Noch immer werden wir zwar für unsere Verhältnisse früh wach, aber so langsam gleichen wir uns immer mehr an den amerikanischen Rhythmus an. Heute ist es zum Beispiel schon 7 Uhr, als wir aufstehen. Vorgestern waren wir schon um 5 Uhr hellwach!
Gut, 7 Uhr ist natürlich noch immer super, denn wer früh wach ist, ist auch früh auf der Straße! Das ist ja sonst bei unseren Reisen immer so ein Problem mit dem frühen Aufstehen. So gesehen sind wir also noch früh dran. Nichts desto trotz wird es nicht mehr sehr lange dauern, bis wir wohl wieder in unseren persönlichen Urlaubsrhythmus zurückfallen werden und uns irgendwann um 9 Uhr die Sonne wachblinzeln wird…
Damit der Tag bestmöglich startet, darf es erstmal ein gutes, auch üppiges Frühstück sein. Spontan habe ich Lust, hierfür ein paar gute Zutaten im benachbarten Family Dollar Supermarkt zu besorgen und mache mich gleich an den Weg, während der Rest der Truppe noch mit der Morgenroutine beschäftigt ist.
Es ist frisch an diesem Morgen! Aber die frühe Sonne tut gut und lässt erahnen, dass es ab jetzt mit dem Wetter wirklich aufwärts gehen sollte! Der Frühling kommt! Das schmeckt man in der Luft, das sieht man am Licht und an der erwachenden Natur, das spürt man mit jeder nach Sonne und wärmenden Temperaturen gierenden Faser des eigenen Körpers. Es ist herrlich so ein Morgenspaziergang hier durch das „Problemviertel“ von North Little Rock! Ich habe Glück, ich bin ganz allein unterwegs. Selbst die Parkplatzeinweiser sind verschwunden, die gestern noch Parkplätze für 10 Dollar das Stück angeboten haben. Jetzt ist offenbar „frei parken“, dennoch sind die allermeisten Parkplätze noch leer.
Und noch jemand fehlt: Unser Priester an der Tankstelle! Offenbar reicht ist es vom Missionarsgedanken nicht weit her, wenn es noch nicht einmal für’s frühe Aufstehen reicht… 😉
Als es dann aber spätestens auch auf dem Supermarktparkplatz verdächtig ruhig ist, dämmert es mir. Der Laden hat zu, wie alles andere um diese Uhrzeit hier!
9 Uhr!
Erst um 9 Uhr wird der Family Dollar öffnen, das wäre erst in einer Dreiviertelstunde! Das ist eine besonders für amerikanische Verhältnisse überraschende Öffnungszeit! 9 Uhr kennt man vielleicht noch von Postfilialen oder mancher Bank auf dem Land bei uns in Deutschland. Aber ein Supermarkt, der erst um 9 Uhr öffnet, lässt doch das gesamte Frühstücksgeschäft der Handwerker, Schüler und dem zum Büro hastenden Volk ungenutzt liegen, oder?!
Nun, auch das Rappeln an der Türe nützt auch nichts. Sie ist und bleibt zu. Schade! Muss ich unverrichteter Dinge wieder zurück marschieren. Gibt es eben kein üppiges Frühstück…
Andererseits: ein weniger üppiges Frühstück hat natürlich auch sein Gutes! Abräumen nach dem Essen und spülen geht schneller! So brauchen wir auch nicht viel Zeit, schon um 9 Uhr ist das Boot klar zum Auslaufen!
Juchu!
Es geht wieder los!
Zwar haben wir hier in Little Rock nur eine zusätzliche Nacht verbracht und das war auch gut so, aber jetzt ruft die Straße so laut, dass wir den Ruf der Freiheit nicht mehr überhören können! Und das liegt ausnahmsweise nicht am Verkehr, der über die naheliegende I-30 Arkansas River Bridge hinweg donnert. 😉
Wir freuen uns einfach, dass wir nach diesem gelungenen Abstecher heute, aber spätestens morgen wieder auf der richtigen, echten Route 66 unterwegs sein werden! Den Spirit einsaugen, Diners besuchen, Souvenirs durchstöbern, alte Tankstellen entdecken und einfach wieder on the Mother Road unterwegs sein!
Etwas über 500km sind es von hier aus bis Oklahoma City! Ab dort tauchen wir dann wieder in die Route ein.
