Mit dem Reiseziel Süden ist das bei uns persönlich mit dem Reisestart so eine Sache. Geht es nach Norden, dann hole ich Anja freitags nach der Arbeit für gewöhnlich von ihrem Arbeitsplatz in Duisburg ab, damit nicht wertvolle Stunden mit der Heimfahrt vom Arbeitsplatz vergeudet werden.
Geht es allerdings nach Süden, dann ist Norden natürlich schlecht. Falsche Richtung halt.
Also treffen wir uns erstmal wieder zuhause, um nach der Arbeit von zuhause aus zu starten.
Da freuen sich dann wenigstens unsere Katzen, die nicht schon gleich am ersten Tag komplett auf uns verzichten müssen.

Gegen frühen Nachmittag treffen wir zuhause ein und ich kann vermelden, dass wir beide schon ein wenig hibbelig sind.
Arbeiten ist immer schwer an solchen Tagen, wenn die Gedanken schon um ganz andere Dinge kreisen.
Ist man dann aber zuhause, bleibt man gedanklich doch wieder auf der Arbeit hängen.
Alles erledigt, den Kunden zufrieden gestellt und keine offenen Baustellen hinterlassen?
Ist die wichtige Mail an den Kunden noch raus und das Meeting für nächste Woche geplant?

Die nötige Abwechslung zaubert Anja wie ein Kaninchen aus dem Hut.
Ich hab mich grad einen Moment „zur Ruhe“ gesetzt, da wedelt Anja mit einem kleinen Reiseführer für den Schwarzwald vor meiner Nase herum.
„Hab ich fix zwischen dem Umsteigen im Bahnhof gekauft“ entgegnet sie mir mit einem Grinsen im Gesicht auf meinen fragenden Blick.
Nun gut, da wir außer Freiburg und Waldkirch jeweils auf den dortigen Stellplätzen mit einer Nacht und einer kleinen Stadtbesichtigung vom Schwarzwald nicht viel kennen, musste bis jetzt meine Vorstellung des typischen Klischees des Schwarzwaldes für das herhalten, was ich mir vor meinem geistigen Auge derzeit vom Schwarzwald visualisiere.
Und diese sieht ein paar bergige Kurven vor traumhafter Tannen- und Waldkulisse mit kleinen Honigverkaufsbuden oder Schwarzwälder Schinken am Wegesrand vor, während im Hintergrund Sascha Hehn als junger dynamischer Dr. Udo Brinkmann mit seinem schnittigen weißen Golf Cabrio vor „der Schwarzwaldklinik“ vorfährt.
Dazu gesellt sich dann noch die ein oder andere Kuckucksuhr (in klein, groß und übergroß!) und natürlich der eindrucksvolle „Bollenhut“ als Teil der regionalen Traditionskleidung.
Rote Bollen auf dem Hut waren glaub ich für unverheiratete Mädchen und schwarze Bollen sind für verheiratete Damen.
Oder war es umgekehrt? Ist ja auch egal.

Jedenfalls hat Anja mir mit dem Reiseführer vor meiner Nase ein kleines Fensterchen zum Schwarzwald geöffnet und ich beginne sofort den Reiseführer quer zu lesen.

Dabei fällt mir gleich mal als erstes folgender Satz auf:
Der Schwarzwald ist nicht nur Kuckucksuhr und Bollenhut!
Ich kratze mich am Kopf… „Nicht?“
Ich meine, das genau erwarten doch die Leute vom Schwarzwald, oder?
Aber gut, wenn das so ist, dann lassen wir uns mal überraschen.
Ich lese dies und das, erhoffe mir einen Hinweis auf die der Welt größte Kuckucksuhr oder einer Bezugsquelle für guten Schinken und lese stattdessen einiges über Städte oder günstige Hotels und Restaurants.
„Nice to have“ denke ich mir, und wenn wir im unwahrscheinlichen Falle eines plötzlichen Totalverlustes des Wohnmobils tatsächlich auf ein Hotel angewiesen sein werden, werden wir den Reiseführer sicherlich konsultieren.
Aber ich will den Reiseführer „Schwarzwald“ von Marco Polo nicht gleich im Vorfeld schlecht machen. Immerhin ist dieser für die Haupttouristengruppe, der Hotel- und Pensionsurlauber, geschrieben.
Daher überrascht der Inhalt natürlich nicht.
Und wenn ich ehrlich bin, sind wir für den ein oder anderen Restauranttipp sicherlich auch nicht traurig 😉

Dann aber würde ich doch ganz gern ein wenig was über Schwarzwald und Wohnmobil erfahren. Mein im Wohnmobilforum veröffentlichtes Posting hat zwar einige gute Antworten zu Tage gebracht, aber alles in allem war die Vorlaufzeit von gestern Abend wohl einfach zu knapp, dass ich dies jetzt für eine mehr oder weniger erforderliche Reiseplanung verwenden kann.
Aber ich erinnere mich daran, dass in einer Wohnmobilzeitschrift mal ein mehrseitiger Bericht über den Schwarzwald zu finden war.
Ich krame also in meinem Reise- und Wohnmobilschrank und finde tatsächlich wenig später die Zeitschrift.

