
Man muss die Donuts hier auf dem Texas RV Ranch Park auf jeden Fall probiert und mindestens einen aufgegessen haben!
Wenn man das schafft und überlebt, dann erst war man wirklich mit dem Wohnmobil in Texas!
😉
Gleichzeitig würde ich keinen weiteren Essen, selbst wenn es die Höflichkeit unabdingbar gebietet und ich ansonsten z.B. geteert und gefedert werden würde, wenn man das Angebot ausschlägt.

Wir schauen uns im texanisch eingerichteten Wohnzimmer, welches hier rund um die Rezeption im großen Raum eingerichtet ist und auch einen Souvenir- Shop beinhaltet, um.
Ein toter Rinderschädel, so ein skelettiertes Longhorn, liegt auf dem Kamin. Daneben steht ein ausgetopfter Bär! Tierfelle hängen an der Wand oder liegen als Teppiche auf dem Boden. Die Möbel sind im Ranch- Stil eingerichtet. Schweres Holz dominiert Tische und Stühle, der Ohrensessel trägt ein echtes gemustertes Kuhfell als Sitzauflage. Alles sieht genau so aus, wie man sich das Wohnzimmer einer waschechten texanischen Ranch vorstellen würde und gleich reiten die Cartwrights aus Bonanza vorbei…
Die Lady, die hinter dem Tresen steht, passt in dieser Kulisse übrigens eher in den Sessel oder auf einen knarzenden Schaukelstuhl auf der Holzveranda, als hier an den Kreditkartenleser!

Neben den Souvenirs entdecken wir auch eine Batterie an Infoflyern. Unter anderem mit den Sehenswürdigkeiten hier in Amarillo. Eine davon: Ein RV Museum! Das ist so etwas wie das Erwin- Hymer Museum am Bodensee, nur eben wahrscheinlich größer, voluminöser, besser. Typisch proud american eben!
Klingt interessant! Ich frage unsere Lady am Counter, ob:
1. Unser Platz auch wenn wir wegfahren reserviert bleibt und
2. Ob man am RV Museum mit dem Wohnmobil parken kann. Die erste Frage beantwortet sie „for sure!“. Die zweite allerdings sieht sie skeptisch. „Kann klappen, kann aber auch nicht klappen“ sagt sie und meint damit wohl eher, dass es nicht klappt.
Fast habe ich allerdings das Gefühl, als würde sie das Parken mit einem 25Ft Wohmmobil am Musem einem waschechten Texaner sofort zutrauen. Einem hemdsärmeligen Deutschen allerdings nicht mal das Einparken eines VW Käfers auf dem Kundenparkplatz von WalMart!
Nun wir schauen mal, ob wir das später noch versuchen. Einkaufen müssten wir ja auch, wir haben kein Brot mehr, also müssen wir uns heute in jedem Fall mal im Ort bewegen. Da könnte das Museum den Tagesplan prima abwechseln.

 

Der Vormittag plätschert vorbei. Nach einem zweiten richtigen Frühstück im Wohnmobil kümmern wir uns um die Kinder, denen der texanische Dreck quasi schon auf der Haut klebt!
Frisch geduscht geht es beiden gleich besser und auch Anja und ich duschen uns danach mal richtig ab.
Das sorgt übrigens dafür, dass plötzlich das Wasser in der Dusche unseres Wohnmobils nicht mehr abläuft! Gerade noch rechtzeitig bemerkt, bevor das Wasser über die Umrandung der Duschwanne schwappt. Der Abwassertank unseres Wohnmobils ist komplett voll! Hammer! Da benutzen wir einmal die Dusche exzessiv und schon ist der Abwassertank voll!
Gut, man muss dazu jetzt auch die Gegebenheiten berücksichtigen.
Gestern Abend, beim Anschließen unserer Full-Hook-Up Ausrüstung an unsere Parzellenversorgung, hat die Länge vom Stromkabel und Frischwasserschlauch gerade noch gereicht.
Leider klappte dies aber nicht mehr mit dem Abwasserschlauch. Der Bodengulli war einfach zu weit weg. Um ihn zu erreichen, müsste das Wohnmobil ein ganzes Stück nach vorne! Dann aber steht es mit der Schnauze quasi Spitz auf Knopf auf dem Versorgungsweg. Und da ich nicht weiß, wie genau die das hier mit den Abständen Parzelle zu Versorgungsweg nehmen und welche Sanktionen drohen (ihr wisst schon, die allseits omnipräsente Sorge geteert und gefedert zu werden… 😉 ) , habe ich das Wohnmobil einfach mittig in der Parzelle geparkt. Die Idee war, dass wir den Tank dann einfach leeren ihn, wenn wir abfahren. Für die paar Minuten hätte ich dann vorgezogen und den Schlauch angeschlossen. So war der Plan, immerhin hätte ich erwartet, dass der Abwassertank „proud american“ für die amerikanische Durchschnittsfamilie im Duschdurchgang ausreicht!
Aber offensichtlich hat schon 3x Duschen und gestern Abend das Geschirr spülen gereicht, um dem Abwassertank bis an den Rand und sogar darüber hinaus zu füllen, sodass nun sogar das Wasser in der Dusche stehen bleibt! Oha!
Jetzt macht sich natürlich trotzdem bezahlt, dass wir eine Parzelle mit Full Hook- Up haben! Zwar muss ich dann jetzt doch ein kleines Stückchen nach vorne rangieren, aber das geht gaaaanz vorsichtig mit dem stehenden Wasser in der Dusche, ohne dass es überschwappt und quasi das ganze Wohnmobil unter Wasser setzt! Das nennt man wohl Glück im Unglück, denn sonst bliebe mir nur etwas Wasser in einen Eimer abzulassen, damit das Wasser aus der Dusche in den Tank nachlaufen kann.