Eine halbe Stunde später rollen wir vom Platz und machen an der Tankstelle, wo wir gestern den Priester kennengelernt haben, den Tank noch einmal randvoll. Für die heutige Tagesetappe. Es ist durchaus früh genug, dass wir heute wieder einen längeren Fahrttag einlegen können und dennoch vor Einbruch der Dunkelheit in Oklahoma City sein sollten. Das wäre ein ordentliches Stück auf einer Strecke, auf der wir auch streng genommen nichts erwarten. Nennenswerte Unterwegsziele haben wir keine entdeckt, somit ist auch kein besonderer Zwischenstopp geplant. Der Tag steht heute also einmal mehr im Zeichen: „fahren, fahren, fahren!“ Das Navi orakelt kühn eine Fahrtzeit von 6 Stunden ohne Pausen. Schauen wir mal.
Um viertel vor 10 haben wir wieder Highway- Asphalt unter den Rädern. Ein Glück, dass wir fast wie ein Strich in Richtung Westen fahren! Denn die Sonne steht uns im Rücken und leuchtet so für die nächsten hundert Kilometer super die Landschaft vor uns aus. Auch, wenn natürlich die ersten Frühlingsboten noch arg früh sind und die Fauna noch trist wirkt, leuchtet die Natur mit der Sonne hinter uns natürlich in schönen Farben. Das gefällt uns natürlich sehr.
Das ist übrigens auch der absolute Tipp für alle Road- Trip(ler), die eine Tour wie die unsere planen! Egal, ob eine Fahrzeugüberführung in West- Ost- Richtung die günstigere ist: Fahrt immer von Ost nach West! So fahrt ihr mehrheitlich am Tag mit dem Sonnenlauf und werdet somit nicht nur nicht Tag für Tag für Tag von der Sonne auf eurem Weg geblendet, sondern bekommt erst durch eine tief im Rücken stehende Sonne überhaupt erst die schönsten Details am Wegesrand mit, wenn der Tag noch jung und die Sinne noch aufnahmebereit sind!
Nach knapp zwei Stunden Fahrt und den ersten 160 Kilometern auf der Interstate 40 legen wir die erste Pause ein.
Anja hat für die weitere Planung einen Walmart direkt neben der Autobahn heraus gesucht. Je näher, desto besser. Und der Walmart in Clarksville (Arkansas) liegt so nah neben der Autobahn, dass man fast einen Drive- In unterstellen könnte! Leider gibt es keinen Drive- In, dafür aber einen übergroßen Parkplatz und wenig Verkehr in dieser mittleren Stadt südlich des mittleren Westens. Klar, dass wir für Pizza hier stoppen!
Aber auch, um uns das erste Mal die Beine zu vertreten und natürlich fürs allgemeine Stöbern und Einkaufen. Denn wenn wir unseren Berechnungen glauben dürfen, wird es heute am Nachmittag, wenn wir in Oklahoma ankommen, dafür dann doch etwas zu spät.
Als Tagesziel haben wir uns übrigens den KOA Campingplatz von Oklahoma ausgesucht. Wenn es passt und wir gut durchkommen, können die Jungs die Vorteile wie den Spielplatz des kinderfreundlichen KOAs nutzen. Und vielleicht haben wir ja sogar Glück und es gibt einen geöffneten Pool! Das wäre was.
Aber erstmal kaufen wir hier im Walmart großzügig ein und nehmen uns heute auch mal die Zeit, uns ein wenig im Walmart durch die Angebote treiben zu lassen! Nicht nur in Bezug auf eine Handykarte oder Elektronik. Nein alles! Von der Zwiebel über das Hack im 5 Kilo- Wurstsack und weiter zu CornDogs, oder echter europäische Marmelade. Barbecue- Soßen und Truthahn- Schenkeln (als ob die Amis sich mit Hähnchen zufrieden geben! Höchstens als Vorspeise…) und Fleischlappen, die sogar das „Sven’s Flintensteak“ aus Norwegen noch in den Schatten stellen!
