Die amerikanische Sonne scheint zum Wohnmobilfenster herein und lässt erahnen, dass wir heute einen richtig tollen Reisetag erleben werden! Es ist so warm draußen, dass wir uns sogar ganz spontan entschließen, unser Frühstück zum ersten Mal draußen auf den bereitgestellten Picknickbänken unserer Parzelle zu decken! Im T- Shirt werden wir gleich die Sonne genießen und dazu leckeren Orangensaft schlürfen. Das wir in der kommenden Nacht eingeschneit werden und dies ein krasses Wettergegenteil von dem ist, was wir heute zum Frühstück erleben, können wir allerdings jetzt noch nicht wissen…

Tatsächlich denkt, als wir gegen 20 nach 7 aufstehen, wirklich niemand an Schnee und Winter. Wie denn auch? Es ist super- warm draußen und obwohl wir gerade erst Mitte März haben, fühlt es sich an wie Mai! Meine Idee, die ich beim Duschen in den einfachen aber zweckmäßigen Waschhäusern bekomme, nämlich draußen den Frühstückstisch zu decken, nehmen alle begeistert auf! Endlich sind wir angekommen im amerikanischen Frühling! Schnell räumen wir die Spuren der Nacht bei Seite und tragen dann mit vereinten Familienkräften Orangensaft, Milch, Wurst, Marmelade, Nutella und Brot nach draußen. Bei der Wurst müssen wir sogar schon aufpassen, dass uns die Sonne nicht die Farbe von zartrosa in ein kräftiges braun verwandelt! Hammer.
Einzig der Toaster bleibt mangels Verlängerungskabel im Wohnmobil, sonst hätten wir auch den Toast hier unter der Sonne zubereitet. Aber auch da finden wir eine Lösung! Anja erklärt sich bereit jeweils den fertigen Toast aus dem Wohnmobil zu holen, wenn ich dafür im Gegenzug aus der Rezeption einen frisch aufgebrühten Kaffee für sie hole. Deal! 😉

Wir frühstücken lang für unsere Verhältnisse! Normalerweise bin ich gerade beim Frühstück eher der Tempomacher, wenn ein ausgiebiger Reisetag vor uns liegt! Aber die Sonne ist einfach zu schön und der Vormittag zu genußvoll, dass wir sogar fast entscheiden, einen Tag hier zu bleiben. Schade, dass unser Campingplatz so sehr abseits liegt und der überschaubare (aber immerhin vorhandene) Spielplatz selbst ist, nach dem gestrigen und heutigen Spielabenteuer, für unsere Jungs auch schon wieder uninteressant. Da gibt es nur noch wenig, was uns hier halten tut.
Wenn wir nun hingegen weiterfahren, bekommen wir die Option, ein mögliches Reiseziel dieser Reise Wirklichkeit werden zu lassen. Fahren wir heute los, könnte es klappen! Denn dann besuchen wir den Grand Canyon mit dem Wohnmobil!

Kaum eine Sehenswürdigkeit in Amerika, mal abgesehen von der Freiheitsstatue und dem weißen Haus, verbindet man wohl so sehr mit dem „Spirit Amerika“, wie den Grand Canyon, oder?
Wenn wir der Route 66 jetzt folgen bzw. uns auf die absolut reinen Sehenswürdigkeiten unterwegs beschränken und nur punktuell von der Interstate 40 auf die Route 66 abfahren, sind es etwa 300 Kilometer bis Flagstaff. Und dort müssen wir dann eine Entscheidung treffen! Entweder weiter geradeaus Richtung Kingmann, Williams und Las Vegas, oder eben in Flagstaff „rechts“ abbiegen, ein auf dem Kopf stehendes U über den Highway 89 und Bundesstraße 64 fahren und dann bei Williams wieder auf die Interstate 40 zu treffen. Es wäre ein Umweg von ungefähr nochmals 290km. Allerdings müssten wir davon nur etwa 170km heute bzw. morgen zusätzlich fahren. Bis Flagstaff also 300 und dann, wenn es passt, noch bis Cameron oder eben durch bis zum Grand Canyon! Zwar könnten wir bei dieser Route nur das sogenannte „South Rim“ rund um die typische Touristeninfrastruktur sehen (das North Rim soll deutlich sehenswerter sein), aber immerhin! Unsere Jungs könnten durch diesen Abstecher auch beim berühmten Grand Canyon echt schon einen Haken dran machen! 99 Places oder wie der Trend heißt, die Jungs hätten es gesehen! Und wenn wir das Wetter zum Frühstück als Maßstab für morgen nehmen, könnten die Rahmenbedingungen eigentlich nicht besser sein! 🙂

Für die heutige Tagesetappe steht also auf jeden Fall fest, dass wir jetzt erstmal Kurs West mit Richtung Flagstaff aufnehmen. Dann sehen wir weiter, wenn wir dort sind.
Um 10:15 Uhr Ortszeit sind wir bereits wieder unterwegs. Ein kurzer Tankstopp folgt noch (der Karren säuft aber wirklich…) an einer Tankstelle am Ortsausgang. dann geht es gleich raus auf der Interstate 40 Richtung Westen.

Nur wenige Minuten später passieren wir die Grenze zu Arizona! YEAH! Endlich wieder hier! Es fühlt sich merkwürdig vertraut an! Sicherlich auch, weil wir jetzt allmählich in Bereiche kommen, die Anja und ich bei unserer allerersten Reise in die USA, im Sommer 2001 zusammen mit Freunden (im Prolog unseres Reiseberichts haben wir hierüber ja berichtet) schon besucht haben. Da erkennt man plötzlich einiges wieder! Und wenn es nur die Namen der Städte auf den Verkehrsschildern sind!

Die Idee vom Frühstück, banditmäßig mal eben nach Flagstaff durch zu rauschen, löst sich übrigens schon am zweiten meilenweit vorher angekündigten Souvenirshop in Luft auf. Zu einladend ist das Angebot des „largest indian reservation“ der World und der Tatsache, dass uns selbst der „Chief welcomes you“ machen wird. Wow! Ein echter indianischer Häuptling! Den möchten wir gerne sehen! Und als auf den Schildern auch noch steht, dass wir gerne „bring your cameras“ machen können, ist es vollkommen um uns geschehen! Ja, wir zappeln hilflos im Touristennetz, welches die Indianer hier gespannt haben. 😉

Um kurz vor halb 10 stehen wir vor einem „Navajo Owned Indian Shop“ direkt unmittelbar am mit typischer Lehmhausarchitektur. Weit weniger urig, wie noch in Albuquerque, aber dafür sind hier, neben dem Staub der Interstate, die Angebote preislich vielleicht etwas attraktiver. Nicht nur wegen der Lage, sondern auch wegen der Konkurrenz. Mindestens drei Läden buhlen hier um Kunden und zwei weitere stehen in etwas Entfernung ebenfalls bereit (hier zu finden auf: google maps )

Natürlich schauen wir uns auch gleich den größeren der beiden Läden an, dessen Auslage und ausgehängte Werbung besonderes vielversprechend ausschaut.
Im Innern ist das Angebot dann leider doch natürlich typisch auf Touristen ausgerichtet. Wir hatten es befürchtet! Kein alter Stammeshäuptling in einem rauchigen Wigwam mit gegerbter, faltiger Haut, Federkopfschmuck und Friedenspfeife. Und auch keine indianische Weisheit, vom Häptling individuell für jeden von uns mit auf den Weg gegeben und dazu noch passend ein antiker wie spirituell aktiver Talismann mit unserem Totem.
Nix davon!
Stattdessen eine junge, optisch nur lose an Indianer erinnernde Frau, die kaugummikauend abwechselnd auf uns und auf ihr Iphone starrt. Ganz ohne indianische Weisheit in einer spirituellen und mit Räucherstäbchen ausgekleideten Aura. Tja schade.
Auch die meisten Souvenirs teilen sich scharf in zwei Lager. Da wären zum einen die vermutlich echten, authentischen Indianerartefakte. Schmuckstücke, Federn, Pfeile. Alle wirken edel, sehr viele liegen beim diskreten Blick auf das Preisschild dann auch außerhalb des persönlichen Budgets.
Dem gegenüber steht in anderen Reihen bunter Kitsch und Tand. Einfachste Qualität, das meiste „Made in China“ oder eben aus Vietnam. Preislich fangen die Sachen bei einem Dollar an. Dazwischen gibt es gar nichts.