Wir rollen das Wohnmobil also sehr behutsam ein kleines Stückchen nach vorne bis an die Parzellengrenze. Hinten ist zwar jetzt viel frei, aber das macht ja nichts. Es reicht vorne nun ganz knapp, dass wir den Versorgungsweg frei lassen und dennoch den Schlauch anschließen können. Kürzer dürfte der Schlauch aber echt nicht sein!
Kaum angeschlossen ergießt sich ein wahrer Schwall Grauwasser aus dem Schlauch, was man sehr schön am Schauglas vorne am Knick beobachten kann. Problem gelöst, das Wasser der Dusche läuft quasi sofort mit ab, das Boot ist wieder klar zum campen. 🙂

 

Nach dem Duschabenteuer kehrt etwas Mittagsruhe ein, denn Tim hält nach der erfrischenden Dusche eine Runde Mittagsschlaf. Nils freut sich hingegen über das Wifi- Internet und die Möglichkeit, ein paar Spiele auf dem Tablet zu spielen.
Anja und ich hingegen kümmern uns um die Wäsche. Ist auch nicht ganz einfach! Zunächst besorgen wir in der Rezeption Kleingeld bei meiner Texas Lady. Offenbar ist sie jetzt, zur Mittagszeit, deutlich offener, als noch heute früh. Sie wechselt mir 6 Dollar in Kleingeld und geht dann sogar mit uns nach nebenan in die Waschräume, um uns Europäern dort zu zeigen, wie eine proud US- Waschmaschine bedient wird. Dabei erklärt sie die Funktion der Maschine gleich so, als hätte ich zuvor erfolglos nach einem Waschbrett und dem nächsten Fluss gefragt…

Drei Dollar kostet die wilde Fahrt mit der Waschmaschine, zwei weitere werden für den Trockner später fällig. Das Waschmittel für einen Waschgang kann man übrigens ebenfalls gleich hier für einen Dollar aus dem bereitstehenden Automaten ziehen. Anja hatte aber bereits vor ein paar Tagen ein günstiges Waschmittel im Walmart gekauft, welches wir hier nun benutzen.

Ruckend nimmt die Maschine ihre Arbeit auf, nachdem wir sie mit unserer dunklen Wäsche bestückt haben. Ich muss sogar gleich hier und jetzt meinen Hoodie ausziehen, damit er direkt mitgewaschen werden kann. Das ist aus zwei Gründen doof. Zum einen muss ich jetzt nur im T- Shirt über das windige Areal zurückmarschieren und zum anderen habe ich jetzt keine Möglichkeit mehr, mein Schießeisen zu verstecken! 😉
OK, ok, ich habe natürlich nicht wirklich eine Kanone. Aber wenn ich eine hätte, könnte ich nun nicht mehr den Platzregeln entsprechen! Ja, es ist schon etwas komisch, dass wir hier an der Wäscherei den Aushang entdecken, dass auf dem Campingplatz das OFFENE Tragen einer Waffe verboten ist! Das heißt natürlich nicht, dass man sie nicht verdeckt tragen darf. Keineswegs! Hey, ich meine wir sind in Texas! Das wussten wir vorher und auch, dass die Amis eben überall ihre Waffen am Start haben. Der König von England könnte ja zurückkehren und versuchen, die Amerikaner wieder heim ins Commonwealth zu schubsen. Dies soll ja der historische Hintergrund zu den äußerst liberalen amerikanischen Waffengesetzen sein. Man weiß es, man kennt es. Aber wenn man WIRKLICH dann vor dem Schild steht, dass man eben seine Waffe nicht OFFEN tragen darf, dann ist das schon verwunderlich. Hat meine resolute Lady in der Rezeption vielleicht einen Derringer Colt unter dem texanischen Spitzenhöschen?! 😀

Während die Waschmaschine durchläuft, tippe ich ein wenig am Reisebericht. Anja geht derweil die Flyer durch, die wir in der Rezeption eingesammelt haben. Das Jack Sisemores RV Museum gefällt uns dabei als lohnendes Tagesziel immer besser! Die Frage ist nur, wie kommen wir hin?
Noch immer habe ich die mahnenden Worte meiner Texas- Lady im Ohr die mir mehr oder minder die Fähigkeit abgesprochen hat, mit unserem Wohnmobil dort einen Parkplatz zu finden.
Andererseits: Wenn man sich die Bilder des Jack Sisemore Museums auf Google Maps so anschaut, dann ist dort eben nicht nur ein RV- Museum, sondern eben auch ein stattlicher RV- Kauf-/Verkaufshandel! Und wenn dort mit Wohnmobilen gehandelt wird, dann wird man dort doch wohl auch ein Wohnmobil parken können, oder?!
Gesagt, getan, das US- Wohnmobilmuseum hier in Amarillo, Texas werden wir also stilecht mit dem Wohnmobil besuchen! Der Lady werde ich es zeigen! 😉

Bevor wir aber gegen halb drei in Richtung des Museums aufbrechen, wollen wir zunächst versuchen so etwas wie eine „Innenstadt“ zu finden. Also eine Art Zentrum, wo sich das Leben abspielt. So eine kleine Einkaufsmeile vielleicht, wo man sich ein wenig die Beine vertreten und etwas Schaufensterbummel betreiben kann. Leider war die Suche über google maps nicht ganz eindeutig, wo wir hier so etwas wie eine Hauptstraße als Einkaufsmeile finden werden, also beschließen wir, einfach ein wenig durch die Stadt zu tingeln und zu schauen, ob wir irgendwo eine Art „Zentrum“ ausgeschildert entdecken.

Eine Innenstadt finden wir nach den ersten Kreuzungen zwar nicht, dafür aber entdecken wir auf der anderen Straßenseite eine schwere alte Dampflok! Die sieht ja toll aus! Mit der Spontanität, die ein Mehrtonner- Wohnmobil verträgt, bremsen wir abrupt und ändern den Kurs in Richtung dieses alten Stücks Zeitgeschichte! Uns kommt dabei gelegen, dass wir auf der anderen Straßenseite ein ausreichend großes Parkreal entdecken, wo wir unser Wohnmobil locker einparken können.