Oder Tierfutter! Ja! So dicke Säcke wie das „Bonzo“, was du bei uns als Hundefutter bekommst. Hier ist es Wildfutter für Rehe. Fein aufgestapelt auf Paletten. Wer aber jetzt meint, die Amerikaner hätten ein Herz und würden in diesem harten US Winter 2017/2018 an die Tiere denken, die auf der Suche nach Nahrung durch die Wälder streifen, der irrt! Nun, natürlich wollen sie damit die Tiere füttern. Aber nicht, um den Hunger zu stillen, sondern um sie damit anzulocken! Ein fettes Fadenkreuz auf dem Tierfuttersack in Bonzo- Größe verrät eindeutig, wofür das Wildfutter gedacht ist. Und damit der Amerikaner nicht einmal mehr als nötig Umwege zu anderen Läden fahren und dort ein weiteres Mal aus dem Auto steigen muss, gibt es übrigens auch gleich die passende Wumme hier im Walmart dazu! Steht ganz banal im Schaukasten in unmittelbarer Nähe der Spielzeugabteilung! Bereits für nur 99 Dollar Supersaver- Sparpreis bekomme ich ein Hattfield- Jagdgewehr! Ist im Angebot! Da müsste man eigentlich zuschlagen…
Tja, das ist etwas, woran wir uns hier in Amerika wohl gewöhnen müssen! Es ist ja nicht nur so, als wäre dies das erste Mal, dass wir mit der liberalen Waffenpolitik der USA konfrontiert werden. Bei uns undenkbar, haben wir auch am Straßenrand so manche Werbetafel für „Bob´s Weapons & Guns“ gesehen. Während man in Deutschland die Werbung von Waffenhändlern vergeblich sucht (ob das gut oder schlecht ist, wollen wir gar nicht beurteilen) und Marktteilnehmer wie Frankonia Jagd sich sicherheitshalber vorsichtig wie zurückhaltend unter dem Deckmantel „outdoor“ maximal in ausgesuchten Fachmedien präsentieren, findest du hier am Straßenrand das neueste Angebot für 9mm Patronen im Supersale gleich so, als gäbe es den passenden Schalldämpfer im Kids Menü gratis als Beigabe dazu… 😮
Hammer. Man sieht es und staunt! Natürlich wussten wir das vorher. Sieht man es aber dann wirklich live, ist es nochmals anziehend wie ein Verkehrsunfall! Man soll nicht hinschauen! Aber weggucken kann man irgendwie auch nicht.
Das muss man erstmal realisieren! Diesen zweiten, neuerlichen Kulturschock: Kanonen, Gewehre und Handfeuerwaffen findest du bei Walmart genauso im Sortiment, wie bei real zuhause Bügeleisen oder DVDs. Schon bei unserem ersten Walmart- Einkaufstrip in Effingham haben wir natürlich die angebotenen Waffen gesehen. Allerdings dort noch außerhalb der Griff- und Sichtweite von Kindern und dann noch hinter einem Tresen in einer Vitrine. Hier sind sie zwar auch immerhin hinter Glas, aber sie stehen eben auch offen ausgestellt! Auf „Kinderhöhe“ ganz normal und eben, was auch einen großen Unterschied macht, hier werden die Waffen erstmals im „Sale“ beworben! Das ist neu! Vielleicht liegt es an der Nähe zu Texas. Wir überlegen, was uns mehr entsetzt. Die Tatsache, dass man die Waffen ganz normal kaufen kann, oder dass es niemanden außer uns zu verwundern scheint, dass man diese Waffen hier ganz normal kaufen kann. Andere Länder, andere Sitten…
Mit einem prall gefüllten Einkaufswagen und einer Batterie Plastiktüten (die Anzahl reicht wahrscheinlich aus, um den nächsten Plastikmüllstrom im pazifischen Ozean damit überhaupt erst zu begründen…) aber ohne das Supersaver- Angebot des Hattfield- Jagdgewehrs im Wagen spazieren wir gegen kurz vor 13 Uhr wieder über den Parkplatz.
Info- Box Walmart, II:
Überhaupt ist das interessant mit den Plastiktüten! Wir kaufen jedenfalls keine einzige Mülltüte auf dieser Tour! Das ist mal klar. Denn Walmart bzw. jeder andere Supermarkt hier gibt uns zu unseren Einkäufen gleich so viele Tüten dazu, dass wir diese eingepackt wie ausgepackt als Mülltüten direkt verwenden können. Wir werden am Ende der Reise, das sei an dieser Stelle vorab verraten, so viele Mülltüten übrig (!) haben, dass wir sogar welche mit nach Hause nehmen können! Ihr könnt also, wenn ihr das erste Mal nach dem Überflug und Wohnmobilübernahme in den USA im Walmart einkauft, auf jeden Fall „Mülltüten“ von eurer Einkaufsliste streichen! Die bekommt ihr an der Kasse quasi „gratis“ dazu!
Wir genehmigen uns einen kleinen Mittagssnack, dann geht es zu Murphy! Aber nicht der aus dem Gesetz (ihr wisst schon, das mit dem Marmeladenbrötchen und der Unterseite, wenn es auf den Boden fällt…), sondern zur Tankstelle von Murphy. Scheinbar hat der gute Murphy ein besseres Händchen für Kraftstoffe, als für fallende Marmeladenbrötchen, denn das Geschäft läuft so gut, dass sie sogar seinen Namen an die Tankstelle schreiben. Das ist doch auch was.
