Heute wird wohl ein richtig warmer Tag in Südengland werden! Noch keine 8 Uhr und wir reißen schon unsere beiden großen Dachluken auf! Puh! An Schlaf ist kaum noch zu denken. Und daran ist wirklich nicht die Eisenbahn schuld, die in unmittelbarer Nähe vorbei fährt und irgendwann heute früh ihre Arbeit wieder aufgenommen hat.

Scheint so, als würden die Personenzüge nicht die ganze Nacht durchfahren, sondern eben nur bis in den späten Abend und dann ab dem frühen Morgen wieder. Güterzüge, die ja für gewöhnlich noch mehr Krach machen, haben wir sogar gar keinen gehört. Das eine Bahnstrecke in unmittelbarer Nähe zu diesem Campingplatz verläuft, kann man wirklich fast vernachlässigen. Ich hab normalerweise einen leichten Schlaf und selbst nachts durchlaufende Kühlboxen können mich an den Rand des Wahnsinns treiben. Aber hier nicht. Eingeschlafen, durchgepennt, entspannt aufgewacht. Alles super! Mit Ausnahme der fast minütlich zunehmenden Wärme. Da können wir auch gleich aufstehen, im Bett weiter die Matratze vollschwitzen macht jedenfalls keinen Sinn mehr.

Früh aufstehen passt aber super, denn wir wollen ja heute deutlich früher in Poole ankommen, als wir gestern im Hafenstädtchen Weymouth eingetroffen sind.
In Weymouth war mittags ja schon alles voll und kein Parkplatz mehr zu bekommen. Das soll uns mit Poole heute nicht passieren, deswegen ist es gut so, dass wir früher aufstehen.

Nach dem Aufstehen, einer kurzen erfrischenden Dusche (jaaaa, noch immer bin total happy darüber, dass man die Temperatur regeln kann!) und dem Beseitigen der Spuren der Nacht machen wir Frühstück. Und da wir gut in der Zeit liegen, darf es heute wieder etwas „britischer“ sein! Wir brutzeln uns herzhaften Speck, dazu Rührei und heute sind zur Abwechslung sogar Bohnen dabei. Eine Dose Frühstücksbohnen, der sogar schon kleine Würstchen zugesetzt sind. Fast ist das englische Frühstück also wieder perfekt, welches wir natürlich draußen im Freien genießen.

Nach dem Frühstück teilen wir uns dann wieder die Arbeit. Das hat noch am besten funktioniert und ist effizient. Statt beide am und im Wohnmobil zu arbeiten und die Kinder dabei „zwischen den Beinen“ zu haben, marschiert Anja mit der Truppe rüber zum Spielplatz und ich spüle und stelle danach die Abfahrbereitschaft unseres Wohnmobils her.

Tatsächlich sind wir, als wir startklar zur Abfahrt an der Ausfahrt des Campingplatzes bereit stehen, eine Stunde früher als sonst üblich unterwegs! Schon um 11 Uhr rollen wir vom Platz!
Für Weymouth würde wohl sehr wahrscheinlich selbst das nicht reichen, aber das heutige Tagesziel, Poole, ist ja auch nicht so groß wie Weymouth. Dafür aber möglicherweise deutlich interessanter! Denn der Reiseführer weiß zu berichten, dass Poole eine Stadt mit Piratengeschichte ist! Das ist doch was für Nils! Planken, Totenköpfe, Augenklappen und Gummi- Säbel. Wenigstens aber eine sehenswerte Altstadt, Kai und Uferpromenade, flankiert von Stränden. Perfekt eigentlich, um die Scharte mit Weymouth auszumerzen.
Beim Frühstück haben wir zwar nochmals überlegt, ob wir wirklich doch ein weiteres Mal das Panzermuseum in Bovington besuchen und uns heute einfach mehr Zeit hierfür nehmen, aber im Großen und Ganzen haben wir alles gesehen. Wenn auch nur im Schnelldurchlauf. Heute würden sich viele Dinge daher wiederholen. Einzig ein zweiter Holzpanzer wäre interessant. Dieses Mal dann den britischen Churchill mit dem drehbaren Turm.
Aber wirklich brauchen tun wir diesen ja auch nicht und Nils hat ja sein Souvenir.
Also weiter!

Keine 30km sind es vom Whitemead Campground bis nach Poole. Wir umfahren die Holes Bay und steuern dann direkt auf das Zentrum und den ausgeschilderten Fährhafen zu. Sowohl zu den Kanalinseln, als natürlich auch nach Frankreich kann man von hier aus einschiffen und wenn es einen Industriehafen gibt, gibt es auch Platz. Das sind erstmal gute Vorzeichen, dass wir mit dem Wohnmobil hoffentlich auch ein Eckchen finden und parken können. Schauen wir mal.

Infobox Poole:
Poole blickt auf eine jahrhundertelange Geschichte zurück, es wurde 1248 erstmals urkundlich erwähnt, wobei Fundstücke auf Siedlungen bis in die Eisenzeit zurückreichen.
Besondere geografische Verhältnisse in der Bucht ermöglichten früh Schifffahrt durch einen geschützten Naturhafen, insbesondere der Handel mit Wolle blühte auf. Auch heute noch ist Poole ein bedeutender Hafen im Kanalverkehr. Klar, Poole ist nicht Dover, aber es fahren einige Fährlinien von hier aus ab.
Poole ist heute ein beliebter touristisch geprägter Ort. Lange Strände (mit blauer Fahne ausgezeichnet), eine belebte Promenade und der kleine Hafen laden zum Bummeln ein. Unser Reiseführer spricht sogar von einer historischen Stellung als ehemaliges Piratendörfchen! Dies war ausschlaggebend für unseren Besuch. Wirklich gefunden haben wir Piratengeschichte nicht, bzw. nur rudimentär, doch dazu gleich mehr. Totenkopflagge und das Schiff von Jolly Roger sollte man allerdings nicht erwarten. Aber für ein nettes Städtchen, Strand und vielleicht etwas Krabbenfischerei, dafür ist Poole ein guter Ausgangspunkt an der Kanalküste.

Meine Hoffnung auf einen tollen promenadennahen Parkplatz wird gleich bei der Einfahrt und Orientierung in Richtung Zentrum arg getrübt! Schon früh entdecken wir eine ähnliche Beschilderung, die wir auch gestern in Weymouth vorgefunden haben. Und mehr noch: Nicht nur ein einfaches „Anwohner Parken“ verbietet uns das Abstellen des Wohnmobils, nein, explizit ist das Parken in einem kostenpflichtigen Bereich (Ticket am Automaten) für Wohnmobile (Motor Caravans) verboten!!
Na das sind ja hervorragende Aussichten!