Eine knappe halbe Stunde dauert der Ausflug in die indianische Souvenirwelt. Und wir sind sehr zufrieden! Rein in den Laden, das Angebot scannen, das Beste hieraus mitnehmen und wieder raus in weniger als 30 Minuten. Hah! Tschüss Reisegruppe, die aus zwei Minivans steigt und sich gestikulierend seit Minuten nicht entscheiden kann, ob sie lieber ins Chee`s Indian Store oder ins benachbarte „Navajo owned Indian City“ zuerst gehen soll. Bis ihr hier fertig seid, campen wir schon mit Blick auf den Grand Canyon! Yee-haw!

Weit kommen wir auf der Interstate 40 nicht, denn nach etwa 80 Kilometern eintöniger Route 66 / Interstate 40 Kombi erscheint das nächste Highlight auf den Schildern am Straßenrand. Der Petrified Forest National Park!

Von unserer ersten Reise in die USA wissen wir von den zahlreichen Nationalparks, wie abwechslungsreich und schön diese riesigen naturbelassenen Anlagen sein können. Jeder hat hierbei eine besondere Spezialität, dies muss übrigens nicht immer ein Wald sein, wie das Wort „Forest“ vermuten lassen würde.

 

Infobox Petrified Forest National Park

Der Petrified Forest National Park hier an der Interstate 40 (Ausfahrt 311) bietet ein wüstenähnliches Hochplateau auf etwa 1.800 Metern über NN. Und er beherbergt eine ganz besondere geologische Formation, die sogenannte „Painted Desert“, also farbige Wüste! Die Farbe erhält die Wüste hierbei durch die verschiedenen Gesteinsschichten, die je nach Ablagerung eben unterschiedlich schimmern und leuchten.
offizielle Webseite: nps.gov/pefo

An der Einfahrt ist kein Betrieb. Ein Schild weist darauf hin, dass wir am Visitor Center parken und den Parkeintritt bezahlen können. Wir fahren also die Straße ein Stückchen rauf, bis wir das Visitor Center entdecken. Ein überraschend überschaubarer Bau! Und weit weniger groß, als wir uns den Nationalpark vorgestellt haben. Mit Ausnahme des Visitor Centers gibt es hier ansonsten keinerlei Infrastruktur, sogar ein Campingplatz, sonst üblich in Nationalparks in den USA, fehlt hier vollends. Wer mit einem kleinen Zelt als Backpacker unterwegs ist, kann sich eine kostenlose Schlaferlaubnis in der Wildnis holen. Wer mit dem Wohnmobil kommt, darf am Visitor Center in einer der langen Parkbuchten bleiben, sofern er eine eigene Toilette und Wasserabschluss (geschlossener Wassertank) an Bord hat. Hätten wir, aber übernachten wollen wir hier gar nicht. Es bliebe der Eintritt. 25 Dollar. Nicht gerade wenig, aber das können wir uns sparen! Denn Anja entdeckt im Reiseführer den Hinweis, dass man vom Homolovi State Park (dieser ist „nur“ ein State Park des Staates Arizona, also kein National Park der bundesstaatenübergreifenden USA!) mit direktem Zugang nicht allzu weit von hier* ebenfalls einen tollen Ausblick auf die farbigen Gesteinsschichten bietet und darüber hinaus auch noch über indianische Geschichte der Hopi Indianer informiert! Also zwei Sehenswürdigkeiten zum Preis von einer. 😉 Und nicht nur das, denn aus dem Reiseführer wissen wir, dass die Eintritte in die einfachen State Parks meist deutlich weniger kosten, als in die National Parks und den Sehenswürdigkeiten fast in nichts nachstehen! Die großen Parks rechnen sich eigentlich nur, wenn man eine Kombikarte / Jahreskarte nimmt, die dann für mehrere Parks gleichzeitig gilt. Wir hatten kurz überlegt, ob wir diese Karte hier kaufen sollten (wir wollen ja noch in den Grand Canyon National Park!), haben die Idee dann aber doch verworfen. Der Grand Canyon ist noch nicht ganz sicher, ob wir das schaffen und wenn nicht, haben wir sehr sehr viel Geld für Parkeintritte bezahlt, die wir gar nicht wirklich nutzen können.
Wir drehen also kurz vor dem Kassenhäuschen um und sind nur wenige Minuten später wieder auf der Route 66 / Interstate 40 Richtung Westen unterwegs.

*nicht allzu weit von hier – der transitfrei.de Aha- Moment…:
Wenn wir auf dieser Reise schreiben, dass etwas „nicht allzu weit von hier“ ist, dann bezieht sich diese Info übrigens rein auf amerikanische Verhältnisse! Denn zwischen dem Petrified National Park und dem Homolovi State Park liegen mal eben locker 100km! Und ja, das ist dennoch noch immer die gleiche „Painted Desert“, also die farbigen Gesteinsschichten, die man an beiden Aussichtspunkten bestaunen kann. Die Entfernungen sind hier halt ein wenig größer! Think big! Das ist fast schon das inoffizielle Motto unserer Reise! 😉

 

Auf halber Strecke zwischen dem Petrified Forest National Park und dem Homolovi State Park liegt ein weiteres Highlight auf dieser Route, welches übrigens wieder ganz im Spirit der Route 66 steht! Das kleine verschlafene Holbrook! Wenn ihr unseren Reisebericht bislang aufmerksam verfolgt habt, werdet ihr vielleicht noch im Gedächtnis haben, dass wir unsere Reise für unsere Jungs auch kindgerecht gestalten wollen. Ein Ziel hierbei: Wir wollen versuchen möglichst viele „Drehorte“ des Disney- Films Cars besuchen! Natürlich kann man die Drehorte nicht wirklich besuchen. „Cars“ ist schließlich ein Zeichentrickfilm! Aber erstaunlich viele Gebäude und Besuchsstätten in Amerika standen Pate für die Spielorte im Film. Das „Ramones“, bzw das RL- Pendant „U-Drop Inn Cafe“ in Shamrock, Texas haben wir ja bereits vor einigen Tagen besucht. Heute steht das nächste Highlight hier in Holbrook an! Denn hier stehen kleine „Wigwams“, die als Motelzimmer gemietet werden können. Im Film Cars sind die Wigwams im „Cozy Cones“ Motel von Sally als kleine orange Hütchen zu finden, wo eben Autos statt Menschen drin schlafen können.

 

Transitfrei- Zwischentipp für Drehort- Jäger des Films Cars!
Nicht nur das „Ramones“ von vor ein paar Tagen oder jetzt das „Cozy Cones“ oder die „Jack Rabbit Trading Post“, die wir im weiteren Verlauf des Tages noch besuchen werden, hat im wahren Amerika, meist in unmittelbarer Nähe zur Route 66, reale Bezugspunkte. Auch Personen wie Flo und Sally haben mit Fran Houser und Dawn Welch aus dem „Midpoint Cafe“ reale Vorbilder, deren Lebensmittelpunkte und Geschichten in den berühmten Zeichentrickfilm von Disney / Pixar Einzug gehalten haben. Wer sich für den Film bzw. respektive für die Drehorte und Personen interessiert, die englischsprachige Wikipedia hat einen ganz tollen Artikel mit einer guten Übersicht aufgelegt, aus der man viele Filmschauspieler und Drehorte ihren realen Pendants zuordnen kann. Wir haben versucht, unsere Reise durch diesen Bezug möglichst kindgerecht zu gestalten und wir finden, dass uns dies ganz gut gelungen ist. Es war für unsere Jungs auf jeden Fall nahbarer, als nur durch Wald und Feld zu stiefeln! Etwas, was uns als Anspruch im Sinne eines „Familienurlaubs“ zum Roadtrip wichtig war. Wer also eine Fahrzeugüberführung mit (kleinen) Kindern plant, die den Film Cars gut kennen, kann sich hieran super Wegpunkte für die eigene Route herauspicken. Ihr findet die Übersicht in englischer Sprache hier: wikipedia.org/Radiator Springs

 

Holbrook ist wieder so etwas, wie das typische amerikanische Kleinstädtchen an der Route 66, der lebendige, reale Pendant zu „Radiator Springs“ wenn man so will. Auch hier finden wir auf der Ostseite eine Ausfahrt (Exit 289) von der Interstate, dann eine langgezogene Hauptstraße mit den typischen Futterschmieden, Tankstellen und Motels. Dann ein kleines Zentrum (selbstredend ohne Fußgängerzone), hiervon abgehende Stichstraßen im Schachbrettformat und eine dann eine Spiegelung auf der anderen Seite, bis es an der Westauffahrt (Exit 286) wieder auf die im Halbbogen um den Ort verlaufende Interstate 40 / Route 66 drauf geht. Holbrook hat den Vorteil, etwas größer als die typischen kleinen Örtchen zu sein und über eine dritte Ausfahrt zu verfügen. Aber wirklich größer wird die Stadt dadurch nicht. Sie wird durch die Interstate einfach nur einmal geteilt.
Einmal mehr hat diese vertraut- nüchterne Architektur den Vorteil, dass man quasi fast alle Sehenswürdigkeiten „im Vorbeifahren“ auf der Hauptstraße mitnimmt. Ideal für spontane Touristen, die sich rein anhand des ersten Eindrucks entscheiden, ob sich ein Stopp an einer jeweiligen Sehenswürdigkeit lohnt, oder nicht.

