OK, Amerika hat uns heute wieder ein Stückchen mehr einverleibt, denn die Zeitverschiebung „kurieren“ wir wieder ein Stückchen mehr und vor allem unfreiwillig heraus. Dabei wollten wir doch gar nicht lange schlafen! Dennoch passiert es. Die Folge: Erst um kurz nach 8 Uhr werden wir wach! Das ist spät!
Und schon sind wir hibbelig! Zum einen, weil gefühlt der halbe Tag bereits verschlafen ist und zum anderen, weil es heute endlich mit unserem Wohnmobil zurück auf die Route 66 geht! Juchei! Jetzt erst kommt der „uramerikanische“ Teil, für den wir hier sind! Auch, wenn wir nicht wie Easy Rider mit einem Motorrad auf der Mutter aller Straßen unterwegs sein werden, kommt ein Wohnmobil doch verdammt dicht dran!

Wir stehen auf und frühstücken schnell. Cäpt´n Crunch, ein zotteliger überdrehter zweidimensionaler Seebär, serviert den Kindern ein weiteres Mal auf dieser Tour Müsli in der Schale. Ein offenbar einträgliches Nebengeschäft neben dem rauen Leben als Freibeuter, wenn man schon sein Konterfei auf eine Müslipackung druckt.
Anyway: Cornflakes- Frühstück geht natürlich schnell und weil wir auch sonst auf die übliche Entfaltung campingähnlichen Lebens verzichtet haben, gehen die Abreisevorbereitungen zur Abwechslung ebenso zügig über die Bühne. Hierzu trägt ebenfalls bei, dass natürlich auch hier unsere Parzelle eine „Full- Hook-up“ Parzelle ist. Grau- und Kackawassertank leer machen, Frischwasser auffüllen, das alles funktioniert hier ohne Rangieren direkt am Platz. Danach nur Schläuche und Kabel verstauen, die Kinder „kurz“ ausdiskutieren lassen, wer den Slide- Out jetzt einfahren und wer den Slide- Out dafür heute Abend wieder ausfahren darf und schon sind wir startbereit!
Einzig die Jungs müssen wir, nachdem wir das Einfahren des Slideouts mehr oder weniger für den Rest des Urlaubs wechselweise festgelegt haben, durch gutes Zureden davon überzeugen, dass es leider Zeit wird, wieder weiter zu ziehen. Den (für deutsche Verhältnisse überschaubaren) Spielplatz haben sie wirklich lieb gewonnen und möchten am liebsten gar nicht hier weg! Ich kann das verstehen, viel fahren ist eben kacke! Ausgerechnet das aber wird heute auf der Tagesordnung stehen, wir möchten uns ein weiteres Mal einen ordentlichen Vorsprung herausfahren, um morgen, an unserem Tagesziel im Amarillo, Texas, wieder einen Jokertag ganz ohne fahren einlegen zu können.

Zu den Sehenswürdigkeiten in Amarillo kommen wir dann aber morgen. Heute versuchen wir ein paar der alten Tankstellen, Diners und auch das erste Route 66 Museum abzuklappern, die sich als Unterwegsziele allesamt direkt neben der Route 66 befinden sollen. Das spielt uns insoweit zu, dass wir nicht zu weit abseits fahren müssen, wenn wir die Interstate verlassen haben. Auch möchten wir einige Teile der Route natürlich auch befahren! Dafür sind wir ja hier. Urlaub unter dem rollenden Rad sozusagen. Damit beides klappt, fahren wir um viertel vor 10 ausgecheckt vom Platz.
Bevor es auf den Highway durch Oklahoma und weiter nach Texas geht, halten wir an einer großen Tankstelle noch vor der Auffahrt auf den Highway, um unseren Brennstoffvorrat zu ergänzen. Wie? Was der Karren bis hierhin verbraucht hat? Wollte ich gerade prüfen, da werde ich durch den absurden Namen der Tankstellenkette abgelenkt. 😉 Eine „Loves“. Was für ein komischer Name! Ich stelle mir vor, wenn es in Deutschland ein Tankstellennetz gäbe, deren Filialen „Liebe“ heißen würden. Würdet ihr dort tanken? Mal ehrlich? OK, wenn der Preis stimmt wohl. Aber dann wahrscheinlich nur vermummt! 😉

Es war strategisch clever, den KOA VOR Oklahoma zu wählen und sich nicht in Dämmerung und Dunkelheit durch den Verkehr zu wirren. Selbst jetzt am Tage ist es nicht einfach!
Nachdem wir die vielen Kreuzungen, Irrungen und Wirrungen überstanden haben, wo man übrigens auch mal von ganz rechts nach ganz links auf den mehrstreifigen Fahrspuren fahren muss, erfreut es mich als Fahrer ganz besonders, als uns der Autobahnring von Oklahoma wieder ausspuckt. Puh!
und gleich bekommen wir hier an der Ausfahrt, dem Garth Brooks Boulevard von El Reno, ein Hochgefühl!
Denn hier am Exit 136 wird es hoffentlich nicht nur etwas ruhiger, hier beginnt auch unser Bypass zur Interstate.
Hier beginnt nun unsere Route 66 mit dem Wohnmobil!

Infobox Route 66:
Die „Route 66“ war eine ursprünglich knapp 4000km lange Straße als „US Highway“ und führte von Chicago (Illinois) nach Santa Monica bzw. Los Angeles in Kalifornien. Seit 1926 gilt sie als eine der ersten durchgehend befestigten Straßenverbindungen zur Westküste der vereinigten Staaten. Heute sind die verbliebenen Teilstücke der touristisch auch gerne „Mother Road“ genannten und mit „Historic Route 66“ beschilderten Strecke ein Anziehungspunkt für Touristen und Nostalgiker aus aller Welt, die mit dem Motorrad, Wohnmobil, Auto, ja selbst mit dem Fahrrad den Spirit der Strecke spüren wollen. Einer hat es sogar mal zu Fuß gepackt und nein, damit meinen wir nicht Forrest Gump, sondern in echt! Hammer!

Warum von ausgerechnet dieser Straße diese Faszination ausgeht, mag dem Pioniergeist des wilden Westens sowie dem aufstrebenden Wohlstand der 50er und 60er Jahre geschuldet sein. Und dem nostalgischen Hang der heutigen Generation, hierüber mehr zu erfahren und dies hautnah zu erleben. Als ob das bequeme Abfahren der paar Tausend Meilen auch nur annähernd etwas von dem hätte, was die echten, alten Siedler oder die Staubsaugervertreter der 50er Jahre auf der Route 66 durchgemacht hätten. Das ist wohl kaum vergleichbar. Warum die Faszination dennoch ungebrochen ist, wollen nun auch wir im weiteren Verlauf dieser Reise herausfinden.

Wir sind kaum vom Highway runter, da entdecken wir das erste Mal ein Schild der Route 66! Da, daaaaa. DAAA! Und schon drehen sich alle Köpfe nach rechts und kurz darauf wieder nach links. Es gibt so viele Hinweise hier in El Reno auf die Mother Road, man kann sich gar nicht satt sehen! Gut, OK, in Chicago standen wir ja auch schon drunter. Also ein Schild mit dem Hinweis drauf, so als Beleg. Aber jetzt ist es irgendwie anders! Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass die Faszination für die „Beweise“ der Route 66, die uns jetzt sicherlich die nächsten Tage begleiten, wohl bald stark abebben wird. Ist ja meistens so. Nichts desto trotz wird der heutige Tag allein knapp 100 Bilder erbringen, die als Motiv nichts als ein Schild oder Gebäude mit der Aufschrift „66“ oder „Route 66“ oder „Historic Route 66“ tragen!

Nach den ersten zwei, drei Schnappschüssen während der Fahrt bekommen wir auf einer Ausfallstraße erstmal ein richtiges „authentisches“ Schild der Route 66 zu sehen. Perfekt! Etwas halsbrecherisch werfen wir den Anker unseres Mehrtonners, damit wir gerade noch in für amerikanische Verhältnisse zumutbarer fußläufiger Entfernung am Straßenrand zum Stehen kommen und in Ruhe die ersten Bilder machen können. Beim anschließenden Fotoshooting rund um das Schild bekommen wir dann zu unserer Überraschung und Freude so manch erhobenen Daumen und solidarischen Gruß aus der Hupe spendiert, was uns irgendwie freut. Bei uns hätte Opa Hermann in seinem Ascona C wahrscheinlich längst das Ordnungsamt informiert, weil sich widrige Subjekte an einem Straßenschild zu schaffen machen…

Eine gute Viertelstunde halten wir uns mit Bildern von uns, dem Wohnmobil und dem Straßenschild in unterschiedlichen Posen und Positionen auf. Das ist schon viel für unsere Verhältnisse. Beinahe hätte ich unser Bordwerkzeug durchsucht, ob ein passender Ringschlüssel und ein Schraubendreher dabei ist, um das Schild kurzerhand unseren Urlaubserinnerungen einzuverleiben! Allein der ehrbare Drang, das Schild auch den Reisenden nach uns noch zur Verfügung zu stellen (und vielleicht, weil die Staatsmacht hier in den USA bei Diebstahl von Nationaleigentum keinen Spaß versteht… 😉 ) hält mich von der Demontage ab. Aber wir werden in den kommenden Tagen auf jeden Fall die Augen aufhalten, was wir in den offiziellen Souvenirshops noch ergattern können. Für den Moment aber lassen wir das Schild im Rückspiegel verschwinden.

Unser Weg führt nun an Fort Reno vorbei. Ein ehemaliger Kavallerie- Außenposten, dessen Name mir von einigen Wildwestern- Filmen, die mein Vater in den 80er Jahren gerne mal mit einer guten Zigarette der Marke Marlboro oder West konsumiert hat, verschwommen in Erinnerung geblieben ist. Klar, das ist hier jetzt Westerngebiet! Und Cowboys sollten wir wohl noch antreffen.
Fort Reno kann man heute natürlich besichtigen. Aber da Nils wie Tim lieber Star Wars statt Cowboy und Indianer nachspielen und sich auch sonst weniger für das Genre interessieren, lassen wir das Fort unbeachtet rechts liegen. Für eine Karl May- Atmosphäre tuen es zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht mal die kroatischen Fjorde… Die Zeit erlaubt uns auch hier und heute leider keinen Besuch.