Zur Lokbesichtigung starten wir eine reine Männerrunde! Nur Tim, Nils und ich! Anja mag lieber im Wohnmobil warten. Sie sagt, sie hat jeden Tag genug Eisenbahn auf dem Weg zur Arbeit und eine Dampflok braucht sie auch nicht, da ihr jeden Tag genügend Raucher auf dem Bahnsteig begegnen, die nicht in den ausgewiesenen Raucherzonen stehen. Da hätte sie auch genügend Dampf zur Eisenbahn. 😉

Der kleine Ausflug zur Lok, der Santa Fe 5000 wird zum Reinfall! Ein fieser Zaun, zu hoch zum erklimmen, schirmt die Lok auf über einen Meter von neugierigen Kindern ab! Sehr schade! Nur durch den Zaun können wir die Lok bestaunen und noch einen Hauch von der urgewaltigen Kraft spüren, die einmal von diesem schweren, metallenen Dampfross einmal ausgegangen sein muss. Wir müssten echt mal schauen, ob man hier in den USA so eine alte Dampflok auch mal in Aktion sehen kann! Die sind ihren europäischen Pendants auf jeden Fall um Tonnen überlegen!
Aus der englischsprachigen Wikipedia werde ich später entnehmen können, dass diese Lok hier auch „Madam Queen“ genannt wurde! So sieht sie auch aus! Erhaben, aber eben auch schon gealtert, wenn auch in Würde! Hat was von Queen Elizabeth von England! Aber wenn man das hier in Texas zu laut sagt, wird man bestimmt geteert und gefedert… 😉

Da wir der Lok nicht wirklich näher kommen können und der Wind recht zugig ist, entscheiden wir uns gleich weiterzufahren. Wir programmieren nun mal das Jack Sisemore RV Museum in unser Navi ein. Die Suche nach einer Art Innenstadt von Amarillo haben wir für den Moment aufgegeben. Sollten wir auf dem Weg noch etwas entdecken, was dem nahe kommt, dann halten wir natürlich gerne noch an. Ansonsten aber darf es nun das Wohnmobilmuseum sein.

Das Navi zeigt mir zunächst nur die grobe Richtung an, also biege ich vom Parkplatz aus mit unserem schweren Bomber links ab in die San Buchanan Street.
Kaum haben wir Fahrt aufgenommen, kommt mir auf der mehrspurigen Straße ein Chevrolet Pickup entgegen! Auf meiner Fahrspur! Ja ist der denn wahnsinnig?!
Normalerweise würde mich das ja nicht schrecken, immerhin haben wir einen Ford Heavy Duty und wir würden „das Ausweichspiel“ (bei Wikipedia nennt man es wohl das Feiglingsspiel) wohl gewinnen, doch das ist nicht das Problem! Denn hinter dem Chevrolet Pickup folgen noch eine ganze Reihe weiterer Fahrzeuge auf allen Fahrstreifen, die die Ampel an der nächsten Kreuzung gerade in unsere Richtung ausgespuckt hat! Und spätestens jetzt wird klar: Wir fahren gerade mit einem Wohnmobil durch eine Einbahnstraße!!! 😮
Bevor wir in den Channel 6 Nachrichten landen, bremse ich abrupt ab und schalte das Warnblinklicht ein. Fast ein Wunder, dass ich es sofort finde und auch unseren Mehrtonner ohne Neusortierung des Porzellans im Schrank auch zum Stoppen bringe! Der Chevy, wohl der Gewinner des Ampelstarts von eben, weicht gekonnt mit Vollgas auf die mittlere Fahrspur aus, während ich mich auf der etwas breiteren Fahrspur so gut es geht an die Seite kauere.
Dann lassen wir den Tross Autos an uns vorüberziehen und schauen dabei abwechselnd in staunende wie leicht irritierte Blicke. Zu meiner Überraschung aber scheint niemand wirklich böse zu sein, keiner hupt oder zeigt uns den Scheibenwischer oder gar den Mittelfinger. Geteert und gefedert werden wir auch nicht und der Channel 6 Helikopter über uns bleibt auch aus! Puh!
Nachdem die Straße vor uns wieder frei ist, fahre ich einmal quer über alle drei Fahrstreifen wieder auf das übergroße Parkplatzareal drauf, von dem wir eben gestartet sind. Unser Ausflug in die Einbahnstraße hat keine 50 Meter gedauert.
Puh! Again!

„Fahr hier irgendwie raus!“ ruf mir Anja energisch zu. Das kurze Abenteuer hat auch ihr zugesetzt, nur die Kinder haben hinten offenbar nichts bemerkt. Wir atmen einmal durch und dann geht es weiter. In richtiger Richtung…

Die 5 Meilen bis zum Museum sind, wenn man erstmal in die richtige Fahrtrichtung fährt, kein Problem. Alle Straßen hier in Amarillo sind wunderbar ausgebaut und auch für Wohnmobile gut zu fahren. Mehrere Fahrstreifen in jede Richtung. Anton Hofreiter von den Grünen würde wohl das Kotzen bekommen über so viel Autofahrerfreundlichkeit. 😉

Die Zufahrt zum Areal ist tatsächlich doch etwas herausfordernder, als ich zunächst dachte. Ja, hier ist ein großer Wohnmobilverkauf. Aber offenbar ist man hier, wenn man keinen Werkstatttermin hat, nicht gerade auf den Besuch von Wohnmobilen vorbereitet. Kaum fahren wir auf den Parkplatz drauf, kommt auch schon ein Angestellter angelaufen und fragt uns, warum wir hier seien. Es dürfte fast klar sein, dass wir keine normalen Kunden sind, denn die fette Roadbear- Werbung auf dem Fahrzeug ist ja unübersehbar. Was sollte ein Wohnmobilmieter hier schon wollen, denn die Station hier hat ja mit Roadbear nix zu tun.
Und so ist seine erste Frage auch folgerichtig, ob wir das Museum besuchen wollen, was wir gerne bejahen. Ja und dann gibt es den „gut gemeinten Rat“ doch woanders zu parken. Hier geht es mit dem Wohnmobil auf jeden Fall nicht! Bams! Das sitzt!
Wir dürfen auf dem Hof zwar immerhin gnädiger Weise drehen (und dabei neidisch in die ein oder andere doch größere Parktasche schauen, die offenbar für richtige Wohnmobilkunden freigehalten wird), müssen dann aber wieder runter. Tja, wohin nun? Hier, im Schatten des fetten Highway parallel zu unserer Straße, ist mit Parken nichts. Sollen wir es in einer Seitenstraße versuchen? Oder lieber gleich ganz abbrechen? Letzteres überlege ich mir gerade ernsthaft, denn der Empfang war nicht gerade herzlich…

Zum Glück, das werden wir gleich noch sehen, war es richtig nicht wieder unverrichteter Dinge weiter zu fahren!
Im Gegenteil! Nachdem wir die Einfahrt verlassen, entscheide ich spontan einfach hier auf dem rechten Fahrstreifen stehen zu bleiben! Er ist deutlich breiter, als die anderen beiden Fahrspuren. Er ist sogar so breit, dass z.B. Doug Heffernan mit seinem IPS- Liefertruck hier anhalten kann und der Verkehr dennoch problemlos an ihm vorbeikommen müsste. Sogar ohne die Fahrspur zu wechseln, wenn es nicht gerade ein Truck ist, der hinter dem parkenden Lieferwagen aufläuft.
Und wenn ein Lieferwagen hier stehen kann, dann doch auch ein Wohnmobil?!
Wir lassen das Wohnmobil also quasi mitten auf der Straße stehen und versuchen ein weiteres Mal unser Glück!