Zum Glück  geben wir auch heute nicht so schnell auf und folgen der Straße erstmal, bis wir den Harbourside 1 Pay & Display Car Park erreichen.
Und hier finden wir ein äußerst großzügiges Parkareal, wo wir auch mit dem Wohnmobil stehen dürfen! Yeah!
Aufpassen muss man allerdings schon, denn nur der Mittelteil ist für Wohnmobile zugelassen, also in etwa 15 Plätze. 5 davon auf der exklusiven Seeseite, etwa 10 weitere Buchten gegenüber auf der anderen Parkplatzseite. Aktuell sind nur wenige Buchten belegt, es reicht also. Das Areal selbst ist zweifellos deutlich größer, allerdings sind die Parkbuchten im hinteren Teil, wo mehrere Längsbuchten zur Verfügung stehen und Luxusliner- Fahrer ihre wahre Freude dran hätten, auf Bootstrailer beschränkt!
Da sollte man also genau aufpassen, dass man die richtige Parkbox erwischt. Sonst werden gleich mal 70 Pfund fällig!
Das Parken selbst wird stundenweise abgerechnet, gezahlt wird im Voraus am Automaten, der Aufenthalt ist auf maximal 18 Stunden begrenzt. Das ist ein bisschen blöd, weil wir noch gar nicht wissen, wie lange unsere Stadtbesichtigung und unser Besuch dauern wird. Wir rechnen mal mit 2 Stunden. Sollten wir länger bleiben, müssen wir eben nachwerfen.

Wir parken zunächst auf der abgewandten Seite, wechseln dann aber doch noch zur Seeseite. Vielleicht bleiben wir auch nach dem Besuch von Poole noch ein paar Stunden hier und lassen die Kinder am Steinstrand vor dem Wohnm,mobspielen. Dann wäre der Platz in der ersten Reihe am Wasser natürlich perfekt.
Zunächst aber möchten wir uns Poole anschauen, in historische und spannende Piratengeschichten abtauchen, Schmuggler und Freibeuter treffen. Vielleicht gibt es „auf urig“ gemachte Bars am Hafen, wo wir den Kindern ein bisschen „gestelltes Abenteuer“ mit Freizeitparkatmosphäre zeigen können! Das wäre super!

Eine leichte Brise weht von der Meeresseite auf die erwärmte Promenade. Ein richtig schöner, fast schon zu heißer Sommertag! Da wird auf jeden Fall gleich ein Eis fällig! Wir haben zwar noch kleine Eis am Stiehl in unserem wohnmobileigenen Gefrierfach vom Kühlschrank und natürlich nehmen wir uns eins für den laaaaaangen und beschwerlichen Spazierweg auf der Promenade mit, aber so ein richtiges Eis im Hörnchen und vielleicht einem Schlacks Sahne, oder ein leckeres Softeis, das ersetzt das kleine Stieleis natürlich nicht. Also auf in die Altstadt zu den Piraten!
Zunächst aber müssen wir den Kilometer bis zur Promenade, genannt „The Quay“ zurücklegen und spazieren mit schönem Ausblick auf das Wasser und zahlreiche dümpelnde Schiffe, Freizeitjollen wie  auch kleine Fischerboote, in der Bucht vor uns hin.

Das erste, was wir dann auf der befestigten Ufermauer erkennen, sind Angler! Bestimmt ein gutes Dutzend.
Aber keine gewöhnlichen Angler, sondern mehrheitlich Kinder, die mit Netzen versuchen Krebse aus dem Wasser zu fischen. Gleich daneben findet sich ein Hafenkiosk, der neben dem für Kioske üblichen Sortiment eben auch Ausrüstung zum Fischen von Krebsen verkauft. Von Kescher bis zum Eimer, sogar Köder für Krebse gibt es! Alles da. Und scheinbar gibt es sogar so viele Krabben, dass auch diese kleinen Hobbyangler noch immer genügend Krabben aus dem Wasser fischen, obwohl wir nicht nur am Hafen bei den Booten, sondern auch hier am Kai zahlreiches professionelles Equipment für die Krabbenfischerei vorfinden.

Würden wir uns nicht primär das Städtchen anschauen wollen, wir würden es wohl auch mal versuchen! Man muss die Krebse ja nicht gleich essen, man kann sie hinterher ja auch wieder frei lassen. Wir haben eh keine Ahnung, wie man Schalentiere isst! Sie werden gekocht, das wüssten wir noch. Und als Urlaubserinnerung wäre so ein Krebs auf dem Teller sicherlich ein echtes Highlight! Aber ob wir den dann auch essen könnten ohne uns zu ekeln oder gar unter den Tisch zu göbeln?
Wahrscheinlich nicht, wir sind eben schlicht und ergreifend Systemfoodkonsumenten. Bitte schön handlich, verpackt, zerlegt und bis zur Unkenntlichkeit als Brikett wieder zusammen geklebt, dass man nur durch den Packungsaufdruck erahnen kann, welches Tier (oder Tiere) dieses Fleischprodukt ursprünglich einmal gewesen ist. Aber „natürlich“? Wir? Hmm. Anja isst ja z.B. Fisch noch nicht einmal, wenn Kopf und Schwanz noch dran sind!
Nein, Krebse fangen wir heute keine. Macht aber auch nichts. Weiter geht´s.

Unmittelbar an den Krebskai schließt auch schon die kleine urige Promenade an. Sie ist ordentlich belebt, vor den wenigen liebevoll erhaltenen Tavernen mit rustikalen Namen wie „Lord Nelson“, „John Sailor“ oder einfach nur „The Quay“ sitzen die Leute unter diversen bunten Sonnenschirmen und genießen den Mittag bei kühlen Getränken oder leichten Gerichten.
Puh, es wird wirklich ordentlich warm heute, total untypisch für England irgendwie! Da fühlt man sich fast nach Spanien versetzt!
Wir spazieren die Promenade einmal entlang in der Hoffnung, einerseits irgendwo ein leckeres Eis abgreifen zu können und andererseits um vollends in die historische Zeit der Schmuggler und Piraten eintauchen zu können, die uns diese Promenade bereits vermittelt. Wir sind gespannt, ob wir ein tolles Altstädtchen finden, wo früher Holzbeine über Kopfsteinpflaster geschlurft sind und wo Piraten mit Augenklappe und Papagei auf der Schulter die geraubten Juwelen der spanischen Armada mit einem „pssst, pssssst!“ anbieten werden.