Die Cowboys bleiben uns dennoch präsent. Auch ohne Museumsbesuch. Zumindest indirekt können wir ihre Präsenz in einer längst vergangenen Epoche beinahe erahnen, als wir kurz darauf die unglaublichen Weiten der Prärie rechts, links und voraus zum Wohnmobil ausmachen. Was sind das für unendliche Weiten?!
Und karg! Kein Wunder, dass die Farmer von damals immer weiter westwärts gezogen sind. Hier wäre ich auch nicht geblieben!
OK, Ich gehe nicht so weit die Landschaft postapokalyptisch zu nennen. Und vielleicht blüht es hier im Sommer ja auch ganz nett! Aber im Moment sieht das ganze schon etwas trist und karg aus! Karge Flächen, blattloses Strauchwerk, mal ein paar Büschel Steppengras. Dazu lugt immer mal wieder rötliches Gestein aus der Erde hervor, was in mir sofort Skepsis auslöst, ob man dies hier überhaupt auch nur ansatzweise als fruchtbaren Mutterboden bezeichnen kann.
Vielleicht war März doch nicht unbedingt die beste Reisezeit für einen Roadtrip durch die USA mit dem Wohnmobil…

Dafür entschädigt aber die Straße!
OK. Natürlich tut sie das nicht wirklich. Denn sie rumpelt ganz ordentlich und schüttelt unser Wohnmobil wieder einmal durch, als würden wir mit der Sojus- Raumkapsel wieder in die Erdatmosphäre eintreten! Aber das Schütteln fühlt sich irgendwie anders an! Eher edel, ja fast „adelig“! Denn unter unseren Rädern rumpelt nichts weniger, als ein originales Stück der Route 66 Landstraße! So richtig der alte Asphalt! Der Untergrund und Boden automobiler Weltgeschichte!

Man kann ihn wirklich fast spüren den alten Spirit, während wir gegen ein Schleudertrauma im Nacken ankämpfen! Es fährt sich hier regelrecht erhaben mit einem Anflug von Stolz! Und überhaupt nicht „unsicher“ vom Gefühl her wie die „postapokalyptische oder Zombie- Apokalypse“ auf der anderen Landstraße 164 vor ein paar Tagen zwischen Rives, Homersville und Arbyrd. Und das, obwohl sich jetzt optisch die Landschaft gar nicht so sehr von der 164 unterscheidet! Muss was spirituelles sein, dass man sich hier und jetzt einfach nur gut fühlt und sich eben von einer normalen Landstraße hier unterscheidet.
Wenn es so etwas wie einen Schutzpatron des Autofahrens gibt, auf dieser Route hat er wahrscheinlich das Radfahren ohne Stützräder gelernt und sich dabei untrennbar mit dieser Straße verbunden. Wie ein langgezogener Opferschrein als spirituelle Kultstätte früheren Wirkens.
Blut, Schweiss und Tränen der ursprünglichen Siedler noch heute aus. sind genau hier vergossen worden und dieses Opfer ist noch heute spürbar, auch wenn heutzutage eher die Stoßdämpfer unseres Wohnmobils nun dieses Opfer bringen müssen…

Wir überqueren kurz ein „architektonisches Meisterwerk“ und eines der eher stillen Sehenswürdigkeiten der Route 66, die legendäre Pony Bridge!

Infobox Pony Bridge auf der Route 66:
Volle 38 Bögen auf über einem Kilometer Länge bietet die in den 1930er Jahren mit „proud american“ Stahl und Nieten gefertigte Brücke über den Canadian River. Sie verbindet Geary (oder eben El Reno) mit Bridgeport.
Darüber zu rumpeln ist eigentlich schon das eigentliche Highlight! Man fühlt sich kurz in die Zeit der Eisenbahnmogule und des Dampfes versetzt. Sid Meier´s Railroad Tycoon in live sozusagen!

Parken ist hier an der Pony Bridge übrigens schwierig (und mit dem Wohnmobil eigentlich unmöglich) und wenn man drüber weggefahren, oder besser „hinweg gehoppelt“ ist, hat man das Highlight eigentlich schon erlebt. Ein regelrechter Reise- Quickie sozusagen. 😉

Lust auf einen Ritt mit der Sojus- Kapsel beim Wiedereintritt in die Atmosphäre? Es fühlt sich zumindest fast so an! Denn wir haben nicht nur ein Bild der endlosen Brücke, sondern auch ein kleines Video von der Fahrt auf der Pony Bridge gedreht, welches euch viel intensiver an dieser Tour teilhaben lassen wird. Nix von wegen verklärte Highway- Romantik! Der Brückenritt ist mit um 10 Jahre gealterte Stoßdämpfer erkauft! Und nein, das Rumpeln und Rappeln ist ehrlich nicht nachträglich beigefügt! 😉

An einer Anhöhe nach dem Durchqueren einer Senke erfasst mich urplötzlich der automobile Spirit der Route 66!
Wir halten ein weiteres Mal, auch ohne tolle Schilder, am Straßenrand für einen Foto- und Filmstopp an. Anja lasse ich dabei in der Senke stehen und bitte sie, von mir und den Kindern so ein „Vorbeifahr- Video“ mit dem Wohnmobil zu drehen und im Schwenk dann hinter uns her zu filmen. Anschließend halte ich an der Anhöhe wieder an und lasse sie ein Stück auf dem historischen Asphalt zu Fuß zurücklegen, damit sie dem Spirit der Route 66 bei dem kleinen, mehrere Hundert Meter langen Marsch gegen die Anhöhe auch intensiv in sich aufnehmen kann. Das fehlt ihr nämlich noch ein bisschen… 😉
Nachdem Anja dann wieder zu uns aufgeschlossen hat, gibt es natürlich noch ein paar tolle Bilder für das Familienalbum und für die daheimgebliebenen, die unsere Reise auf Facebook verfolgen:

Ach ja! Das Video! Natürlich wollen wir euch auch das Video noch zeigen, welches wir von der Durchfahrt durch die kleine Senke hier auf der Route 66 gedreht haben. Wir haben für diese absolute Darstellung der Einsamkeit übrigens nur einen einzigen Versuch gebraucht. Hier kommt wirklich niemand sonst vorbei, der uns bei unserem Video hätte stören können oder wollen. In Momenten wie diesen kommt ganz kurz der Gedanke auf, wie lange es wohl dauern würde, bis ein Pannendienst uns erreicht, falls unser Straßenbär schlapp machen sollte. Aber wirklich nur für einen kleinen Moment…

Zwar lieben wir das Fahren auf historischem Asphalt und bringen dem Gott der Autofahrer auch gerne die Stoßdämpfer und Radaufhängung unseres amerikanischen Mehrtonners und Mietmobils bereitswillig als Opfertribut für diese heiligen Kilometer dar, aber mit Ausnahme der Wandmalereien in Reno und der Pony Bridge war es das jetzt für die nächsten paar Meilen mit Sehenswürdigkeiten an der Route 66. Viel mehr, als eine simple Serviceroad direkt neben der Interstate, bietet uns dieser Teilabschnitt der Route 66 derzeit nicht. Erst im weiteren Verlauf gesellen sich die ersten alten, aufgegebenen Tankstellen und das ein oder andere historische Diner dazu.
Nicht nur aus Zeit- sondern mehrheitlich auch aus Komfortgründen (es rappelt wirklich viel, gerade in einem Wohnmobil) geben wir daher der Interstate 40 nun wieder den Vorzug!

Ja, das sagen wir offen und ehrlich: Die Schaukelei und die manchmal bösen Schläge ins Fahrwerk des Wohnmobils auf der alten Route 66 tun weh! Auch, wenn es nicht unser eigenes ist und der Ford E-450, der unser Basisfahrzeug darstellt, wahrscheinlich nur anspruchslos mit den Schultern zucken würde, wenn er lebendig wäre. Aber dennoch. Es rumpelt einfach zu sehr und wir werden zu langsam, um die Strapazen einigermaßen zu ertragen. Mit Roadtrip- Romantik hat dieser Abschnitt der Road so gar nichts gemein.

Den „Preis“, den wir für die Interstate bezahlen, entdecken wir keine 10 Minuten später rechts neben der Interstate. Es ist die historische Tankstelle von Lucille Hammond, die unser Reiseführer für die Route 66 empfohlen hat! Die wollte ich unbedingt sehen! Und jetzt bleibt uns nur ein Foto von der Fahrbahn der Interstate aus. SO EIN MIST!

Natürlich könnten wir jetzt an der nächsten Ausfahrt einfach rausfahren und die Interstate bzw. die Route 66 ein Stückchen zurückfahren. Aber das wäre die falsche Richtung! Es soll doch jetzt immer nur nach Westen gehen! Das kann ich also nicht machen! Also umdrehen! Denn ich glaube ja auch nicht, dass die Siedler früher umgekehrt sind, wenn sie auf dem Weg etwas vergessen haben. Zumindest nicht die echten, harten Kerle. Die Pussys vielleicht, aber nicht die echten Trecker!