Tanken müssten wir eigentlich nicht. Ist noch gut voll und sollte eigentlich bis Oklahoma reichen. Aber ich mache eben nicht nur gerne die Vorratsschränke voll, sondern auch den Tank, wenn sich die Gelegenheit ergibt. So macht man das auf einem Roadtrip. Das erspart unnötige Unterbrechungen, wenn unsere Landyacht nämlich mal rollt, soll sie auch rollen.
Selbstredend, dass wir nach dem Tanken noch ein paar Schnappschüsse in der Trucker- Reihe auf den digitalen 36000er Film bannen müssen. Stilecht stehen wir neben den Cowboys der Landstraße. Auch, wenn unser Wohnmobil fast schon etwas mickrig neben den schweren US- Trucks wirkt.
Verstecken muss sich unser Wohnmobil dennoch nicht. Klar, wir haben keinen Truck. Aber für unsere Verhältnisse ein richtig fettes Teil unter dem Arxch!
Damit dies auch in der Heimat auch wirklich der letzte mitbekommt, ist JETZT der Moment gekommen, den schweren V10 Benzinmotor auch mal zum Leben zu erwecken! Es juckt mich halt! 😉
Gleichzeitig nehmen wir einen kleinen Viddeosnack auf, den wir über die bekannten Kanäle an interessierte Freunde und Familie in die Heimat schicken. Sollen die zuhause ruhig mal für 1,50 € den Liter Super tanken! Mit juckt hier jetzt mal, mit dem dicken V10, das Fell und wir* (wir = also eher „ich und die Jungs“! Anja hingegen weniger, wie ihr unschwer aus dem empörten Kommentar des ersten Videos entnehmen könnnt 😉 ) haben jetzt mal „Spass für ne Mark“ Oder von mir aus auch 10 Mark, wenn man den realen Spritverbrauch berücksichtgt. 😀
Nach einer guten halben Stunde Fahrt auf der Interstate 40 müssen wir gegen 14 Uhr eine kleine Zwangspause einlegen. Zum einen für zwischenmenschliche Bedürfnisse und zum anderen, um auf dem KOA in Oklahoma schonmal vorab anzurufen! Denn Anja hat die weitere Route ausgearbeitet und ist sich nunmehr sicher, dass wir es noch heute bis nach Oklahoma schaffen werden! Es sind noch etwa 300km bis dorthin. Das schaffen wir!
Also reservieren wir vorsichtshalber schon jetzt telefonisch unseren Platz. Nicht, weil wir Sorge haben, dass wir keinen mehr bekommen. Aber, weil die Rezeptionen hier in den USA offensichtlich früh öffnen und auch eben wieder früh am Tag schließen! Da ist es gut, wenn wir alles vorbereitet haben und unsere Unterlagen am „Spätankommer- Briefkasten“ schon vorfinden.
Parkplätze direkt am Highway (wie wir sie von unseren Autobahnen her kennen) sind hier in den USA übrigens wirklich Mangelware! Wenn du anhalten musst, musst du eigentlich fast immer vom Highway runter. So auch jetzt.
Zum Glück entdecken wir sofort neben der Abfahrt eine schnuckelige kleine Landtankstelle. Nicht so ein abgerocktes Ding. Nein, es sieht modern und sauber aus. Gleichzeitig wirkt diese Tankstelle aber auch so, als seien wir seit dem Sonnenaufgang vor ein paar Stunden die ersten Kunden!
Hätten wir nur etwas mehr Zeit, wir würden hier eine längere Pause einlegen! Es wirkt einfach irgendwie heimelig, harmonisch, einladend hier! Allein das Schild „Homemade Cooking“ lockt uns, hier ein richtiges gutes proud american Lunch einzunehmen! Gut, wir hatten einen Snack bei Walmart, aber das ist auch schon her! Und es war ja nur ein Snack! Aber es hilft nichts. Entweder hier lecker Mittagessen und dann bei Fort Smith etwas suchen, oder eben durchfahren, wieder Meilen auf den Tacho packen und vielleicht wieder etwas auf die Guthaben- Seite packen, damit wir es besonders im weiteren Verlauf der Reise, auf der Route 66, dann ruhiger angehen können.
Die Entscheidung fällt leicht. Wir werden gleich weiterfahren.