Die wenigen bunten und verwachsenen Häuser, oder besser Hausfassaden, enttäuschen uns jäh an der nächsten Ecke. Alles nur Show! Abrupt wird die belebte Promenade zu einer ganz normalen Hinterhofgasse, die man so auch im Innenhof einer Wohnlandschaft in Köln- Kalk vorfinden dürfte. Trist und etwas ungepflegt. Hier verirrt sich offenbar kein Tourist hin, was eigentlich erstaunlich ist! Denn es sind wirklich nur wenige Schritte vom wirklich hübsch anzusehenden Kai, der aber zugegeben aus nicht mehr als 5, 6 Häusern besteht. Wir drehen um und vermuten viel mehr, dass der Kai möglicherweise eine Art „Ende“ einer anderen idyllischen realitätsfernen Seefahrer- Romantik- Gasse darstellt. Wir müssen nur deren Eingang finden, um in das 16. Jahrhundert zu den Piraten abtauchen zu können! Zunächst sieht es auch tatsächlich so aus, als wir in die High Street abbiegen. Zwar wirkt diese nicht gleich so, als würden wir uns wirklich in einem Piratenstädtchen bewegen, allerdings gibt es das totale Seefahrer- und Piratengefühl, wie man es aus alten Mantel- und Degenfilmen mit „Der Seeräuber“ oder „der rote Korsar“ kennt. Wahlweise vorzufinden in einem Freizeitpark wie der Themenwelt „Pirates of the Carribean“ im Disneyland Paris, oder eben, wie ich dank Nils‘ Weihnachtsgeschenk miterleben durfte, aus dem Playmobil- Karton.

Schade, dass es wirklich nur diese wenigen Häuser hier am Kai sind!
Vielleicht erwarten wir an dieser Stelle aber auch einfach zu viel! Es ist eben nicht nur ein historischer Ort, wo ausschließlich Piratengeschichte wieder lebendig werden soll, sondern eben auch ein Ort der Neuzeit, der sich weiterentwickelt hat! Schmugglerverstecke machen heute, durch den „Siegeszug“ der digitalen Kriminalität, nunmal keinen Sinn mehr und lodernde Fackeln zum Beispiel, die an Häuserwänden typisch für karibische Piratenstädtchen im Sonnenuntergang wären, wird hier jeder Brandschutzinspektor wahrscheinlich sofort unterbinden und ein saftiges Bußgeld ausstellen.
„Rettung“ erhoffen wir uns vom Heimatkundemuseum von Poole, welches wir unmittelbar in der High Street vorfinden.
Was besonders toll ist: Der Eintritt ist kostenlos!

Die Ausstellung im Museum gliedert sich über mehrere Ebenen des Gebäudes. Das Atrium im Erdgeschoss ist Eingangsbereich und Shop zugleich. Auf der ersten Etage findet sich die Stadtentwicklung in der Geschichte. Handel, Schiffe, Fischerei.
Die zweite Etage zeigt pauschal „Menschen bei der Arbeit“, die komplette dritte Etage widmet sich Lehm und Töpferei, offenbar auch eine (uns bislang unbekannte) tragende Säule der Geschichte der Stadt.
In der vierten und fünften Etage finden sich Museumsverwaltung und Tagungsräume.
Aha.
Und wo sind die Piraten? Vielleicht pauschal bei „Menschen bei der Arbeit“? Das wären aber Töpfer auch. Die wahrscheinlichste Variante ist also Etage 1, See- und Schifffahrt in Poole, auch wenn es nicht drauf steht. Ist bestimmt ein alter Trick es nicht dran zu schreiben. Piraten würden ja auch keinen Wegweiser aufstellen, um den Weg zu ihrem Geheimversteck zu offenbaren. 😉

Die erste Etage ist sehr gedrungen, besonders für meine 190cm Lebendgröße! Scheinbar ist das Gebäude hier richtig alt, obgleich es von innen modern und renoviert wirkt. Aber die Deckenhöhe, die sicherlich noch aus der Gründerzeit stammt und an vielen Stellen mit Schutzdecken und Schaumstoffen versehen ist, ist nichts für mich gestandenen Mitteleuropäer!

Mit leicht eingezogenem Kopf bestaunen wir die ersten Ausstellungsstücke, die sich tatsächlich mit der Stadtgeschichte beschäftigen. Angefangen bei den der Stein- und Eisenzeit und relativ zügig im Übergang zu den Römern. Klar, aus der Steinzeit sind ja, außer ein paar Faustkeilen, nicht wirklich viele Ausstellungsstücke erhalten.

Umso spannender ist nun natürlich das Seefahrer- und Kolonialzeitalter! Und ernüchternd! Wieder keine Piraten! Ja Herrschaft, wo sind die denn? Der Reiseführer hat uns doch vollmundig das Städtchen Poole als Piratenstädtchen angekündigt!
Nun aber geht es um Fischerei und Handel!
Klar, das liest sich auch toll. Poole war schon im römischen Zeitalter Umschlagplatz für Waren vom Kontinent und für den Kontinent. Gleiches gilt auch für das Mittelalter, besonders der Handel mit Spanien, Italien und Holland war beliebt. Frankreich offenbar weniger! Denn sie finden sich der Statistik, die wir aus den Info- Tafeln entnehmen, nicht wieder (auch nicht Länder in Frankreich wie Burgund o.ä.).

Auch für Kinder gibt es immerhin ein paar Spielmöglichkeiten. Obgleich das Museum mehrheitlich dem Stil „rote Samtschnur an goldenen Pollern mit Schild |Bitte nicht betreten|“ folgt, gibt es immerhin hier und dort kleine Spieltische für Kinder. Eines gleicht einem Murmelbrett, wo man durch Verschieben von Platten versuchen muss, eine Kugel über die Weltmeere zu balancieren. Die wirklich spannenden Ausstellungsstücke aber, wie z.B. Ruderboote (richtige Schiffe gibt es in diesem Museum gar nicht), dürfen aber wirklich nicht betreten werden. Klar halten sich die Jungs dran, aber im Großen und Ganzen müssen wir schon aufpassen hierauf! Für ganz kleine Kinder ist das Museum daher wirklich nur bedingt geeignet. Zumal wir ja auch die spannenden Geschichten rund um die ausgestellten Stücke erfinden müssen! Die Köpfe, die hier mit schulterlanger Lockenfrisur auf Bildern ausgestellt sind, sind für Kinder eben nur altbackene Gesichter! Und keine Händler oder Bürgermeister mit zugehörigen Jahreszahlen.
Diese nun lebendig werden zu lassen, den Kindern hierzu etwas zu erzählen, dass es sie mitnimmt, ist gar nicht so einfach! So dichten wir den berühmten Söhnen und Töchtern der Stadt am Ende Geschichte an, die es so wahrscheinlich nicht gegeben hat. 😉

Am Ende des Rundgangs entdecken wir dann doch noch Piraten! Endlich!
Allerdings ist die Auswahl sehr ernüchternd! Gerademal eine Hinweistafel erzählt ihre Geschichte und Bezug zu Poole! Und davon ist noch nicht einmal alles im vollständigen Piratenbezug zu sehen, denn die Tafel beginnt mit einem Wikingerüberfall im Jahr 1015 n. Chr. Hmm.
Auch der Rest ist recht trocken und emotionslos dargestellt. Wir haben einen Freibeuter im Auftrag des Königs und vielleicht einen Piraten, der es zu einer gewissen regionalen Popularität gebracht hat. An einen Klaus Störtebecker, Francis Drake oder Henry Morgan kommt der lokale Pirat Harry Paye offenbar nicht heran.
Das einzige, was sich darüber hinaus noch mit Piraten in Verbindung bringen lässt, ist ein Modell eines schnellen Kriegsschiffes, eine Art Küstenwache mit wenig Tiefgang und knapp einem Dutzend Kanonen. Das Schiff wurde allerdings eher gegen unbewaffnete oder nur leicht bewaffnete Schmugglerschiffe eingesetzt und sollte diese aufbringen. Seegefechte? Eher Fehlanzeige.