 

Info- Box:
Jack Sisemore RV Museum

Seit über 25 Jahren sammelt der Wohnmobilhändler Jack Sisemore nun schon Artefakte der Campinggeschichte. Dazu zählen dann nicht nur Zelte oder Campingkochgeschirr, sondern eine ganze Reihe gut erhaltener Fahrzeuge, Wohnwagen und Wohnmobile! Teilweise sind Fahrzeuge dabei, die es zu einer gewissen Berühmtheit geschafft haben, wie der rot-weiße Campingbus der Familie Gornicke aus dem Film „Die Chaoscamper“ mit Robin Williams.
Weitaus faszinierender als der Filmbus sind aber die zahlreichen anderen ausgestellten Fahrzeuge hier, die richtigen echten Wohnmobile und Wohnwagen aus der gesamten Reisegeschichte der vereinigten Staaten! Winnebagos, FMCs, Itasca und einige in den USA bekannte Marken sind mit historischen Fahrzeugen hier vertreten. Und auch der Welt älteste Airstream, das Modell „Torpedo“ aus dem Jahre 1935, ist hier ausgestellt, nachdem er sich über 80 Jahre im familiären Privatbesitz befand. Dazu ein Nachbau einer historischen Tankstelle, viele alte Motorräder, Autos, Cola- Automaten, Bilder, Plakate, kurzum, ein richtiges, echtes und mit sehr viel Hingabe eingerichtetes Museum!
Keine Ahnung, ob sich Erwin Hymer mit seinem Hymer Museum von Jack Sisemore hat inspirieren lassen. Aber die Ausstellung ist ein echter Reisetipp!
Und das beste: Der Eintritt ist kostenlos!
Adresse:
4341 Canyon Drive,
Amarillo, TX
Standort auf google maps
Webseite: rvmuseum.net

 

Nachdem wir den eben noch recht ruppig wirkenden Mitarbeiter umgehen und eine nette Dame am Empfang uns und unsere beiden Jungs entdeckt, werden wir sehr freundlich begrüßt. Auch sie vermutet gleich richtig, dass wir für einen Besuch des Museums hier sind und weist uns den Weg zum Museum, der in einem Nebenbau des Firmengeländes eingerichtet ist. Und das Beste: Wir müssen zu unserer Überraschung nichts bezahlen! Wow! Das ist aber toll!
Wir bekommen eine recht scharfe Sicherheitseinweisung, wie wir zum Museum gelangen. Nämlich durch die Türe schräg von uns und dann immer zwischen den beiden roten Linien === bleiben!
Das sei wirklich sehr wichtig erklärt uns die Dame! Denn der Weg führe über das Betriebsgelände und für Safety reasons es sei halt important das wir den Weg nicht verlassen. Wegen der Unfallgefahr mit den rangierenden Wohnmobilen aus der Werkstatt. Naja. Was das angeht übertreiben die Amis für unseren Geschmack ein wenig. Waffen darf man nicht offen tragen (verdeckt geht in Ordnung), aber wenn Autos auf einem Parkplatz fahren, dann ist der Tod praktisch schon beschlossene Sache…

Die Warnung erweist sich dennoch als gar nicht so verkehrt, als wir das Gebäude quasi zur Hintertür verlassen. Denn hier steht nicht nur wirklich allerhand Wohnmobil- und Wohnwagenmaterial herum, die Fahrzeuge werden tatsächlich rangiert! Wir müssen unseren Nachwuchs gut im Auge behalten, dass er nicht unter die Räder eines dieser 6th Wheeler kommt, die hier offenbar gerne gekauft werden. Allein die Größenverhältnisse dieser Wohnhäuser auf Rädern sind der Hammer! Besonders gut sieht man den Unterschied auf diesem Bild hier! Der Wohnwagen im Vordergrund ist knapp so groß, wie unser derzeitiger Hobby 495 UK Wohnwagen zuhause. Und jetzt schaut euch an, wie FETT der fette proud amerikanische Trailer im Hintergrund dazu ist! Da passt der kleine Wohnwagen ja fast schon in das Staufach! Wahnsinn, oder?!

Nun, wir sind ja nicht hier, um die Größe der Fahrzeuge zu bestaunen. Sondern für das Museum. Hinter einer schön verzierten Wand finden wir kurz daraufhin eine Ausstellungshalle, die das Herz eines jeden Wohnmobilsten und Autofan höher schlagen lassen wird! Besonders, wenn er auf amerikanische Geschichte steht! Wir haben schon bei der Anfahrt nicht SO viel erwartet. Immerhin ist die Webseite auch nicht gerade umfangreich und aussagekräftig mit den paar Bildern. Und als die Dame sagte, dass wir das Museum kostenlos besuchen dürfen, habe ich erst recht keinen großen Aufwand erwartet. Aber das hier sprengt wirklich alle Erwartungen!