Für uns lohnt sich der Stopp! Denn schon von weitem erkennen wir, neben zahlreichen anderen Gebäuden mit charakteristischem Route 66 Werbeaufdruck, das Wigwam Motel! Fast könnte man meinen, die hellweißen Zelte seien wirklich aus Zeltstoff und nicht aus Beton…
Und auch die Jungs, die natürlich nicht SOFORT die weißen Wigwams mit den gelben Straßenhütchen mit dem Film „Cars“ assoziieren, freuen sich dennoch über den Stopp an den kleinen Indianer- Tipis und sind sofort im Cars- Fieber!
Denn hier steht niemand geringeres, als Hook der Abschleppwagen persönlich!

Gut, OK, es handelt sich hierbei sicherlich nicht um einen original von Disney lizensierten Abschleppwagen! Aber er ist optisch verdammt nah dran! Uns würde wirklich interessieren, ob die Besitzer schonmal mit Disney Stress deswegen hatten. Aber einfach in die Rezeption reinstiefeln und nach den näheren Umständen fragen, so neugierig sind wir dann heute irgendwie doch nicht mehr. Früher, ja, da waren wir auch auf Reisen durchaus mal investigativ unterwegs! Wie die Nummer mit den Scottish Highland Titels, wo man in Schottland ein kleines Stücken Land kauft, um sich Lord oder Lady (im Sinne von Laird) schimpfen zu dürfen. Eine Riesen- Verlade damals! Aufgedeckt vom team transitfrei! Jawohl ja! 😉
Aber damals waren wir ja auch zum einen selbst betroffen und zum anderen sind wir ja extra zur Landbeschau nach Schottland hochgefahren. Das hier ist natürlich weit weniger spektakulär.

Für mich fast noch interessanter als der „auf Hook“ gemachte verrottete Abschleppwagen sind zweifelsohne die vielen anderen alten Autos hier! Alte Studebakers, Fords, Chevrolets. Autos der 50er, 60er und 70er Jahre, alle mehr oder minder erstaunlich gut erhalten. Einige wirken unfreiwillig fast so, als stammen sie aus den frühen James Bond- Filmen wie Goldfinger! Würde mich nicht wundern, wenn der Kollege von Bond und CIA- Agent Felix Leiter gerade frisch in einem der Wigwams nebenan eingecheckt hätte, um einen Bösewicht zu beschatten.
Auch Columbo wäre nicht weniger denkbar, insbesondere beim Anblick des uralten Studebaker! Alles inspiriert und plötzlich gedanklich präsent, allein durch die Anwesenheit dieser alten, tollen Autos mit ihrem teils morbiden Charme des mehr oder minder ausgeprägten Zerfalls.
Herrlich!

Hier am Wigwam Motel in Holbrook (hier zu finden: Wigwam Motel auf google maps ) stehen wirklich ein paar ganz tolle Exponate zeitgenössischer Automobilgeschichte, die unterschiedlicher und detailreicher nicht sein könnten! Das schafft so derart aufgereiht kein Museum. Wären wir mit dem Auto unterwegs, müsste man fast eine Nacht in diesem Motel schlafen, bevor wir nach der Besichtigung wieder Richtung Westen auf der Route 66 / Interstate 40 weiterfahren…

Keine 30km weiter, an der Ausfahrt 269 von der Interstate 40, nehmen wir gleich das nächste Touren- Highlight der Route 66 auf dem Weg zum Grand Canyon mit. Den „Jack Rabbit“ Trading Post!
Einen großen Umweg müssen wir hierfür übrigens gar nicht fahren, denn der alte Handelsposten liegt wirklich direkt an der Interstate 40 / Route 66. Von der echten, alten Route 66 ist hier sogar noch ein kleines, originales Stückchen erhalten, welches wir sehr stolz unter die Wohnmobilräder nehmen.

Infobox Jack Rabbit Trading Post:
Der kleine Handelskontor mit Souvenirs wäre kaum eine Erwähnung wert, wenn dieser nicht drei Besonderheiten in sich vereinen würde. 1. Es gibt hier eine kleine Auswahl wirklich historischer antiker Stücke amerikanischer Automobilgeschichte zu kaufen (deutlich erkennbar am Preis!).
2. Der Jack Rabbit Trading Post erlangte eine gewisse Berühmtheit, weil über die gesamte USA verteilt Werbetafeln zu finden waren, wie weit es von dort jeweils bis hier zum Jack Rabbit ist. Wir meinen mal ehrlich, eine Werbetafel in Miami, Florida mit dem Aufdruck „Jack Rabbit – noch 3.550km“, wie cool ist das denn bitte?! 😀
und 3. Weil auch der „Jack Rabbit“ im Disney- Film „Cars“ eine Hommage erhalten hat! Denn die Werbetafel mit dem Hasen hier trägt den Aufdruck „Here it is“ – genau so, wie der Souvenirshop von Lizzy aus dem Film Cars! Nur eben mit dem Abbild des Ford Tin Lizzy statt dem Hasen.
offizielle Webseite: jackrabbittradingpost.com/
Auf der Karte: auf google Maps

Der Besucheransturm hier im Jack Rabbit ist überschaubar. Wir sind die einzigen Gäste! Und es dauert auch einen Moment, bis wir den morbiden Charme und das Angebot des Jack Rabbit Trading Post in seiner Gänze erkennen bzw. zu würdigen wissen! Hier ist alles echt! So richtig! Nicht so wie bei dem Indianerdorf, wo uns statt dem Friedenspfeife rauchenden Stammeshäuptling im rauchigen Wigwam eine peppige Dame mit Iphone empfangen hat. Die Exponate und Souvenirs, die man hier kaufen kann, sind authentisch! Sie sind echt! Zumindest die, die wir im Nebenzimmer entdecken und eigentlich nicht zu verkaufen sind. Es sei denn man zahlt einen Preis, der nicht auf einem Preisschild steht. Denn es gibt keins.
Uns erfasst so etwas wie Ehrfurcht vor der Leistung, hier mitten im Nichts mit einer Idee der Werbetafeln in den USA auf seinen Laden hinzuweisen und dann diesen Laden nicht nur dem schnöden Mammon, sondern auch mit Herzblut der amerikanischen Geschichte zu widmen.

Natürlich gibt es hier auch den üblichen Touristentinnef! Für die ein oder andere Busladung an Schnäppchenjäger, die sich vermeintlich ein Stückchen Route 66 kaufen, nur weil sie hier angehalten und für 3 Dollar einen Kühlschrankmagneten gekauft haben. Klar. Aber man merkt irgendwie, dass man diesen Tinnef hier mehr oder minder nur notgedrungen verkauft. Viel mehr sind es die Menschen hier, die echt sind! Und wir sehen ihnen auch ohne ein einziges Wort zu wechseln an, dass sie Sorgen haben, wie sie über die Runden kommen sollen.