Gut, da haben wir uns mehr von Piraten in Poole versprochen! Davon abgesehen ist das kleine Heimatmuseum einen Besuch wert, zumal der Eintritt nichts kostet. Wer hier richtig Zeit verbringen will, kann sich mit der (für uns eher uninteressanten) zweiten Etage, wo es um Lehm und Töpferei geht, noch tiefer mit der Heimatkunde Pooles auseinander setzen. Ruhige Geher und Betrachter schaffen hier locker 2 Std, auch 3, wenn man dem Shop die gleiche Aufmerksamkeit angedeihen lässt.
Wir aber sind noch nicht fertig mit den Piraten, der Reiseführer würde Poole ja wohl kaum zur Piratenstadt erkoren haben, wenn sich nicht ein paar mehr Hinweise finden lassen, als eine Infotafel und ein Abwehrschiff gegen Schmuggler in einer Vitrine! Vielleicht suchen wir einfach nur an der falschen Stelle! Unser nächstes Ziel soll daher die Old Town sein. Vielleicht ist es eine Altstadt, die noch sehenswerte alte Piratentavernen und Häuser zu bieten hat. Eine Viertelstunde, nachdem wir das Museum betreten haben, stehen wir auch schon wieder draußen.

Wir folgen den schmalen Gassen und finden eine merkwürdige Kombination aus traditioneller Bauweise und Tristesse der 70er Jahre vor. Morbider Charme, der die schmale Gratwanderung zwischen Verzückung und Abstoßung entlang schlendert. Einige geben sich Mühe mit ihren Häusern, andere sind schlichtweg verfallen. Mal könnte eine Taverne mit geschwungenen Lampen und rustikalen grob verarbeiteten Steinwänden wirklich aus Tortuga stammen, mal erscheint ein Fisch- Schnellimbiss wie aus einem schmierigen, dreckigen Hafenviertel in Dover von den Docks entnommen.
Ansonsten ist die Altstadt rund um die St. James Kirche eher nüchtern! Roter Backstein, weiße Fensterläden und einige farbliche Akzente bei den typischen Holztüren. Wir bemühen uns, die schönsten der Gassen und Häuser zu fotografieren, um euch wirklich die besten Seiten von Poole zu präsentieren. Im Nachgang hätten wir diese Selektion lieber ausgelassen und auch mal das Gegenteil von dem gezeigt, was wir in den folgenden Bildern für euch zusammengestellt haben. Denn so entsteht irgendwie der Eindruck, Poole sei besonders sehenswert. Klar, Poole ist als Küstenstädtchen sehenswerter als die Kaianlagen im Fährhafen von Dover, aber die Bilder zeigen euch ehrlich gesagt mehr, als Poole wirklich zu bieten hat. Es sind einzelne Farbtupfer in einem ansonsten grauen Bild.
Mehr nicht.

Mag natürlich sein, dass unsere Enttäuschung über das Ausbleiben der angekündigten Piraten unser eher vernichtendes Urteil zu Poole beeinflusst. Wir sind sogar sehr sicher, dass dies so ist. Wer unvoreingenommen nach Poole reist, wird dies vielleicht anders empfinden. Die herausragende Stellung aber, die seitens des Reiseführers dem Dörfchen Poole bescheinigt wird, dem wird Poole nicht gerecht.

Die St. James Kirche hätten wir uns gerne noch von innen angeschaut! Sie wirkt zwar zu neu, um Spuren zum Verbleib des heiligen Grals zu beinhalten, aber an so warmen Tagen wie heute können Kirchen für einen Moment nicht nur seelisches Wohl, sondern auch leibliche Abkühlung verschaffen. Leider ist die öffentliche Besichtigung (Di. – Fr. 09:30 Uhr bis 13:00 Uhr) knapp vorbei. Naja. Pech.

Wir beschränken uns daher auf eine kleine Rast in der kleinen parkähnlichen Anlage vor der Kirche und bewundern ein stattliches Herrenhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es erinnert ein wenig an das Haus von Hr. Sesemann in Frankfurt! Sesemann? Frankfurt? Na das Haus halt, wo Heidi in der alten Zeichentrickserie (die aus Asien) vom Berg und von Opa Almöhi weg musste, um eine Zeitlang als Spielkameradin von Klara im Haus der Sesemanns in Frankfurt zu wohnen. Das Haus hier könnte man fast als Vorlage nehmen:

Über kleinere Gassen erreichen wir später die Market Street. Auch hier finden wir wieder einzelne schöne Häuser, die wir natürlich auch gerne bewundern und anschauen. Aber auch hier sind es wieder nur einzelne Häuser, die aus einer Reihe langweiliger Tristesse heraus stechen. Es passt irgendwie nicht zusammen! Wie Sahne auf Erbsensuppe. Wir sind auf dieser Tour durch Orte durchgefahren, wo es deutlich mehr anzuschauen gab! Wo nicht einige wenige Häuser eine Fassade aufrechterhalten, die eigentlich gar nicht existiert! Piraten? Pfft! Hier jedenfalls nicht! Ein Glück, dass Nils nicht allzu enttäuscht ist! Und falls er doch noch betrübt sein sollte, wir haben ja noch Eis im Wohnmobilkühlschrank. 😉