Dennoch möchte ich diese wahrscheinlich x- beliebige Tankstelle mit „Homestyle- Cooking“- Restaurant auch nicht unbeachtet am Wegesrand liegen lassen! Sie strahlt in ihrer Einfachheit und Beliebigkeit einfach GENAU DAS Klischee und Authentizität abseits jeglichen Touristenstroms aus, welches ich in den USA ebenso suche, wie die Touristenabfangstationen auf der Route 66. Das ist wie eine gute Kantine in Deutschland! Außenstehende kommen nie in den Genuss, den die Angestellten des Bürokomplexes jeden Tag in der Kantine auf dem Teller vorfinden. Es ist echt, es ist gut, es ist nicht für Touristen! Das MUSS ich unbedingt einfangen! Ich meine hierhin verirrt sich nach uns wahrscheinlich auf Jahre kein Deutscher mehr!
Mit der Kamera im Anschlag steige ich aus und sichte das Terrain. Das Wohnmobil vor dieser Tankstellenkulisse, das ist wieder so ein Kandidat für das Titelbild unserer Facebook- Seite, für den Beitragstag im späteren Reisebericht und so weiter.
Ich versuche also, die Szenerie möglichst von allen Seiten einzufangen, was allerdings nicht unbemerkt bleibt. Denn nachdem ich einige Bilder gemacht habe, geht die Türe des gepflegten Backsteingebäudes auf und zwei rau wirkende Damen treten heraus. Sie sind, wie ich gleich feststellen werde, die Chefin und die Köchin hier!
Die Chefin poltert als erste los und fragt, ob sie mir helfen kann. Aber nicht so, als würde sie mir wirklich helfen wollen, sondern etwa so: „Ich helfe dir gleich Freundchen hier Bilder zu machen!“ 😉
Ein Wunder, dass die im Winddschatten folgende Köchin keine Bratpfanne im Anschlag bereithält! Doch wer weiß, vielleicht steckt ja eine waschechte Pump- Gun unter dem langgezogenen Rock der Chefin! Ein falsches Wort, einmal falsch gezockt und ICH bin morgen der Eintopf im Homemade- Cooking Restaurant hier an der Interstate 40…
Die Köchin selbst ist fast noch faszinierender, als die Chefin! Selbst unbewaffnet! Sie wirkt wie ein überzeichneter Charakter aus der Zeichentrickserie „Die Simpsons“! Zum einen, weil sie nicht auf den Mund gefallen scheint. Ein amerikanisches, uriges Original aus einer amerikanischen Hinterwälder- Küche! Abgerundet wird das Klischee zum anderen durch eine fette Fluppe in ihrem Mundwinkel! Ja! Hier in den USA wird in der Küche noch geraucht! Zumindest bei den Hillbillys auf dem Land…
Ich ziehe den besten Trumpf aus der Tasche, den ich zur Verfügung habe und den ich schon mehrfach auf dieser Reise ausgespielt habe! Ich oute mich als deutscher Tourist!
Das war das Beste, was ich tun konnte! Denn sofort, nachdem sie „Tourist“ und „German“ verstanden haben, dreht die ablehnende Haltung um 180 Grad und die beiden Damen sind überraschend offen und sehr freundlich!
Bereitwillig erklären sie mir, wo ich hier wäre und was man hier, wirklich am vielleicht normalsten und schlichtesten Punkt der USA, den es gibt, tun kann. Und soll ich euch was sagen: Ich habe nur die Hälfte verstanden! Der Akzent, fürchterlich!
Aber ich meine jetzt zu wissen, dass etwa drei Meilen weiter den Georgia Ridge Drive rauf eine Alpacca- Farm geben soll! Wenn die Kinder wollen, dürften sie dort auch durchaus auf einem Alpaka reiten!
Es kann aber auch sein, dass drei Meilen den Ridge Drive rauf eine Alpaka- Metzgerei ist, wo die frisch geschlachteten Alpakas in Steakform gekauft und verköstigt werden können! Für die Kinder sei es nämlich wichtig, dass sie mal was Ordentliches zwischen die Zähne bekommen und das Steak sei dafür super geeignet. Tja, ich halte beide Varianten jeweils für sich durchaus für möglich. 😉
Was mir ebenfalls mehr wie einmal an die Hand gegeben wurde, dann die Beteuerung, dass Amerika ein „great land“ wäre natürlich. Und das wir es genau richtig machen würden, indem wir die USA besuchen und wir darüber hinaus keinen besseren Ort in den USA besuchen könnten, als eben diese Region hier! Ich frage mich innerlich ganz vorsichtig, ob sie das WIRKLICH ernst meint! Ob sie das selbst glauben, was sie gerade erzählen? Ob das der echte, unverfälschte Nationalstolz, heruntergebrochen auf eine Ebene des Lokalstolz wie man auf sein County eben stolz sein kann, ist, von dem man sich in Europa erzählt. Und ob Sie sich Ihrer realen Stellung in den USA bewusst ist?! Ja ob sie überhaupt mal etwas anderes gesehen haben, was weiter als die County- Grenze entfernt liegt…
Natürlich sind sie auch neugierig und fragen mich natürlich, was mir hier gefällt, warum wir hier sind und so weiter.