Kaum aufgeschlagen fällt mir als erstes folgender Satz ins Auge:
Der Schwarzwald ist nicht nur Kuckucksuhr und Bollenhut!
Nicht schon wieder!
Leute, genau wegen Kuckucksuhr und Bollenhut fahre ich doch in den Schwarzwald!
Dafür ist die Region doch im allgemeinen bekannt, oder?
Aber anstelle dieses bereits bekannte Zugpferd rein markttechnisch besser auszunutzen, wird sich hier davon distanziert.
Ganz schöner Käse!
Vielleicht trifft es ja nur auf mich zu, aber genau das erwarte ich mir vorzufinden und das ist dann ja auch irgendwo der Grund, warum ich dorthin fahren möchte.
Ich beschließe mich also weder vom Reiseführer, noch von meiner Campingzeitschrift davon überzeugen zu lassen, dass der Schwarzwald andere als die gewünschten Qualitäten hat und kneife die Wurst mit Elan ab.
Jetzt heißt es schon ein wenig Gas geben!
Denn eigentlich wollten wir ja so gegen 5 los und die Uhr zeigt schon kurz nach 5.
Doch dann geht alles super- schnell.
Nach unserer Dänemark- Wohnmobiltour haben wir nicht viel aus dem Mobil raus geholt und auch einige Anziehsachen und Vorräte im Mobil gelassen.
Wir wussten ja, dass wir über den Brückentag Fronleichnam wegfahren würden. Nur eben nicht, wohin.
Und so beschränken sich die Ladetätigkeiten am Wohnmobil gerade mal auf 2 Körbe und ein paar handverlesene Klamotten, die nicht in den Korb gepasst haben.
Der zweite Korb, gefüllt mit Lebensmitteln auf Vorrats- und Kühlschrank, war sogar nur noch halb voll.
In Windeseile verlade ich noch die Fahrräder, bringe den Müll runter und schon haben wir uns auch schon von den Katzen verabschiedet und sind um 17:45 Uhr startklar.

    
     Hurra, wir sind Abreiseklar: Räder verladen, Wohnmobil eingeräumt… 🙂

Nun heißt es ein wenig auf die Tube drücken, denn wir wollen ja auch noch zu einer halbwegs vernünftigen Uhrzeit im Schwarzwald ankommen.
Bereits um kurz vor 18 Uhr befahren wir die A 61 in Richtung Koblenz und befehligen unserem Wohni volle Fahrt voraus.
Mit 3/4 Gas und knapp 100 km/h laut Navi kommen wir also unserem Ziel entgegen.
„Unser Ziel“, was bedeutet das eigentlich.
Wir wollen in den Schwarzwald, soviel ist klar. Aber wohin genau?
Ein Campingplatz scheidet für die erste Übernachtung eigentlich aus.
SO spät, wie wir ankommen werden, dürfte jede Schranke eines Campingplatzes bereits geschlossen sein.
Bliebe also nur ein Stellplatz.
Und so kramt Anja die Unterlagen hervor, die wir in aller Eile von zuhause mitgenommen haben.
In der Wohnmobilzeitschrift steht leider nicht so viel über Stellplätze drin.
Die wenigen genannten sind fast ausnahmslos im südlichen Teil des Schwarzwaldes und nachts über die Schwarzwaldhochstraße, das ist nicht so unser Ding.
Viel mehr haben wir uns überlegt, dass wir heute nur bis an das Nordtor des Schwarzwaldes, also in etwa Höhe Baden-Baden fahren und uns dort einen Stellplatz für die Nacht suchen.
Im Wohnmobilforum hab ich auch einen Stellplatz bei Baden-Baden empfohlen bekommen.
Aber wie verflixt nochmal hieß der Ort?
Nordwand, Nordhof, Nord- irgendwas.
Ach, es ist zum Verrückt werden!
Ich hab natürlich die Infos ausgedruckt, aber in meiner Eile hab ich vergessen die Sachen einzustecken. Perfekt!
Naja, Anja bemüht halt unseren ADAC- Stellplatzführer (Ausgabe 2007) in der Hoffnung, dass wir auf der Karte den Platz wiederfinden.
Aber leider Fehlanzeige. 🙁
Was nun?
Während ich an Koblenz vorbei rausche, studiert Anja im wohnmobileigenen Karten- und Navigationsraum (also in der Sitzecke 😉 die Stellplatzsituation, soweit uns dies der olle Stellplatzführer möglich macht.
Und da haben wir Glück! Wir finden einen Eintrag über einen kostenlosen (zumindest 2007) Stellplatz in Ettlingen bei Karlsruhe.
Das passt!
Wir programmieren also flugs unser Navi auf die Koordinaten und haben nun endlich ein Ziel, das Abenteuer Schwarzwald kann beginnen.
Juchu!