Mit wirklich unglaublich viel Mühe hat Hr. Sisemore auto- und wohnmobile Zeitgeschichte hier zusammengetragen! Nicht nur einzelne Fahrzeuge, sondern auch -und ganz besonders- die Einrichtung und Dekoration dieser Fahrzeuge! Bei einigen der Wohnmobile bekommen wir den Eindruck, als seien die Besitzer wirklich nur mal kurz rüber zum Servicehaus auf dem Wohnmobilstellplatz und gleich wieder zurück! Egal, ob Roadatlas oder Müslipackung, Geldbörse, Cracker in der Dose oder alte Bücher. Ja selbst eine echte, mehr als backsteinschwere Videokamera liegt auf einem Armaturenbrett und stellt quasi den Ur- Prototyp einer Dashcam dar! Aber der Zeitsprung geht noch viel weiter zurück in eine Zeit, die durchaus als automobile Pionierzeit bezeichnet werden kann! Eine Zeit, wo es an der Tankstelle noch kein Bier rund um die Uhr gab, mehr noch, wo es noch nicht einmal eine Tankstelle gab und man Benzin stattdessen in der Apotheke kaufen musste. Und selbst damals gab es schon Wohnmobile! Unsere Altvorderen und Urväter sozusagen, das waren noch echte Wohnmobilisten! Das allein ist schon eine schöne Erkenntnis! Aber das Herr Sisemore diese Fahrzeuge gefunden hat und hier ausgestellt sind, das ist die wahre Leistung!

Natürlich erkennen wir auch als Filmfans gleich den zum Wohnmobil umgebauten Bus der Familie Gornicke aus dem Wohnmobil- Kultfilm „Die Chaoscamper“ mit Robin Williams. Und auch bei diesem Exponat überrascht Jack Sisemore seine Museumsbesucher. Denn der historische Bus ist keineswegs abgetrennt oder gar nur hinter Glas zu bestaunen, nein, nein! Ganz im Gegenteil! Das Fahrzeug ist, wie fast alle Wohnmobile und Wohnwagen hier (mit bislang nur einer Ausnahme), zu unserer absoluten Überraschung frei zugänglich! Klar, dass sich sofort Nils und Tim am Steuer des historischen Fahrzeugs abwechseln, sodass wir es eigentlich sind, die die liberale Ausstellung von Jack ein wenig einbremsen und die Kinder ermahnen, möglichst nicht ganz so ungestüm mit dem Bus umzugehen.

Wir durchforsten viele Wohnmobile und Wohnwagen, staunen fasziniert über den guten Erhaltungszustand und müssen einmal mehr erkennen, dass sich die reine Entwicklung bei der Innenausstattung zu heute kaum verändert hat! Schon die Wohnmobile der 80er Jahre hatten große Kühlschränke, ein umfangreiches Raumgefühl und natürlich eine Klimaanlage an der Decke! Davon haben wir in den 80er Jahren in Deutschland noch geträumt! Hier war sie schon Standard. Auch die Grundschnitte haben sich nicht sehr verändert. Ja selbst das Badezimmer hat mit Dusche und Toilette irgendwie exakt den gleichen Umfang, wie unser aktuelles 2018er Roadbear Wohnmobil von Coachmen! Faszinierend! Und es erinnert uns meehr wie einmal an unsere Anfänge und erste Reisen mit unserem 1984er Wohnmobil, unser alter Dethleffs Globetrotter SD.
Gut gemacht sind hierbei auch die wohl dosierten kleinen Infotafeln Fahrzeugen und Ausstellungsstücken. Sie geben gerade genügend Info, um nicht zu überfrachten, aber auch um Fragen zu beantworten. Keine Enzyklopädie, aber informativ. Besonders die Baujahre sind hierbei immer wieder interessant. Es spricht entweder für die robuste Bauweise oder für die gute Restauration der Jack- Sisemore Crew, oder für beides. Aber ein Wohnmobil aus den 70er Jahren mit über 100.000 Meilen auf dem Tacho und kaum ein Kratzer am Mobiliar oder der Einrichtung, das ist schon bemerkenswert!

Ebenfalls schön gemacht ist auch die anhängige Sammlung einiger Autos und echten Oldtimern aus der Zeit sowie der liebevolle wie detaillierte Nachbau einer kleinen Tankstelle mit Diner! Selbst an Colaflaschen in der Kühltruhe und Burger mit Pommes im kleinen Körbchen hat Jack Sisemore gedacht. Hier, in diesem Museum, steckt unglaublich viel Arbeit, sicherlich sehr viel Geld und Herzblut drin! Das der Eintritt nichts kostet, ist faszinierend! Wenn ihr jemals in die Gegend kommt, fahrt auf jeden Fall hier her und schaut euch das Museum an! Schon jetzt greifen wir dem Rest der Reise insoweit vor und können sagen, dass wir in einigen anderen Museen, selbst mit Kosten für den Eintritt, nicht diese Detailtreue und auch nicht diese allein schon schiere Menge an Ausstellungsstücken vorfinden werden!

Neben Wohnmobilen sind auch weitere Wohnwagen ausgestellt. Ehrensache, dass wir uns auch diese noch genauer anschauen. Eine kleine Campingecke mit zwei Wohnwagen stellt nach, wie in den 60er und 70er Jahren hier mit dem Wohnwagen, dem Trailer, gecampt wurde. Auch die Wohnwagen stehen den Wohnmobilen in Sachen Komfort in nichts nach. Klar, die Einrichtung ist weit älter als Gelsenkirchner Barock, aber ebenso robust von der Ausstattung, wie die Pendants mit Motor. Und sie ist vollständig! Es gibt bereits in dieser frühen Dekade fest eingebaute Toiletten in den Fahrzeugen. Also zu einer Zeit, wo man in Deutschland und Europa noch mit mobilen Porta Pottis gearbeitet und den vollen Tank stets durch den Wohnraum getragen hat. Kennen wir noch von unserem 1984er Wohnmobil und war nie wirklich schön. Ansonsten komplette Ausstattung wie im heimischen Haus. Gasofen, Kochstelle, natürlich Klima und große Kühlschränke! Wahnsinn. In den USA hatte Camping schon vor 50 Jahren nichts mit „back to the Roots“ zu tun!