Gut, es gibt noch andere Möglichkeiten für historische Tankstellen. Gleich die nächste findet sich in Weatherford und ist ebenfalls eine Ode an Lucille, übrigens eine echte Powerfrau der Route 66!
Dass das dortige Roadhouse neben einer historischen Zapfanlage auch einen Diner beherbergt, sollte Ausgleich genug sein. Es ist eh Zeit für ein leckeres Mittagessen…

Infobox: Lucilles Roadhouse an der Route 66
Lucilles Roadhouse (nicht zu verwechseln mit der wenige km daavor befindlichen originalen Tankstelle an der „echten“ Route 66) ist ein authentisches Diner, wie man es sich aus den 50er und 60er Jahren vorstellt!
Dabei stammt das aktuelle Gebäude des Diner selbst gar nicht aus dieser Zeit, sondern wurde erst 2006 eröffnet.
Dennoch hat man sich gerade in diesem Diner dem Wahlspruch verschrieben, „Hungrige Reisende der Landstraße auskömmlich zu versorgen“. Gleich drei verschiedene Themenrestaurants stehen hierfür zur Verfügung.
Der Baustil des Hauses selbst ist angelehnt ans „Lucilles Roadhouse“ in Hydro, Oklahoma, welches wir wenige Minuten zuvor ungewollt passiert haben. 1941 wurde die originale Tankstelle nebst zugehöriger Futterkrippe eröffnet. Mit Ausbau der Interstate kamen weniger Gäste und die wenigen Gäste, die noch kamen, wurden sogar mit einem Zaun davon abgehalten, hier einzukehren! Die Geschichte erinnert stark an den Rasthof und den zugehörigen Bratwurststreit an der A 9 in Rodaborn
Wie auch die resolute Wirtin an der A 9 in Deutschland, gab Lucille zu ihrer Zeit nicht auf und hielt an ihrem kleinen Roadhouse fest, während die allermeisten Durchreisenden nichtmal Notiz von ihrem kleinen Häuschen nahm.
Zum 66sten Geburtstag der Route 66, das Jubiläum wurde 1992 zelebriert, wurde Lucille und ihr Erbe dann endlich für 51 Jahre Gastronomie an der Route 66 geehrt. Späte Anerkennung, die mit der Aufnahme in die Route 66 Hall of Fame 1999 ihren Höhepunkt fand. Auch zu „seiner Straße“ stehen, wenn die Zeiten hart sind, machen erst eine echte Herzensangelegenheit draus, oder was meint ihr?
Im Sommer 2000 verstarb Lucille. Man erzählt sich, dass sie bis zuletzt immer ein Ohr am Puls der Reisenden hatte.
Heute, 18 Jahre später, ist das neue Roadhouse natürlich größer und reitet selbstverständlich auf der easy- going Marketingwelle des Selbstläufers Route 66 breitgesattelt mit. Macht aber nichts! Denn ob nun Diner oder Andenkenladen, Spare-Rib oder Souvenir, wir sind genau deswegen hier.
Webseite: Lucilles Roadhouse

 

Zu allererst fällt uns natürlich auf, dass der romantisch verklärte Eindruck eines Roadhouse an dieser Stelle dem streng funktionalen Betrieb einer angrenzenden Großtankstelle gewichen ist! Trucks zu Dutzenden, dazwischen Trailer, Pick- Ups und PKW. Transporter und Akteure im immer gehetzten Krieg der Logistik gegen den Termindruck geben sich hier ein Stelldichein. Das Roadhouse liegt dagegen fast abgedrängt am Rand des Industrieareals. Wüssten wir nicht, dass es dort ist, man würde es glatt übersehen!
Nachdem wir unseren Straßenbären von Roadbear stilecht in der Nähe des Rasthofs abgestellt haben, spazieren wir ein kleines Stück an der Straße entlang und auf die andere Straßenseite. Vor dem Diner selbst hätten wir mit unserem überlagen Wohnmobil definitiv keinen Parkplatz bekommen, es sind aber wirklich nur ein paar Schritte.

Vor dem rustikalen Diner sind ein paar alte Zapfsäulen aufgebaut. Klar, dass sie nicht echt antik sind. Den Jungs macht das aber gar nichts aus! Sie spielen sogleich Tankwart und Papa muss sich erstmal auftanken lassen, bevor wir das Diner von innen bewundern dürfen. 😉

Wir sind noch nicht ganz drin im Gebäude, da werden wir schon vom Stile der 50er Jahre erfasst. Wie eine kleine Zeitreise! Liebevoll mit viel Hingabe zum Detail wurde der Empfangsbereich in einer Art Lobby gestaltet. Neben einem besetzten Tresen zum Empfang sind zahlreiche Exponate aus 60 Jahren automobiler Geschichte ausgestellt. Dazu erklingen bereits leise Töne aus dem Off von Swinging- Musik, zu der man mit dem Pettycoat einen Wirbelwind tanzen könnte.
Zielstrebig werden wir durch die Blicke des jungen Mannes am Tresen zu ihm geleitet. Wir hätten gar keine andere Wahl, als auf ihn zuzugehen. Selbst wenn wir anders wollten.
Am Tresen bekommen wir die Info, dass wir aus zwei Angeboten wählen könnten. Einmal können wir links ins Steakhouse gehen, oder rechts ins klassische „Roadhouse“. Da wir natürlich aus nostalgischen wie kulturellen Gründen hier sind, wählen wir natürlich das klassische Diner rechts. Für Steaks ist im weiteren Verlauf dieser Reise noch die Big Texan Steak Ranch in Amarillo zuständig…

Das Roadhouse- Diner toppt noch einmal die bereits liebevoll eingerichtete Lobby um ein Vielfaches! Nicht nur mit den Farben und der Deko, sondern auch mit den Formen oder mit der Einrichtung wie Tischen und Stühlen wird versucht, eine Welt der 50er Jahre wieder auferstehen zu lassen. Und nicht nur vorne sind die 50er und 60er Jahre lebendig, auch „hinten“ raus. Selbst auf dem Lokus spielen sie die Hits der alten Zeit, obgleich es etwas surreal wirkt, wenn Elvis „Love me tender“ schnulzt, während man über wichtige Geschäfte sinnieren muss.

Perfekt wird die Kulisse aber erst in dem Moment, als eine der Kellnerinnen mit vollem Tablet auf den Händen balancierend aus der Küche den Raum betritt. Das Kostüm, was hier keinesfalls so etwas wie schnöde Arbeitskleidung darstellt, passt wirklich hervorragend in das Ambiente der 50er und 60er Jahre, die das Lucille’s Roadhouse vermitteln möchte.
OK, gut, in den 50er und 60er Jahren lagen selbst Anja und ich noch als Käse im Schaufenster und haben daher nicht wirklich einen authentischen Vergleich, aber wir denken dennoch, dass die Golden Fifties und Sixties originalgetrau eingefangen wurden! Hier sieht es fast so aus, wie die Kulisse aus dem Film „Zurück in die Zukunft, Teil 1“, nachdem Marty McFly mit dem DeLorean in das Jahr 1955 zurückgereist ist! Und das, liebe Freunde, ist ein bisschen ernst gemeint! Als gute Kenner dieser Filmtrilogie qualifizieren wir uns fast genauso gut als ausgewiesene Experten für die 1950er und 1960er Jahre in Amerika, wie jemand, der seinerzeit als Augenzeuge selbst vor Ort war.
Wenn jetzt noch Goldie Wilson mit einem Mob um die Ecke kommt und den Boden von Lou’s Cafe wischt, dann sind wir richtig! 😉

Wir dürfen uns setzen, wo wir wollen und suchen uns einen schönen Platz auf der linken Seite mit Blick auf die wandfüllende Route- 66 Karte aus.
Das passt!
Recht schnell kommt auch die Bedienung, bringt gratis Wasser sowie die Karten, mit denen wir unser Essen bestellen. Selbst die Karte passt zum Ambiente! Auf Zeitungspapier in Meldungen eingefasst muss man seine Wunschgerichte ein wenig „herauslesen“, was aber der Vorfreude auf ein leckeres Mittagessen keinen Abbruch tut.
Auch an die Kinder wird hier übrigens gedacht! Sie bekommen sofort jeder ein Set mit Malstiften und eine schwarz- weiße Vorlage zum bunt ausmalen. Vorbildlich!

Die Wartezeit aufs Essen ist lang. Sehr lang. Fast eine Stunde dauert es, bis Spareribs, Burger und Steak mit Pommes vor uns stehen. Die Zeit wird uns heute Abend wahrscheinlich fehlen. Schade, dass die Zubereitung unseres Mittagessens so lange gedauert hat, zumal in der übrigen Zeit eigentlich kaum andere Gäste gekommen oder gegangen sind. Auch Essen wurden nicht an andere Tische serviert. Viel los kann daher kaum ein Grund sein, warum es so lange gedauert hat. Zur Ehrenrettung der Küche im Lucille’s will ich mal unterstellen, dass meine Spareribs schuld hieran sind. Sie schmecken sehr lecker, frisch und nicht vorgegart wie die allermeisten Spareribs die man sonst bekommen. Wenn die im Backofen nach frischer Marinierung aufbacken mussten, dauert das schon seine Zeit. Sei´s drum. Das Essen ist vorzüglich, wenn auch für amerikanische Verhältnisse überraschend überschaubar. Soll heißen: Alle Teller werden leer, ohne dass wir uns groß anstrengen oder stopfen müssten. Gelohnt hat sich das Menü dennoch und preislich war es mit knapp 50 Dollar für alles zusammen nicht sonderlich teuer.

Nur die Sache mit dem Bezahlen und dem Trinkgeld verstehe ich nicht so recht. Schon zwei, drei Mal ist die Kellnerin an uns vorbei gegangen und ich hatte den Eindruck, dass sie gerne den Tisch abgeräumt hätte. Aber zum Bezahlen „Frau Ober, zahlen bitte“, dazu kommt es irgendwie nicht. Als sie ein viertes Mal vorbei kommt, eile ich ihr in den schmalen Gang zur Küche nach und spreche sie an: „Entschuldigung, ich bitte um Verzeihung, ich bin Tourist und bin mit Ihren Gepflogenheiten nicht so ganz vertraut. Wie funktioniert das mit dem Bezahlen und dem Trinkgeld?“
Die Frau ist sehr freundlich und gar nicht pikiert über meine Frage. Natürlich kenne ich den Hinweis aus dem Reiseführer, dass man auch mal das Trinkgeld auf dem Tisch lässt. Aber man steht doch nicht einfach ohne zu bezahlen auf, legt das Geld für das Essen hin und geht. Das geht doch nicht. Tatsächlich ist es auch etwas anders, als in den amerikanischen Fernsehserien der 80er Jahre. Sehr offen und freundlich erklärt mir die Dame, dass ich das Essen selbst vorne am Counter im Eingang bezahle. Also dort, wo die Lobby ist. Dafür nehme ich die Rechnung mit, die im Körbchen liegt. Aha! Trinkgeld für den Service hingegen lässt man auf dem Tisch liegen. Und zwar so viel, wie man bereits ist zu geben.
Ich bin äußerst positiv überrascht. In Deutschland ein Gespräch über dieses Thema? Unmöglich. Über Geld spricht man nicht! Und basta. Aber hier? Alles easy, absolut keine Hemmungen.

Ich lasse 10% des Rechnungsbetrages bar auf dem Tisch und zahle dann draußen am Tresen unsere Rechnung dann mit Kreditkarte auf den Dollar genau. Das klappt und so werde ich mir das auch für den weiteren Verlauf unserer Reise merken.