Zu einem Scherzen sind sie trotzdem aufgelegt! An der Kasse steht am Tresen eine kleine, braune unscheinbare Holzkiste. Selbst gezimmert. Auf der Kiste ist Stück Papier aufgeklebt, auf dem ein Warnhinweis zu finden ist! Darauf steht: „Caution! Baby Rattlers!“
Ui!
Sofort ist klar: da sind kleine Babyklapperschlangen drin!
Nils und Tim wollen natürlich sofort ihre neugierigen Nasen in die Box stecken! Schließlich hat Ihnen Anja schon mehr wie einmal die Warnungen vor Klapperschlangen aus dem Reiseführer vorlesen müssen, was die Jungs auch mit Spannung in sich aufgesogen haben! Echte Schlangen! Hautnah in der Natur! Und wenn man nicht aufpasst, muss man bei einem Kontakt mit den Viechern sogar wirklich sterben! Wie hoch die Giftkonzentration von Baby- Klapperschlangen wohl sein? Und reicht meine Körpermasse aus, um einen möglichen Biss zu kompensieren, bis ich ein Gegenmittel gespritzt bekommen kann? Werde ich vielleicht sogar in der Lage sein, mir das Gift im Lex- Barker Stil einfach aus der Haut saugen zu können nach dem Biss?
Und wie hoch war eigentlich die Versicherungssumme meiner Lebensversicherung?
Meine Neugier kennt trotz aller Warnungen keine Grenzen!
„Are they dangerous“ frage ich den vom Wüstensand gegerbten Mann hinter dem Tresen. Er hat mein Interesse an den Baby- Klapperschlangen natürlich längt bemerkt und macht ein ernstes Gesicht, antwortet aber mit den Augen, wie es hier wohl ein echter Cowboy so tut.
Vorsichtig greife ich zum Deckel der Schachtel und luge durch einen schmalen Spalt hinein. Ich kann Kaninchendraht erkennen, aber die Schachtel selbst verbirgt ihr dunkles Geheimnis nach wie vor! Der Mann geht einen Schritt auf mich zu gleich so, als wolle er mich von der Schachtel wegreißen, hält dann aber doch inne. „Be CAREFUL! OPEN IT SLOWLY“ raunt er laut wie launisch.
Mir stockt fast der Atem, aber ich will die Viecher jetzt auch endlich sehen!
Und dann erkenne ich endlich die durch den Kaninchendraht die gefährlichen Viecher und in welcher Gefahr ich die ganze Zeit geschwebt habe… Phew!

Wir schauen uns nach dem absolut „aufrüttelnden“ Erlebnis weiter im Laden um. So richtig finden wir aus dem Angebot nichts, was wir mitnehmen können. Dabei bemühen wir uns redlich! Wir haben den kleinen Laden irgendwie ins Herz geschlossen. Hätte ich zuhause ein kleines Grundstück, würde ich die Distanz von unserem zuhause bis zum Jack Rabbit ausrechnen und dann im Garten ein Schild aufstellen: „Jack Rabbit – 21.550km“ oder so ähnlich. 😉
Das Problem ist wirklich, dass die Dinge, die wirklich authentisch und schön sind, kein Preisschild tragen. Wir könnten uns diese also kaum leisten, selbst wenn wir nach dem Preis fragen würden. Und was ein Preisschild trägt, haben wir in dieser oder ähnlicher Ausführung schon in anderen Geschäften zuhauf gekauft.
Aber ein Eis aus einer alten, rumpelnden Eistruhe spendieren wir den Jungs! Wenigstens ein kleiner Umsatz für den Laden, wenn hier doch sonst nichts los ist. Wir hätten natürlich noch Eis im Gefrierschrank unseres Wohnmobils gehabt, aber wir wollten hier einfach nicht mit leeren Händen herausgehen. Wir haben schon einige geschlossene Läden hier an der Route gesehen und wir können nur hoffen, dass es in der Hauptsaison vielleicht ein wenig voller wird. Sonst macht dieser Laden hier auch bald zu…

Wieder draußen unter der amerikanischen Sonne machen wir noch ein paar schöne Bilder der Trading Post, dem riesigen Schild und dem Hasen. Jack Rabbit! Wir waren hier! Da machen wir auf unserer Bucket List einen Haken dran.

Das nächste Unterwegsziel auf dem Weg zum Grand Canyon soll aber jetzt endlich die farbige Steinformation, die „Painted Desert“ sein, die wir schon am Petrified Forest National Park ausgelassen haben. Der einzige Weg dorthin führt ein weiteres Mal über die Interstate 40 / Route 66, auf die wir ein weiteres Mal an diesem Tag auffahren. Keine 30 Minuten dauert es bis zum Homolovi State Park von hier aus, dann stehen wir schon an der Einfahrt.

Der Homolovi State Park of Arizona muss sich dem National Park gegenüber kaum verstecken. Auch hier werden wir von einem geschlossenen Kassenhäuschen empfangen, nach kurzen Studium der Preistafel entdecken wir auch hier den Hinweis, dass wir das Eintrittsentgelt am Visitor Center bezahlen sollen. Oder alternativ auf dem Campingplatz! Denn im Gegensatz zum Petrified Forest hat der Homolovi Park einen RV-Park (hier zu finden: auf google maps)
Den wollen wir uns näher anschauen! Wir wollten zwar eigentlich noch bis Flagstaff fahren, damit wir die ideale Ausgangsposition für den morgigen Abstecher zum Grand Canyon haben, aber wenn der Platz hier sehr schön ist, könnten wir den heutigen Fahrtag auch spontan früher beenden und den Rest des Tages noch schön für Camping und Co. nutzen.

Den Campingplatz entdecken wir auf Anhieb. Es gibt weit und breit nur eine einzige Kreuzung, an der wir links abbiegen müssen. Dann stehen wir auch schon auf dem überschaubaren Areal.
Hmm. So richtig will der Funke nicht überspringen. Einige Parzellen sind offenbar derzeit nicht bewohnt, die dort mehrheitlich abgestellten Trailer wirken verwaist.
Viel zu entdecken gibt es hier auch nicht. Ein Spielplatz für Kinder fehlt völlig und auch rundherum ist natürlich nur Sand und Stein zu finden. Im Sommer muss es hier unerträglich heiß und trostlos sein.
Jetzt im keimenden Frühling geht es von den Temperaturen her natürlich, aber der Begriff „weit weg vom Schuss“ wäre hier noch zu laut, um die Situation treffend zu beschreiben. Spontan zieht ein leichter Hauch von Einsamkeit durch unser Wohnmobil. Nein, hier werden wir wohl nicht bleiben.

Wohin also? Rüber zum Visitor Center? Und dann schauen, wie wir den Ausblick zum Painted Desert bekommen?
Anja entdeckt dank Google Maps eine bessere Alternative! Denn den Blick auf die bunten Steinformationen kann man auch kostenlos genießen! Vom Painted Desert Rim Drive aus! Hier vom Homolovi State Park fährt man auf der Bundesstraße 87 etwa 25km immer schnurstracks von der Interstate 40 aus geradeaus in nördlicher Richtung.
Klar, der Umweg macht hin und zurück mal eben sportliche 50km aus! Und wahrscheinlich kosten die 50km Umweg mit dem Wohnmobil mehr Sprit, als wenn wir direkt den Eintritt in den Petrified Forest National Park bezahlt hätten. Aber egal. Think big! Das kennt ihr ja schon. 😉

Der Umweg lohnt sich dennoch in jederlei Hinsicht! Denn kaum biegt man an der möglicherweise einzigen Kreuzung auf dieser in die Unendlichkeit führenden Straße links ab, steht man nur wenige Meter später quasi an der Abbruchkante mit einem gigantischen Ausblick auf eine jahrmillionenalte Geschichte unserer Erde! WOW!
Und das Areal ist so verlassen wie ausgesprochen wohnmobilfreundlich!
Ausreichend große Parkbuchten überall, dazu einige Picknickbänke, die mit lehmartigen Pavillons überdacht sind. Diese sind liebevoll mit indianischen Mustern verziert und bieten gegen die allzu strenge und sengende Sommersonne etwas Schatten.
Jetzt, im Frühling, wollen wir natürlich lieber die Sonne genießen, zumal hier oben auf dem Aussichtsplateau auch ein recht frischer Wind weht! Da würde man im Schatten schnell frösteln. Ihr findet den Aussichtspunkt übrigens hier: auf google maps

Wir gehen die paar Schritte an die Abbruchkante und staunen über das, was Naturgewalten über Jahrtausende hier geschaffen haben. Und wie alt diese Steine hier schon sind! Gemessen an ihrem Zeitstrahl sind wir kleine Familie hier wohl weniger als ein Wimpernschlag für sie! Mit stoischer Ruhe des Alters erträgt uns der Aussichtspunkt und offenbart uns eine Schönheit, die wohl einzigartig auf dieser Erde sein sollte. Gleichzeitig vermittelt uns das Areal eindrucksvoll, dass es wohl völlig egal ist, ob wir Menschen hier oben ein wenig herumwuseln, oder nicht. Bilder können weder die Weite der Natur, noch die Tragweite der eigenen Gedanken transportieren, die wir hier erleben dürfen. Selbstverständlich versuchen wir es trotzdem, obgleich wir an noch keinem anderen Platz auf der Welt waren, wo das Unterfangen einen Ausblick und ein Gefühl irgendwie einzufangen derart sinnlos war.