         
      Unterwegs 1: Freie Fahrt…                                    Unterwegs 2: Freie Fahrt!  🙂

Um nun den Rest der Anreise so angenehm wie möglich zu gestalten, haben wir uns wieder ein Hörbuch besorgt.
Anja wirft Ohne ein Wort in den CD- Spieler und nur wenige Minuten später sind wir in einer spannenden Geschichte aus Lügen und Trug gefangen, die nur kurz für einen Futterstopp beim Schottenburger neben der Autobahn unterbrochen wird.

Wow!
Die Zeit verrinnt wirklich wie im Flug und ich kann es kaum glauben, als unser Navi mir um halb 10 die Anweisung erteilt, die Autobahn „an der nächsten Ausfahrt zu verlassen“.
„Was denn? Schon? Aber das Hörbuch ist doch noch gar nicht Ende!“
Nützt nichts, wir sind da und nur, um ein Hörbuch weiter zu hören, können wir ja schlecht immer weiter im Kreis fahren und Diesel verpusten…

Wir finden den Wohnmobilstellplatz von Ettlingen fast auf Anhieb, auch wenn das Navi die Koordinaten nicht ganz korrekt auf der Karte anzeigt.
Zur Sicherheit mache ich natürlich einen kurzen Datenabgleich mit dem eigenen Navi und lese für eventuelle Interessenten an diesem Stellplatz unsere eigenen Koordinaten ab: N 48.93569° / E 8.41713°.

Wir biegen auf den Parkplatz ein, wo wir als aller erstes ein paar hilflose Stromkabel einiger Nachbarn überfahren müssen.
Aber ausweichen wäre eh nicht gegangen, denn die Dinger lagen quer über der Straße.
Wünschenswert wäre auch für uns auf jeden Fall Strom aus der Dose, daher fahren wir zunächst eine Runde über den Platz. Oder besser: wir rollen so gut es geht.
Es ist zwar noch keine 10 Uhr, aber wir wollen ja auch niemanden stören.
Schnell wird klar, dass die Mobile im hinteren Areal sich gar nicht auf dem offiziellen Stellplatz befinden, sondern mehrheitlich längs in PKW- Parktaschen stehen.
Die Kollegen mit größeren Fahrzeugen stehen auch mitunter schon mal quer über 4, 5 oder 6 Parktaschen.
Es scheint toleriert zu werden, denn außer einigen wenigen abseits parkenden PKW ist der Platz ansonsten unbesiedelt.
Der eigentliche Stellplatz beinhaltet aber regulär nur eine Längsreihe auf dem Parkplatzareal, welche ziemlich genau 4 Fahrzeuge aufnehmen kann.
Ganz vorn steht ein Mobil, ganz hinten auch.
Wir entscheiden uns in Anbetracht der an der Einfahrt vermuteten Stromsäule so nah und vorn wie möglich zu parken und werden Fahrzeug Nummer 2 in der offiziellen Stellplatzreihe.
Ein wenig irritierend ist es schon. Der PKW- Parkplatz ist gut zugeparkt (hier stehen bestimmt an die 15 Mobile), aber der offizielle Parkbereich für Womos ist zur Hälfte leer.
Aber vielleicht sind die Vorparker ja gerade erst weg gefahren, wer weiß.
Wir sind jedenfalls nicht traurig drum, denn so haben wir die Chance uns ganz offiziell auf den Teil des Parkplatzes zu stellen, der auch wirklich für Wohnmobile freigegeben ist.
Wir drehen schwungvoll in die Parkreihe und schalten sogleich den Motor ab.
Dann schleiche ich als erstes zur Versorgungssäule an der Einfahrt, um dort natürlich das festzustellen, was ich schon beinahe geahnt hatte.
4 Parkplätze für Womos = 4 Stromanschlüsse.
Natürlich sind alle belegt mit den Kabeln, die ich bei der Einfahrt rücksichtslos überfahren habe.
Alle 4 Kabel führen dabei in Richtung PKW- Areal, während die parkenden Mobile auf dem offiziellen Stellplatz nun keinen Strom mehr bekommen können.