Gegen halb zwei sind wir wieder auf dem Highway parallel zur alten Route 66 unterwegs. Es hilft alles nichts! Wir können einfach nicht an jedem Schild anhalten, auf dem „Route 66“ drauf steht! So verlockend das auch ist! Aber dafür sind die Distanzen hier einfach zu groß und die Zeit, die wir hier haben, einfach zu knapp! Wir müssen ein bisschen Strecke machen. Ist aber auch nicht schlimm, dass wir jetzt nur noch „in Sichtweite“ der historischen Route fahren, denn selbst laut unserem Reiseführer speziell für die Route 66 kommt jetzt erstmal eine lange Zeit gar nichts außer schlechtem Asphalt, braungrauem Land und endlose Weiten. Wir würden also auf der Route 66 gar nichts erleben, sondern einfach nur langsamer vorankommen und unkomfortabler reisen. Ist zwar dennoch nicht GANZ das, was wir uns unter Reise AUF der Route 66 vorgestellt haben, aber wir haben ja gerade immerhin in einem echten historischen Diner gegessen. Das ist schon was wert.

Die Fahrt auf dem Highway offenbart dafür mit zunehmenden Verlauf eine ganz neue und für uns völlig unbekannte Art des Pragmatismus, wie die Amerikaner zum Thema Auto und Co. stehen.  Zuerst dachten wir, es sei ein Einzelfall. Dann aber entdecken wir noch eine Spur und noch eine und dann immer wieder mal welche. Es sind Fahrspuren in der schmalen Furche zwischen Interstate- Highway und historischer Route 66, wo Leute offenbar spontan die Autobahn verlassen haben. Ganz ohne Ausfahrt!
Bei uns völlig undenkbar, da würde jeder Deutsche sofort mit dem Handy ein Bild aufnehmen und dieses gut verwahren, falls der unerlaubte Autobahnflüchtling mal bei Aktenzeichen XY thematisiert werden sollte. Wo kämen wir denn dahin, wenn nicht jeder ordnungsgemäß im Stau zu stehen und an den wenigen Stellen bundesdeutscher Autobahn, die man ohne Leitplanke z.B. auf einen Feldweg (nur durch einen schmalen Grünstreifen getrennt wie hier) verlassen könnte, dies auch tun würde! Hier aber bekommt die Route 66 doch noch so etwas wie einen aktuellen Mehrwert als Ersatz- Strecke! Sie ist nicht abgetrennt durch einen Graben oder eine Leitplanke. Ist es hilfreich sie zu nutzen, wird dies auch unkompliziert getan. Das dabei ein paar Halme geknickt und ein paar Ameisen zerdrückt werden, ja, das ist nicht schön. Und vielleicht ist es auch egoistisch, sein schnelleres Fortkommen hier als Vorteil zu sehen. Aber wisst ihr was: Die Amis kümmert das nicht. Sie denken offensichtlich noch nicht einmal drüber nach. Eine faszinierende Lektion in Sachen andere Länder – andere Sitten.

transitfrei- Reisetipp für die USA mit dem Wohnmobil:
Eine weitere Lektion lernen wir nur wenige Minuten später. Etwas, was wir gerne auch ein bisschen als Tipp an alle mit an die Hand geben wollen, die wie wir erstmals eine Reise mit dem Wohnmobil durch die USA planen bzw. durchführen. Wir hatten es schon anderer Stelle erwähnt, hier haben wir die Umstände aber auch mal in einem kleinen Videosnack festgehalten. Da fährst du deine 70 Meilen, etwa 110km/h und bist in deinen Gedanken versunken, da zieht *vrrroooommmm* so ein fetter LKW vorbei. Dieser fährt mindestens 120 km/h! Auch, wenn das Überholen selbst noch gar nicht mal so schlimm ist (es ist mal grundsätzlich erlaubt, mit Ausnahme, dass der Truck eben die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet), ist es dennoch gerade für uns gewöhnte Europäer, dass die dicken LKW höchstens so 90 km/h fahren, doch sehr ungewohnt!

Das nächste große Highlight und Unterwegsziel auf dem Weg nach Texas soll eines der beiden großen Route 66- Museen sein, die wir unterwegs streifen. Zur Auswahl stehen das 1995 eröffnete und  sogar staatlich geförderte Museum in Clinton und das Route 66 Museum in Elk City.

Hätten wir mehr Zeit, würden wir wahrscheinlich beide besuchen. Andererseits glaube ich auch nicht, dass wir allzuviel verpassen, wenn wir eins der beiden auslassen. So von der Beschreibung her decken sich beide in etwa mit den Exponaten. Allerdings sind beim Museum in Elk City die Bewertungen noch etwas besser und auch die Bilder, die wir bei google Maps vom Museum in Elk City aufrufen, scheint dieses Museum gerade durch die westernstadtähnliche Außenanlage einfach ein bisschen mehr zu bieten. Es wird also Elk City! Dieses liegt etwa 75 Kilometer von Lucille`s Roadhouse entfernt, also keine wirkliche Entfernung. Wer auch das Museum in Clinton anschauen mag (wir fahren an Clinton nur auf dem Highway vorbei), es liegt etwa auf der Hälfte der Strecke nach Elk City.

Gegen 15 Uhr verlassen wir die Interstate 40 an der Ausfahrt 41 Elk City. Uns empfängt eine sehr autofahrerfreundliche zweispurige Einfallstraße in die Stadt. Grüne Umweltpolitiker würden wahrscheinlich das Kotzen bekommen, aber uns gefällt`s! Gerade mit dem Wohnmobil. Wir haben ausreichend Platz und können uns auf der rechten Spur mit einer für fotografierende Touristen angepassten Reisegeschwindigkeit knapp über der einer Wanderdüne bewegen, ohne dass wir gleich den gesamten Verkehr ausbremsen und wütend von hinten angehupt werden.

Schon früh erkennen wir das große, halbschräg aufgestellte übergoße Route 66 Schild. Das ist mit Sicherheit ein beliebtes Fotomotiv! Und tatsächlich ist es das, sogar mehr, als wir im ersten Moment ahnen!
Denn vor dem Schild gibt es extra eine separate Fahrspur, auf der man sich mit seinem Auto (!) fotografieren lassen kann. In einem Land, welche den „Drive- Through“ quasi erfunden hat, hätten wir das eigentlich erwarten müssen! Also das man in die Sehenswürdigkeiten quasi mit dem Auto reinfahren kann! Wir aber rauschen, weil wir es eben aus Deutschland so gewöhnt sind, auf der Suche nach der Einfahrt zum Parkplatz natürlich zunächst mal in voller Fahrt daran vorbei! Mist!
Ein weiteres Mal beweist sich nun aber der Vorteil großer, breiter und bequemer Straßen hier in den USA. So gelingt es uns gleich zwei Mal, in einer passenden Lücke mitten auf der Hauptstraße mit unserem Schlachtschiff derart komfortabel eine volle Wende zu fahren, dass selbst den Kapitän der Mighty Two beeindruckt wäre! Sogar die Tassen bleiben im Schrank an Ort und Stelle! 😀

Beim zweiten Anmarsch auf das Museum setzen wir dann im richtigen Moment den Blinker und stehen kurz darauf  mit unserem dicken Wohnmobil am Auto- Fotopunkt des Route 66 Museums. Wow!


Das National Route 66 Museum hier in Elk City bietet gleich zwei Highlights in einem. Zum einen gibt es natürlich eine geschlossene Ausstellung in einer Halle mit vielen Exponaten zur Route 66, beginnend mit der Zeit des wilden Westens, jedoch stark geprägt durch die goldenen 50er und 60er Jahre, aus denen sich die heutige moderne Highwayromantik entwickelt hat. Neben der Ausstellung ist das Museum aber auch ein Freilichtmuseum, welches eine alte Westernstadt im gepflegten Stil anbietet. Technikinteressierte wie Hobbyhistoriker finden beiderseits ein Auskommen, hierfür sorgt die gut erhaltene Kulisse der Häuser der Altstadt, die nachgestellte Farm, die das karge Leben der Farmer darstellt, wie die Kulissen der Eisenbahn mit Bahnhof und begehbarem Bahndienstwagen.
Link zur offiziellen Webseite: elkcity/museum
Standort des übergroßen Route 66 Zeichens mit „Drive- In Fotoplatz“: Route 66 Museum Elk City

Wir beginnen unseren Rundgang zunächst in der kleinen Ausstellungshalle, die im Cockpit eines pinken Cadillacs einen Einführungsfilm zur Route 66 zeigt. Klar, dass Nils und Tim am Steuer sitzen wollen und sich streiten, wer den Straßenkreuzer fährt. Gut, jede Computerspielsimulation bekommt das heute besser hin, aber die Jungs finden es super! Gleich mehrere Runden drehen die beiden im Zeitraffer auf der Route 66.

Überhaupt dominiert hier natürlich, von einem an der Decke hängenden Propellerflugzeug mal abgesehen, natürlich das Auto! Anja nimmt Platz im halb abgeschnittenen Cabriolet im Autokino, Tim und Nils erkunden abwechselnd einen alten Feuerwehrwagen und mir gefallen die schweren amerikanischen Cruising- Motorräder. Mit denen hier zu fahren hätte sicherlich auch was ganz besonderes!
Auch Camping kommt nicht zu kurz, ein kleiner Anhänger im Teardrop- Design zeigt, wie in den 50er Jahren Camping funktionierte. Natürlich darf auch ein Souvenirshop nicht fehlen. Alles in allem ist das Angebot in der Halle zwar sehr nett und mit Liebe zum Detail hergerichtet, aber eben auch überschaubar. Viel interessanter ist auf jeden Fall der Freilicht- Teil mit der Westernstadt draußen, den wir schon eben beim Parken gesehen haben. Dazu kommen wir dann gleich.