Wir gehen ein paar Schritte, dann aber meldet sich doch so langsam der Hunger! Schon im Homolovi State Park hätte ein nettes Restaurant sicherlich dazu beigetragen, dass wir unser Lager dort für die Nacht aufgeschlagen hätten. Und auch hier wäre wohl ein gar nicht so schlechter Platz, um nach einem guten Abendessen die Nacht in totaler Stille unter einem wahrscheinlich phantastischen Sternenhimmel zu verbringen.

In jedem Fall aber ist es Zeit für ein gutes Mittagessen! Und was ist es doch toll, dass wir unser Wohnmobil dabei haben!
Wir stellen kurzerhand unseren Picknicktisch nach draußen in die Sonne, dazu die vier einfachen Campingstühle. Wir könnten natürlich auch einen der bereitstehenden Picknickplätze für uns reservieren, sind ja alle frei, aber es zieht doch noch immer erheblich hier oben.
Zum Essen gibt es übrigens eine leckere Pizza!
Ein Hoch auf unser Wohnmobil zum zweiten! Denn der Gasbackofen funktioniert hier in der Einöde natürlich ebenso problemlos, wie auf dem Campingplatz. Hier könnte man wirklich fast bleiben und heute Abend den Sternenhimmel genießen!

Der kurze Moment aufkeimender Lust auf ein spontanes Abenteuer die Nacht hier zu verbringen weicht relativ schnell dem typischen Unbehagen von Städtern, wenn um einen herum die trügerische Sicherheit anderer Menschen fehlt. Dabei denken wir noch nicht einmal so sehr an Koyoten oder Bären, die hier vielleicht irgendwo umher streifen könnten, sondern viel mehr machen wir uns schon jetzt bei Tageslicht Gedanken, ob wir von diesem Plateau wieder lebend herunter kommen!
Denn wir bleiben nicht lange alleine! Schon wenige Minuten nach unserer Ankunft fährt ein anderer PKW auf das Areal. Zuerst bleibt er in einiger Entfernung stehen. Dann fährt der Fahrer wieder an und nähert sich der Abbruchkante in einem schrägen Winkel zu unserem Parkplatz. Im Auto sitzen zwei eher panamerikanisch anmutende Männer jüngeren Alters, die uns bei ihrer langsamen Vorbeifahrt genauso mustern, wie wir sie. Was checken die gerade ab? Ob wir bewaffnet sind? Ob wir uns wehren könnten oder dies überhaupt tun, wenn die jetzt plötzlich eine Knarre aus dem Handschuhfach zaubern? Wir sind die mit den Kindern, da werden wir wohl irgendwelche Heldenaktionen starten, was unsere Jungs gefährden könnte! Selbst wenn wir auch eine Kanone hätten! Was aber, wenn die uns wirklich gleich ausrauben? Geld und Wertgegenstände fordern oder gar mit dem ganzen Wohnmobil einfach davon fahren?!
Wir könnten uns sogar das Schreien um Hilfe sparen, denn hier würde uns keiner hören! Und selbst, wenn die uns das Leben lassen, es würde Stunden dauern, bis wir Hilfe bekämen! Die Zufahrtsstraße war bereits äußerst
Das Auto fährt an uns vorbei und parkt einige Meter entfernt. Niemand steigt aus, nichts regt sich. Ich bilde mir ein, dass die uns beobachten. Und nicht den Ausblick in das steinerne Tal. Auch, wenn sie für einen Blick zu uns eigentlich unpassend schräg mit dem Heck zu uns geparkt haben.

Irgendwann starten sie dann den Motor. Sie rollen ebenso langsam vom Areal, wie sie es befahren haben. Ich blicke ihnen noch lange nach und als sie an der Ausfahrt fast außer Sichtweite ein weiteres Mal stehen bleiben und ich keinen Grund dafür erkenne, ist für mich klar: Wir fahren weiter!
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, ich möchte hier nichts riskieren. Auch, wenn ich wahrscheinlich übervorsichtig reagiere.

Schnell sind Campingtisch und Stühle verstaut, die Spuren des Picknicks beseitigt. Nils gräbt noch ein kleines Loch in die Erde und steckt zum Abschied an diesen schönen Ort eine Traube in den Sand, weil er findet, dass hier zu wenig grün wächst und das Plateau etwas mehr Natur vertragen könnte. Ich kann mir zwar kaum vorstellen, dass hier in diesem staubigen, trockenen Sand etwas wie eine Traubenrebe wächst, aber wenn der Bub Freude dran hat?! Vielleicht klappt es ja! Falls also jemand von euch zufällig hier auf das Areal fahren sollte, schaut doch bitte mal nach und macht ein Foto für uns! Das wäre echt nett! 😉

Auf dem Weg zurück zur Interstate 40 / Route 66 legen wir definitiv fest, dass wir jetzt bis Flagstaff fahren. Von dort aus wird es dann morgen zum Grand Canyon gehen. Etwa 120km sind es noch bis zu diesem für die Route 66 ebenfalls sehr markanten Ort, für heute wäre das dann aber auch wirklich genug zum Fahren. Einziger Lichtblick des ständigen „Auf-Achse-seins“ mit dem Wohnmobil ist, dass wir ein weiteres Mal eine historische Marke auf den Tacho unseren dicken Wohnmobils nageln! Wir knacken die 2000 Meilen! Wow!

Schon bei der Zufahrt auf Flagstaff bemerken wir, dass wir uns allmählich von der unendlichen Weite der Prärie verabschieden. Die Straße führt stetig bergauf und mit jedem Meter verdichtet sich die Vegetation, die wenige Kilometer vor Flagstaff sogar wieder in dichteren Wald übergeht. Die Szenerie erinnert uns spontan so gar nicht mehr an die weiten des wilden Westens, sondern viel mehr an die dichten und ursprünglichen Wälder im Norden der USA bis rauf nach Kanada! Der Eindruck wird sogar noch verschärft, als wir die ersten Schneeflecken entdecken! 😮
Rechts und links der Fahrbahn schimmert es typisch weiß und wir machen uns ernsthaft Sorgen, ob das mit Flagstaff wirklich so eine gute Idee war! Immerhin liegt Flagstaff über 2.000m hoch! Klar, dass hier der Winter, der uns bislang seit Middelbury mehr oder weniger nur als Phantom im Wetterbericht verfolgt, auf dieser Höhe eine gute Chance hat uns einzuholen.

Flagstaff selbst empfängt uns kühl und wuselig. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr einen die Zivilisation und ihr Verkehr mit dem Dampfhammer überrumpelt, wenn man zuvor hunderte Kilometer mehr oder minder einfach nur geradeaus gefahren ist.
Auch Flagstaff ist natürlich autofahrerfreundlich gestaltet, bietet fast durchgängig zwei Fahrspuren in jede Richtung. Kommt uns gelegen, da wir gleichzeitig fahren und uns orientieren müssen. Wer schnell vorbei möchte, überholt uns einfach. Klappt problemlos.

Das erste Ziel, was wir hier in Flagstaff ansteuern, ist das Pioneer Museum. Dort möchten wir uns zum einen die Ausstellung sowie endlich auch eine hier abgestellte alte Dampflok anschauen, wie auch anhand des Angebots an Campingplätzen rund um Flagstaff überlegen, wo wir heute Nacht schlafen werden. Anja hat zwar auf der Fahrt hierher schon einige rausgesucht, u.a. auch einen KOA für die Kids, aber so richtig zufrieden ist sie mit keinem der verfügbaren Plätze. Wir wollen also zusammen schauen, sobald ich auf dem Parkplatz gefahrlos die Hände vom Lenkrad und die Augen von der Straße nehmen kann.