Nach dem Besuch der historischen Ausstellung streifen wir noch eine Runde durch das Jake Sisemore Travelland. Klingt wie ein Vergnügungspark eines stinkreichen Texaners, ja, ist aber in Wahrheit die reisefreundliche Umschreibung für die Fahrzeugausstellung und den Zubehörshop. Als alter Jäger und Sammler, der sich gerne selbst ohne Kaufgedanken immer wieder mal bei Obelink, Fritz Berger, Movera und Co immer in der Nähe des Odeurs von Aqua Kem Rinse aufhält (das rosa Zeug riecht so genial, ich könnte süchtig danach werden 😉 ), darf ein solcher Besuch nicht fehlen.
Viel des angebotenen Zubehörs ist natürlich mit unserem vergleichbar. Andere Dinge, wie der omnipräsente Entsorgungsschlauch als Beispiel, ist hier natürlich für uns ungewohnt.
Wir stromern durch die Gänge in der Hoffnung, ein ganz besonderes Gimmick zu finden, welches es bei uns nicht zu kaufen gibt und womit auf unseren Campingplätzen dann neidvolle Blicke ernten könnten. 😉
So sehr wir uns aber auch die Augen ausgucken, mehr als ein müdes Lächeln würden wir bei unseren Nachbarn damit nicht erzeugen. Egal.
Wir verabschieden uns freundlich und bedanken uns nochmals für die tolle Ausstellung, dann geht es zurück zum Wohnmobil, welches unbeschadet auf der Straße steht. Nix passiert.

Das nächste Ziel bevor es zurück zum RV Campground geht ist einmal mehr ein Walmart. Nicht, weil wir unbedingt so viele Dinge einkaufen müssten, sondern weil noch etwas Zeit ist, bevor wir uns nachher mit der Limousine vom Campground abholen und zur Big Texas Steak Ranch fahren lassen!
Ja, das Highlight steht nämlich noch aus! Besonders die Frage, ob wir bzw. ich es versuchen soll, das seit Little Rock am Straßenrand beworbene 72Oz Steak zu probieren! 72 Unzen, das sind umgerechnet so etwa 2 Kilo!
So etwas isst man natürlich nicht allein für den Hunger. Außer Bud Spencer vielleicht, aber der dürfte hier im Westen eher auf eine Pfanne Bohnen stehen. 😉
Nein, der Hintergrund wäre ein anderer! Denn wenn man es schafft das 2 Kilo Steak inklusive einiger Beilagen innerhalb von 60 Minuten zu verputzen, darf man umsonst essen!
Und das ist eine Challenge, zu der ich mich nur zu gern herausgefordert fühle! Doch dazu später mehr. Erstmal kaufen wir etwas Milch, Obst und Wurst für die kommenden Tage. Ach, und eine Packung Twinkies muss es auch sein! Hauptsächlich, weil Woody Harrelson im Film Zombieland so verrückt nach Twinkies ist, sie aber einfach nicht bekommt! Vor ein paar Tagen ist mir der Film wieder eingefallen, als wir durch die Einöden neben dem Highway gefahren sind. Und da dachte ich, dass ich für das vollständige Zombiegefühl halt auch einen Twinkie brauche! 😉
Gegessen wird dieser aber erst später! Jetzt muss ich mir den Bauch freihalten, falls ich mich doch entscheide die Steak- Challenge anzunehmen. Dann brauche ich Platz im Bauch…

Abendessen in der Big Texan Steak Ranch in Amarillo, Texas – unser Erfahrungsbericht:

Unsere gratis- Limousine haben wir übrigens heute Mittag in der Rezeption des Campingplatzes telefonisch von unserer resoluten Texas- Lady bestellen lassen, als wir Kleingeld für die Waschmaschine gewechselt haben. Für 18 Uhr ist die Stretch- Limo bestellt!
Knapp pünktlich fährt auch der lange braune Lulatsch vor, stilecht mit einem Texan Horn vorne auf der Motorhaube. Wow, das passt!
Im Innern ist die Limousine allerdings erstaunlich enger, als es von außen den Anschein hat! Dies aber sicherlich auch, weil wir die letzten Fahrgäste sind, die einsteigen. Die Limousine ist nämlich gar nicht so exklusiv wie man vermutet, sondern mehr ein Bus, der als Lumpensammler die Hotels im Umkreis abklappert, dort hungrige Gäste aufnimmt und sie dann gesammelt an der Steak Ranch auslädt. Da wir die letzten auf der Tour sind, sind schon alle Plätze im Fahrzeug belegt.
Immerhin komme ich so aber in den Genuss, vorne sitzen zu können und ein paar Bilder von der kurzen Fahrt die Straße runter zu machen. Ich wäre den Weg ja auch zu Fuß gegangen, aber die Texas- Lady hatte uns heute Mittag schon davon abgeraten, im Dunkeln sei es geradezu halsbrecherisch gefährlich. Na dann.

Info- Box:
Amarillo The Big Texan Steak Ranch

Seit 1960 serviert die Steak Ranch preisgünstige Steaks an hungrige Reisende. Gut, für 1960 mag dieser Anspruch gegolten haben, heute finden wir einen Showevent nach Texas Style! Allem voran das 72 Unten / 2 Kilo Steak! Wer es mit Beilagen schafft innerhalb von 60 Minuten zu verspeisen, muss sein Essen nicht bezahlen!
Neben dem gastronomischen Angebot gibt es einen Souvenir- Shop und einige Automaten, Tischspiele, Schießstände und mehr. Ein kostenloser Limousinen- Service, der auf telefonische Vorbestellung auch Campingplatz und Hotels anfährt, rundet das Angebot ab. Die RV Ranch, also der Wohnmobilstellplatz, liegt etwas mehr als einen Kilometer die Straße rauf und gehört mehr oder minder zum Angebot. Zu Fuß soll man dennoch nicht spazieren, die Rezeption rät ausdrücklich vom gefährlichen Spazierweg an der Straße ab.
Adresse:
7701 Interstate 40 Access Road
Amarillo, TX 79118
Standort auf google maps
Webseite: Big Texan Steak Ranch

Die Big Texan Steak Ranch hier in Amarillo ist fast wie eine alleinstehende Replik aus der inzwischen abgerissenen Western Stadt aus dem Phantasialand! Schon beim Betreten wird uns klar, dass es gar nicht unbedingt das Restaurant ist, was die Leute lockt. Eher ist es das Mini- Freizeitparkflair, wo sich die allermeisten Gäste herumtreiben. Natürlich allem voran der gut bestückte Souvenirshop. Aber bevor in das Angebot eintauchen, gehen wir erstmal essen! Wir haben Hunger!