Ich traue mich fast nicht zu sagen, dass wir noch mindestens 300km bis nach Oklahoma weiterziehen möchten und so gar kein Interesse an ihrem Landstrich haben. Egal, ob die Kinder hier nun Alpakas streichen oder verzehren (oder beides) können. Unter anderen Umständen vielleicht. Ich meine man soll ja offen für alles sein! Und wie gesagt, eine echte, authentische und nicht für Touristen zubereitete Homemade Soup ist noch immer verlockend. Nur die Zeit ist es, die fehlt!
Es ist daher in dieser Situation gut, dass es mir gelingt mich höflich Schritt für Schritt aus der Konversation zurückzuziehen, ohne dass unser Außenminister beim nächsten Staatsbesuch in den USA die Wogen glätten müsste.
Nach einer wirklich freundlichen Konversation verabschiede ich mich ins Wohnmobil. Wir müssen weiter.
Flugs ziehen wir wieder auf der Interstate 40 gen Westen unsere Bahn und schon nach wenigen Minuten der Tristesse, die die Interstate 40 hier seit Dutzenden von Meilen bereithält, bereue ich es doch weitergefahren zu sein.
So ein echtes Homemade- Cooking, das hat uns schon einmal ein richtiges gutes Essen beschert! Genau in diesem Moment fällt mir das wieder ein. Damals in Schottland! Da war es eine Empfehlung aus dem WOMO- Reiseführer, der uns in eine kleine Suppenküche, genauer ins Coach & Coffeehouse in Luss geführt hat. Dort probierten wir die „Homemade Soup of the day“ und ich habe das Gefühl, dass wir GENAU DAS, also ein echtes, gutes, authentisches Mittagessen in den USA, soeben verpasst haben. Trotz eines wahrscheinlich wissenschaftlich nachweisbaren gewissen Nikotinanteils neben Asche im Essen.
*grmpf!*
Die Tristesse der Interstate wird die nächsten 300km eigentlich nur noch durch ein besonderes Highlight des Tages unterbrochen.
Wir knacken die 1000 Meilen! HAMMER!
Das ist bereits knapp die Hälfte der ungefähr geplanten 2.200 Meilen, die wir von Chicago bis nach Las Vegas MIT dem Umweg über Little Rock zurücklegen müssen! Und heute ist gerade mal der vierte Tag im Wohnmobil! Wir haben noch ganze 11 Tage Zeit, die noch verbleibenden 1200 Meilen abzuspulen. Na, wie findet ihr das? Was wurde uns in Foren und Communities im Vorfeld doch mitunter eindringlich geraten, dass die Tour in 14 Tagen nicht vernünftig zu machen sei! Man würde nur fahren und so weiter. Klar müssen wir fahren! Das wäre aber auch bei drei Wochen nicht viel anders gewesen. Einmal Homemade- Cooking haben wir heute verpasst, ja! Stimmt. Aber wenn dafür der Rest der Zeit die Landschaft schön, die Sehenswürdigkeiten super und die Route 66 klasse wird, ist es jeden Aufwand wert!
Gegen kurz vor 5 erreichen wir Oklahoma. Zum Glück liegt der KOA nicht nur etwas abseits am Stadtrand, sondern auch noch auf „unserer“ östlichen Seite der Stadt. So müssen wir nicht einmal durch die ganze Stadt kurven, was uns vorgestern in Little Rock beinahe die Kontrolle über die Situation gekostet hätte! Nach einem langen Fahrtag im brummigen Wohnmobil nochmals so viele Reserven aktivieren, um eine komplette Stadt im Dunkeln durchqueren zu müssen, das macht keine Freude! Hier aber ist es einfach. Der KOA liegt nicht nur fast direkt neben der Interstate, es ist sogar noch ein bisschen hell vom Tag! Super! Da können die Jungs gleich noch eine schöne Runde draußen spielen und die Annehmlichkeiten des Spielplatzes und vielleicht sogar vom Pool genießen! Wir sind gespannt!