 

Infobox Pionier Museum / Pioneer Museum Flagstaff
Das Pionier Museum bietet einen Einblick in das Leben der Siedler. Alte Kutschen, eine nachgebaute Farm, Ackergerät, Pflüge, Planwagen und vieles mehr. Das Haupthaus war sogar mal ein rudimentäres Krankenhaus und zeigt Ausstellungsstücke einer frühen Medizin der Übergangszeit weg vom Hufschmied hin zum Arzt für alle Arten von Leiden.
Für die neuere Zeit steht sogar ein altes Auto aus den 20er Jahren zur Besichtigung bereit. Herzstück der Ausstellung ist aber zweifelsfrei die alte frei begehbare Dampflokomotive, eine Baldwin 2-8-0 aus dem Jahre 1911! Diese Lok hat quasi „sich selbst geholfen“, denn mit ihr wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts die großen Baumstämme aus den dichten Wäldern dieser Gegend zum Bau der Bahntrassen in den USA abtransportiert.
Ihr findet das Museum an der Route 66:
Pionier Museum: auf google Maps
offizielle Webseite: arizonahistoricalsociety.org/pioneer-museum/

 

Mit dem Wohnmobil ist das Parken unterhalb des Museums kein Problem. Kaum steht es, wird es allerdings auch schon kalt und kabbelig! Die Zeit für T- Shirt- Wetter ist definitiv vorbei! Brrrrr!
Zum ersten Mal seit Tagen packe ich sowohl Hoodie wie auch Jacke aus dem Schrank!
Den Kindern packen wir sogar Mütze, Schal und Handschuhe an den Körper. Die Luft schmeckt, als würde es jeden Moment anfangen zu schneien!
Dies ist allerdings nicht das einzige Problem. Wir sind für eine Besichtigung einfach zu spät! Das Museum schließt  bereits um 17 Uhr und wir haben kurz nach halb. Das reicht nicht mehr, um sich die gesamte Ausstellung anzuschauen. Den Eintritt können wir uns sparen.

Aber die rustikale, schwere Dampflok können wir wenigstens kostenlos anschauen und auch besteigen. Ein wirklich historisches Stück Eisenbahngeschichte. Und auch, wenn die alte Baldwin hier sicherlich nicht die allergrößte Dampflokomotive ist, die die USA zu bieten hat, zeugt bereits ihre Wuchtigkeit und massives Erscheinen davon, welche Kräfte hier am Werk waren.

Während die Jungs Lokführer spielen, schauen Anja und ich nochmals durch das Angebot an Campingplätzen hier in Flagstaff. Das Angebot ist begrenzt. Entweder noch geschlossen, zu teuer oder zu abseits von allem. So richtig ist keiner dabei, der uns gefällt.
Spontan hätte ich eher Lust, in einem richtigen Motel und Zimmer zu schlafen! Wo die aufziehende Kälte einfach draußen bleibt! Wo es einen Pool gibt für eine schöne Abendschwimmrunde. Und wo es eine Heizung gibt, die einen in der Nacht nicht durch den stetigen Wechsel zwischen Gebrülle und Stille aus dem Schlaf reißen würde…

Nun ist ein Motel eigentlich keine besonders clevere Option, wenn man in einem voll ausgerüsteten Wohnmobil unterwegs ist. Wir müssen schon das Beste aus der Situation machen. Eine Idee wäre es, aus Flagstaff wieder rauszufahren! Runter vom Berg und in westliche Richtung weiter auf der Route 66! Die nächste Ortschaft wäre Williams, diese liegt schon ein gutes Stück tiefer. Während unsere Wetterapp für Flagstaff für die Nacht Schnee vorhersagt, zeigt das Symbol für Williams immerhin nur „Schneeregen“. Wenn wir aber nun aus Sorge um das Wetter die etwa 50km weiter fahren, verpassen wir andererseits den Einstieg auf die Bundesstraße 89, die uns morgen zum Grand Canyon führen soll! Auch blöd.

Wir überlegen hin und her, als uns das Wetter die Entscheidung abnimmt. Erste leichte Flocken fallen vom Himmel, dazu frischt der Wind deutlich auf. Es wird richtig ungemütlich! Ungastlich! Es fühlt sich an, als würde der Nordwind eisig durch ein kleines, bis eben noch gemütliches Dörfchen ziehen. Die Menschen eilen flugs nach Hause, klappen die Fensterläden vor die Fenster und schließen sich ein. Das würden wir auch am liebsten tun…
Nein, irgendwie werden wir uns Flagstaff nicht vollständig warm. Und obwohl wir heute eigentlich schon genug hinter dem Lenkrad gesessen haben, hängen wir jetzt nochmals die 50km dran und fahren vom Berg runter nach Williams und dort zum Campingplatz „Canyon Motel & RV Park“. Dort stehen wir hoffentlich etwas schneegeschützter und wenn es das Wetter zulässt, können wir von dort noch immer zum Grand Canyon fahren, von Williams aus führt die Bundesstraße 64 auch noch zum Grand Canyon.

Mit jedem Meter, den wir den Berg herabfahren, geht der Schnee in Grissel über. Unser Plan könnte also tatsächlich aufgehen. Offenbar unterqueren wir knapp die Wettergrenze, wo der Schnee in Regen übergeht.

Williams empfängt uns so kühl, wie uns Flagstaff verabschiedet hat. Allerdings erweckt sie weit weniger den Eindruck einer „tristen Holzfällerstadt“ im Norden amerikanischer Wälder, sondern bietet wieder so etwas wie eine Westernatmosphäre. Man bemerkt schon beim Durchfahren, dass es sich um ein touristisch voll erschlossenes Dörfchen an der Route 66 handelt. Und auch der Grand Canyon ist von hier aus wohl noch nicht wirklich abgeschrieben, denn Williams präsentiert sich uns selbst als der „Gateway to Grand Canyon“ am Ortseingang. Laut unseres Route 66- Reiseführer trifft Williams mit zahlreichen Souvenirshops, Restaurants und Unterkünften genau unseren Geschmack.  Mal sehen, ob wir einen kleinen Stadtbummel im Zentrum irgendwie in unseren Plan integriert bekommen. Doch jetzt wird erstmal eingecheckt.

Wir finden den Canyon Motel & RV Park mit unserem Navi auf Anhieb. Und schon bei der Einfahrt empfängt uns auch hier der neo- moderne Charme der Route 66, der uns dank Disney´s Cars schon oft auf dieser Reise begegnet sind. Hier ist es dann das sensible Feuerwehrauto von Radiator Springs, der bei jedem falschen Wort gleich in Tränen ausbricht. Die Jungs sind happy und wollen den Feuerwehrwagen am liebsten sofort genauer unter die Lupe nehmen. Wenn es nur nicht so saukalt wäre!

Leider wird es noch schlimmer, als wir erwartet haben
„We expect Snow this night and temperatures below 30°F. You have to confirm by your signature, that you wont leave fresh and dump water connected to the service!“
Was übersetzt etwa bedeutet, dass wir diese Nacht Bodenfrost und Schneefall bekommen! Und wir mit unserer Unterschrift bestätigen müssen, dass wir Frisch und Grauwasser nicht mit der Servicesäule bzw. dem Bodeneinlass verbinden, da die Flüssigkeiten darin frieren könnten.
Oha! Da holt uns der Winter nun doch noch schlussendlich ein!
Es tröstet wenig, dass ich dieses Mal beim Einchecken aufgepasst habe und gleich zu Beginn unsere ADAC / AAA Clubmitgliedskarte vorgezeigt habe. Anstandslos wird uns ein kleiner Rabatt von 5 Dollar gewährt. Das die Nacht dennoch 45 Dollar kostet, ist einerseits dem Umstand geschuldet, dass Williams ein absoluter Touristenhotspot ist und wir zum anderen zu müde sind, jetzt nochmals weiter zu fahren! Es wird ja langsam auch spät! Der Fahr- und Erlebnistag darf jetzt wirklich gerne enden.

Wir bekommen eine nette Parzelle in der Nähe der Rezeption zugewiesen. Der Spielplatz für die Jungs ist in Sichtweite, wenn auch nicht unmittelbar in der Nähe. Da der Platz aber nur zu etwa 10% belegt ist (und die meisten davon sind Dauercamper und haben nur ihr Fahrzeug hier), haben wir einen weiträumigen Blick über das Areal und können die Kinder bei ihrem Streifzug durch die Kälte von der warmen Sitzgruppe aus gut im Blick behalten.