Auf dem Weg zurück zum Wohnmobil kommen wir noch am Seenot- Rettungsmuseum vorbei. Auch hier ist der Eintritt kostenlos. Zwar keine Piraten, aber dafür immerhin ein echtes Boot, welches auch mal im Einsatz war. Das hat das Heimatmuseum nicht bieten können. Nils mag einmal durchgehen und da wir eh mehr oder minder fertig sind mit Poole, schauen wir mal rein.
Die Ausstellung ist natürlich räumlich überschaubar. In der einzigen Bootshalle steht eben das alte Rettungsboot in der Mitte, auf einer Art Steg geht man einmal um das Boot herum und kann nun an den Wänden ausgestellte Exponate betrachten. Auffällig sind besonders 2 Holztafeln, die schwer an die Gebotstafeln von Moses erinnern. Auf diesen ist seit 1922 beschrieben, welches Boot und mit wie vielen Menschen dieses Boot aus Seenot gerettet wurde. In der heutigen Zeit sicherlich ein recht durchgesteckter Job, der, wenn man alle Handgriffe richtig macht, vom Gefahrenlevel für die Retter her überschaubar sein sollte. Aber 1922 mit einem Ruderboot freiwillig in eine stürmische See heraus fahren? RESPEKT! Das Engagement der Retter wird eigentlich nur durch einen dunklen Zeitabschnitt zwischen 1940 und 1946 unterbrochen, nachdem sich das Boot sogar an der Rettung von alliierten Soldaten aus dem Kessel von Dünkirchen 1940 beteiligt hatte.
Im Großen und Ganzen sind die oft raus gefahren! Glaubt man gar nicht.
Besonders mit diesem Schiff! Der Thomas Kirk. Das ist ne Nussschale! Noch immer ist es unglaublich, dass Menschen keine Sekunde zögern, um unter Einsatz ihres Lebens freiwillig in See stechen, um andere aus dieser Lebensgefahr zu retten. Gerne geben wir zum Ende des kleinen Rundgangs eine Spende in die bereitstehende Spendenbox.

Zurück am Wohnmobil teilen Anja und ich uns den Nachmittag auf. Da Tim noch keinen Mittagsschlaf gemacht hat und schon seit einiger Zeit ziemlich quengelig ist, bleibe ich mit ihm am Wohnmobil. Ist mir eh zu warm, um weiter draußen herum zu laufen! Lieber befasse ich mich mit einer kühlen Cola aus dem Wohnmobilkühlschrank mit der weiteren Reiseroute und telefoniere mal mögliche Schlafplätze für die Nacht ab.
Anja hingegen spaziert mit Nils noch ein wenig am Strand entlang und entdeckt auch kurz darauf einen kombinierten Fitnesspark mit Spielplatz, wo Nils sich noch ein wenig austoben kann, bevor es nachher mit dem Wohnmobil weiter geht und er wieder sitzen muss.

Tja, wohin nun, wie geht es weiter. Also zunächst mal ist eines der letzten noch ausstehenden großen Ziele dieser Reise der Besuch der H.M.S. Victory und den Historic Dockyards in Portsmouth. Das wird quasi unser Finale hier in Südengland, bevor wir das Wohnmobil wieder abgeben und mit dem Auto zurück nach Dover fahren werden. Idealerweise sollte also der Übernachtungsplatz in der Nähe von Portsmouth liegen. Auch ein Stellplatz würde in Frage kommen! Angeblich kann man mit dem Wohnmobil in der Butcher Street in Portsmouth stehen, dies gibt zumindest meine Recherche im Internet her. Aber ein Stellplatz? Hmm. So richtig warm werden wir damit nie! Liegt einfach an unseren schlechten Erfahrungen in Sachen Stellplatz bzw. Rastplatz und Wohnmobil.
Ein Campingplatz wäre uns da schon deutlich lieber! Tatsächlich haben wir auch für diese Frage einen guten Tipp aus dem Wohnmobilforum bekommen. Der Kingfisher Caravan Park! Der liegt zwar nicht in Portsmouth, aber in Gosport! Und Gosport liegt gegenüber von Portsmouth, quasi auf der anderen Seite der Flussmündung in den Ärmelkanal. Und wie mit Plymouth führt auch hier eine Fähre auf die andere Seite.
Da wir für die Historic Dockyards einen ganzen Tag einplanen, geben wir unseren letzten Jokertag mehr oder weniger dafür her, dass wir auf dem Kingfisher Caravan Park eben 2 Nächte einchecken. Heute ankommen, morgen den ganzen Tag für die historischen Docks haben und dann am Abend auf den bereits eingerichteten Campingplatz zurückkehren, ohne noch groß fahren oder sich, nach einem anstrengenden Museumstag, noch nach einem Schlafplatz umzuschauen, oder diesem sogar hinterher telefonieren zu müssen!
Knappe 100km wären es von Poole aus bis zum Kingfisher Caravan Park. Das sollten wir auf jeden Fall noch schaffen.
Als Anja zurückkehrt, stelle ich meiner nicht schlafenden Crew den Plan vor und alle sind einstimmig einverstanden. Na, das ist doch was! Schnell rufe ich den Platz an und frage nach, ob noch etwas frei ist.
Die Antwort ist irritierend! Eine etwas rauchige Dame fragt am Telefon nur nach, wie viele Personen in unserer „Party“ enthalten sind. Party? Hoffentlich meint sie das nicht so, wie ich es zunächst verstehe. Aber als ich sage, dass wir 2 Erwachsene und 2 Kinder sind, ist es kein Problem. Für uns würde sich auf jeden Fall ein Platz finden. Super!
Also den kleinen Bub langsam geweckt, einen kleinen Snack gefuttert und dann geht es wieder los!

Die etwa 100km bis nach Portsmouth ziehen sich! Zum einen ist die Strecke selbst nicht nur ereignislos, sondern auch voll! Besonders um Fareham herum, wo die von Southampton kommende M 27 sich auf die Stadt verteilt, stehen wir dick im Stau! Unsere Idee, die Spitze im freitäglichen Feierabendverkehr einfach durch einen Einkauf im Tesco in Fareham abzuwickeln, misslingt jäh. Dies auch, weil der Tesco im Zentrum von Fareham offenbar nur ein Parkhaus, aber keine Parkflächen ausweist. Lediglich die LKW- Ladezone machen wir aus, was uns aber natürlich nicht weiterhilft. Nach einer Ehrenrunde um den Tesco in Fareham nehmen wir wieder Kurs auf Gosport. Natürlich erst, nachdem wir uns im Stau deutlich weiter eingereiht haben, als wir eben bei dem ersten Versuch den Tesco zu erreichen verlassen haben. Das allein ist schon ärgerlich. Viel ärgerlicher ist aber, dass wir dennoch etwas einkaufen müssen! Besonders, weil wir ja jetzt 2 Tage auf dem Campingplatz einchecken und uns somit nicht unbedingt mit Lebensmitteln versorgen können, ohne das Wohnmobil dann wieder bewegen zu müssen.
Zum Glück kommt uns der Zufall zu Hilfe! Denn bei unserer Durchfahrt durch das überraschend große Gosport entdecken wir auf der Grange Road einen nicht minder großen Tesco Superstore, wo wir unsere Einkäufe erledigen können. Perfekt! Jetzt sind wir für die nächsten 2 Nächte bestens gerüstet und können uns morgen ganz den Historic Dockyards und der Marinegeschichte der berühmten und jahrhundertelangen dominierenden Seefahrertradition der Royal Navy widmen. Wenn es nur halb so spannend wird, wie im Bovington Panzer Museum, dann wird das morgen ein richtig toller Tag!