Der Gastraum ist ordentlich gefüllt, nur im vorderen Bereich sind noch einige Tische leer, die aber reserviert scheinen. Die Tische selbst stehen nicht minder eng beieinander. Ein Stimmengewirr mischt sich unter den Duft zubereiteten Essens, dessen Herkunft ich sofort erspähe. Der Grill- und Barbecue- Bereich ist ein offener Küchenbereich, wo die Gäste bei der Zubereitung der fetten Steaks zuschauen können. Das ist nett gemacht. Neben der offenen Grillstelle sticht ein weiteres Highlight ins Auge! Eine Bühne! Mittig im Raum, angrenzend an die Feuerstelle. Statt texanischem Squaredance wird hier aber keine Show aufgeführt, sondern hier sitzen die Gäste, die in Hoffnung auf das Gratis- Steak 2 Kilo Fleisch plus Beilagen in sich reinschaufeln! Erhöht auf einem Podest und zur Belustigung aller zur Schau gestellt. Wir werden Zeuge, wie die Menge einen mutigen Esser gerade anfeuert, seine letzten Bissen in den verbleibenden Minuten herunter zu würgen. Wirklich glücklich sieht er nicht aus, aber die Angst sein Essen bezahlen zu müssen, lässt seinen Magen auf ungeahntes und medizinisch sicherlich fragwürdiges Volumen ansteigen. Unter zaghaftem Applaus scheint er es am Schluss zu schaffen. Es kann aber auch sein, dass dies eher der „dabei-sein-ist-alles“- Applaus dafür ist, dass er es zumindest versucht hat. Naja.

Spätestens an der Stelle wird klar, dass ich mich der Herausforderung mit dem zwei Kilo Steak NICHT stellen werde!
Mit Kollegen, ja. Mit Freunden auf Tour, dann auch. Als Junggesellenabschied? Auf jeden Fall! Aber wir sind heute als Familie hier! Sollen wir uns alle an einen der Tische auf der Bühne setzen? Soll ich meine Kinder von der Menge anjohlen lassen? Oder sitze ich alleine auf der Bühne, getrennt von Frau und Kindern, nur um mir alleine ein Steak reinzuwürgen? Nein. Das muss ich wirklich nicht haben. Ein netter Familienabend soll es werden und das wird es auch. Wir lassen uns von der charmanten Platzanweiserin mit glitzernder Zahnspange an unseren Tisch bringen. Es ist nicht der schlechteste Tisch im ganzen Raum! Aber er ist leider nah dran! Relativ mittig, mitten im Gewusel und viel zu weit entfernt von den begehrten Eckplätzen in den Separees des Steak Ranch. Für einen solchen ruhigeren Platz hätte man wahrscheinlich vorreservieren müssen.
Na gut. Macht nichts! Im Gegenteil! Denn um eins müssen wir uns garantiert keine Sorgen machen, nämlich dass später alle Blicke auf uns gerichtet sein werden, wenn sich unsere Jungs um Ketchup streiten oder ein Geschirr krachend zu Boden fallen sollte. Das geht hier in der wabernden Grundlautstärke einfach unter!

Kaum sitzen wir an unserem Tisch kommt ein schlacksiger Kerl in abgewetzter Jeans, Holzfällerhemd und Cowboyhut an unseren Tisch. Ich tippe darauf, dass dies der uneheliche Sohn unserer resoluten Texas- Lady vom Empfang des RV Parks als Mutter und vom Marlboro- Mann als Vater ist. Absolut ins Klischee getroffen der Cowboy!
Wir stöbern ein wenig durch die Karte und entscheiden uns für ein oppulentes Mahl. Für mich darf es stilecht das 24 Unzen Texas Cut Steak sein. Ich meine hey, wir sind in Texas! Da ist der Name schließlich Programm! Das 24 Unzen knapp 700 Gramm Fleisch sein werden, kann ich jetzt maximal daran erahnen, da es eines der zahlenmäßig größten Steaks ist, die auf der Karte stehen.
Anja gibt sich deutlich bescheidener, nimmt ein einfaches Steak aus dem Mittelfeld der Karte. Tim und Nils wollen gerne Spareribs probieren, die wir ebenfalls bestellen. Allerdings als Kinderportion. Immerhin.

Knapp 40 Minuten müssen wir aufs Essen warten. Aber es lohnt sich! Die Kinder bekommen ihr Menü kindgerecht im Cowboyhut und Körbchen serviert. Den Hut dürfen sie hinterher sogar behalten! Dazu gibt es einen Blecheimer mit Soßen für alle Geschmäcker (außer für Vegetarier vielleicht 😉 ), eine Schale mit gebratenen Western- Bohnen (die Bud Spencer wohl neidisch machen würden) und richtig fette Country- Pommes für alle. Wahnsinn, was wachsen hier für Kartoffeln bitte?!

Auch der Fleischlappen auf meinem Teller sieht ordentlich aus!!
Und er hat zwar frappierende Ähnlichkeit mit einem überfahrenen Opossum, welches der Küchenchef wahrscheinlich noch heute Nachmittag vom Mittelstreifen des Highways gekratzt hat, aber schmecken tut es!
Herrlich! Unglaublich gute Röstaromen vom offenen Feuer, innen saftig, fast ideal zubereitet. Sehr lecker!

Wir futtern uns regelrecht satt an diesem ausufernden Fleischgelage, unsere Rentenversicherung dürfte gerade aufgrund der massiv verkürzten Lebenserwartung die Sektkorken knallen lassen. Aber das darf jetzt auch mal sein. Immerhin ist es NICHT das fette 2 Kilo Steak geworden, welches übrigens recht eindrucksvoll am Eingang als „Musterstück“ ausgestellt liegt. So kann sich jeder gleich einen Eindruck verschaffen, ob er sich diesen Fleischlappen (mit Beilagen dazu versteht sich) zutraut, oder nicht. Sieht schon gewaltig aus! Wäre kein Spass geworden. Dann lieber „nur“ das Opossum. Das war lecker und von der Portion her genau richtig…