„Du?“
„Ja?!“
„Die Heizung wird ja wohl diese Nacht recht ordentlich zu tun haben? Meinst du, das unser Gas reicht?“
Hmm. Guter Einwand. Zielsicher steuere ich unser Bedienpanel an und drücke auf den Kontrollknopf. Zwei von vier Dioden leuchten auf, also halbvoll.
„Ich denke mit halbvollem…“ ich will gerade den Knopf loslassen, da fällt mir aus dem Augenwinkel etwas auf. Die Sortierung ist hier anders! Zwei Dioden bedeutennicht halbvoll, sondern zu 1/3 leer! Es gibt nämlich bei vier Dioden nur die Stellungen Voll, 3/4 voll, 1/3 voll und eben leer.
Was ist das für ein Schwachsinn bitte?! Wo ist HALBVOLL?!
Stattdessen 3/4, das wiegt einen lange in Sicherheit und dann ist plötzlich nur noch 1/3 drin?!
„Wie lange ist denn die Anzeige schon auf 1/3?“
„Keine Ahnung!“
„Was machen wir jetzt?“
Wir grübeln eine Weile über dem Gedanken. Aber wie man es auch dreht und wendet, wenn uns das Gas bei Temperaturen unter Null ausgeht, ist Schluss mit lustig! Wir haben mal in unserem Wohnmobil in Schottland bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt eine Nacht ohne Heizung im komplett ausgekühlten Wohnmobil übernachtet! Das war für uns damals als Erwachsene schon eine frostige Nacht an der Schmerzgrenze. Mit Kindern ist das mehr als bedenklich, zumal es diese Nacht ja sogar noch ein bisschen kälter werden wird!
Ich stiefele zur Rezeption und frage nach, wo ich denn noch Propangas für das Wohnmobil bekommen kann. Vielleicht haben die ja hier auf dem Platz eine Nachfüllmöglichkeit…

Unsere Hoffnungen werden jäh enttäuscht. Die Dame in der Rezeption kann uns leider kein Gas anbieten und ein wenig wirkt sie so verloren, als seien wir die ersten Menschen, die nach einer Gasfüllmöglichkeit für ein Wohnmobil fragen! Sie überlegt lange, ruft dann eine Kollegin per Telefon an und lässt sich erklären, dass es in Williams wohl zwei Tankstellen gibt, die auch das Nachfüllen von Propane anbieten. Eine davon ist die „Loves“, die die nächste sein soll. Einfach nur den RodeoDrive an der Einfahrt runter und dann rechts. Dort könne man Propan nachfüllen.
Wir sind zwar kaputt und müde, aber wenigstens ist es noch nicht vollends dunkel, obwohl die Sonne bereits Kurs auf den Horizont genommen hat. Die Bordduhr zeigt uns kurz vor 4. So spät ist es also noch nicht und wie gesagt ist es keine Option, dass uns in der Nacht eventuell das Gas ausgeht.

Wir räumen nochmals alles soweit zusammen und sammeln die Kinder ein. Besonders begeistert schon wieder ins Wohnmobil zu steigen sind sie nicht gerade. Aber als wir versprechen, dass wir nicht nur zur Tankstelle fahren, sondern uns auch noch den Ort ein wenig anschauen und was Leckeres zum Abendessen finden, sind sie motiviert genug.

Wir finden die Loves auf Anhieb. Es ist einer der uns bereits bekannten Truckstops direkt an der Interstate 40 neben der Autobahnausfahrt 163. Logisch. Wenn es irgendwo Propan gibt, dann an diesen Dreh- und Angelpunkten der automobilen Lebensadern dieses Landes.

Wir entdecken den großen Propantank mit einer eigenen Preistafel etwas abseits der Zapfsäulen. Zum Glück sind wir die einzigen Gasbedürftigen zu dieser Zeit.
Da die Temperatur mit jeder Minute, die die Sonne am Horizont verschwindet, tiefer sinkt, bleiben Anja, Nils und Tim im Wohnmobil. Zwar unter Protest, weil ich Ihnen die Heizung abschalte (alle Gasgeräte sollen abgeschaltet werden, wenn man Gas nachfüllt), aber lieber jetzt kurz frieren, als heute Nacht! Das Argument zieht. Aber den Motor lassen wir, typisch amerikanisch, natürlich laufen. Damit wenigstens die Fahrzeugheizung funktioniert… 😉

Im Truckstop herrscht reges Treiben. Es dauert etwas, bis ich an der Schlange an der Kasse dran bin und etwas rüde wirkende Dame bitten kann, uns mit dem Gas zu helfen. Sie schnappt sich das Mikro und ruft etwas für mich nicht verständliches über die Lautsprecher in alle Richtungen aus. Man merkt, dass ich mit meinem Bedarf an ein paar Literchen Gas verglichen zu den Umsätzen, den sie hier gerade mit Benzin und Truckdiesel machen, kein besonders beliebter Gast zu sein scheine. Für einen Moment habe ich das Gefühl, dass mich Dutzende Blicke der anderen Kunden hinter mir gerade durchbohren. In Deutschland wäre dies sicherlich der Fall gleich so, wie wenn man beim Bäcker morgens im Berufsverkehr darum bittet, dass die einzige Bedienung doch bitte zwei frisch belegte Brötchen machen soll! Ja, mit Margarine und natürlich einem Blättchen Salat!
Als ich mich vorsichtig umdrehe, um den Truckstop zu verlassen und am Wohnmobil auf den ausgerufenen Mitarbeiter zu warten, überrascht mich die Reaktion der anderen Kunden. Einer lächelt mir freundlich zu. Den anderen ist es schlichtweg egal. Keiner stöhnt, keiner seufzt. Wohl aber auch, dass es NICHT die Dame an der Kasse sein wird, die sich um unsere Gasproblematik kümmern wird.
„It will take a while!“ ruft sie mir noch hinterher, als sie den nächsten Kunden bereits abkassiert.
Na schauen wir mal.

Zurück beim Wohnmobil bereite ich schonmal alles für das Auffüllen des Gastanks vor. Als ich Klappe für den Anschluss öffne, entdecke ich eine kleine Anzeige mit einem Zeiger. Diese gibt über den Tacho deutlich genauer Auskunft darüber, wie viel Gas noch im Tank ist. Deutlich besser, als mit den Dioden! Aber selbst beim Blick auf den Zeiger ist klar: Das Ding ist nicht nur noch ein Drittel, sondern sogar nur noch zwischen 1/3 und 1/4 voll! Den Tank kann man sicherlich auch nicht komplett leer machen, da wäre uns garantiert in der Nacht irgendwann das Gas und dann die Wärme ausgegangen!

Es dauert wirklich „a while!“ A while bedeutet hier in den USA knapp 20 Minuten! Ich hatte zwei Mal überlegt, ob ich nachfragen soll, ob ich wirklich alles richtig verstanden habe. Aber ich mag auch nicht den ungeduldigen deutschen Touristen hier raushängen lassen. Und wie man sieht, kommt ja auch so einer.
Und was für einer! Ich würde sofort glauben, dass der kauzige Kerl noch vor wenigen Minuten in seinem Claim mit der Spitzhacke nach Gold geklopft hat! Typisches Holzfällerhemd, abgewetzte Jeans, eine verfilzte Basecap, bedenkliche Zahngesundheit, aber spröde wie freundlich. Er erklärt mir jeden Schritt, den er für das Auffüllen des Gases durchführt und vergewissert sich sehr gründlich anhand einer Checkliste, ob wirklich alle Gasgeräte neben dem Motor auch ausgeschaltet sind. Selbst die Fahrzeugelektrik soll ich für das Auffüllen abschalten.
Es ist faszinierend. Wahrscheinlich trägt er einen Colt unter dem Holzfäller- Flanellhemd, aber beim Gas machen sie hier keine Kompromisse…

Nachdem der Zeiger unseres Gastanks auf ein wieder ansehnliches Niveau hochgeklettert ist, wird in umgekehrter Reihenfolge die Fülleinrichtung zurückgebaut. Dann erhalte ich einen gelben Durchschlag aus einem wohlbehüteten Papierblock, mit dem ich im Truckstop bezahlen soll.

9,5 Gallonen, also etwa 35 Liter Gas, tanken wir nach. Wow! Das ist echt viel! So viel verbrauchen wir bei unseren Reisen im Wohnmobil oder Wohnwagen in Europa im ganzen Jahr nicht! Aber hier, wo eben nicht die Heizung nachts brüllend den Gasvorrat leer lutscht, sonden wir auch viel kochen, den Backofen betreiben und eben auch oft beim freien Stehen den Kühlschrank auf Gas am Laufen halten, passt das mit dem Verbrauch schon.
Und wir haben einen guten Anhaltswert! Wir haben das Wohnmobil vor 8 Tagen übernommen. In sechs Tagen werden wir es zurückgeben müssen. Das heißt, dass wir wohl mit diesem einmaligen Auffüllen hinkommen werden bis zur Abgabe, ohne uns über den Verbrauch Sorgen machen zu müssen. Preislich fällt das Gas sowieso kaum ins Gewicht für die Reisekosten dieser Tour. Etwas über 32 Dollar, also knapp 30 Euro werden für den gerade noch abgewandten Tod durch Erfrieren in der kommenden Nacht fällig.