Nach dem Einkauf sind es nur noch ein paar Kilometer bis zum Kingfisher Caravan Park, unser Campingplatz vor den Toren von Portsmouth für den morgigen Besuch.
Schon bei der Zufahrt allerdings gefällt uns die Ecke, wo der Campingplatz angesiedelt ist, nicht wirklich! „Oh je“! Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr irgendwo ankommt und es euch spontan nicht gefällt? Wo jede Faser des Körpers sich sträubt, dort hinzugehen? Wo sich die Nackenhaare aufstellen? Hier ist so ein Platz!
Schon bei der Einfahrt auf das Gelände fällt uns auf, dass der Platz noch SEHR viele freie Parzellen bietet! Ungewöhnlich für die Hauptferienzeit, oder? Da hätten wir ja fast nicht anrufen brauchen und mir wird auch klar, warum die Dame am Telefon sich nur grob nach unserer „Party“ erkundigt hat und ansonsten sofort einen Platz zugesagt hat. Hier ist schlichtweg nichts, aber auch gar nichts los!
Die Rezeption ist nicht nur geschlossen, sie ist regelrecht verrammelt! Mit Brettern zugenagelt! Einige wenige und vergilbte Aushänge datieren mitunter bis ins das letzte Jahrtausend!
Ob wir hier WIRKLICH richtig sind? Die Adresse stimmt jedenfalls…
Etwas ratlos stehen wir hier, bis uns ein Mann von der seitlichen Wand zu sich herüber winkt. Wir kommen herum, und entdecken den platzeigenen Pub.
OK, dort einchecken ist nicht ungewöhnlich und tatsächlich scheint die Rezeption dauerhaft in den zugegeben gemütlich aussehenden Pub verlegt worden zu sein. Fast könnte man Lust bekommen, hier heute Abend zu essen oder vielleicht ein echtes frisch gezapftes englisches Bier dazu zu trinken. Vielleicht ist es ja, um das Klischee zu bedienen, auch noch warm und mit Minze versetzt! 😉
Muss man doch probiert haben! Es ist urig und wirkt authentisch. Also echt im Sinne von „nicht aufgesetzt“. Wenn man hier also z.B. Kerben und Schrammen auf der Theke wiederfindet, dann nicht, weil man sie extra dort eingeritzt hat, um es authentisch wirken zu lassen, sondern weil diese alte englische Eichentheke einfach mit den Jahren ihres Seins zahlreiche Gäste und bestimmt auch so manche Schlägerei oder ein Fünf-Finger-Filet gesehen hat! Die Szenerie verursacht durchaus einen gewissen morbiden Charme, der einerseits fasziniert, gleichzeitig aber auch abstößt!

Wir checken bei der rauchigen Dame ein, deren Stimme ich vom Telefon her bereits kenne. Sie sieht aus, wie sie klingt.
Pro Übernachtung werden 26,50 Pfund fällig. Das ist wenigstens, gemessen an den Vergleichspreisen aus dem Campingführer hier im Umkreis, sogar noch recht günstig!
Wir ahnen aber auch, dass wir hier nicht unbedingt glücklich werden, weil eben alles zwar authentisch, aber auch echt abgeranzt ist. Das ist die Kehrseite der Medaille.
Umso unglücklicher ist es, dass wir mit dem Besuch der Historic Dockyards in Portsmouth untrennbar gleich für 2 Nächte mit diesem Platz verbunden sind! Gruselig.
Aber es geht noch weiter. Als wir die Dame am Tresen fragen, wie wir denn von hier aus am besten den Besuch der Historic Dockyards gestalten und wie wir am besten zur kleinen Personenfähre von Gosport nach Portsmouth von hier aus kommen, ohne das Wohnmobil bewegen zu müssen (das soll ja extra hier auf dem Platz bleiben, damit nicht zusätzlich Parkgebühren dazu kommen, wenn wir überhaupt einen Parkplatz finden würden) zuckt sie tatsächlich mit den Schultern! Sie weiß es nicht! Stellt euch das vor: SIE WEISS ES NICHT!
Hallo? Das ist das Royal Navy Museum, die H.M.S. Victory. So eine Sehenswürdigkeit ist doch DAS Highlight im Umkreis von bestimmt 30 Meilen!! Dafür kommen die Leute doch hier her, oder?! Und sie WEISS ES NICHT??? Als Rezeptionisten eines Campingplatzes weiß sie nicht, wie Gäste zur unmittelbar angrenzenden Top- Sehenswürdigkeit gelangen können.
Nur wenig später wird mir auch klar, dass sie es gar nicht wissen muss, denn…

Immerhin verweist sie an einen schwankenden Herrn an der Bar, der hier offenbar Dauer- Campinggast ist. Er soll angeblich den besten Weg zur H.M.S. Victory kennen.
Ich spreche ihn an und der Typ ist ebenso redselig wie besoffen! Seine Fahne reicht bis in die „dritte Reihe“ und Nils wird später sagen, dass „der Mann aber ganz schön gestunken“ hat.
Auf Nils muss der Typ schwer Eindruck gemacht haben, denn normalerweise würde er in einer solchen Situation einfach frei heraus platzen, dass der Mann stinkt! Wie das eben ein Vierjähriger so macht. Kindermund tut Wahrheit kund.
Stattdessen steht er nur still da, wie angewurzelt. Einem solchen Exemplar der Gattung Homo Sapiens ist Nils mit Sicherheit noch nie in seinem Leben begegnet. Obwohl der wankende Typ wahrscheinlich mit nur einem Stups umfällt wie eine morsche britische Eiche, hat Nils zum ersten Mal (das ich es mitbekomme) absoluten Respekt und Abstandsbedarf zu einem Menschen.