Man merkt der alten Westernkulisse im Freilichtteil des Museums an, dass sie nicht wirklich aus der Westernzeit stammt. Dazu wirkt sie viel zu herausgeputzt und gerade sauber geleckt so, wie ein Mittelalterfilm aus den 50er Jahren. Da waren die Rüstungen auch blitzeblank und die Stoffe der edlen Herren feines Tuch.
Das macht aber auch gar nichts! Denn „billig“ im Sinne von Freizeitparkatmosphäre wirkt der Straßenzug nämlich auch nicht! Stattdessen bekommt man eher den Eindruck, als befinde man sich in Hill Valley im Jahre 1886! Kenner wissen jetzt sofort Bescheid, wir fühlen uns nun nämlich zur Abwechslung an das Filmset von Zurück in die Zukunft Teil 3 versetzt! Salon, Schmied, Doktor und eben etwas abseits der kleine Bahnhof, wo Klara Clayton seinerzeit ausgestiegen ist. Gut, die Tankstelle mit der Kelly Oil Company Werbung passt nicht ganz ins Bild des Hill Valley aus dem endenden 19. Jahrhundert, sondern wird wohl eher 20, 30 Jahre später angesiedelt sein, aber das macht nichts. Denn ein bisschen der Goldgräberstimmung des schwarzen Goldes wird so auch transportiert.
Schade ist nur, dass die allermeisten Türen der Häuser leider verschlossen sind, obwohl sich im Innern sehr viel Mühe gegeben wurde, das Leben von damals zu zeigen. Durch den spiegelnden Blick der Glasscheiben erkennt man leider viel zu wenig!

Zum Glück ist der Museumsteil am Bahnhof des historischen Elk City besonders für Kinder Schöner gelöst! Denn das Bahnhofsgebäude ist offen und kann betreten werden, auch der zugehörige Bremserwagen auf dem Abstellgleis ist frei zugänglich und nicht hinter Glas wie die anderen Häuser an der Hauptstraße. Klar, dass Nils sofort zum Eisenbahnbeamten wird und mit eine Fahrkarte nach Kalifornien verkaufen möchte, mit dem Telegraphisten ein Dienstgespräch zur nächsten Zugmeldung führt und im Anschluss daran auch noch als Stationsvorsteher im Bahndienstwagen nach dem Rechten sieht. Eine Heidengaudi für ihn. Tim ist noch ein wenig skeptisch wegen der Schaufensterpuppen, die man hier drapiert hat, um verschiedene Berufe der historischen Eisenbahn in Amerika darzustellen. Die grinsen aber auch wirklich selten unecht wie dämlich! Würden sie sich gleich bewegen, befänden wir uns wahrscheinlich in einem drittklassigen Hollywood- C- Horrormovie. 😉

Das Knarren der alten Dielen im Bahnhofsgebäude wirkt hingegen sehr authentisch! Die schwere Holzbank ächzt, als ich meine vielleicht 70 (aber höchstens 80! 😉 ) Kilo auf einen der Plätze fallen lasse. Es riecht echt nach altem Holz, es fühlt sich echt an, das haben die hier wirklich gut gemacht! Wenn man die Augen schließt, kann man fast das Zischen und Fauchen der alten Dampflok am Gleis draußen hören, den Kohledampf, gemischt mit diffundiertem Öl, in der Luft riechen wie schmecken. Ein herrliches Plätzchen zum Eintauchen in ein längst vergangenes Jahrhundert haben sie hier mit viel Liebe und Mühe zum Detail geschaffen.

Nils hat den Eisenbahnwagen draußen inzwischen vollkommen eingenommen. Fast euphorisch zeigt er mir, dass man im Wagen noch eine Leitertreppe hinaufklettern kann, um oben auf den Ausguck zu gelangen. Spontan muss ich gestehen, dass ich gar nicht weiß, welchen bahndienstlichen Zweck dieser nach oben abgesetzte Teil des Wagens mit Blick auf die Strecke früher hatte. Wahrscheinlich für die Bremser, damit sie die Signale mit beobachten konnten in der Zeit, als es noch keine durchgehende Hauptluftleitung gab und die Bremsen eines jeden einzelnen Wagens noch mit der Hand gedreht werden mussten. Aber das ist nur eine Vermutung von mir. Wer es genau weiß, kann ja gerne einen Kommentar hinterlassen. Würde uns freuen!

Wir schlendern noch ein wenig durch die Museumsanlage, entdecken eine puristisch eingerichtete Krankenstation (die locker aus einem Silent Hill- Film entstammen könnte!), alte Dampfmaschinen und noch die Museumsfarm, die sich etwas versteckt schräg hinter dem Bahnhofsgebäude befindet und etwa ein Dutzend dieser westerntypischen Windräder ausweist, die für eine Farm im wilden Westen wohl obligatorisch waren. Wirklich riesengroß die Anlage hier! Man kann hier locker einen ganzen Tag verbringen, wenn man sich alles in Ruhe anschauen möchte. War absolut richtig, sich für das Museum in Elk City zu entscheiden. Ja, der alleinige Anteil für die Route 66 ist das, was im Museum ausgestellt ist. Aber das ganze Drumherum hier bietet echt viel zum Anschauen und Anfassen, auch über die Route 66 hinaus tief rein in die Geschichte der USA.

Noch während wir die Anlage durchstromern, fällt mir siedend heiß ein, dass wir heute noch ein Highlight unserer Route streifen, wenn wirklich noch bis Amarillo fahren wollen! Die Käfer- Farm! Damit sind nun allerdings keine Krabbeltierchen oder ein Museum zum Film „das große Krabbeln“ von Disney gemeint, sondern echte VW Käfer!
Um das zu erklären, muss ich ein wenig ausholen!
HINTER Amarillo befindet sich die sogenannte Cadillac- Farm. Ein paar alte Cadillacs, ein halbes Dutzend oder so, stecken dort schräg mit dem Kopf in der Erde.
Die schauen wir uns natürlich als Highlight der Route an, aber erst, wenn wir mit Amarillo durch sind. Logisch, die liegen ja hinter Amarillo.
VOR Amarillo aber findet sich, quasi als Gegenentwurf und gleichzeitige Hommage an die Cadillacs, eine Reihe VW Käfer in den Sand gesteckt! Die wollen wir natürlich auch sehen! Und mehr, wir wollen mit ihnen, *äh*, künstlerisch interagieren! 😉
Gemeint ist, dass die Käfer wie auch die Cadillacs schon seit Jahren von den zahlreichen Touristen mit Spraydosen besprüht werden. So eine Art Straßenkunst, Graffiti- mäßig. Der Besucher wird Teil des Kunstwerks, bis ein anderer Besucher kommt und seinen Teil einfach darüber sprüht und so weiter.

Das möchten wir auch! Also einmal eine Spraydose in der Hand halten und ganz offiziell damit etwas ansprühen dürfen, ohne z.B. eine Stadtbahn in Köln oder eine S- Bahn in Stuttgart dafür missbrauchen zu müssen.
Für die Kinder sicher eine Heidenspaß, auch wenn Anja Bedenken in Bezug auf mögliche Verschmutzungen an Kind und Kleidung äußert. Mein Problem ist nur: Damit wir sprayen können, brauchen wir erstmal Spraydosen mit Farbe!
Im Koffer mit im Flieger, das war keine wirkliche Option.
Walmart hätte sie wahrscheinlich in der Autoabteilung gehabt, aber bei unseren Besuchen bislang haben wir verpennt, daran zu denken.
Ich versuche also mein Glück bei der Dame an der Kasse des Museums. Ratlos schaut sie mich an, als hätte ich sie gerade gefragt, wo ich Ersatzteile für meine fliegende Untertasse kaufen könnte.
Dann aber meint sie, dass ich gegenüber „im Store“ mal versuchen soll.
Und das wird dann eine kleine Herausforderung!
Denn „mal eben gegenüber“ ist hier, in Elk City, ein Hürdenlauf! Habe ich eben bei der Einfahrt in den Ort noch die großzügig ausgebaute Hauptstraße mit zwei Fahrspuren pro Richtung gelobt, muss ich diese nun als Fußgänger überqueren! Gar nicht so leicht, eine passende Lücke abzupassen. Gut, dass ich nur alleine eben rüber sprinte! Die Jungs und Anja bleiben noch im Museum und spielen noch ein wenig Feuerwehr, Indianer, Lokführer, Cowboy oder Tankwart.

Der Dollar General ist mein erstes Ziel. Aber weder dieser, noch das Kaufhaus Walls oder der große Supermarkt neben führen Farbdosen im Sortiment. Blöd.
Verlegen frage ich schließlich, nachdem ich zwei 24er Packs mit neuem Coladosenvorrat aus meinem Einkaufswagen (war ein Spontankauf, ich schwöre!) auf das Kassenband gewuchtet habe, die Kassiererin, wo hier ein Autozubehör ist. Da dürfte es am ehesten Farbe in Sprühdosen geben.
Sie überlegt lange, winkt dann aber ab. Aber immerhin ruft sie ihren Manager herbei. Was in Deutschland an spätestens dieser Stelle peinlich ist und ein Raunen in den Reihen wartender Kunden hinter mir auslösen würde, ist hier in Amerika offenbar kein Problem. Sofort kommt ein freundlicher Mann herbei geeilt, der auf nichts anderes gewartet zu haben scheint, als aus mir einen „Happy Customer“ zu machen. Typisch amerikanisch, typisch oberflächlich, aber in Bezug auf mein Problem hilfreich!
Er erklärt mir, dass die Hauptstraße rauf, vielleicht so eine halbe Meile, ein Baumarkt mit Spezialisierung auf Traktoren zu finden sei. Das könnte klappen!
Ich bedanke mich knapp und mache, dass ich die halbe Meile hinter mich bringe, was gar nicht so einfach ist! Denn eine halbe Meile sind eben keine 500 Meter. Besser wäre es wohl gewesen, das Wohnmobil zu nehmen. Wir fahren eh gleich geradeaus weiter auf dem Zubringer zur Interstate 40, da wären wir automatisch an dem Laden vorbeigekommen.

Egal, jetzt bin ich gesprintet und komme außer Atem am Traktorladen an. Etwas mehr Zeit und ich würde mir mit Nils die riesigen Maschinen einmal näher anschauen! So aber geht´s schnell rein, ein Empfangskomitee steht bereit, auch hier aus mir einen Happy Customer zu machen. Sofort bekomme ich die Farbabteilung gezeigt, entdecke zwei farblich passende Spraydosen, eine in gelb und eine in königsblau, und bin kurz darauf schon wieder draußen. Jetzt aber schnell zurück zum Wohnmobil!