Nachdem Motor und Heizung das Wohnmobil wieder auf eine angenehme Temperatur gebracht haben, kümmern wir uns um das Abendessen und den versprochenen Abendspaziergang!
Schon bei der Fahrt durch den Ort vorhin auf dem Weg zum Campingplatz haben wir ja beschlossen, dass Williams ein nettes Städtchen zum Bummeln sei. Aber jetzt am Abend wirkt es mit den ganzen bunten Lichtern sogar noch schöner, als vorhin bei Tageslicht! Trotz der Kälte und dem typischen Geschmack von „Schnee in der Luft“ empfängt uns so etwas wie Urlaubsfeeling am Gardasee im Sommer, als wir durch die Gassen schlendern.

Unser Wohnmobil steht übrigens fast problemlos am Bahnhof direkt in der Nähe der Gleise. Ein anderes RV Wohnmobil steht auch schon hier, da stehen wir in guter Gesellschaft. Ja, diese kleinen Orte an der Interstate, mit den typischen ein bis drei Ausfahrten, sind für einen Urlaub im Wohnmobil wirklich kein Problem. Platz findet sich eigentlich immer. Wenn nicht an zentralen Orten, dann spätestens in der nächsten Seitenstraße. Was das angeht, ist der Urlaub hier wirklich unkompliziert und überhaupt nicht damit vergleichbar, wenn man bei uns in Deutschland in die kleinen Städtchen mittelalterlichen Ausmaßes fahren muss. Das spart natürlich auch Energie, die wir nun prima für einen frischen Abendspaziergang auf der Suche nach einem guten wie kinderfreundlichen Restaurant aufwenden können. Schwierig wird es wohl nicht sein. Beim Schlendern auf der Flaniermeile wird schnell klar, dass es sich hier mit Williams wirklich um einen absoluten Touristen- Ort handelt.

Ein kleines, U- förmiges Areal mit einem nachgebauten Westernsalon, Courthouse, Sheriffs Office und hölzernen Veranden gefällt uns richtig gut! Schade, dass man hier nicht an einem der zahlreichen Tische draußen sitzen kann, die sich hier für ein paar nette Stunden zum Verweilen anbieten. Aber dafür ist es wirklich zu kalt.
Kulinarisch bietet hier aber unter anderem Rod´s Steakhouse seit 1946 leckere Steaks! Wenn der Laden sich so lange halten konnte, muss er wohl gut sein!
Spontan schauen wir rein und werden von einem freundlichen Kellner empfangen, der uns sogleich zu einem Tisch in einem ruhigeren Nebenraum geleitet. Im Hauptraum ist offenbar gerade eine Feier in vollem Gange. Im Nebenraum ist hingegen wenig los. Wir sind die einzigen Gäste und bekommen einen Platz an einem heimeligen Tisch in der Ecke.

Wir bestellen ein klassiches amerikanisches Menü. Steak mit Ofenkartoffel für Anja, eine Portion Chicken Wings für mich und Hamburger mit Pommes für die Jungs.
Das Essen ist lecker, aber nicht ganz so herausragend, wie das Steak in der Big Texan Steak Ranch in Amarillo. Die Texaner wissen einfach ein Tacken besser, wie man gutes Fleisch zubereitet. 😉

Während des Abendessens hat Schneeregen eingesetzt, dazu bläst ein weiterhin ungemütlich kalter Wind. Echt schade! Denn das abendlich beleuchtete Williams lädt ein weiteres Mal zu einem beschaulichen Spaziergang ein. Wenn es doch nur nicht so unglaublich kalt wäre!!
Damit die Jungs und Anja nicht durch den Regen zum Wohnmobil laufen müssen, sprinte ich schnell den knappen Kilometer zurück zum Bahnhof, wo das Wohnmobil steht. Dabei reicht es immerhin noch für ein paar Impressionen der wirklich wunderbaren Altstadt von Williams, wo der Spirit der Route 66 in seiner Einzigartigkeit eine neue Facette offenbart.

Auf dem Parkplatz am Bahnhof angekommen starte ich flugs unseren Bomber, dann fahre ich die paar Meter auf der Route 66 zurück, halte problemlos mit unserem fetten amerikanischen Wohnmobil stilecht mitten auf der Hauptstraße, lade die Truppe ein und satt wie zufrieden geht es zurück auf den Campingplatz.
Dort angekommen richten wir uns für eine schneereiche, kalte Nacht ein. Zum ersten Mal verbarrikadieren wir den kompletten Wohnraum und grenzen ihn mit allen Sitzpolstern zur Fahrerkabine ab. Dort zieht es unglaublich kalt bei jedem Windstoß rein, das ist wirklich eine schöne Sache. Die Heizung läuft fast durchgehend und wir sind froh, dass wir den Gastank vor der kommenden wohl kältesten Nacht auf dieser Reise nochmals richtig vollgemacht haben.
Während die Heizung das Wohnmobil langsam aufwärmt und die Kinder friedlich im Bettchen schnorcheln, ist es nach 2000 Meilen Zeit mal eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen. Etwas mehr als 2000 Meilen haben wir jetzt schon zurückgelegt. Unser Wohnmobil von Roadbear hält sich tapfer, ja, obgleich wir nicht sicher sind, ob wir es in einem Stück in Las Vegas abgeben werden. Neben dem ein oder anderen Türgummi oder auch mal einer Innenraumverkleidung haben wir einen spontanten Zuwachs an Schauben zu verzeichnen! Kleine, dicke, lange, dünne. Mal kullern sie hervor, mal spielen plötzlich die Kinder mit welchen und können nicht sagen, wo sie hergekommen sind. Ich hoffe inständig, dass es sich um bei der Montage „verlorene“ Schrauben handelt und sie nicht irgendwo an strategisch wichtigen Stellen fehlen.
Viel mehr schockt uns aber neben den Schrauben die Zahl, die mir Excel stumm wie emotionslos präsentiert. Meine müde Hoffnung noch von vor ein paar Tagen, dass der Verbrauch von über 30 Liter auf 100km nur daran lag, dass das Wohnmobil zum einen nicht vollgetankt sei und zum anderen, dass der Motor bei der Wohnmobilübernahme im Roadbear/Coachmen- Werk in Middelbury ja die ganze Zeit im Standgas lief, zerschlägt sich. Knapp 1000 Liter haben wir bereits verfahren! Das ist jetzt schon mehr, als ich normalerweise im ganzen Jahr (!) verbrauche, um mit dem Auto zur Arbeit zu fahren! Die Zahl wird aber noch gigantischer, wenn man sie in Relation zur gefahrenen Strecke setzt! Denn wir haben wirklich einen Verbrauch von ca. 30 Litern auf 100 km! Wahnsinn!

Tagesstatistik:
Meilen bei Abfahrt: 1.845,4
Meilen bei Ankunft: 2.100,0
Gefahrene Meilen: 255 = ca. 410km

Ach ja!
Bevor der Tag jetzt endet und ihr irritiert zurückbleibt… 😉
Für alle, die unbedingt wissen wollen, was in der Box mit der gefährlichen Aufschrift „Baby Rattlers“ am Jack Rabbit Trading Post enthalten war, der kann gerne den folgenden „Vorhang“ lüften und aufklappen!
Aber Vorsicht! Denkt gut nach, bevor ihr euch die Auflösung anschaut! Die Antwort könnte zum einen Teile unserer Leserinnen und Leser verwirren, gleichzeitig verdirbt sich jeder, der eine solche Tour mit dem Wohnmobil durch die USA auf der Route 66 plant und ebenfalls am Jack Rabbit Trading Post Halt machen möchte, die ultimative Überraschung!
Wir haben euch gewarnt!!

2 Kommentare

    • Hallo Petra,
      Die Reise war seinerzeit sehr umfangreich, wir kommen mit dem Einstellen in unserer privaten Zeit neben Beruf und Familie leider nicht immer so hinterher, wie wir dies selber gerne würden. Aber wir stellen nach und nach die fehlenden Reisetage ein,sobald sie fertig sind.
      Beste Grüße
      Björn

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