In der urigen Rezeption, die zu unserer Freude sogar noch geöffnet ist, schauen wir uns um. Neben der Möglichkeit des Eincheckens gibt es eine kleine Auswahl an Souvenirs zu kaufen. Tassen, Schmuck, T- Shirts. Das Angebot erlaubt zumindest, eine Augenbraue zu heben, denn von unseren europäischen Campingplätzen kennen wir es eher so, dass man in den Rezeptionen eher mal eine Dose Pichelsteiner Eintopf oder auch mal ein Kännchen Toilettenchemie beziehen kann. Zu stark überteuerten Preisen versteht sich.
Campingzubehör oder die Notfallversorgung ist hier hingegen überschaubar, stattdessen dominieren Kleidung und Souvenirs.
Aus den angebotenen Souvenirs findet eine Magnettafel unsere Aufmerksamkeit. Sie zeigt die Umrisse der vereinigten Staaten von Amerika. Dazu kann man dann passend die einzelnen Bundesstaaten als Plättchen kaufen und diese auf der Magnettafel dann zu einem bunten Amerika zusammensetzen. Das gefällt uns! So etwas müsste es auch von Europa geben! Wir überlegen kurz, ob wir uns diese Tafel kaufen sollen. Aber uns wird wieder einmal bewusst, dass diese Reise hier mehr oder weniger eine einmalige Sache ist. Wir würden mit diesem Trip zwar eine gute zusammenhängende Grundbasis an amerikanischen Staaten schaffen, die nächsten Jahre aber ist nicht zu erwarten, dass wir die dann noch große Mehrheit der fehlenden Bundesstaaten der USA zusammen bekämen! Dafür fehlt uns zum einen das USA- Faible, natürlich auch die passende Brieftasche und die Zeit. Also lassen wir das mit der Tafel. Bevor wir diese wie J.S. Bach als eine Art Symphonie anfangen, die wir am Ende aber unvollendet zurücklassen müssen…
Der Check- In verläuft ohne Probleme. Wir bekommen einen schönen Platz zugewiesen, der auch nah genug und in Sichtweite zum Spielplatz liegt, dass wir die Kinder dorthin alleine losziehen lassen können.
Ist eine überschaubare Anlage! Schade nur, dass die Sonne jetzt doch mit großen Schritten dem Sonnenuntergang entgegen geht. Mit jedem Zentimeter (oder besser Inch), den sie sich dem Horizont nähert, wird es kühler! Es ist eben einfach noch nicht Sommer! Auch, wenn wir diesen so sehr herbei sehen. Aus der fixen Idee vielleicht sogar den Abendbrottisch draußen zu decken, können wir uns heute Abend leider wahrlich verabschieden. Schade.
Nun, die Kinder sind, mit kuscheligen Fließjacken ausgestattet, recht schnell in Richtung Spielplatz verschwunden und so haben Anja und ich etwas Zeit, das Wohnmobil ein wenig heimelig herzurichten und im Anschluss daran den Platz zu begutachten.
Leider ist der Pool, wie es zu erwarten war, ohne Wasser. Ist eben ein Freibad- Pool und dafür wäre es, selbst mit Wasser, einfach zu kalt. Dafür aber stechen aber die Waschräume heraus! Es sind Einzelkabinen, die mit einem Zahlencode geöffnet werden. Viel besser als die Gruppenduschen, die wir von den bisherigen beiden Campingplätzen her kennen. Auch hier setzt sich übrigens der urige Landhausstil, der uns schon in der Rezeption begegnet ist, fort. Auch, wenn es nur eine Fassade ist! Denn fast alle Holzapplikationen bestehen aus Kunststoff und nicht wirklich aus Holz. Macht aber nichts, denn die Replik ist nicht schlecht gemacht und hält einem ersten flüchtigen Blick durchaus stand. Fast so, als seien das hier alles kleine Holzfällerhütten, die der Großvater von Heidi auf seinem USA- Urlaub seinerzeit noch mit eigenen Händen gezimmert hat. Es wirkt, wenn auch unecht, auf jeden Fall dennoch sehr gemütlich!
Während sich unsere Campingreihe mit weiteren eintreffenden Wohnmobilen füllt, bereiten wir das Abendessen vor. Heute gibt es Spareribs! Wir haben die Schalen mit den leckeren Spareribs im Walmart entdeckt und gleich zwei Stück mitgenommen. Angeblich direkt ofenfertig, aber nachdem ich Verpackung geöffnet habe, fehlt mir die Alu- Schale, um die Teile in den Ofen zu schieben! Fleisch und Marinade liegen jedenfalls in einer Kunststoff- Schale. Das schmilzt doch im Ofen, oder?!