Dort angekommen sitzen Anja und die Jungs schon auf heißen Kohlen! „Wir müssen doch weiter!“ treibt Anja mich zu Recht an. Ja, es wäre tatsächlich klüger gewesen, die Strecke gleich mit dem Wohnmobil zurückzulegen. Obwohl ich gesprintet bin, hat der kleine Abstecher erst über die Straße und dann rüber zum Traktorgeschäft locker eine halbe Stunde gedauert. Würden wir nur noch die Käferfarm besichtigen und dann gleich nach Amarillo durchstarten, es würde gehen. Aber unterwegs liegen noch mindestens drei weitere Ziele, von denen wir jetzt mindestens eins skippen müssen, bzw. es nur im Vorbeifahren anschauen können, wenn wir dafür die anderen sehen wollen. Sonst wird es zu spät! Doch dazu später mehr, wenn wir erst in Texas sind.

Texas ist übrigens ein gutes Stichwort! Denn wir überqueren jetzt nicht nur die nächste Grenze eines Bundesstaates, sondern können gleich hier, im Grenzdörfchen Texola, unseren Bedarf an Geisterstädten decken! Laut Reiseführer ist es das kleine Örtchen Texola nämlich ein kleines Geisterstädtchen, welches ausgestorben und verlassen ist! Und das noch nicht einmal als Touristenattraktion, sondern weil hier wirklich keiner mehr wohnen möchte! Faszinierend!
Dann bietet Texola angeblich am „Wasserloch Nummer 2“ den besten Kaffee.
Es sind von Elk City nur etwa 60km bis nach Texola und es liegt auf dem Weg nach Amarillo. Das möchten wir also in jedem Fall mitnehmen und geben Gas…

So gegen 17 Uhr erreichen wir die Ausfahrt von Texola. Das Bundesstaatenschild von Texas ist hier auf der Interstate 40 sogar schon in der Ferne zu erkennen.
Wir fahren ab und entdecken gleich die erste „Geisterstadtattraktion“, obwohl wir noch nicht in die Stadt eingefahren sind. Eine ECHTE verlassene Tankstelle!
Keine aus den 50er oder 60er Jahren. Das nicht. Aber wir schätzen mal, dass vielleicht einer der letzten Kunden Michael Knight gewesen sein könnte, der sein Wunderauto KITT hier aufgetankt hat. Das könnte optisch passen! So 80er Jahre halt!
Wir vermuten zwar kaum, dass uns der Rüssel noch Sprit spendiert, aber dennoch muss ein kurzer Stopp an der Zapfsäule einfach sein!

Die Kinder bitten wir, sicherheitshalber im Fahrzeug zu bleiben. Die alte Tankstelle hier erscheint nicht unbedingt als Spielplatz für einen Drei- und einen Sechsjährigen zu dienen. Das aber ist auch die Faszination, die die Tankstelle auf uns ausübt!
Ich meine in Deutschland wäre die Tankstelle wohl kaum öffentlich zugänglich! Sie wäre doch mindestens mit einem 2- Meter hohen Bauzaun rundherum abgesperrt und mit „Eltern haften für Ihre Kinder“- Schilder zugepflastert. Wenn überhaupt! Vielmehr würden doch sofort örtliche grüne Lokalpolitiker den totalen Rückbau inklusive Aushub des wahrscheinlich durch Benzintropfen beim Tanken verunreinigten Boden fordern! Acht Meter tief, mindestens!
Aber hier? Absolut kein Thema die alte Tankstelle sich selbst zu überlassen. Sie wirkt morbide wie faszinierend zugleich. Ein authentisches Stück amerikanischer Automobilgeschichte.

Nun, da aus dem Tankrüssel leider kein einziger Tropfen Sprit herausgekommen ist, stoßen wir tiefer in die vor vielen Jahren aufgegebene Siedlung hinein.

Sofort fallen uns die halb verfallenen Häuser auf!
Heruntergelassene Rollläden, verfallene Veranden, halb abgedeckte Dächer. Manche Häuser sind nur noch Gerippe, manche sind zugewuchert. Auch hier schert sich natürlich keiner um mögliche Unfallgefahren, bei uns müsste man ja einen Zaun drumherum bauen. Nicht, dass wir den jetzt, typisch deutsch, unbedingt erwarten würden. Denn wir sind ja auch Realisten. Unfallgefahr, die hier von den Ruinen ausgeht, hin oder her, dafür müsste ja hier auch erstmal jemand da sein!
Wir sind fast bereit den Ort abzuschreiben und nach Texas durchzustarten, als wir plötzlich jemand über die Straße gehen sehen! Wie surreal! Und komisch!
Komisch besonders, weil der Typ eilig über die Straße hetzt! Aber nicht, weil er Sorge haben müsste, von uns überfahren zu werden. Es wirkt mehr so, als sei er ein Pendler auf dem Weg seinen Anschlusszug zu erreichen, der in wenigen Minuten vom Bahnsteig gegenüberabfährt. In diesem Geisterdorf natürlich völlig deplatziert! Ein Mann in Eile!
Wäre er ein Zombie und würde über die Straßen schlurfen, uns hätte diese Tatsache weniger überrascht, als dieser Bürger mit einem offenbar klaren Ziel in diesem sonst so sinnleeren Ort…

Sofort fällt uns ein weiteres absolutes Gegengewicht zum ansonsten verwahrlosten Ort auf. Eine pickfeine, gepflegte Kirche! Woah?!
Was ist hier los? Drehen die hier einen Endzeitfilm, wo die Welt buchstäblich zerfällt und von der Apokalypse heimgesucht wird, während der einzige sichere Zufluchtsort ein von der Kirche geweihter Ort ist?!
Wir suchen noch die Kameras der Filmstudios, als wir den Ort auch schon wieder auf dem Weg nach Texas verlassen. Denn gleich hinter Texola kommt die nächste Staatsgrenze. Bevor wir aber den Ort endgültig hinter uns lassen, entdecken wir auf der linken Seite noch das „Wasserloch Nummer 2“. Ein Name für ein Diner, welcher in dieser absoluten Einöde nicht passender sein könnte. „Aber sie machen einen prämierten Kaffee hier!“ wirft Anja zur Ehrenrettung der Gaststätte ein und tatsächlich stehen mit zwei, drei offenbar in Betrieb befindlichen Autos deutlich mehr Besucher hier, als wir noch vor wenigen Minuten erwartet hätten.

Ortsdurchfahrt durch Texola, der Geisterstadt auf der Route 66 kurz vor der texanischen Grenze:
Um das Ambiente besser zu transportieren, haben wir einen kleinen Film, einen unserer kurzen Videosnacks, unserer Ortsdurchfahrt durch Texola gedreht. Mit Original- Kommentar des ersten Eindrucks! Fahrt mit und staunt über die halb zerfallene Stadt und den scharfen Kontrast dazu, die gepflegte Kirche:

Als wir auf die Staatsgrenze zufahren, gefällt uns plötzlich der Grenzübergang gar nicht! Das Schild ist überhaupt nicht herzeigfähig! Beflatscht mit dutzenden Aufklebern kann man kaum erkennen, dass wir die nächste Bundesstaatengrenze überqueren! Dies und weil wir neugierig sind, wohin der eilige Mann wohl gelaufen sein könnte, drehen wir kurz vor der Staatsgrenze noch einmal um und fahren zurück durch den Ort, um hinter der verlassenen Tankstelle wieder auf die Interstate auffahren zu können. In der Hoffnung, dass dann auf dem Highway ein deutlich vorzeigefähigeres Schild zu finden ist, welches die Staatsgrenze zu Texas markiert.

Die Grenze zu Texas passieren wir an einem vernünftigen Grenzschild gegen kurz nach 5 Ortszeit. Wir sind unsicher, on die Uhr jetzt wieder eine Stunde zurückgestellt wird, oder nicht. Man kommt ganz durcheinander! Einmal mehr würde ich mir in diesem Wohnmobil so eine Batterie an Uhren wünschen, die uns die jeweils wichtigen Uhrzeiten anzeigen würden. Lokalzeit zuhause, Lokalzeit am derzeitigen Aufenthaltsort, am Abfahrtsort und am Zielort. Das würde helfen.
Aber ob wir die Uhr nun umstellen oder nicht, es folgt gleich das nächste Ziel, welches wir trotz fortgeschrittener Stunde noch ansteuern möchten. Das nächste Highlight hier auf der Route 66 ist in Shamrock!

Shamrock ist im Prinzip ein Ort an der Interstate, wie Elk City zuvor auch. Die Interstate schwenkt als Umgehungsstraße einmal um dem Ort herum, man findet dann jeweils im Osten und Westen eine Zu- und Abfahrt.
Die Hauptstraße, die ehemalige Route 66, führt dann mitten durch den Ort hindurch. Rund um die Hauptstraße gehen dann ein paar Nebenstraßen ab. Soweit, so unspektakulär.
Wir nehmen die östliche Ausfahrt und fahren sogleich auf das absolute Highlight von Shamrock zu, das U-Drop Inn Café!

Wer Kinder hat, die gerne Disney- Filme anschauen (und die Erwachsenen natürlich auch 😉 ) werden das U- Drop Inn sehr wahrscheinlich sofort erkennen!
Wir zeigen es euch erstmal!
Dann könnt ihr ja mal raten, bevor ihr die Auflösung im weiteren Text weiter unten nachlesen könnt:

Und? Habt ihr das Gebäude wiedererkannt oder zumindest das Gefühl, dieses schonmal gesehen zu haben?!
Ein Tipp: Es ist Schauplatz in einem Zeichentrickfilm! Daher ist es etwas abstrakt, wenn man ein Zeichentrickgebäude plötzlich in natura sieht. Hilfft dieser Tipp vielleicht?
Genauer handelt es sich um die Vorlage für das „Ramones Body Paint & Spray“, die Lackier- und Autoreparaturwerkstatt des amerikanischen Musclecars Ramon aus dem Film „Cars“!
Selbstredend, dass unsere Jungs das Gebäude sofort erkennen und nachschauen wollen, wo Ramone seine Werkstatt hat!