„Naja, dann muss es eben ohne Strom gehen“ erläutere ich mir selbst, während ich die Tür zu unserem Mobil öffne und Anja berichte, dass wir heute Abend auf Batterie laufen müssen.

Wenigstens müssten wir aber noch nicht einmal auf das abendliche TV- Programm verzichten!
Zwar haben wir keinen Strom, aber unser Nachbar hinter uns, mit einem stattlichen Mobil, hat einen derart übergroßen LCD- Fernseher im Fahrzeuginneren in Betrieb, auf dessen Heimkino wir locker von unserem Mobil aus noch mitgucken können.
Ein Glück, dass er darüber hinaus so eine große Panoramascheibe im Führerhaus des Mobils verbaut hat, denn so müssen noch nicht einmal unsere Köpfe recken oder vor seinem Mobil mit unseren Stühlen platzieren.
Schade nur, dass wir keinen Ton haben 😉

Ich wollte gerade in unseren Reisebericht tippen, dass mit Ausnahme einiger vorbeifahrender Autos ein recht ruhiges Plätzchen ist, da klingelt ein Leutewerk und wenig später fährt ein Zug in etwa 100 Meter Entfernung an uns vorbei.
Zum Glück ist es ein kleiner Personentriebwagen oder eine S- Bahn oder so was.
Geht also.
Hoffentlich bleibt es dabei und es bollern nicht in der Nacht die schweren Güterzüge hier entlang…

So verbringen wir den zugegeben recht kurzen Abend natürlich im Wohnmobil .
Anja liest im heute eilig gekauften Reiseführer für den Schwarzwald, ich tippe derweil unter dem Licht unserer batteriebetriebenen Neonleuchte die ersten Zeilen in unser Reisetagebuch.
Die Batterie funktioniert übrigens zu meiner großen Freude ohne Probleme.
Wenn ich da an unsere Anreise nach Stotel noch vor einigen Wochen denke, hatten wir trotz mehrstündiger Fahrt keinen Saft auf der Aufbaubatterie.
Jetzt aber ist alles in Ordnung, wir können sogar Licht und Wasserpumpe gleichzeitig bedienen… 😉

Das Klima im Mobil ist trotz geöffneten Dachluken ein wenig schwül und es hat auch mittlerweile leicht zu regnen angefangen.
Ich sitze mit nacktem Oberkörper vor dem Laptop und versuche durch angestrengtes Transpirieren der Wärme und Schwüle entgegen zu wirken.
Einmal mehr würde ich mich freuen, wenn unser Mobil eine Dusche hätte oder man hier zumindest morgen früh duschen könnte.
Aber vielleicht haben wir ja die Zeit im angrenzenden Schwimmbad morgen früh zu duschen, ansonsten muss für morgen Abend auf jeden Fall ein Campingplatz mit Duschen her…

         
     Der Wohnmobilstellplatz von Ettlingen bei Nacht…           …wir stehen rechts als zweites in der Womo- Reihe

Erkenntnis des Tages:
Planungen sind Mist!
Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl auf der Autobahn, welches besonders ich auf dem Weg der gerade mal wenigen Wochen zurückliegenden Dänemarkreise hatte.
Die ganze Planung, die ganzen Ziele und überhaupt keine Lust die alle „abzuklappern“.
Und heute? Wir fahren ganz simpel und einfach in den Schwarzwald. Punkt.
Spontan entschieden und völlig unvorbereitet sind wir abgedüst.
Alles, was wir vom Schwarzwald aus dem Klischee erwarten, ist Schwarzwälder Schinken, Honig am Wegesrand, den Bollerhut und die der Welt größte Kuckucksuhr, sofern sich diese überhaupt im Schwarzwald befindet. Und ja, es ist mir total egal, ob Reiseführer und Zeitschriften dies anders empfehlen… 😉
Wir wollen diese Dinge alle sehen, aber haben dabei noch gar keinen Schimmer, wo wir sie eigentlich genau finden werden.
Dennoch, eins ist mal sicher: Das wird eine spannende Reise und ich freue mich riesig darauf völlig unvoreingenommen mal eine schöne Region Deutschlands zu erkunden.
Keine Ahnung, warum wir nicht schon viel früher auf die Idee gekommen sind, uns einfach mal treiben zu lassen…

Km- Stand bei Abfahrt: 196.214
Km- Stand bei Ankunft: 196.534
Gefahrene Kilometer: 320

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