Nach dem Essen zahlen wir und schauen uns den Rest der freizeitparkähnlichen Steak Ranch an. Zuerst durchstöbern wir den Souvenirshop und finden richtig tolle Sachen! Allen voran so ein Longhorn für die Motorhaube, wie es auf unserer Limo eben montiert war! OK, gut, die sind nicht echt, aber sehen trotzdem eindrucksvoll aus. Nichts für Deutschland und unsere STVO, man könnte ja einen Fußgänger am Zebrastreifen damit aufspießen, aber hier kein Problem.
Natürlich gibt es auch normale Souvenirs! T- Shirts, Tassen, Buttons, Aufkleber, Poster, Cowboyhüte, Ketten, Schmuck, Basecaps, alte Nummernschilder, Cowboysterne und vieles mehr. Besonders gut gefallen uns hierbei die bunt bemalten, eher mexikanisch anmutenden Kacheln mit Toten drauf! Das scheint spätestens nach dem Disney- Film „Coco“ echt populär zu sein. Trifft so ziemlich genau unseren Geschmack und als wir unter einer wärmenden Infrarotlampe in einem Aquarium eine echte Klapperschlange entdecken, steht spätestens jetzt für die Jungs fest, welches Souvenir wir mit nach Hause nehmen!
„Och bitte Papa!“ „Ja Papa! Die Schlange, nimm die mit!“
Wie soll ich die nur im Handgepäck verstecken?!

Für die Animation sorgen hier darüber hinaus einige Spielautomaten und einfachste Kulissen wie einen Mann in Gefängniskleidung auf einem elektrischen Stuhl, den man für einen Dollar brutzeln kann. Texas halt. Das entschuldigt vieles. Dazu gibt es natürlich eine „Shooting- Ranch“, eine Kegelbahn, eine Salon- Szenerie und viele weitere zusammengewürfelte Ausstellungsstücke, die so recht keinem Konzept folgen wollen. Aber vielleicht sind hier auch unsere Ansprüche einfach etwas zu hoch. Die Amis haben jedenfalls Spass mit dem Angebot und grillen abwechselnd Sparky, schießen dem Barkeeper den Drink vom Klavier oder duellieren sich nach alter Väter Sitte mit den bereitliegenden Revolvern.

Aber auch gruselig können die hier, die Amis! Im hinteren Teil ist die Steak Ranch wie eine alte Ranchhütte aus dem 19 Jahrhundert eingerichtet. So mit knarrender Diele, Schaukelstuhl und Kamin. An den Wänden hängen dabei immer wieder auf alt gemachte Bilder von Cowboys, Westernladys oder Soldaten in Konföderierten- Uniform, denen wir zunächst wenig Beachtung schenken. Bis Tim schreit! Nils schreckt ebenfalls zurück, als er die Ursache für Tims Aufschrei erkennt. Das sind Wechselbilder! Von vorn betrachtet sieht das Portrait völlig normal aus. Schwenkt man aber zur Seite, wird aus dem Gesicht ein Gruselgesicht! Wahlweise Geist, Zombie, Skelett oder Monster, selbst Kinder werden auf den Bildern nicht verschont. Das ist schon etwas strange! Besonders, wenn man darauf nicht vorbereitet ist und einen Dreijährigen derart verstören, dass er den Rest der Besichtigung lieber auf dem Arm getragen werden möchte.
Ich bin geneigt, das auch mit „Texas halt“ zu entschuldigen, aber der ängstliche Bub auf dem Arm wird eben schwer und damit ist die Situation unangenehm.
Blöde Bilder!! Aber müssen die diese auch noch in Kinderhöhe aufhängen?!

Der Abend ist kühl als wir gegen viertel vor 8 das Restaurant verlassen. Die frische Luft tut gut!
Wir brauchen einen Moment bis wir kapieren, wie der Shuttle- Service mit der Limo funktioniert. Jetzt ruft man nämlich nicht mehr an, sondern wartet in einer Schlange auf einer hölzernen Veranda einfach, bis eine der Limousinen neue hungrige Gäste ausspuckt, wendet und dann vor der Veranda zum Stehen kommt. Dann werden die Passagiere bis auf den letzten freien Platz in der Limo eingeladen und nach ihrem Hotel gefragt. Die Runde beginnt dann umgekehrt von vorn.
Wir müssen etwa 15 Minuten warten, bis wir auf einer deutlich älteren und durchgesessenen Sitzbank einer Strechlimo Platz nehmen können, die wahrscheinlich schon in einer Colt Seavers Folge eine Statistenrolle gespielt hat. Mann, ist die abgeranzt! Die Werbefolierung hängt in Fetzen herunter, das weiße (Leder?-) Dach ist von der unerbittlichen texanischen Sonne spröde und rissig. Der Rost blüht an allen Ecken und Enden und der Wagen federt bedenklich bis auf die Anschlagdämpfer ein, als wir alle einsteigen. Das Teil wankt uns eher nach Hause, als das es uns fährt! Ein Glück, dass es fast nur geradeaus die Straße runter geht. Ich habe ernsthafte Bedenken, ob das Fahrzeug wirklich nennenswert um die Kurve fahren, geschweige denn ein Ausweichmanöver wie den Elchtest bestehen würde, ohne dass allein aufgrund des physikalischen Gesetzes der trägen Masse die Hälfte des Fahrzeugs einfach geradeaus weiterfährt…

Mit uns fährt übrigens noch ein anderes Paar aus Holland zum Campingplatz und zwei ältere Herrschaften aus Utah. Die Fahrt wird zur netten Gesprächsrunde über das Essen, Texas, Amerika und Europa. Stets unterbrochen durch so manches Aufstoßen bei einer der schaukeligen Bewegungen, die die Limousine auf den Bodenwellen fabriziert. Man merkt allen an, wie die Steaks im Magen gegen die Speiseröhre drücken und sie bei jeder Bewegung leiden. 😉

Gegen kurz nach 20 Uhr sind wir zurück am Campingplatz. Ein kleines Trinkgeld für den Fahrer gibt es noch, dann spazieren wir zurück zum Wohnmobil. Es folgt ein herrlicher Sonnenuntergang, der nur von unseren beiden auf dem Tisch tanzenden Cowboys getoppt wird.
Es fehlt eigentlich nur ein Fremder mit einem Banjo und der Marlboro- Mann am Feuer schräg hinter uns und im Hintergrund ein paar weidende Büffel für die perfekte Westernkulisse!

Meilen bei Abfahrt: 1.386,6
Meilen bei Ankunft: 1.404,7
Gefahrene Meilen: 18,1 = ca. 30km (nur innerhalb von Amarillo)

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