Infobox U-Drop-Inn in Shamrock, Texas.
Die Vorlage für das „Ramones“ aus dem Film Cars wurde bereits 1936 in diesem selbst für heutige Zeiten futuristischen Art-Deco Stil an der alten Route 66 gebaut. Es vereinte sowohl eine Tankstelle der Marke Conoco wie auch ein Café im Gebäude und war lange Zeit ein beliebtes Ziel für Durchreisende auf der Route 66. Mit Bau und Inbetriebnahme der Interstate verlor auch das U-Drop-Inn an Bedeutung. 1990 wurde es geschlossen und verfiel dann zusehends. Nachdem das U-Drop- Inn dann ins nationale Register historischer Gebäude und Plätze aufgenommen wurde, wurde es 1997 von der örtlichen Bank gekauft, der Stadt übergeben und wieder für das zunehmende Touristeninteresse auf der alten Route 66 restauriert.
2006 entdecken die Autoren des Disney- Films Cars das U-Drop- Inn auf ihrer Reise auf der Route 66, als sie für ihren geplanten Film passende Locations für das abgehängte „Radiator Springs“ suchten. So fand das U-Drop-Inn einen Platz im Film und zieht nun wieder mehr Touristen an. Kein Wunder, wir sind ja auch nur hier, weil wir wie gesagt Schauplätze des Disney- Films gerne an der Route besuchen wollen.
Schön zu sehen ist, wie Moderne und Geschichte hier aufeinander treffen. Neben dem stetigen Interesse an diesem Ort, promoted durch den Disney- Kracher, findet sich hier übrigens im Hinterhof auch eine Tesla- Ladestation.
Mehr Infos zum U-Drop-Inn finden sich auf der offiziellen Webseite von Shamrock

 

Das alte Café, welches heute natürlich ein Museum beinhaltet, hat leider schon geschlossen. Pech! Wir hätten es uns gerne genauer von innen angeschaut. Ein Blick durch die Fenster wirkt jedenfalls sehr vielversprechend. Aber da wir heute ja schon ein richtig tolles Route 66 Museum gesehen haben und wir noch die Käferfarm ansteuern wollen, hätten wir für ein zweites Museum eh keine Zeit mehr gehabt.
Ein paar schöne Bilder fürs Album machen wir aber noch.

Selbstredend, dass neben dem Gebäude besonders der etwas abseits abgestellte Abschleppwagen die Kinder fasziniert!
Selbst ohne Phantasie erkennt man, dass dieser Abschlepper eine Hommage an Hook aus Cars darstellen soll. Gerade genug für Kenner des Films aber nicht genügend erkennbar, sodass man an Disney keine Lizenzgebühren bezahlen muss. 😉
Die Jungs finden den Hook hier dennnoch ganz phantastisch! Immer wieder im Wechsel wird gefahren (die Tür des Autos ist offen und niemand scheint etwas dagegen zu haben, wenn man sich in den staubigen alten Chevrolet reinsetzt), oder wahlweise der Abschlepphaken heruntergelassen. Die alte Winde ist sogar noch funktionsfähig! Schade, dass der Wagen hier Wind und Wetter ausgesetzt ist. Er würde sich als restaurierter Oldtimer sicher gut machen. Uns taugt er aber heute mehr wie dankbar als Fotomotiv:

Mit genügend Fotos ausgestattet geht es gegen 20 vor 6 weiter auf der Hauptstraße Richtung Westen, die am Ende an der West Auf-/Abfahrt von Shamrock wieder auf die Interstate führt.
Jetzt müssen wir uns langsam sputen! Die Abenddämmerung zieht allmählich auf und wir hätten echt gerne noch die Käfer im Sand gesehen und mit Graffiti verschönert!
Echt blöd! Der Tag war schon bis jetzt schön und abwechslungsreich, aber auch anstrengend und lang. Ankommen in Amarillo, das wird langsam überfällig.

Und jetzt müssen wir eben Mut zur Lücke lassen, wenn wir noch bei einigermaßen Tageslicht in Amarillo ankommen wollen.
Einige Ziele, die wir auf dem Weg nach Amarillo neben der Käferfarm mit etwas mehr Zeit durchaus besucht und auch angehalten hätten, nehmen wir nun quasi nur im Vorbeifahren mit. Anders geht es gar nicht!
Da wäre zum Beispiel die Pampa! Kennt ihr den Spruch? „Das ja mitten in der Pampa!“ Mit diesem Spruch möchte man zumeist sagen, dass man an einem Ort ist, der so weit von irgendwas weg ist, wie er nur sein kann. Und voila, Pampa liegt in der USA!! Glaubt ihr nicht? Schaut selbst:

Wäre es nicht phantastisch wenn man später, im Alltag zuhause, auf einen von Mitfahrern auf einer Tour unbedarf losgelassener Spruch „Wo sind wir denn hier gelandet? In der Pampa?“ antworten kann: „Nein, in der Pampa sieht es anders aus, denn da bin ich schon gewesen!“ 😀
Allein schon, um dies wahrheitsgetreu sagen zu können, wäre ein Stopp angebracht gewesen. Geht aber nicht. Wir müssen weiter.

Auch den schiefen Wasserturm von Groom müssen wir leider links liegen lassen. Eigentlich hat jede Stadt hier einen Wasserturm in runder Form oder in Form einer Birne als Beispiel. Auch Groom. Das alleine ist nichts besonders. Als Marketinggag aber hat die Stadtverwaltung von Groom diesen schief bauen lassen, um damit Touristen anzuziehen! Und das würde mit etwas mehr Zeit auch bei uns klappen, zumal Groom gleich ein weiteres Unterwegs- Highlight anzubieten hätte! Ein weiteres gigantisches Kreuz, das Giant Cross von Loom! Sinnbild erklärten Glaubens, selbstverständlich mit Souvenirshop ausgerüstet, würde es uns ebenfalls mit etwas mehr Zeit anlocken.
So reicht es bei beiden Sehenswürdigkeiten leider nur für ein Foto vom Highway aus. Nützt nichts, Mut zur Lücke!

In Conway, etwas mehr als 20 Meilen vor Amarillo, fahren wir an der Ausfahrt 96 von der Interstate 40 ab.  Ja und dann suchen wir! Denn zum ersten Mal weiß unser Reiseführer zwar von der Käferfarm selbst zu berichten, schweigt sich aber ärgerlicherweise aus, wo GENAU sie zu finden ist, Zitat: „Am Exit 96 liegt etwas versteckt und verwahrlost die VW Bug Ranch“, Zitat Ende.
Super! Das die Farm versteckt ist, das ist nicht wirklich hilfreich! Dabei wäre diese gerade jetzt, wo es immer dunkler und frischer wird, echt wichtig die Ranch schnell zu finden! Anja äußert bereits erste Bedenken aufgrund der nunmehr rasch einseztenden Dämmerung und meint, dass wir ja auch nach unserem Aufenthalt in Amarillo einfach nochmals hierhin zurückfahren können, falls es nicht klappt.
„Nix da!“ Sag ich. „Wir fahren nach Westen und folgen treu wie eisern unserem Motto: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ Oder so ähnlich.“ 😉
„Das ist doch Blödsinn!“ meint Anja. „Immerhin sind wir vorhin in Texola ja auch von der State Line zu Texas auf der Landstraße zurück durch den Ort auf den Highway gefahren! Das war auch eine Meile in Richtung Osten!“
Verdammt! Sie hat Recht und ich habe es nicht bemerkt! Ich will gerade versuchen, darauf eine schlagfertige Antwort zu finden, da rettet mich die Texas State Patrol!
Denn am großen TruckStop, der auch hier von der Liebestankstellenkette betrieben wird, steht ein Fahrzeug der Autobahnpolizei. Den frage ich einfach, der muss es ja wissen!

Als ich aber unser Wohnmobil etwas abseits parke und mich dem Fahrzeug auf der Beifahrerseite nähere, kurbelt ein Mann in Zivil das Fenster herunter.
Der PoliceOfficer sitzt auf dem Fahrersitz und noch ehe ich etwas sagen kann, schnauzt der mich an, dass er JETZT absolutely keine Auskunft geben kann. Und dies mit einer derartigen Autorität, dass man Sorge hat, auch nur etwas zu antworten! Mit leicht gehobenen Händen gehe ich vorsichtig Schritt für Schritt vom Fahrzeug zurück, während der Beifahrer das Fenster wieder hoch fährt.
Das war strange!
Ich wollte doch nur eine Auskunft!

Für einen Moment stehe ich irritiert und etwas verloren hier auf dem riesigen Parkplatz! Was nun? Wen fragen? In der Tankstelle müsste gehen! Die sollten doch hier ihre Sehenswürdigkeiten kennen, oder?
Ich will gerade auf das Kassenhaus zugehen, da entdecke ich die Käfer! Sie stehen auf der anderen Seite des Highways an einem alten, verfallenen Gebäude! Perfekt! Die sind ja wirklich direkt neben der Ausfahrt! Wir haben sie eben schlichtweg übersehen!

Wir fahren mit dem Wohnmobil rüber und ziehen den Jungs sogleich die warmen Jacken an. Dann bekommt jeder eine Spraydose und den gut gemeinten Rat, möglichst nur die Käfer anzusprühen und nicht sich selbst oder die Kleidung. 😉


Nils bekommt das auch super hin, bei Tim müssen wir natürlich noch ein bisschen Hilfestellung geben, auch wenn er es gerne alleine probieren möchte.

Wir haben gerade begonnen ein altes, bis auf das Gerippe ausgehöhltes Auto anzusprühen, als ein Auto forsch auf den Parkplatz neben unserem Wohnmobil rollt. Es bremst scharf, der lose Schotter schrubbelt unter den blockierenden Reifen! und während ich, vom Geräusch den knirschenden Kies und Dreck aufgeschreckt, nach oben starre, steht abrupt in der Sonne ein Texas State Trooper!
Die Polizei! Die Staatsmacht! SHICE! Und wir stehen hier mit der Spraydose in der Hand! In Texas! Wo es sogar noch die Todesstrafe gibt!!