Und jetzt stellt euch eine lallende Wegbeschreibung des Biertrinkers vor, der ich eindrucksvoll akustisch wie geruchstechnisch in der ersten Reihe beiwohnen darf!
Nur so viel: Ich klopfe später die letzten Megabyte aus unserem Tesco- Handy und rupfe mir die Route in Google maps selbst zusammen!
Für alle, die eine ähnliche Tour zur HMS Victory planen und einen Campingplatz bzw. Stellplatz fürs Wohnmobil oder den Wohnwagen in unmittelbarer Nähe zu den Dockyards bzw. zur Stadt Portsmouth suchen, für den fasse ich das mal zusammen:
Morgen, also am Samstag, fährt von der Bushaltestelle „Kingfisher Caravan Park“ (die ist direkt vor der Einfahrt) alle 20 Minuten der Bus (Linie 9 oder 9A) nach Gosport ins Zentrum und hat dort direkt Anschluss zur Personenfähre (es gibt KEINE Autofähre, Fahrradmitnahme jedoch möglich!) von Gosport nach Portsmouth direkt in den historischen Hafen. Ich vermute mal, dass mir der Betrunkene Engländer das zu sagen versucht hat. Geschafft hat er es zweifelsohne nicht.
Zumindest rechne ich ihm aber an, dass er es versucht hat. Also eine freundliche Auskunft zu geben.
Wer hätte gedacht, dass sich ein echter unverfälschter Kontakt zu den Einheimischen dermaßen darstellen würde. Hammer. Wäre der Pub nicht so heimelig und der Engländer auch mit besoffenem Kopp nett und ich nicht auch ein lebendes Kampfgewicht in der 100er Klasse, man hätte auch Angst vor dem „Thekenraudi“ bekommen können!
Anja wird mich übrigens später noch drauf ansprechen, dass in der Bar auch ein Transvestit in voller Montur sein Bier getrunken hat. Ich muss ihn übersehen haben, oder war dufttechnisch bereits selber schon angetrunken, um das noch zu bemerken.
Jedenfalls habe ich ihn nicht bemerkt. Nicht, dass das schlimm wäre. Man erwartet ein solches Bild aber nicht unbedingt in einer Campingplatzkneipe und das ist auch der Grund, warum die Dame am Tresen den Weg zur H.M.S. Victory nicht kennt, obwohl das Schiff nur im Hafenbecken gegenüber liegt!
Gäste wie wir, also einfache Touristen, die sich einfache und bekannte Sehenswürdigkeiten anschauen wollen, kommen offenbar nicht oft in diese Gegend, geschweige denn auf diesen Platz!
Das hier ist eher so ein Platz der „Gestrandeten“. Hier campen die, die in den Tag hinein leben und eine Sehenswürdigkeit nicht mal bemerken würden, wenn sie nebenan zum Campingplatz liegen würde. Sie würden maximal bemerken, dass hier immer „viel Verkehr“ wäre. Aber die Frage, warum viel Verkehr wäre (weil eben nebenan der heilige Gral ausgestellt ist), darauf würden sie einfach nicht kommen. Es würde sie aber auch gar nicht interessieren! Denn der eigene Horizont endet am Ende der rustikalen Theke aus britischem Eichenholz.
Einfache, eher einfachste Menschen, die hier ihr Bier trinken. Kein Bier vor vier? Nicht hier…

Nun, die positive Meldung zum Platz ist, dass wir uns unseren Pitch selbst aussuchen dürfen. Es muss nur ein „Hard Stand“ für unser Wohnmobil sein, also kein Platz rein auf Gras. Das bekommen wir hin. Wir wechseln zwar einmal (aufgrund zweier aggressiv bellender Hunde, die uns regelrecht verbellen, als wir mit Abstand von einem weiteren leeren Platz zwischen uns neben ihnen einparken wollen, toller Besitzer, Typ Egoist…) den Platz und kommen dann in einer Sackgasse in einem Rondell zum Stehen.
Hier sieht es auf den ersten Blick ruhig aus. Keine großen wachenden Hunde, keine Werwölfe, keine Zombies zu sehen.

Also richten wir uns ein und stecken den Strom an, dann dürfen die Kinder in einem Radius 10 Meter um das Wohnmobil auf die Wiese. Weiter nicht, dafür bin ich innerlich nicht so weit. Kinder haben wir noch gar keine gesehen und die Möglichkeit, dass Nils beim Herumstreunern über die Platz auf einen achtlos herumstreifenden großen Camperhund ohne Leine trifft dürfte um ein Vielfaches größer sein, als dass er Spielkameraden findet!
Davon abgesehen sind doch die gute Mehrheit der hier abgestellten Wohnwagen und sogar Wohnmobile gar nicht bewohnt! Hier oxidieren alte Ford Transit Kastenwagen neben noch älteren morschen britischen Wohnwagen herum. Wahrscheinlich sind ihre Besitzer schon seit langem tot und liegen (hoffentlich) nicht unbemerkt in ihrem Fahrzeug…

Für Camper, die genau so einen Platz suchen. Wo man sich um sein Standing gegenüber den Nachbarn keine Sorgen machen braucht, wo sich einfach keiner kümmert und man den Regeln des Zusammenlebens einfach keinen Vorschub leistet, hier wäre er. Brauchst deinen Hund nicht anbinden, wenn er wenigstens einigermaßen hört und von einem Opfer ablässt, wenn man sein Tier zur Ordnung ruft. Brauchst dir keine Gedanken um dein Abwasser machen oder um einen rauchenden Kohlegrill, wenn beim Dauercampernachbarn mit Gartenzwerg am Jägerzaun gerade die Wäsche auf der Wäschespinne trocknet. Dieser Platz hier folgt seinen eigenen Regeln. Nämlich gar keinen. So zumindest unser Eindruck! Ich bin gespannt, was uns noch in den Serviceinrichtungen erwarten wird…

Zum Abendessen gibt es ein schnelles Essen. Nudeln mit Thunfisch und Tomatensoße. Das kocht sich leicht runter und man hat keinen großen Aufwand. Auch beim Spülen nicht. Denn das wird nochmals ein kleines Abenteuer! Die Besichtigung der Serviceeinrichtung!

Die Spülstelle liegt unter freiem Himmel. Das mag gerade noch gehen. Es regnet ja nicht. Aber schon beim Spülen wird klar, dass das Servicehaus nach dem Stand und Charme der 70er Jahre gebaut wurde und seit dem wohl auch keine renovierende Hand mehr gesehen hat.
Anja, die mutig mit mir zusammen zum Spülen gegangen ist, möchte sich den ersten Überblick verschaffen. Sie öffnet die Türe, geht einen Schritt hinein und kommt direkt rückwärts wieder heraus.
„Nein, ich dusche die Kinder im Wohnmobil!“
Diese Aussage lässt mich sofort aufhorchen!
Nun müsst ihr berücksichtigen, dass wir ja zu vier Personen mit einem Wohnmobil unterwegs sind, welches eigentlich nur für ein Paar ausgelegt ist. Entsprechend dünn sind wir mit Stauraum ausgerüstet! Die Dusche, sowieso für uns eigentlich zu klein, wurde daher zur Lagerstätte für badaffine Dinge eingerichtet. Handtücher, Badesachen, Stauplatz für (zum Ende der Reise inzwischen Überhand nehmende) Schmutzwäsche! Kurzum: die Dusche ist voll! Wenn Anja freiwillig sofort bereit ist, die Dusche auszuräumen, um die Kinder abzuduschen, dann ist die Dusche wirklich nicht besonders prickelnd. Ich verschaffe mir also selbst einen Überblick – und kann das nur bestätigen. Leider. Man müsste sich ganz schön überwinden! Und es wird klar, warum der Zugangscode für die Türe an einem großen Schild nebendran steht. Hier gibt es wirklich nichts zu holen, hier geht buchstäblich nur der hin, der muss!
Zwar ist die Einrichtung überraschend robust und nicht verfallen, aber der Hygienezustand ist grob bedenklich! Ob hier diese Saison überhaupt schonmal sauber gemacht wurde? Oder überlässt man den Dreck dem natürlichen Transportprozess durch die Besucher, die irgendwann gar nicht mehr anders können, als mehr Dreck mit raus zu nehmen, als sie hinein tragen. Puh! Das mag jetzt pingelig klingen, aber hier fühlen wir uns wirklich nicht besonders wohl! Der Platz ist nah dran an unserem persönlichen absolutesten Negativerlebnis seinerzeit in der Nähe von Kappeln an der Schlei- Mündung vor einigen Jahren.