Erst nach längerem Studium der Zubereitungsanleitung bin ich fast sicher, dass die Spareribs tatsächlich mit der Kunststoffschale in den Backofen müssen! Auch bei einem Gasbackofen. Na, wenn das mal stimmt…
Mehr wie einmal öffne ich im anschließenden Garprozess den Ofen um mich davon zu überzeugen, dass die Kunststoffschale auch wirklich nicht schmilzt und auf den Rost herab tropft! Roadbear fände das wohl weniger lustig, wenn der schöne neue Gasbackofen im Wohnmobil mit geschmolzenem Plastik durchsetzt wäre! Aber: Die Dinger schmelzen zu unserer Überraschung tatsächlich nicht und halten die Hitze aus! Respekt! Proud american Plastikschale!
Hab ich auch noch nicht gesehen! Und dürfte sicherlich einer Zersetzung später als Abfall bei einer Resistenz, die sogar Ofentemperaturen standhält, noch weniger zuträglich sein, als der sowieso schon überbordende Plastikmüll hier in den vereinigten Staaten…
Das geschmackliche Ergebnis ist allerdings, ganz bescheiden und ohne Untertreibung gesagt, ein wahrer Traum!
Warum gibt es solche leckeren Köstlichkeiten nicht bei uns zuhause? Ich meine klar, gute Spareribs haben wir auch zuhause natürlich schon gegessen. Aber nie zur Selbstzubereitung im eigenen Ofen! Warum ist es nun mehr wie einmal so, dass Fertigfutter in den USA, bei der Pizza haben wir das ja schon bemerkt, so dermaßen vorzüglich schmeckt?! Sind es Geschmacksverstärker, die in der EU auf dem Index stehen? Oder ist es bessere Qualität, wie uns passend zum Abendessen die Fernsehwerbung verkaufen möchte?
Nach dem Essen bringen wir die Kinder allmählich ins Bett.
Als es ruhig wird im Wohnmobil, gehen Anja und ich die weitere Route durch. Ab morgen folgen wir ja nun ENDLICH der Route 66 und da möchten wir natürlich so viele Sehenswürdigkeiten mitnehmen, wie es nur geht!
Klar, dass wir uns im Vorfeld zu dieser Reise zuhause schon einige Ziele aus unseren Reiseführern und Internetlinks herausgeschrieben haben! Das hilft uns jetzt, wo wir den Reiseführer ein zweites eigentlich unnötig Mal wälzen, schonmal weiter! Denn an ALLES haben wir bei unserer Packorgie zuhause gedacht! NUR die vorbereitete Liste mit den ausgesuchten Reisezielen auf der Route 66, die liegt natürlich sicher und behütet zuhause auf dem Esstisch und beginnt dort wahrscheinlich bereits den Vergilbungsprozess! WIE BLÖD!
Reisegedanken des Tages: Auf dem Highway: Da fragt man sich wirklich, was der amerikanische Präsident mit Strafzöllen gegen deutsche Autos bezwecken will! Ernsthaft! Habe ich die Markenverteilung bei Autos rund um Chicago, Indianapolis oder Memphis noch für lokale Phänomene gehalten, muss ich nun spätestens auf dem Weg nach Oklahoma aber mal wirklich neutral anmerken, dass hier gar nicht so viele deutsche Autos herumfahren!
Überhaupt sind es sehr wenige europäische Autos, die hier vorbeifahren. Peugeot oder Citroen sieht man praktisch gar nicht. Gelegentlich mal einen Mercedes. Einen BMW oder einen Audi oder mal einen VW. Aber das ist eher selten. Was sollte ein Handelskrieg mit Strafzöllen für deutsche Autos dann bringen? Die klare Mehrheit der PKWs auf der Straße sind natürlich amerikanische Fahrzeuge! Dann aber folgen mit gutem Anteil japanische oder eben auch koreanische Fahrzeuge wie Honda, Toyota oder Hyundai! Nix European. Asian!
Einzig Volvo sieht man noch gelegentlich. Sowohl als PKW und auch, das ist etwas Besonderes bei den ganzen sonst üblichen Langhauben- Peterbilts, Kenworths und Freightliners- Trucks: Volvo als Truck! Offenbar wird der schwedische Lastwagen hier geschätzt.
Meilen bei Abfahrt 781,3
Meilen bei Ankunft: 1.101,2
Gefahrene Meilen: 319,9 = ca. 515km