Sofort stehe ich auf, etwas in mir möchte spontan strammstehen und salutieren und richte meinen Blick auf den Officer, der mit Sonnenbrille unter dem Hut sowie Schlagstock und Knarre am Gürtel mehr Autorität ausstrahlt, als eine Hundertschaft unserer Polizei bei einem Risikofußballspiel zwischen dem BVB und Schalke!
Er schaut uns streng an, das merkt man selbst durch die Sonnenbrille. Auch meine Familie hat sich inzwischen aufgestellt und schaut etwas verschüchtert.
Zuerst denke ich noch, dass dies der Officer ist, den ich eben an der Tankstelle nach dem Weg zu den Käfern fragen wollte. Aber das Auto jetzt ist nicht der schwere SUV, sondern so ein Lincoln, eine Limousine. Auch der Officer hier wirkt noch bulliger, als sein Kollege an der Liebestankstelle eben.
Nachdem er sich nur durch seine bloße Präsenz den Respekt verschafft hat, den er zweifelsohne erwartet, regt er sich zum ersten und fragt, was wir hier machen. Hoffe ich zumindest, denn der Akzent ist furchtbar undeutlich!
Nach einigem sinnfreiem Gestammel gelingt es mir, meinen Standardsatz rauszupressen: „We… We… Hello, Sir, we… are Tourists from Germany Sir!“ versuche ich höflich wie unterwürfig gleich so, wie ich es bei dem Einreisebeamten am Flughafen von Chicago schon erfolgreich einsetzen konnte.
Man sieht, wie er unter der Sonnenbrille eine Augenbraue hebt und alles, was jetzt passieren kann, entscheidet sich wohl in genau dieser Sekunde!
Ich versuche so lässig wie möglich zu wirken, gleichzeitig würde ich die blöden Spraydosen am liebsten in Luft auflösen! Nicht, dass dies viel bringen würde! Ich meine an Tims Händen kleben die farbigen Beweise unwiderlegbar wie eindeutig. Vor meinen Augen sehe ich einen Dreijährigen mit gestreifter Gefängniskleidung beim Polizeifoto auf der Wache, verhaftet wegen Graffitisprayerei 😉
Wir haben Glück!
Der Officer entspannt sich und scheint uns als vollkommen harmlos einzuschätzen. Ja mehr noch, auch er dreht sich plötzlich um 180 Grad als er erfährt, dass wir Touristen aus Übersee sind. Er ist zwar in Eile, das merkt man, aber für einen kurzen Plausch hat er dennoch Zeit. Und mehr noch: Er macht sogar ein Foto von uns! JA! Er nimmt unsere Kamera, wir versuchen alle ein Lächeln und dann drückt er zwei, drei Mal für uns ab!

Als er mir die Kamera zurückgibt, schaut er auf das Wohnmobil und fragt, wo wir heute Abend noch hinwollen.
„To Amarillo Sir! We have a reservation at the RV Campground close tot he big texan steak Ranch“.
Das gefällt ihm! Er meint, dass wir bei Dunkelheit besser nicht mehr fahren sollten. Es sei einfach sicherer, noch im Hellen am Schlafplatz anzukommen. Und der Campingplatz scheint ihm nah gut zu sein, dass wir dies auch noch schaffen, bevor es endgültig dunkel wird. Reizend die Amerikaner. Und übervorsichtig! Haben Sorge, dass man im Dunklen Autofahren muss, während bei Walmart das Jagdgewehr für 99 Dollar im Sale zu bekommen ist…

Der Officer wünscht uns einen tollen Aufenthalt in den USA, eine sichere Weiterfahrt und eine gute Nacht. Wir antworten höflich wie die Dorftrottel und sehen kurz darauf, wie er mit voll ausgedrehtem Motor auf den Highway prescht. Hammer!
Wir haben gerade ein weiteres Mal Bekanntschaft mit der Staatsmacht der vereinigten Staaten von Amerika gemacht!
Ich prüfe durch einen kritischen Blick auf meine Hosen, ob ich mir in Anbetracht einer möglichen Gefängnisübernachtung (Sprayen und Graffiti dürfte auch oder gerade in Texas auf jeden Fall verboten sein!) hier in Texas nicht doch unfreiwillig in die Hosen gemacht habe. Aber Glück gehabt, alles trocken! 😉

Nils und Tim widmen sich wieder dem Tagwerk zu. Farbe mehrheitlich auf die Autos aufbringen. Anja rennt einem lachenden und feixenden Tim hinterher, weil sie auf seine Klamotten und seine Hände achtgeben will und ich helfe Nils, eine kleine Botschaft für seine Kindergartenfreundin an eine bereits komplett besprayte Wand aufzutragen. Dazu die untergehende, glühende Sonne, die das ganze Areal in ein surreales Licht taucht.
Es ist herrlich! Das hier ist genau einer der Momente, den wir uns als Familie von diesem Trip erhofft haben! Ein echtes Abenteuer! Inklusive einem kurzen Moment, wo einem das Herz zuvor wirklich in die Hose gerutscht ist. So leicht und unbeschwert wie in diesem Moment haben wir uns alle gemeinsam selten gefühlt!

Neben den VW Käfern gibt es noch eine alte Tankstelle von Texaco zu entdecken. Unter dem schmalen Dach verwittert ein alter Truck. Was ist das nur, dass hier überall einfach Autos am Wegesrand vor sich hin verrotten dürfen?! Bei uns wäre dies undenkbar, abgesehen davon sind die Autos, inzwischen bis auf Rahmen und Gerippe entkernt wie ausgeschlachtet, ideale Altmetallträger! Man steht davor, sieht es und staunt. Ein faszinierend- morbider Anblick. In diesem unfreiwilligen Diorama steckt so viel! Die Freiheit des Reisens, die Unbeschwertheit der Amerikaner in Bezug auf Umwelt und Ressourcen, die schmerzhafte Tatsache, dass Öl nicht unendlich verfügbar sein wird, oder die Frage, ob jemals wieder irgendwer dieses alte, zurückgelassene Auto wieder in Schuss bringen wird. Und überhaupt, wie ist das Auto eigentlich hierher gekommen? Also wie es hergekommen ist, ist klar. Es wurde halt hier geparkt. Aber wer hat es geparkt und warum hat er es stehen lassen? Sind die Besitzer „nur kurz Zigaretten holen“ und fahren später weiter? Oder liegen sie vielleicht ein paar Meter weiter durch im Feld in einem Loch verscharrt? Buargh! Gruselige Vorstellung! Als Kulisse für einen Thriller dient das Endzeitszenario hier also auch noch…

Aber nicht nur das alte Auto ist interessant, auch die angrenzende übergroße Garage weckt Nils und mein Interesse. Auch Tim wäre sicher gerne dabei, aber Anja hat es geschafft, den dreijährigen Sprayerkönig von Texas einzufangen und verflucht mich sehr wahrscheinlich gerade im Wohnmobil, während sie versucht, mit Seife und einem groben Waschlappen dem Bub die Farbe von den Fingern zu rubbeln… 😀
Noch während wir uns in der halb verfallenen Garage zwischen dem Unrat nach echten antiken Schätzen umsehen, raschelt es plötzlich bedrohlich aus einer der Ecken! Entweder ein auf der Flucht befindlicher Schwerverbrecher oder ein Urviech mindestens von der Größe eines Werwolfs, wenn nicht gar Schlimmeres wie eine Horde Kampfratten! Das geht gar nicht!

Das Rascheln kommt näher, gleichzeitig scheint es auch von über uns zu kommen?! Irgendwas bewegt sich auf jeden Fall sehr schnell auf den Balken, ohne dass wir erkennen können, was es ist! Wir wissen nur eins: Es flüchtet nicht, es kommt näher!
Nils und ich machen, dass wir zurück zum Wohnmobil kommen! Was immer hier die Garage sein Zuhause nennt, wir wollen es ihm, oder es, auf keinen Fall streitig machen!

Nachdem ich mich dreimal davon überzeugt habe, dass alle Türen des Wohnmobils fest von innen verschlossen sind, atmen wir kurz durch. Dann fahren wir weiter, Amarillo ruft!

Gegen halb 8 erreichen wir die Stadtgrenze von Amarillo. Nicht viel los an diesem Abend. Wir hatten etwas mehr Verkehr erwartet. Ist aber nicht schlimm, im Gegenteil. Noch während der Zufahrt zum RV- Park kommen wir an der Texas Steak Ranch vorbei, von der wir sofort ein paar Bilder machen. Der Besuch dort wird eines unserer Reise- Highlights werden!
Kaum haben wir die Steak Ranch hinter uns gelassen (die Strecke vom RV Park zur Steak Ranch könnte man fast zu Fuß gehen), stehen wir schon an der Einfahrt des RV Campingparks. An der Rezeption liegt, wie erwartet, bei den Late Arrivals ein Umschlag mit (fast) unserem Namen drauf und wir sind wieder einmal froh, dass wir telefonisch alle Formalitäten erledigen konnten. Sonst wüssten wir zum Beispiel nicht, dass morgen ab 8 Uhr bis 09:30 Uhr in der Rezeption free Coffee und Donuts auf uns warten würden! Super!

Unsere Parzelle ist leicht zu finden, sie liegt gleich hinter der Rezeption und berücksichtig damit gerade noch unseren telefonisch geäußerten Wunsch, eine Parzelle möglichst nah am einzigen kleinen Spielplatz des Campgrounds zu bekommen. Die Jungs dürfen auch gleich rüber flitzen, während Anja und ich uns etwas häuslicher als üblich einrichten. Denn wir haben entschlossen, dass wir morgen wieder einen Jokertag einlegen und nicht fahren werden. Zur Texas Steak Farm, wegen der wir ja hier sind, um das riesengroße Steak zu bewundern (und vielleicht auch zu essen), gibt es einen Free Limo Service! Schon heute Abend bekommen wir einen Vorgeschmack auf die Fahrt mit einer echten amerikanischen Limousine, denn auf dem Parkplatz steht eine solche aus der Fahrbereitschaft. Ewig lang, fette Werbung auf der Seite und stilecht mit einen Texas Longhorn auf der Motorhaube gleich über dem Kühlergrill! Der TÜV in Deutschland würde wohl Schnappatmung bekommen!

Zum Abendessen machen wir uns nur schnell ein paar Bratwürstchen in der Pfanne und Tomaten mit ein paar Scheiben Toast dazu. Wir hatten zwar kurz überlegt auch schon heute Abend hier essen zu gehen, aber der Aufwand mit Limousine und Co, das muss jetzt nicht mehr sein. Lieber morgen, wenn der Tag nicht ganz so anstrengend und ereignisreich wie heute war und wir noch Aufnahmekapazität haben. Jetzt ist einfach „voll“ im Kopf.

Bis die Jungs im Bett und auch wir zur Ruhe gekommen sind, wird es fast Mitternacht! So lange waren wir in den USA bislang noch nicht auf!
Der angrenzende Highway sorgt für ein recht lautes Background- Rauschen, aber wenigstens ist es recht gleichmäßig. Mit nur etwas Phantasie könnte man es auch für Meeresrauschen halten. 😉

 

 

Meilen bei Abfahrt: 1.101,2
Meilen bei Ankunft: 1.386,6
Gefahrene Meilen: 285,4 = ca. 460km

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