Ich möchte dem Platz dennoch gerne eine zweite Chance geben und spaziere noch rüber auf das zweite Feld, wo wir eben von den beiden wilden Hunden verbellt wurden, um dort das Servicehaus in Augenschein zu nehmen. Vielleicht haben die beiden Hunde ja für sein Herrchen das bessere der beiden Servicehäuser bewacht?!
Aber schon als ich drauf zugehe denke ich zuerst, ich sei im Kreis gelaufen! Eine exakte Kopie des ersten Hauses, nur spiegelverkehrt. Und noch dreckiger, als das erste. Schade!
Beim Spaziergang zurück hat mein Kopf die Eindrücke verarbeitet und präsentiert mir eine „Lösung“ für den Kingfisher Caravan Park. Kennt ihr so Endzeitfilme? So etwas wie „Walking Dead“? Wo sich die letzten Menschen vor der Zombie- Apokalypse retten und an einem Platz zusammen rotten? Der Kingfisher Caravan Park wäre so ein Platz! Er ist faszinierend morbide auf seine Art und Weise. Wir sind nun untrennbar für 2 Tage mit ihm verbunden und gleichzeitig froh darüber, dass unser Wohnmobil zum einen alles bietet (sogar, um im Fahrzeug die Dusche nutzen zu können!) und zum anderen, dass wir morgen eigentlich den ganzen Tag in Portsmouth verbringen wollen. Aber hier Urlaub verbringen, freiwillig meine Freitzeit oder eben meine Lebenszeit verbringen, das möchte ich glaube ich nicht. Es sei denn, dies wäre der einzig sichere Zufluchtsort an der englischen Kanalküste.

Neben der bereits erwähnten Recherche zur Busverbindung schaue ich auch mal vorab nach, wie sich das morgen mit den Eintrittspreisen verhalten wird. Und das wird eine böse Überraschung, denn es wird teuer!
Absolut undurchsichtig ist aber das Preismodell! So kostet jede einzelne Sehenswürdigkeit des Museums einen gesonderten Eintritt!
Die H.M.S. Victory? 18 Pfund. Die H.M.S. Warrior? Wieder 18 Pfund! Das Kanonenboot? 18 Pfund. Das Museum selbst? 18 Pfund! Das U- Boot- Museum (welches übrigens auf unserer Seite, also in Gosport, liegt!) 15 Pfund! Und so weiter und so weiter!
Es gibt, wenn man etwas recherchiert, auch ein Kombiticket. Aber das gilt z.B. nicht für die Ausstellung 1916 zur Schlacht bei Jütland. Diese kostet dann wieder extra Eintritt!
Tja, jetzt grübeln Anja und ich, nachdem wir die Kinder ins Bett gebracht haben, was wir denn nun wirklich morgen sehen wollen und was wir auch wirklich mit 2 Kindern schaffen können.
Gesetzt ist auf jeden Fall die HMS Victory. Nelsons Schlachtschiff und Zugpferd der Einrichtung.
Kanonen, alte Schlafräume, Säbelrasseln unter Segeln. Das wird Nils gefallen. Aber nur die H.M.S. Victory ist zu wenig, um damit den Tag zu verbringen und uns den ganzen Tag den Stress mit Stau und Campingplatz anzutun.
Nehmen wir aber nur eine weitere Sehenswürdigkeit hinzu, kosten 2 Sehenswürdigkeiten (2x 18 = 36 Pfund) schon mehr, wie das Kombiticket zu 33 Pfund pro Erwachsenen. Tim und Nils sind noch frei, bezahlt werden muss für Kinder erst ab 5 Jahren.
Also gut, nehmen wir ein Kombiticket und schauen dann, dass wir auf jeden Fall mindestens 2 Attraktionen besuchen, damit es sich rechnet. Spontan würde ich persönlich gerne das historische „National Museum of the Royal Navy“ anschauen. Wo, wenn nicht dort sollten sich interessante Dinge um die Seekriegsschlachten, z.B. im ersten Weltkrieg die Skagerrakschlacht, von der wir ja schon in Dänemark einige interessante Eindrücke mitgenommen haben. Aber ganz ehrlich: Die Schlachten des Panzerschiffs Graf Spee oder die Versenkung der Hood und danach die der Bismarck, DAS ist seekriegstechnischer Epos und ein Aufblitzen am Zeitstrahl der Seekriegsgeschichte. Das weckt mein Interesse, obgleich ich in den wenigen spärlichen Informationen zum National Museum of the Royal Navy“ so gar nichts zu dieser Epoche finde, sondern lediglich den Hinweis auf 350 Jahre Streifzug durch die Geschichte. Naja. Vielleicht ist das so sonnenklar, dass sie stattdessen 2, 3 Sätze zu Dingen verlieren, sich neben dem beschriebenen Zeitstrahl noch hier tummeln.
Ja und dann, wenn die Socken noch nicht qualmen und die Kinder zum Zwischensnack ein paar Duracell- Batterien bekommen haben, könnte man sich noch das zweite Segelschif aus dem 19. Jahrhundert, die HMS Warrior, einmal anschauen. Das sollte dann reichen, um die Kinder für den Abend müde zu bekommen.
😉

Gegen Mitternacht geht es ins Bett. Und wir können noch lange über den morgigen Tag quatschen! Aber nicht, weil wir so gerne in Bett quatschen, sondern weil in der Nähe stattfindende Beschleunigungsrennen uns den Schlaf rauben! Zuerst sind es bullige PKW mit dröhnenden Sportauspuffen, die möglicherweise die Privett Road hinunter kacheln. Später wird das dumpfe Grollen durch laut kreischende Motorradmotoren aufgehellt, gelegentlich mischt sich auch eine Polizeisirene darunter.
Ohje! Wo sind wir hier nur gelandet?!

Schauen wir auf unseren Reisetag selbst zurück, müssen wir zugeben, dass wir Poole im Bild doch recht anschaulich dargestellt haben! Der Schein trügt, die Enttäuschung über die fehlenden Piraten waren größer, als erwartet. Aber vielleicht ist genau das das Problem. Unsere Erwartungshaltung! Wären wir ohne jedwede Vorstellungen und Wünsche einfach nach Poole gefahren, hätte es uns bzw. euch dann eher gefallen? Schreibt es uns wenn ihr mögt, auf Facebook, Twitter oder hinterlasst einfach unten einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Kommentar absenden